Kribbeln im Bein, oft begleitet von Taubheitsgefühlen, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Viele Menschen erleben es als vorübergehende Beschwerde, die nach kurzer Zeit von selbst wieder verschwindet. Doch wenn das Kribbeln anhält, häufig auftritt oder von weiteren Symptomen begleitet wird, sollte man die Ursache ärztlich abklären lassen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen für Kribbeln im Bein, insbesondere im Zusammenhang mit einem eingeklemmten Nerv, und gibt Empfehlungen zu Diagnose und Behandlung.
Definition: Nervus cutaneus femoris lateralis
Der Nervus cutaneus femoris lateralis, wörtlich übersetzt "seitlicher Hautnerv des Oberschenkels", ist ein sensibler Nerv, der Informationen über Berührung, Schmerz und Temperatur vom seitlichen und vorderen Oberschenkel zum Gehirn weiterleitet. Eine Schädigung dieses Nervs, meist durch Druck oder Einklemmung, kann zu Missempfindungen im Versorgungsgebiet führen.
Symptome: Kribbeln, Schmerzen und Taubheit
Typische Symptome einer Nervenschädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis sind Beschwerden an der Vorder- bzw. Außenseite des Oberschenkels. Patienten berichten häufig von:
- Kribbeln
- Brennenden Schmerzen
- Missempfindungen
- Taubheit
Meist ist nur eine Körperseite betroffen. Die Symptome können sich verstärken, wenn der Druck auf den Nerv zunimmt, beispielsweise beim Tragen enger Hosen oder in der Schwangerschaft. Auch Streckbewegungen im Hüftgelenk, langes Stehen oder Gehen sowie langes Liegen mit gestrecktem Bein können die Beschwerden verstärken.
Ursachen: Einklemmung, anatomische Faktoren und mehr
Die häufigste Ursache für eine Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis ist eine Einklemmung (Kompression) im Bereich des Leistenbandes, auch Meralgia paraesthetica genannt. Dabei spielt oft eine ungünstige Anatomie eine Rolle. In seltenen Fällen sind Knochenwucherungen, krankhafte Veränderungen oder Verletzungen die Ursache. Auch eine Nervenschädigung durch Diabetes kann in Frage kommen, betrifft aber meist mehrere Nerven gleichzeitig.
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Risikofaktoren:
- Enge Hosen ("Jeanskrankheit")
- Schwangerschaft
- Übergewicht
- Fahrradfahren, langes Laufen oder ähnliche körperliche Anstrengung
- Bettlägerigkeit
- Diabetische Polyneuropathie
- Erkrankungen im Bauchraum
Weitere Ursachen für Kribbeln im Bein
Neben der Meralgia paraesthetica gibt es noch weitere Ursachen für Kribbeln im Bein:
- Polyneuropathie: Schädigung der peripheren Nerven, oft durch Diabetes oder Alkoholmissbrauch, mit Kribbeln, Taubheit und Schmerzen in Füßen und Beinen.
- Restless-Legs-Syndrom (RLS): Unangenehmes Kribbeln, Ziehen und Brennen in den Beinen, vor allem in Ruhe und nachts, verbunden mit einem starken Bewegungsdrang.
- Multiple Sklerose (MS): Chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die auch Kribbeln und Taubheitsgefühle verursachen kann.
- Bandscheibenvorfall: Austritt von Bandscheibengewebe, das auf Nervenwurzeln drückt und Schmerzen, Kribbeln und Lähmungserscheinungen verursachen kann.
- Karpaltunnelsyndrom: Einklemmung des Mittelhandnervs im Karpaltunnel des Handgelenks, die zu Kribbeln in Fingern und Händen führt.
- Ulnartunnel- und Ulnarrinnensyndrom: Druck auf den Ellennerv im Bereich des Ellenbogens oder Handgelenks, der Taubheitsgefühle in Fingern verursacht.
- Spinalkanalstenose: Verengung des Wirbelkanals, die auf Nervenbahnen drückt und Schmerzen, Kribbeln und Taubheitsgefühle in Beinen verursachen kann.
- Durchblutungsstörungen: Schlaganfall oder periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) können zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen führen.
- Psychische Störungen: Angst-/Panikattacken, Hyperventilationssyndrom und somatoforme Störungen können Missempfindungen wie Kribbeln verursachen.
- Medikamente und Umweltgifte: Vergiftungen mit Schwermetallen oder Nebenwirkungen bestimmter Medikamente können zu Missempfindungen führen.
- Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B12 kann die Symptome von Empfindungsstörungen auslösen.
- Hexenschuss (Lumbalgie): Plötzlich auftretende Schmerzen im unteren Rücken, die in angrenzende Regionen ausstrahlen können.
- Ischialgie: Reizung des Ischiasnervs, die zu Schmerzen, Kribbeln und Taubheitsgefühlen im Bein führen kann.
- Schwangerschaft: Veränderte Körperhaltung, Unbeweglichkeit und Druck auf Nerven können zu Rückenschmerzen und Ischialgie führen.
- Muskelverspannungen: Verspannungen im Rücken, Gesäß oder Oberschenkel können auf Nerven drücken und Kribbeln verursachen.
- Eingeschlafene Gliedmaßen: Durch Druck auf Nerven und Gefäße kann es zu Taubheitsgefühlen und Kribbeln kommen.
- Tarsaltunnelsyndrom: Einengung des Schienbeinnervs im Tarsalkanal des Fußes, die zu Taubheitsgefühl, Kribbeln und Schmerzen am inneren Fußrand führt.
- Schlaffe Lähmung: Bestimmte Nervenerkrankungen können zu einer schlaffen Lähmung führen und mit Kribbeln und/oder Taubheitsgefühl in den Beinen einhergehen.
- Einengung des Wirbelkanals: Die Spinalkanalstenose kann die gleichen Beschwerden wie ein Bandscheibenvorfall hervorrufen.
- Pantothensäuremangel: Das Vitamin Pantothensäure ist in fast allen Lebensmitteln enthalten, weshalb ein Mangel selten auftritt. Wenn das aber doch passiert, äußert sich der Mangel unter anderem in Magen-Darm-Störungen, Kopfschmerzen, Taubheitsgefühl sowie Kribbeln und stechenden Schmerzen in den Füßen.
- Metatarsalgie: Der Begriff bezeichnet belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des Mittelfußes, die auf eine Überlastung des Mittelfußes zurückzuführen sind, etwa bei Spreizfuß oder Ballenzehe (Hallux valgus).
- Krampfadern (Varizen): Schweregefühl, Schmerzen, Jucken und/oder Kribbeln im Bein - genauer im Unterschenkel - können durch Krampfadern bedingt sein.
- Alkoholmissbrauch: Die Abbauprodukte von Alkohol sind „giftig“ für unsere Nerven und können Taubheitsgefühle und Kribbeln auslösen.
- Ansteckungskrankheiten: Virale Infektionen wie Masern, Mumps oder die von Zecken übertragenen Erkrankungen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) sowie Borreliose können Entzündungen im zentralen Nervensystem auslösen, woraus möglicherweise Empfindungsstörungen resultieren.
- Schlaganfall: Ein Schlaganfall führt unter Umständen zu Empfindungsstörungen auf einer Körperseite, da bestimmte Bereiche im Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.
- Diabetes Typ 1 und 2: Hervorgerufen durch einen dauerhaft erhöhten Zuckerspiegel kann eine sogenannte diabetische Neuropathie (Schädigung der Nerven) entstehen.
- Piriformis-Syndrom: Verkrampfung des Piriformismuskels, der auf den Ischiasnerv drückt und Schmerzen bis ins Bein ausstrahlen lässt.
- Fehlhaltung: Eine falsche Körperhaltung kann zu Muskelverspannungen und Druck auf Nerven führen.
- Rückenmarksverletzung: Eine Verletzung des Rückenmarks kann zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen oder Schmerzen im Oberschenkel bzw. Bein führen.
- Guillain-Barré-Syndrom: Seltene Autoimmunerkrankung, die zu einer Schädigung der peripheren Nerven und Taubheitsgefühlen führt.
Diagnose: Arztgespräch und gezielte Untersuchung
Zur Diagnose genügt oft ein Arztgespräch in Verbindung mit einer gezielten Untersuchung. Taubheit und Schmerzen im betroffenen Hautbereich sind wegweisend. Ein Beklopfen bestimmter Hautbereiche kann Schmerzen hervorrufen (Hoffmann-Tinel-Zeichen). Die Funktion der Muskeln ist in der Regel nicht beeinträchtigt.
Weitere Untersuchungsmethoden:
- Spritzen eines Medikaments zur örtlichen Betäubung an der Durchtrittsstelle des Nervs (Schmerzlinderung spricht für eine Meralgia paraesthetica)
- Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Neurografie)
- Ultraschall
- MRT (Magnetresonanztomographie)
- Spezielle Hirnstrommessung (evozierte Potenziale)
- Bluttests (Blutzuckerspiegel, Vitamine, Mineralstoffe, Entzündungswerte)
Behandlung: Konservativ oder operativ
Nicht immer ist eine Behandlung notwendig. Bei einem Viertel der Betroffenen bessern sich die Beschwerden spontan.
Konservative Behandlung:
- Physiotherapie zur Linderung der Beschwerden
- Schmerztherapie bei neuropathischen Schmerzen
- Medikamente zur örtlichen Betäubung (Infiltration)
- Kortison
- Vermeidung enger Hosen
- Vermeidung von Streckbewegungen im Hüftgelenk
- Gewichtsreduktion
Operation:
Eine Operation wird nur selten in Betracht gezogen, wenn die Beschwerden sehr stark sind oder nicht auf andere Behandlungsversuche ansprechen.
- Operative Beseitigung aller einengenden Strukturen (Dekompression) und Freilegung des Nerven (Neurolyse)
- Durchtrennung des Nerven (Neurektomie) und gezielte Abtragung von Nervengewebe (letzter Ausweg, führt zu dauerhaftem Verlust des Empfindungsvermögens)
Was Sie selbst tun können
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung, um die Muskulatur zu lockern und die Durchblutung zu fördern.
- Ernährung: Vitaminreiche und ausgewogene Ernährung, um das Nervensystem mit den richtigen Nährstoffen zu versorgen.
- Stressabbau: Stress kann Verspannungen verstärken, daher ist es wichtig, Stress abzubauen, zum Beispiel durch Sport, Yoga oder Meditation.
- Ergonomie: Achten Sie auf eine rückenschonende Arbeitsweise und eine gute Körperhaltung.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Vermeiden Sie enge Kleidung, Übergewicht und langes Sitzen in ungünstigen Positionen.
- Wärme- oder Kälteanwendungen: Je nach Ursache der Beschwerden können Wärme- oder Kälteanwendungen zur Linderung beitragen.
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