Nackenschmerzen und Multiple Sklerose: Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

Nackenschmerzen sind ein weit verbreitetes Leiden, von dem etwa 7 von 10 Menschen irgendwann in ihrem Leben betroffen sind. Sie zählen zu den häufigsten Beschwerden in der orthopädischen Praxis. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2021 gaben 45 % der Befragten an, im vorangegangenen Jahr an Nackenschmerzen gelitten zu haben. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Bei Multipler Sklerose (MS) können Nackenschmerzen als direkte Folge der Erkrankung oder als indirekte Folge von MS-Symptomen auftreten. Es ist wichtig, die Ursachen der Nackenschmerzen zu verstehen, um eine geeignete Behandlung einzuleiten.

Was sind Nackenschmerzen?

Nackenschmerzen sind Schmerzen, die im Bereich des Nackens auftreten. Der Nacken besteht aus der Halswirbelsäule und den tiefen und oberflächlichen Halsmuskeln. Nackenschmerzen können vielfältige Ursachen haben. In den meisten Fällen sind sie auf harmlose Muskelverspannungen zurückzuführen, die beispielsweise durch ungünstiges Liegen im Schlaf oder langes Sitzen am PC entstehen. Stress und psychische Probleme können diese Schmerzen verstärken undChronifizierung begünstigen.

Ursachen von Nackenschmerzen

Nackenschmerzen können vielfältige Ursachen haben, die von harmlosen Muskelverspannungen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen reichen. Hier sind einige der häufigsten Ursachen:

  • Muskelverspannungen: Muskelverspannungen im Nackenbereich sind eine häufige Ursache für Nackenschmerzen. Sie können durch Stress, Fehlhaltungen, Bewegungsmangel oder Zugluft entstehen.

  • Fehlhaltungen: Eine falsche Haltung beim Sitzen, Stehen oder Schlafen kann zu einer ungleichmäßigen Belastung des Körpers führen. Diese Fehlbelastungen können Verspannungen, Schmerzen und sogar langfristige Schäden an der Wirbelsäule verursachen.

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  • Bewegungsmangel: Wenn der Nacken über lange Zeit nicht bewegt wird, kann dies zu Verspannungen und Schmerzen im Nackenbereich führen.

  • Verletzungen: Verletzungen wie Zerrungen, Verstauchungen oder Verletzungen durch Stürze oder Unfälle können direkt zu Schmerzen im Nackenbereich führen. Ein Schleudertrauma, auch als HWS-Distorsion bezeichnet, beschreibt die durch einen Unfall bzw. ein Trauma hervorgerufene Verletzung von Weichteilen im Bereich der Halswirbelsäule. Dabei kommt es häufig zu starken Muskelverspannungen und -krämpfen sowie Steil- oder anderen Fehlhaltungen des Halses.

  • Erkrankungen: Verschiedene Erkrankungen können Nackenschmerzen verursachen, darunter:

    • Bandscheibenvorfälle
    • Arthrose der Wirbelkörper und ihrer Gelenke (Facettengelenksarthrose oder Spondylarthrose)
    • Meningitis
    • Rheumatische Erkrankungen
    • Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew)
    • Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
    • Thoracic-outlet-Syndrom
    • Epiduralabszess

Nackenschmerzen und Multiple Sklerose (MS)

Bei Multipler Sklerose (MS) können Nackenschmerzen verschiedene Ursachen haben:

Direkte Folge der MS

Schmerzen bei MS können durch die neurologische Erkrankung selbst entstehen. Die MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Myelinscheiden angreift, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark umhüllen. Dies kann zu Entzündungen und Schädigungen der Nerven führen, was wiederum Schmerzen verursachen kann.

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  • Neuropathische Schmerzen: Diese Schmerzen entstehen durch eine fehlerhafte Übermittlung der Nervensignale vom und zum Gehirn und Rückenmark. Sie sind nicht auf eine augenscheinliche Verletzung des Körpers zurückzuführen, sondern sind die Folge einer Schädigung auf neuronaler Ebene durch MS und des allmählichen Abbaus der Myelinscheide.
    • Dysästhetische Schmerzen: Sie werden als konstante, brennende Schmerzen beschrieben, die ohne externe Reize auftreten. Davon sind besonders die Beine und Füße betroffen.
    • Trigeminusneuralgie: Eine Schädigung des Trigeminusnervs durch MS führt zu intensiven Schmerzen in Augen, dem Kiefer, der Stirn, an der Kopfhaut, den Lippen, der Nase und an beiden Seiten des Gesichts.
    • Lhermitte-Zeichen: Dies ist ein schmerzhaftes Zeichen, welches häufig bei MS auftritt. Es handelt sich um ein elektrisierendes Gefühl, das vom Nacken ausgehend entlang der Wirbelsäule nach unten zieht, häufig ausgelöst durch Beugung des Nackens.
    • Schmerzen im Zusammenhang mit Optikusneuritis: Optikusneuritis, die mit MS in Verbindung gebracht wird, wird durch eine Entzündung des Sehnervs ausgelöst und führt zu Sehstörungen (verschwommene Sicht, Doppeltsehen etc.).

Indirekte Folge von MS-Symptomen

Nackenschmerzen können auch als indirekte Folge von MS-Symptomen auftreten.

  • Muskelschmerzen: Veränderungen des Bewegungsapparates, die durch MS verursacht werden, können zu Muskelschmerzen führen. Durch das Einnehmen von unangenehmen Körperpositionen aufgrund von Gleichgewichtsstörungen, Muskelsteifheit, fehlender Koordination in Armen und Beinen oder anderen Veränderungen kann es zu einer Überlastung der Bein- oder Rückenmuskeln und somit zu Schmerzen kommen.

  • Schmerzhafte tonische Krämpfe: Krämpfe infolge von Spastik sind eine der häufigsten Beschwerden, unter denen MS-Patienten leiden. Tonische Krämpfe, welche unerwartet auftreten, sind charakteristische Spasmen dieser Erkrankung.

  • Fehlhaltungen: Rückenschmerzen oder Nackenschmerzen sind häufige Symptome bei Multipler Sklerose (MS). Grund dafür ist vermutlich eine Fehlhaltung, die durch einseitige Belastungen aufgrund von Gleichgewichtsstörungen entsteht. Ein Rundrücken, auch als Hyperkyphose bezeichnet, führt zu einer Fehlhaltung der Wirbelsäule. Um den Blick geradeaus zu gewährleisten, muss der Kopf aufgerichtet werden, wobei die Halswirbelsäule in einem starken belastenden Winkel geknickt wird. Damit diese Position aufrechterhalten werden kann, besteht eine dauerhafte erhöhte Anspannung der Rücken- und Nackenmuskulatur. In der Folge kommt es zu Muskelverspannungen und -verhärtungen, was sich wiederum in Nackenschmerzen äußert.

Diagnose von Nackenschmerzen

Die Diagnose von Nackenschmerzen umfasst in der Regel die folgenden Schritte:

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  1. Anamnese (Arzt-Patienten-Gespräch): Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der Dauer, Intensität und Lokalisation der Schmerzen sowie möglicher Auslöser. Um innere Erkrankungen, Infektionen oder Krebserkrankungen nicht zu übersehen, fragt der Arzt nach vorangegangenem Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Auftreten von Fieber. Wichtig ist auch, ob der Patient regelmäßig Medikamente einnimmt: Eine langfristige Kortisontherapie kann z. B. die Knochenstruktur schwächen (Osteoporose).

  2. Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Körperhaltung des Patienten und sucht nach Anzeichen für Verspannungen, Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen. Außerdem führt er eine Reihe von Tests zur Überprüfung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule durch. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Untersuchung der Funktion der Nerven, die die Arme versorgen.

  3. Bildgebende Verfahren: In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie) erforderlich sein, um die Ursache der Nackenschmerzen zu ermitteln.

    • Röntgenaufnahmen: Sie sind ratsam, wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum bestehen und nicht auf konservative Therapien ansprechen. Im Röntgen können beispielsweise Verschleißerscheinungen der Zwischenwirbelgelenke, sowie eine Abflachung der Bandscheiben durch eine verringerte Aussparung zwischen den Wirbelkörpern dargestellt werden. Auch ein verengter Nervenkanal kann im Röntgen beurteilt werden.
    • MRT: Die Durchführung einer MRT erfolgt vor allem beim Verdacht auf eine Schädigung von Weichteilen. Im MRT kann beispielsweise das Rückenmark und die heraustretenden Nerven gut dargestellt und beurteilt werden. Daher wird das MRT als wichtigstes bildgebendes Verfahren beim Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall durchgeführt. Des Weiteren können entzündliche Prozesse gut dargestellt werden, beispielsweise bei einer Entzündung im Bereich der Nackenmuskeln oder Sehnen. Auch die Zwischenwirbelgelenke können bei einer Entzündung gut im MRT dargestellt werden.
    • Ultraschall: Bei Nackenschmerzen in Kombination mit Schwindel kann beispielsweise die Reizung einer oder seltener auch beider Arteriae vertebralis, also der Wirbelarterien, vorliegen. Die Gegebenheiten der Gefäße, sowie mögliche Verstopfungen oder die Flussgeschwindigkeit können entsprechend im Ultraschall beurteilt werden.

Behandlung von Nackenschmerzen

Die Behandlung von Nackenschmerzen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. In vielen Fällen können unspezifische Nackenschmerzen ohne krankhafte Ursache vom Patienten selbst behandelt werden. Bei spezifischen Nackenschmerzen ist eine Behandlung der Ursache erforderlich.

Konservative Behandlung

  • Wärme: Wärme ist ein effektives Hausmittel gegen Nackenschmerzen. Körnerkissen, Wärmepflaster, Tigerbalsam oder ein heißes Bad entspannen die Muskulatur. Durch die gefäßerweiternde Wirkung von Wärme werden die Muskeln besser durchblutet. Wenn vorhanden, kann man den Nacken auch mit einer Infrarotleuchte bestrahlen.
  • Kälte: Ist die Schmerzursache nervenbedingt, hilft eher Kälte. Kälte hemmt die Durchblutung, wodurch der Schmerzreiz nicht so intensiv weitergeleitet wird. Auch entzündlich bedingte Nackenschmerzen sollten Sie eher kühlen.
  • Bewegung: Stellen Sie Ihren Nacken nicht ruhig, auch wenn er schmerzt. Leichte Bewegung ist deshalb empfehlenswert, auch spezielle Übungen gegen Nackenverspannungen können helfen.
  • Schmerzmittel: Starke Schmerzen werden durch NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac gelindert. Sie dürfen jedoch aufgrund der Gefahr von Nebenwirkungen nur kurzfristig über wenige Tage angewendet werden. Bei stärkeren oder chronischen Schmerzen kann der Einsatz von Metamizol in Betracht gezogen werden.
  • Muskelrelaxanzien: Muskelrelaxanzien sind zur Behandlung von Nackenschmerzen umstritten. Bevor man sie in Eigenregie einnimmt, sollte man dazu seinen Hausarzt oder seinen Orthopäden befragen.
  • Physiotherapie: Spezielle Physiotherapie kann bei Nackenschmerzen helfen, die durch Muskelverspannungen, Fehlhaltungen oder Verletzungen verursacht werden. Krankengymnastik oder Kälte-/Wärmebehandlungen sowie moderate Sportübungen etc. können dazu beitragen, Muskelprobleme zu verbessern.
  • Osteopathie: Das Hauptziel der Osteopathie ist es, die Ursachen der Blockaden durch sanfte Methoden zu behandeln. Es handelt sich um eine manuelle Therapie, bei der der Osteopath einzig mit den Händen arbeitet, um so eine sanfte aber effektive Behandlung durchzuführen. Bei Nackenschmerzen wird vor allem der Kaumuskulatur, der Schulter-Nacken-Muskulatur und der kleinen Nackenmuskeln besondere Bedeutung beigemessen.
  • Kinesiotaping: Die Verwendung von Kinesiotapes ist eine sinnvolle Maßnahme, um vor allem bei längerfristig bestehenden Nackenschmerzen für eine Linderung der Beschwerden zu sorgen. Dabei wird durch den Zug bei Bewegungen die Durchblutung, sowie der Lymphfluss im Bereich des Nackens gefördert.
  • Triggerpunkt-Akupunktur: Die Triggerpunkt-Akupunktur stellt ein wichtiges Verfahren da, das vor allem bei langfristig bestehenden Beschwerden und Schmerzen im Bereich des Nackens zum Einsatz kommt. eingesetzt, da durch die Akupunktur die Durchblutung der Muskeln gefördert wird, wodurch eine Entspannung erzielt werden soll.

Interventionelle Schmerztherapie

Mithilfe der interventionellen Schmerztherapie lassen sich Spondylarthrose oder Gleitwirbel behandeln. Von Injektionstherapien (Quaddeln) wird bei unspezifischen Nackenschmerzen abgeraten.

Psychologische Behandlung

Treten unspezifische Nackenschmerzen immer wieder auf, stecken manchmal Depressionen, Stress oder Angststörungen dahinter. In diesen Fällen kann eine Verhaltenstherapie helfen. Auch Bewegungstherapien können bei chronischen unspezifischen Nackenschmerzen nützlich sein. Dazu gehören z. B. Entspannungsmethoden, Atemübungen oder Qigong.

Spezifische Behandlungen bei MS

Bei Nackenschmerzen im Rahmen eines MS-Schubs kann eine Therapie mit Cortison durchgeführt werden. Verhaltenstherapie kann eine geeignete Alternative für MS-Patienten darstellen. Die Therapien zielen darauf ab, die psychologischen Veränderungen der Multiplen Sklerose zu behandeln, welche nachweislich ebenso eine große Rolle spielen wie die körperlichen Veränderungen.

Was können Sie selbst tun?

  • Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann helfen, die Nackenmuskulatur zu stärken und Verspannungen vorzubeugen. Aerobe Übungen (z. B. Walking, Joggen, Schwimmen) und spezielle Übungen zur Kräftigung und Dehnung der Nackenmuskulatur sind empfehlenswert.
  • Ergonomischer Arbeitsplatz: Achten Sie auf einen ergonomischen Arbeitsplatz, um Fehlhaltungen zu vermeiden. Stellen Sie sicher, dass Ihr Bildschirm auf Augenhöhe ist und Sie eine gute Sitzhaltung einnehmen.
  • Stressmanagement: Stress kann zu Muskelverspannungen führen. Erlernen Sie Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder progressive Muskelentspannung, um Stress abzubauen.
  • Schlafposition: Achten Sie auf eine gute Schlafposition, um Nackenschmerzen vorzubeugen. Optimalerweise bildet der Rücken im Liegen eine gerade Linie von der Halswirbelsäule bis zur Lendenwirbelsäule. Das Kopfkissen verhindert ein Abknicken des Kopfes.
  • Vermeiden Sie Zugluft: Schützen Sie Ihren Nacken vor Zugluft, um Muskelverspannungen zu vermeiden.

Wann sollten Sie einen Arzt aufsuchen?

Sie sollten einen Arzt aufsuchen, wenn:

  • Die Nackenschmerzen sehr stark sind oder über einen längeren Zeitraum anhalten.
  • Die Nackenschmerzen von anderen Symptomen wie Kopfschmerzen, Nackensteife, Taubheitsgefühlen in Fingern oder Händen begleitet werden.
  • Die Nackenschmerzen nach einem Unfall auftreten.
  • Die Nackenschmerzen mit Schluckbeschwerden einhergehen.
  • Die Nackenschmerzen trotz Selbstbehandlung nicht besser werden.

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