Ein eingeklemmter Nerv im Finger kann eine Vielzahl von unangenehmen Symptomen verursachen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte eines eingeklemmten Nervs im Finger, einschliesslich der Symptome, Ursachen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Dabei werden sowohl das Karpaltunnelsyndrom als auch das Kubitaltunnelsyndrom betrachtet, da diese häufig mit Nervenkompressionen in Verbindung stehen.
Einführung
Ein eingeklemmter Nerv im Finger, oft als Druckschaden an Nerven bezeichnet, kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden. Medizinisch gesehen handelt es sich fast nie um einen tatsächlich "eingeklemmten" Nerv, sondern eher um eine Druckschädigung. Diese Druckschäden können unterschiedliche Nerven betreffen, wobei der Karpaltunnel am Handgelenk und der Ellennerv am Ellenbogen häufig betroffen sind. Die Symptome reichen von Schmerzen und Kribbeln bis hin zu Taubheitsgefühlen und Muskelschwäche. Es ist wichtig, die Symptome frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.
Karpaltunnelsyndrom
Ursachen und Entstehung
Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist eine weit verbreitete Erkrankung, die durch eine Einengung des Mittelarmnervs (Nervus medianus) im Karpaltunnel verursacht wird. Dieser Tunnel befindet sich auf der Innenseite des Handgelenks und wird von den Handwurzelknochen und dem Karpalband (Retinaculum musculorum flexorum manus) gebildet. Der Nervus medianus versorgt den Daumen sowie Teile des Zeige- und Mittelfingers.
Die Ursachen für die Einengung des Nervs können vielfältig sein. Häufig verdicken sich im Laufe des Lebens die Sehnenscheiden der Beugesehnen oder das Karpalband selbst, was zu einer Druckerhöhung im Tunnel führt. Einige Grunderkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Diabetes mellitus treten häufig gemeinsam mit dem KTS auf. Verletzungen wie Speichenbrüche oder Handwurzelknochenbrüche können ebenfalls zu Veränderungen der knöchernen Strukturen führen und das Syndrom begünstigen. Auch chronische Entzündungen und Arthrose des Handgelenks können eine Rolle spielen.
Bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines KTS. Dazu gehören:
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- Alter: Das KTS tritt am häufigsten im Alter von 40 bis 70 Jahren auf.
- Geschlecht: Frauen sind häufiger betroffen als Männer, besonders ab dem 35. Lebensjahr.
- Berufliche Tätigkeit: Tätigkeiten, die ein dauerhaft wiederkehrendes Abknicken des Handgelenks erfordern, erhöhen das Risiko.
Es ist wichtig zu beachten, dass normale Alltagsaktivitäten wie die Bedienung eines Computers oder sportliche Betätigungen nicht zwangsläufig das Risiko erhöhen.
Symptome
Die Symptome des Karpaltunnelsyndroms können vielfältig sein und variieren je nach Stadium der Erkrankung. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Handschmerzen: Vor allem im Bereich von Daumen, Zeige- und Mittelfinger.
- Taubheitsgefühl: Ein pelziges Gefühl oder Taubheit in den Fingern, besonders nachts.
- Kribbeln: Ein Kribbeln in den Fingern, ähnlich wie bei "eingeschlafenen" Körperteilen.
- Einschlafen der Hand: Die Hand schläft tagsüber ein, und der Schlaf wird durch ein unangenehmes Gefühl gestört.
- Kraftverlust: In schweren Fällen kann die Greifkraft der Hand deutlich nachlassen.
- Lähmungserscheinungen: In fortgeschrittenen Stadien können Lähmungen im Bereich der Hand und Finger auftreten.
- Feinmotorische Schwierigkeiten: Alltägliche Tätigkeiten wie das Schließen eines Hosenknopfes oder das Drehen des Autolenkrads werden zur Herausforderung.
Zu Beginn der Erkrankung treten die Symptome oft nur zeitweise unter Belastung auf und verschwinden dann wieder. Unbehandelt kann das KTS jedoch zu einer dauerhaften Nervenschädigung führen.
Diagnose
Die Diagnose des Karpaltunnelsyndroms basiert auf verschiedenen Faktoren:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die genauen Beschwerden und deren Verlauf.
- Körperliche Untersuchung: Die Beweglichkeit von Hand und Fingern wird überprüft, und es wird getestet, ob sich die Beschwerden durch bestimmte Bewegungen provozieren lassen. Ein positiver Phalen-Test (Aneinanderdrücken der Handrücken löst Gefühlsstörungen aus) kann ein Hinweis sein. Bei fortgeschrittenem KTS kann der Arzt eine zurückgebildete Daumenballenmuskulatur feststellen. Beim Hoffmann-Tinel-Test klopft man bei ausgestreckter Hand auf die Innenseite des Handgelenks. Schmerzen oder Kribbeln sind ein Anzeichen, das man ärztlich abklären lassen sollte.
- Neurologische Untersuchung (Elektroneurografie, ENG): Die Nervenleitgeschwindigkeit wird gemessen, um Nervenschädigungen festzustellen. Dabei werden Elektroden an der Haut angebracht und der Nerv mit einem schwachen elektrischen Impuls stimuliert. Eine verminderte Nervenleitungsgeschwindigkeit deutet auf eine Druckschädigung des Nervs hin.
- Bildgebende Verfahren: Je nach individueller Ausgangslage können Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen sowie eine Kernspintomographie (MRT) zum Einsatz kommen.
Behandlung
Die Behandlung des Karpaltunnelsyndroms zielt darauf ab, den Druck auf den Nervus medianus zu reduzieren und die Symptome zu lindern. Es gibt sowohl konservative als auch operative Behandlungsmöglichkeiten.
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Konservative Therapie
Im Frühstadium des KTS können konservative Maßnahmen oft eine Besserung bewirken:
- Schienen (Orthesen): Sie stellen das Handgelenk in einer neutralen Position ruhig und entlasten den Nervus medianus. Diese Schienen werden vor allem nachts getragen, können aber auch tagsüber verwendet werden. Sie bringen den meisten Patienten nach 4-6 Wochen eine deutliche Besserung.
- Physikalische Behandlungen: Kälteanwendungen können Entzündungen des Nervs dämpfen und schmerzlindernd wirken. Auch physiotherapeutische Maßnahmen wie Tapen, Koordinations- und Dehnungsübungen oder das Training mit einer Faszienrolle können die Beschwerden lindern.
- Infiltration: Der Arzt injiziert ein lokal wirkendes Schmerzmittel oder Kortison in den Karpaltunnel. Diese Maßnahme wirkt schmerzstillend, entzündungshemmend und abschwellend. Allerdings ist die Langzeitprognose oft nicht erfolgsversprechend.
- Medikamente: Kortison-haltige Medikamente können oral (Tabletten) oder per Injektion in den Karpaltunnel verabreicht werden. Diese Therapie ist jedoch nur über einen kurzen Zeitraum indiziert.
Zusätzlich können Patienten spezielle Übungen durchführen, um die Muskeln zu dehnen und zu kräftigen. Eine Übung besteht darin, einen kleinen, weichen Ball kräftig zusammenzudrücken. Eine andere Übung beinhaltet das Dehnen des Handgelenks, indem man den betroffenen Arm nach vorne streckt, die Fingerspitzen zum Boden zeigen lässt und die Finger mit der anderen Hand Richtung Boden zieht.
Operative Therapie
Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend helfen oder die Erkrankung bereits fortgeschritten ist, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Ziel der Operation ist es, den Karpaltunnel zu erweitern und den Druck auf den Nerv zu reduzieren.
- Neurolyse: Der Operateur entfernt einengende Gewebestrukturen wie übermäßig gewachsenes Bindegewebe, um den Nerv zu entlasten.
- Offene Operation: Dabei wird das Karpalband am Handgelenk durchtrennt, um den Nerv zu befreien. Diese Methode bietet Vorteile, wenn umfassendere Erkrankungen der Sehnenscheiden oder anderer Weichteile vorliegen.
- Endoskopische Operation (minimalinvasiv): Ein Endoskop wird durch einen kleinen Schnitt am Ende des Unterarms eingeführt und in den Karpaltunnel vorgeschoben. Für die endoskopische Operation sind nur minimale Hautschnitte notwendig.
Die Operation kann unter lokaler Betäubung ambulant erfolgen. Nach der Operation ist die Hand nach etwa 3 Wochen wieder eingeschränkt belastbar, und nach 6 Wochen können auch körperlich anspruchsvolle Arbeiten wieder verrichtet werden.
Vergleichende Studien zeigen, dass die operative Therapie (Neurolyse) oft überlegen ist, da sie in 99 % der Fälle zuverlässig und dauerhaft von Schmerzen befreit.
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Vorbeugung
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden können, um das Risiko eines Karpaltunnelsyndroms zu minimieren oder das Fortschreiten zu verlangsamen:
- Neutrale Handposition: Beim Schlafen, Arbeiten und Sport sollte eine neutrale Handposition beibehalten werden. Gelenkschoner können dabei helfen.
- Ergonomie am Arbeitsplatz: Der Schreibtischstuhl sollte so eingestellt sein, dass die Unterarme beim Sitzen auf einer Linie mit der Tastatur liegen. Eine Handballenauflage kann die Gelenke bei der Mausbedienung schonen.
- Pausen: Bei Tätigkeiten, die das Handgelenk stark belasten, sollten ausreichend Pausen eingelegt werden, um die Handgelenke zu dehnen und auszuschütteln.
- Vibrationen vermeiden: Elektrische Geräte wie Bohrer sollten mit schwingungsdämpfenden Griffen ausgestattet sein.
- Behandlung von Grunderkrankungen: Vorerkrankungen wie Entzündungen, Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion und Diabetes mellitus sollten behandelt werden. Übergewicht sollte vermieden werden.
Kubitaltunnelsyndrom
Ursachen und Entstehung
Das Kubitaltunnelsyndrom, auch Sulcus-ulnaris-Syndrom (SUS) genannt, entsteht durch eine Einengung des Ellennervs (Nervus ulnaris) auf Höhe des Ellenbogens. Der Ellennerv verläuft an der Innenseite des Oberarms zum Ellbogenhöcker und von dort zu den Fingern. Auf seinem Weg muss er mehrere Engstellen passieren, darunter den Kubitaltunnel an der Innenseite des Ellenbogens.
Aus unterschiedlichen Ursachen kann das "Dach" des Tunnels, ein Band aus Bindegewebe, so straff werden, dass es den Nerv komprimiert. Die Druckerhöhung führt zu den typischen Beschwerden des Kubitaltunnelsyndroms.
Symptome
Die Symptome des Kubitaltunnelsyndroms ähneln denen des Karpaltunnelsyndroms, betreffen aber andere Finger:
- Kribbeln und Taubheit: Vor allem im kleinen Finger und Ringfinger. Die Symptome können sich auf die Handfläche und den Unterarm ausbreiten.
- Schmerzen: Ein schmerzhafter "Stromschlag", der sich bis in die Spitze von Ring- und Kleinfinger ausbreitet.
- Bewegungseinschränkungen: Bis hin zu Lähmungen.
Diagnose
Die Diagnose des Kubitaltunnelsyndroms umfasst:
- Erstgespräch: Der Arzt erfragt die Beschwerden und deren Dauer.
- Körperliche Untersuchung: Durch vorsichtiges Abklopfen der Innenseite des Ellenbogens kann der Arzt feststellen, an welchen Stellen der Nerv klemmt.
- Elektroneurografie: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um festzustellen, wie schnell der Nerv einen Reiz weiterleitet.
Behandlung
Die Behandlung des Kubitaltunnelsyndroms ähnelt der des Karpaltunnelsyndroms:
- Konservative Therapie: Vermeidung von Haltungen oder wiederholenden Tätigkeiten, die zu Druckschäden führen können. Gezielte Bewegung, Schmerztherapie und Entlastung.
- Operative Therapie: In einigen Fällen ist eine operative Entlastung erforderlich, um eine Verschlechterung zu verhindern.
Differentialdiagnose
Es ist wichtig, andere Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome wie das Karpaltunnel- oder Kubitaltunnelsyndrom verursachen können. Dazu gehören:
- Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule: Kann zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen in den Händen führen.
- Schulter-Arm-Syndrom: Beschwerden an der Schulter können ebenfalls ein Kribbeln in den Händen und Fingern auslösen.
- Wartenberg-Syndrom: Eine andere Krankheit, die ähnliche Symptome wie das Karpaltunnelsyndrom hervorruft.
- Neuropathien: Nervenschäden oder krankhafte Nervenstörungen, die durch Diabetes, Vitamin-B12- oder Calcium-Mangel verursacht werden können.
- Multiple Sklerose: Chronische neurologische Entzündung, die Kribbeln und Taubheitsgefühle verursachen kann.
- ATTR-Amyloidose: Ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom kann ein sehr frühes Symptom dieser seltenen, unheilbaren und fortschreitenden Erkrankung sein.
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