Die Verbindung zwischen Nase und Gehirn: Ein direkter Draht zum Wohlbefinden

Die Nase, oft unterschätzt, ist viel mehr als nur ein Organ zum Atmen und Riechen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass es eine direkte Verbindung zwischen der Nase und dem Gehirn gibt, die eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden spielt. Diese Verbindung, die sogenannte Nasen-Hirn-Achse (NBA), eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis und die Behandlung verschiedener Erkrankungen, von Adipositas bis hin zu neurologischen Störungen.

Die Nasen-Hirn-Achse: Eine Autobahn für Informationen

Die Nasen-Hirn-Achse (NBA) steht für den Zusammenhang und wechselseitigen Einfluss der Nase auf das Gehirn. Die Riechschleimhaut befindet sich an den oberen Teilen der Nasenscheidewand sowie an der oberen und obersten (sofern vorhanden) Nasenmuschel. Von dort aus gelangen die Riechfäden über die Lamina cribrosa des Siebbeins zum Bulbus olfactorius, wo die neuronale Weiterleitung ins Gehirn und im Weiteren an den Riechkortex erfolgt. Wie der Name der Lamina cribrosaoder Siebplatte schon sagt, ist sie mit Löchern durchsiebt und erlaubt hier einen fast nahtlosen Übergang zwischen Nase und Gehirn.

Diese direkte Verbindung ermöglicht es, dass Substanzen, die in die Nase gelangen, schnell und effizient ins Gehirn transportiert werden können. Dies hat wichtige Implikationen für die Verabreichung von Medikamenten, insbesondere bei Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS).

Der Geruchssinn und das Sättigungsgefühl: Eine neue Perspektive auf Adipositas

Eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung hat bei Mäusen eine direkte Verbindung von der Nase zu bestimmten Nervenzellen im Gehirn entdeckt. Diese Nervenzellen werden durch den Geruch von Nahrung aktiviert und lösen ein Sättigungsgefühl aus. Mithilfe von Gehirnscans untersuchten die Forschenden, welche Regionen im Gehirn der Mäuse auf Futtergerüche reagieren. Dabei konnten sie eine neue Gruppe von Nervenzellen in dem medialen Septum identifizieren. Diese Nervenzellen reagieren in zwei Schritten auf Nahrung: Wenn die Maus Nahrung riecht, werden die Nervenzellen aktiv und erzeugen ein Sättigungsgefühl. Dies geschieht innerhalb weniger Sekunden, da sie direkt mit dem olfaktorischen Bulbus (Riechkolben) verbunden sind. Dabei reagieren die Nervenzellen ausschließlich auf verschiedene Futtergerüche. Sobald die Mäuse zu essen begannen, wurden die Nervenzellen im zweiten Schritt gehemmt. Insgesamt aßen die Mäuse weniger, wenn die Nervenzellen vor dem Essen aktiv waren.

Interessanterweise wurde bei fettleibigen Mäusen dieselbe Gruppe von Nervenzellen nicht aktiviert, wenn die Tiere Nahrung rochen. Die Mäuse fühlten sich nicht satter und aßen insgesamt nicht weniger. Es ist bereits bekannt, dass Adipositas den Geruchssinn beeinträchtigt, was sich auch auf die Aktivität der Nervenzellen im olfaktorischen Bulbus auswirkt. Auch die neu identifizierte Gruppe von Nervenzellen könnte davon betroffen sein.

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Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, den Geruchssinn bei der Appetitregulierung und der Entstehung von Fettleibigkeit zu berücksichtigen. Die Studie zeigt, wie stark unsere täglichen Essgewohnheiten durch den Geruch von Lebensmitteln beeinflusst werden. Die Entdeckung könnte darauf hindeuten, dass bei der Behandlung von Übergewicht der Umgang mit Gerüchen vor dem Essen je nach Gewicht unterschiedlich gestaltet werden müsste.

Janice Bulk, Erstautorin der Studie, erklärt: „Wir glauben, dass dieser Mechanismus den Mäusen in freier Wildbahn dabei hilft, sich vor Raubtieren zu schützen. Indem sie kürzer fressen, verringern sie die Wahrscheinlichkeit, gefangen zu werden.“

Die Rolle der Duftstoffrezeptoren: Wie wir riechen

Die Evolution hat sich während der Entwicklung des Menschen für das Sehen und weniger für das Riechen entschieden. Nichtsdestotrotz ist auch die menschliche Nase ein tausendfacher Geruchsfänger und imstande, höchst komplexe Duftmischungen wahrzunehmen. Was auf molekularer Ebene geschieht, wenn wir riechen, ist nach wie vor ein Rätsel. Eine Schlüsselrolle scheinen die Duftstoffrezeptoren zu spielen. Sie sitzen in den Membranen von Sinneshärchen, die gebündelt zu einem Schopf aus dem Riechepithel der Nase herausragen.

Die Riechzellen in der Nase sind die erste Ebene des Riechsystems. Riechzellen detektieren Duftstoffe in der Atemluft, und sie erzeugen elektrische Signale, die das Gehirn zur Geruchswahrnehmung verwenden kann. Das Riechepithel ist der einzige Ort des Körpers, wo Neurone durch die Oberfläche hindurch zur Außenwelt gelangen: Die Riechzellen (olfaktorische Rezeptorneurone) schieben dazu ihre Dendriten (kurze Fortsätze) bis zur Gewebeoberfläche und strecken einen Schopf feiner Sinneshärchen, sogenannte chemosensorische Cilien, aus der Oberfläche heraus. An diese feinen Härchen binden Duftstoffe, wodurch eine Reaktionskette ausgelöst wird, die letztlich zu einem elektrischen Signal führt. Über die langen Fortsätze (Axone) der Riechzellen werden die elektrischen Signale an die erste Verarbeitungsstelle im Gehirn geleitet. Das ist der Riechkolben oder „Bulbus olfactorius“.

In die Membran der Cilien von Riechzellen sind spezielle Rezeptorproteine eingelagert. Damit werden Duftstoffe detektiert: Die Duftstoffe binden an die Rezeptoren und aktivieren die Riechzelle. Eine Ratte verfügt über 1200 verschiedene Rezeptorproteine, Hunde besitzen 900 und Menschen 380.

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Neue Wege für die Medikamentenverabreichung: Der N2B-Patch

Ein internationales Konsortium hat die Machbarkeit eines nasalen Verabreichungssystems für Biopharmazeutika über die Riechschleimhaut, die Regio olfactoria gezeigt. Im Gegensatz zu einer Behandlung per Nasenspray, das über das respiratorische Epithel wirkt, oder einer intravenösen Injektion direkt in die Blutbahn, könnte dieser innovative »Nose-to-Brain«-Ansatz einem Wirkstoff ermöglichen, den Weg über das Blut zu umgehen und direkt ins Gehirn zu gelangen. Denn dieses ist nur durch das gelochte Siebbein und wenige zusätzliche Zellschichten von der Nasenhöhle getrennt, sodass die Arzneimittel diese Barriere einfach durchdringen und das ZNS auf kurzer Distanz direkt erreichen können.

Mit dem neuen System könnte es möglich sein, den Wirkstoff in einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen kontinuierlich und zuverlässig an das Gehirn zu verabrereichen. Danach muss erneut eine Anwendung erfolgen. Da das System für den Patienten gut verträglich ist, ist eine wiederholte Anwendung möglich, und es könnte somit auch zur Langzeitbehandlung oder sogar für eine lebenslange Behandlung geeignet sein. Das System kann nicht selbst, sondern muss durch eine Ärztin oder einen Arzt, bzw. von geschultem Personal angewendet werden, das über entsprechendes Geschick und Erfahrung verfügt, angewendet werden.

Das in Zusammenarbeit mit der Beiter GmbH & Co. KG entwickelte und mittels in-vivo-Modellen getestete System ist in der Anwendung so schonend, dass das Riechen in keinster Weise beeinträchtigt wird und auch keine Krankheitskeime in die Nase gelangen können. Zudem wurden generell keine Auswirkungen auf das nasale Mikrobiom beobachtet. Präklinische und Mikrobiom-Studien haben dies gezeigt.

Da das neuartige System flexibel gestaltet ist, könnte das Verfahren zukünftig auch als potentielle Plattformtechnologie für andere Erkrankungen des ZNS eingesetzt werden - etwa zur Therapie von Schlaganfällen und Alzheimer - oder auch spezifischen Krebserkrankungen.

Neuropeptide und die Behandlung von Hirnerkrankungen

Jan Born und seine Kollegen von der Universität Lübeck haben festgestellt, dass bestimmte Makromoleküle, so genannte Neuropeptide, über die Nase ins Hirn gelangen, wenn sie in Form von Nasenspray verabreicht werden. Bislang können Neuropeptide, von denen Ärzte sich Hilfe gegen eine ganze Reihe von Hirnerkrankungen wie beispielsweise Parkinson oder Alzheimer versprechen, kaum eingesetzt werden, da sie, falls sie in größerer Menge ins Blut gelangen, im Körper starke Nebenwirkungen verursachen. Aus der Nase jedoch wandern die Substanzen, die vom Abwehrsystem der Nasenschleimhaut nicht als körperfremd erkannt werden, vermutlich durch Diffusion direkt in die Gehirnflüssigkeit.

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Die menschliche Nase: Mehr als nur ein Riechorgan

Auch die Nase des Menschen ist ein leistungsfähiges Sinnesorgan, das höchst komplexe Duftmischungen erkennen und zum Gehirn weiterleiten kann. Was auf molekularer Ebene geschieht, wenn Menschen und andere Säugetiere riechen, ist in den vergangenen 20 Jahren vor allem an Ratten und Mäusen erforscht worden. Diese Tiere haben ein ausgezeichnetes Riechvermögen, und sie können sowohl mit molekularbiologischen als auch mit verhaltensbiologischen Methoden untersucht werden.

Fazit

Die Verbindung zwischen Nase und Gehirn ist ein faszinierendes Forschungsgebiet, das unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit revolutionieren könnte. Die Entdeckung der Nasen-Hirn-Achse eröffnet neue Möglichkeiten für die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems, während die Erforschung des Geruchssinns neue Einblicke in die Regulation von Appetit und Gewicht liefern könnte. Die Entwicklung neuer Medikamentenverabreichungssysteme, die die Nasen-Hirn-Achse nutzen, könnte in Zukunft eine schonendere und effektivere Behandlung von Hirnerkrankungen ermöglichen.

Es bleibt spannend zu sehen, welche weiteren Erkenntnisse die Forschung in diesem Bereich in den kommenden Jahren bringen wird.

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