Ursachen und Behandlung von Verwirrungszuständen nach Operationen

Ein Delirium, oft als Verwirrtheitszustand nach Operationen unter Narkose bekannt, betrifft besonders ältere Menschen über 65 Jahre. Dieses Phänomen, früher als "Durchgangssyndrom" bezeichnet, wird heute von Experten als Delirium oder Delir bezeichnet. Es ist wichtig, die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten dieses Zustands zu verstehen, um die bestmögliche Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten.

Ursachen eines Deliriums nach Operationen

Ein Delirium kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, wobei operative Eingriffe unter Narkose, insbesondere bei älteren Menschen, eine wesentliche Rolle spielen. Neben der Narkose selbst können auch Medikamente und deren Wechselwirkungen ein Delirium auslösen. Schlafentzug und akute Stoffwechselstörungen sind weitere mögliche Auslöser, wodurch die genaue Abgrenzung oft schwierig ist. Zusätzliche Risikofaktoren sind Herzkreislaufstörungen, Alkoholabhängigkeit und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Die Kombination dieser Faktoren mit einer Narkose kann das Risiko eines Deliriums erheblich erhöhen.

Symptome eines Deliriums

Ein Delirium manifestiert sich durch verschiedene Anzeichen, die oft innerhalb weniger Stunden auftreten. Angehörige beschreiben die Betroffenen oft als verändert und kaum wiederzuerkennen. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Desorientiertheit: Betroffene sind räumlich und zeitlich desorientiert und wissen oft nicht, wo sie sich befinden oder welcher Tag ist.
  • Verkehrter Tag-Nacht-Rhythmus: Der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus ist gestört, was zu Schlaflosigkeit und Verwirrung führen kann.
  • Wahrnehmungsstörungen: Halluzinationen, bei denen Betroffene Dinge sehen oder hören, die nicht real sind, sind häufig. Oftmals sind diese Wahrnehmungen furchteinflößend, wie z.B. Tiere oder Schatten. Geräusche können falsch interpretiert werden.
  • Verhaltensänderungen: Betroffene können entweder übereifrig, unruhig und aggressiv sein (hyperaktives Delir) oder apathisch, schläfrig und ablehnend (hypoaktives Delir). Es gibt auch Mischformen, bei denen sich diese Zustände abwechseln.

Yvonne Schmilinsky, eine Pflegekraft und Demenzexpertin im Helios Klinikum Krefeld, betont, dass Informationen von Bezugspersonen entscheidend sind, da sie den Patienten vor dem Krankenhausaufenthalt kennen und Veränderungen besser einschätzen können.

Formen des Delirs

Es gibt verschiedene Formen des Delirs, die sich in ihren Symptomen und ihrem Erscheinungsbild unterscheiden:

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  • Hypoaktives Delir: Diese Form zeichnet sich durch Apathie, Antriebslosigkeit und Schläfrigkeit aus. Betroffene sind wenig ansprechbar und wirken in sich gekehrt. Diese Form wird oft übersehen, da die Patienten nicht "offensichtlich auffällig" sind.
  • Hyperaktives Delir: Diese Form ist durch Unruhe, Agitation und Aggressivität gekennzeichnet. Betroffene sind oft laut, ziehen an Schläuchen und versuchen, das Bett zu verlassen.
  • Mischform: Bei dieser Form wechseln sich hypoaktive und hyperaktive Phasen ab. Dies ist die häufigste Form des Delirs.

Delir und Demenz

Es ist wichtig, ein Delir von einer beginnenden Demenz zu unterscheiden. Ein Delir tritt plötzlich auf und ist oft auf einen bestimmten Auslöser zurückzuführen, während sich eine Demenz langsam entwickelt. Allerdings kann ein Delir eine bereits bestehende Demenz verschlimmern oder eine bisher unerkannte Demenz aufdecken. Studien deuten darauf hin, dass etwa 25 Prozent der Patienten ein Jahr nach einem Delir im Krankenhaus immer noch kognitive Einschränkungen haben.

Risikofaktoren für ein Delir

Mehrere Faktoren können das Risiko eines Delirs erhöhen:

  • Hohes Alter
  • Schwere Erkrankungen
  • Demenz
  • Gebrechlichkeit
  • Gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel (Polypharmazie)
  • Neue oder abgesetzte Medikamente
  • Alkoholmissbrauch
  • Niereninsuffizienz
  • Chirurgische Eingriffe
  • Infektionen
  • Flüssigkeitsmangel
  • Sehstörungen
  • Schwerhörigkeit
  • Akuter Schmerz

Je mehr Risikofaktoren ein Mensch aufweist, desto weniger Auslösefaktoren sind erforderlich, um ein Delir auszulösen.

Folgen eines unbehandelten Delirs

Wird ein Delir nicht behandelt, kann sich der Zustand der Betroffenen erheblich verschlechtern. Studien zeigen, dass die Ein-Jahres-Überlebensrate pro Delirtag um zehn Prozent sinkt. Unbehandelte Delirien können zu Komplikationen wie Stürzen, Verschlechterung des Allgemeinzustands und der Notwendigkeit einer Langzeitpflege führen.

Prävention eines Delirs

Aktive Vorsorge und frühzeitige Behandlung erster Symptome können ein Delirium verhindern oder abschwächen. Dazu gehört die Identifizierung von Risikopatienten durch sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte im Vorfeld der stationären Aufnahme. Detailliert geplante Operationen mit möglichst geringer Narkosebelastung sind ebenfalls wichtig. Angehörige können bei der Re-Orientierung helfen, indem sie Erinnerungen aufrechterhalten und Rituale von zu Hause in die Klinik übertragen. Hilfsmittel wie Brille und Hörgeräte sollten genutzt werden, und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist essentiell.

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Behandlung eines Delirs

Die Behandlung eines Delirs erfordert einen multidisziplinären Ansatz, der sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen umfasst. Da Medikamente oft nur begrenzt helfen, ist die Reorientierung des Patienten von entscheidender Bedeutung. Dies kann durch häufige Besuche von Angehörigen, die Schaffung einer vertrauten Umgebung und die Aktivierung des Patienten erreicht werden.

Weitere wichtige Maßnahmen sind:

  • Behandlung der Grunderkrankung: Die Behandlung der Ursache des Delirs, wie z.B. einer Infektion oder Stoffwechselstörung, ist entscheidend.
  • Anpassung der Medikation: Medikamente, die das Delir auslösen oder verschlimmern können, sollten reduziert oder abgesetzt werden.
  • Sicherung der Umgebung: Maßnahmen zur Sturzprävention und zur Vermeidung von Verletzungen sind wichtig.
  • Unterstützung der Angehörigen: Angehörige sollten in die Behandlung einbezogen und über das Delir aufgeklärt werden.

Maßnahmen zur Prävention in Kliniken

Krankenhäuser setzen zunehmend auf Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Delirien. Dazu gehören:

  • Delir-Screening: Regelmäßige Überprüfung der Patienten auf Anzeichen eines Delirs.
  • Multiprofessionelle Teams: Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und Angehörigen.
  • Frühzeitige Mobilisierung: Patienten sollen so schnell wie möglich wieder aktiv werden.
  • Orientierungshilfen: Bereitstellung von Uhren, Kalendern und persönlichen Gegenständen.
  • Anpassung der räumlichen Gestaltung: Farb- und Lichtkonzepte, die den Tag-Nacht-Rhythmus unterstützen.

Wachheit während der Narkose (Awareness)

Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit Operationen ist die Möglichkeit, während der Narkose wach zu sein, auch bekannt als Awareness. Obwohl dies selten vorkommt, kann es für die Betroffenen traumatisch sein.

Definition und Ursachen

Awareness bezeichnet das Phänomen, dass Patienten während einer Operation trotz Narkose Bewusstsein und Schmerzen wahrnehmen. Dies kann durch zu leichte Narkosen, unzureichende Dosierung von Anästhetika oder bestimmte Risikofaktoren begünstigt werden.

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Risikofaktoren

  • Begleiterkrankungen und eingeschränkte kardiovaskuläre Leistungsreserven
  • Chronische Schmerzzustände und Drogenabhängigkeit
  • Bestimmte Operationen, wie Kaiserschnittentbindungen und Notoperationen
  • Fehler im Narkosemanagement

Symptome und Folgen

Patienten mit Awareness können sich an Geräusche, Gespräche und sogar Schmerzen während der Operation erinnern. Dies kann zu Angstzuständen, Panikattacken und posttraumatischen Belastungsstörungen führen.

Prävention

  • Überwachung der Narkosetiefe anhand der elektrischen Hirnaktivität (EEG)
  • Vermeidung von Überdosierungen
  • Kombination von Anästhesieverfahren (z.B. regionale Anästhesie)
  • Gabe von Benzodiazepinen zur Amnesie

Behandlung

Die Behandlung von Awareness-assoziierten Störungen erfordert die Einbeziehung von Psychiatern, Psychologen und Psychotherapeuten. Frühzeitiges Erkennen und Einleiten einer psychotraumatologischen Diagnostik sind entscheidend.

Forschung zu Hirnschäden und Koma

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine verlängerte Narkose die synaptische Architektur des Gehirns verändern kann. Forscher haben eine Verbindung zwischen koma-assoziierten neurokognitiven Defiziten und Veränderungen der strukturellen Verknüpfungen des Gehirns identifiziert. Diese Erkenntnisse sind besonders wichtig für die Intensivmedizin, da sie einen physikalischen Zusammenhang zwischen kognitiver Beeinträchtigung und längerem medizinisch induziertem Koma herstellen.

Studien zum Glukoseverbrauch des Gehirns haben gezeigt, dass dieser ein Indikator für den Bewusstseinsgrad und die Wahrscheinlichkeit, wieder aufzuwachen, sein kann. Ein Glukoseverbrauch unterhalb von 42 Prozent deutet darauf hin, dass der Patient keinerlei Anzeichen von Bewusstsein zeigt und dieses in dem beobachteten Jahr auch nicht wiedererlangt.

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