Myasthenia Gravis: Spezialisierte Zentren für Diagnose und Behandlung

Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche und schnelle Ermüdung gekennzeichnet ist. Die Erkrankung entsteht durch eine Störung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln. Spezialisierte Zentren bieten umfassende Diagnostik und Therapie, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung dieser Zentren und die vielfältigen Aspekte der Myasthenia gravis.

Was ist Myasthenia Gravis?

Myasthenia gravis (MG), abgeleitet von den griechischen Wörtern "mys" (Muskel), "-asthenie" (Schwäche) und dem lateinischen "gravis" (schwer), bedeutet schwere Muskelschwäche. Die Erkrankung ist durch eine asymmetrische, schmerzlose und belastungsabhängige Schwäche der Skelettmuskulatur gekennzeichnet, die sich typischerweise in Ruhe bessert. Wiederholte Bewegungen führen zu einer raschen muskulären Ermüdbarkeit.

Die Ursache der Myasthenia gravis liegt in einer Fehlregulation des Immunsystems. Es kommt zur Bildung von Antikörpern, die bestimmte Bindungsstellen an den Muskelfasern besetzen und beschädigen, was die Signalübertragung von den Nerven auf die betroffenen Muskeln stört. Bei etwa 85 % der Patienten lassen sich diese krankheitsvermittelnden Antikörper nachweisen. Der Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper ist dabei deutlich häufiger nachweisbar als der MuSK-Antikörper.

Es gibt verschiedene Beschwerdebilder bei Myasthenia gravis. Man unterscheidet zwischen der okulären und der generalisierten Verlaufsform. Die okuläre Form beschränkt sich auf die äußeren Augenmuskeln und kann zu Doppelbildern und herabhängenden Augenlidern (Ptosis) führen. Bei etwa 20 % der Betroffenen bleiben die Beschwerden auf die Augenmuskeln beschränkt, während sich bei vielen Patienten innerhalb der ersten zwei Jahre eine generalisierte Form entwickelt, die auch die Muskulatur der Extremitäten schwächen und zu bulbären Beschwerden führen kann.

Bedeutung spezialisierter Zentren

Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung, von der in Deutschland etwa 8.000 bis 12.000 Menschen betroffen sind, ist eine Betreuung in einem spezialisierten Zentrum besonders bei komplizierten Verläufen sinnvoll. Diese Zentren bieten eine umfassende und interdisziplinäre Versorgung, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten ist.

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Diagnostik in spezialisierten Zentren

Die Diagnostik in spezialisierten Zentren umfasst verschiedene Methoden, um die Myasthenia gravis sicher zu diagnostizieren und andere neuromuskuläre Erkrankungen auszuschließen. Zu den wichtigsten diagnostischen Verfahren gehören:

  • Spezifische Laboruntersuchungen: Antikörper-Testung zur Sicherung der Verdachtsdiagnose.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Dekrement-Test und Einzelfaser-EMG zur Beurteilung der neuromuskulären Funktion.
  • Pharmakologische Tests: Tensilon-Test zur Bestätigung der Diagnose.
  • Bildgebende Verfahren: CT oder MRT des Thorax zur Abklärung einer möglichen Thymuspathologie.

Therapieansätze in spezialisierten Zentren

Die Therapie der Myasthenia gravis erfolgt individualisiert und in Abhängigkeit von Verlaufsform und Schweregrad der Erkrankung. Spezialisierte Zentren bieten ein breites Spektrum an Therapieoptionen, darunter:

  • Medikamentöse Therapie:
    • Acetylcholinesterase-Hemmer zur Verbesserung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln.
    • Immunsuppressiva zur Reduzierung der Antikörperproduktion.
    • Moderne Immunmodulatoren wie Inhibitoren von Komplement C5 oder des neonatalen Fc-Rezeptors.
    • B-Zell-Immunsuppressiva bei hochaktiven Krankheitsverläufen.
  • Akuttherapie:
    • Gabe von Immunglobulinen oder Plasmapherese/Immunadsorption bei myasthener Krise.
  • Chirurgische Therapie:
    • Thymektomie (Entfernung der Thymusdrüse), insbesondere bei Vorliegen eines Thymoms.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Ein wesentlicher Vorteil spezialisierter Zentren ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen. Dazu gehören:

  • Neurologen: Für die umfassende neurologische Betreuung und Therapieplanung.
  • Thoraxchirurgen: Für die Durchführung der Thymektomie.
  • Intensivmediziner: Für die Behandlung von Patienten in der myasthenen Krise.
  • Physiotherapeuten und Logopäden: Für die unterstützende Therapie zur Verbesserung der Muskelkraft und Sprachfunktion.
  • Sozialdienst: Für die Beratung hinsichtlich der häuslichen Versorgung und Hilfsmittel.

Beispiele spezialisierter Zentren in Deutschland

Einige Beispiele für spezialisierte Zentren in Deutschland, die eine umfassende Versorgung von Myasthenia gravis-Patienten anbieten, sind:

  • Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital: Zertifiziertes integriertes Myasthenie-Zentrum mit enger Zusammenarbeit mit der Klinik für Thoraxchirurgie.
  • Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS), Homburg: Spezialisierte Versorgung mit umfassender Diagnostik und Therapie.
  • Charité, Berlin: Integriertes Myastheniezentrum mit langjähriger Erfahrung und Forschung im Bereich der Myasthenia gravis.
  • Universitätsklinikum Münster: Interdisziplinäres Myastheniezentrum mit Spezialambulanz und enger Zusammenarbeit mit Pädiatern.
  • LVR-Klinik Bonn: Zertifiziertes integriertes Myasthenie-Zentrum mit individueller Behandlung und umfassender Beratung.

Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital

Die Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, ist von der Deutschen Myasthenie Gesellschaft (DMG) als integriertes Myasthenie-Zentrum zertifiziert. Dies bestätigt eine hohe Qualität in der Versorgung von Patienten mit Myasthenia gravis. Die Klinik bietet eine umfassende Diagnostik und Behandlung nach aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien.

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Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der engen Zusammenarbeit mit der Klinik für Thoraxchirurgie am KWM-Standort Missioklinik, da der Thymus bei der Entwicklung der Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. In bestimmten Fällen kann die operative Entfernung der Thymusdrüse notwendig sein. Die regelmäßige Betreuung durch neurologische Fachärzte wird durch das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) des KWM gewährleistet.

Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS), Homburg

Die Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) bietet eine spezialisierte Versorgung für Myasthenia gravis. Die Diagnostik umfasst Blutuntersuchungen, elektrophysiologische Untersuchungen und bildgebende Verfahren. Die Therapie umfasst Medikamente, Plasmapherese, intravenöse Immunglobuline (IVIG) und Thymektomie.

Charité, Berlin

Die Myasthenie-Ambulanz der Charité ist ein von der Deutschen Myasthenie Gesellschaft (DMG) zertifiziertes interdisziplinäres Myastheniezentrum. Es bietet eine umfassende Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome. Ein Schwerpunkt liegt auf der Abklärung einer möglichen Thymuspathologie und der Festlegung eines Therapieplans gemäß der aktuellen DGN-Leitlinie. Die Klinik bietet modernste Therapieverfahren und eine enge Zusammenarbeit mit dem Bereich Thoraxchirurgie der Chirurgischen Klinik bei Thymektomie.

Universitätsklinikum Münster

Am interdisziplinären Myastheniezentrum (iMZ) des Universitätsklinikums Münster arbeiten Thoraxchirurgen, Physiotherapeuten, Logopäden und Neurologen Hand in Hand, um die Betreuung der Betroffenen zu gewährleisten. Die Pädiater sind eng in das Konzept eingebunden, um die chronisch Kranken auf ihrem Weg von der Kinder- und Jugend- in die Erwachsenenmedizin optimal zu begleiten. Neben der klinischen Versorgung wird ein wesentlicher Fokus auf die weitere Erforschung der Myasthenie gelegt.

LVR-Klinik Bonn

Die Myasthenie-Spezialambulanz der LVR-Klinik Bonn hat sich dem freiwilligen Zertifizierungsverfahrens der Deutschen Myasthenie Gesellschaft e. V. (DMG) wiederholt gestellt und darf die Auszeichnung „Integriertes Myasthenie-Zentrum“ weitere fünf Jahre tragen. Die Behandlung wird individuell je nach Verlauf der Erkrankung und unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensumstände durchgeführt. Dazu gehört eine umfassende Beratung zu verschiedenen Lebensbereichen, die von der Krankheit betroffen sein können.

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Leben mit Myasthenia Gravis

Myasthenia gravis ist eine chronische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen kann. Spezialisierte Zentren bieten nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch Unterstützung und Beratung, um den Alltag besser zu bewältigen.

Umgang mit der Erkrankung

Patienten mit Myasthenia gravis müssen lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen und ihren Lebensstil entsprechend anzupassen. Dazu gehört:

  • Regelmäßige ärztliche Kontrollen: Um den Krankheitsverlauf zu überwachen und die Therapie anzupassen.
  • Anpassung der Aktivitäten: Vermeidung von Überanstrengung und Einteilung der Kräfte.
  • Ernährung: Ausgewogene Ernährung zur Stärkung der Muskulatur.
  • Unterstützung suchen: Austausch mit anderen Betroffenen und Teilnahme an Selbsthilfegruppen.

Besondere Fragestellungen

Spezialisierte Zentren bieten auch Beratung zu besonderen Fragestellungen im Kontext mit der Myasthenie, wie z.B.:

  • Familienplanung: Frauen mit Myasthenie können in der Regel gesunde Kinder bekommen, sollten sich aber vor einer Schwangerschaft von ihrem Arzt beraten lassen.
  • Führerschein: Die Fahrtauglichkeit muss individuell beurteilt werden. Bei weitgehend beschwerdefreier Einstellung der Myasthenie ist das Führen von Kraftfahrzeugen unter Berücksichtigung der Führerscheinklasse in der Regel möglich.

Myasthene Krise

Trotz guter Behandlungsmöglichkeiten kann es bei einem Teil der Patienten zu lebensgefährlichen myasthenen Krisen kommen. Dabei handelt es sich um ein Versagen der Atmung, das durch Atem- und Schlucklähmungen bedingt sein kann. In solchen Fällen ist eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich.

Forschung und Innovation

Neben der klinischen Versorgung wird in spezialisierten Zentren auch intensiv an der Erforschung der Myasthenia gravis gearbeitet. Ziel ist es, die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen und neue Therapieverfahren zu entwickeln.

Biobanken und Register

Ein wichtiger Baustein der Forschung ist der Aufbau von Biobanken und Registern. Durch die Sammlung von Blutproben und detaillierten klinischen Informationen können die Facetten der vielfältigen Krankheit dokumentiert und die Wirkung von Therapien analysiert werden.

Klinische Studien

Spezialisierte Zentren führen auch klinische Studien durch, um neue Medikamente und Therapieverfahren zu testen. Patienten haben die Möglichkeit, an diesen Studien teilzunehmen und von den neuestenFortschritten in der Behandlung der Myasthenia gravis zu profitieren.

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