Prüfungsangst ist ein weit verbreitetes Problem, das viele Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen betrifft, von Schülern und Studenten bis hin zu Berufstätigen, die sich Weiterbildungen stellen. Die Angst vor dem Versagen, vor schlechten Leistungen oder vor den Konsequenzen des Scheiterns kann lähmend wirken und die Fähigkeit, das erlernte Wissen abzurufen, erheblich beeinträchtigen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass ein gewisses Maß an Nervosität vor Prüfungen normal und sogar hilfreich sein kann.
Die positive Seite von Lampenfieber
Ein wenig Lampenfieber oder Nervosität vor Prüfungen ist per se nicht schlecht. In fordernden Situationen, zu denen Prüfungen zweifelsohne zählen, werden vom Körper vermehrt die Hormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Die Durchblutung des Gehirns wird gesteigert, vor allem in der Region des Hippocampus. Dies sorgt wiederum dafür, dass der Prüfling gelernte Inhalte zum richtigen Zeitpunkt aus dem Gedächtnis abrufen kann. Lampenfieber führt also zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit und ist damit sogar hilfreich!
Wenn Lampenfieber zu Prüfungsangst wird
Problematisch wird es, wenn sich dieses Lampenfieber ins Unermessliche steigert, wenn die Nervosität des Prüflings plötzlich in waschechte Prüfungsangst umschlägt. Angst vor schlechter Leistung. Angst vor dem Versagen. Angst vor den Folgen des Versagens. Zittern, Schwitzen, Stottern, Herzrasen, Übelkeit … und im schlimmsten Fall der totale Blackout.
Prüfungsangst entsteht im Kopf. Die Ursachen liegen meist in mangelndem Vertrauen des Prüflings in die eigenen Fähigkeiten. Dabei ist es mitunter auch völlig egal, ob sich der Proband ausreichend auf die Prüfung vorbereitet hat oder nicht. Nicht die Situation - also die Prüfung selbst - ist das Problem, sondern die Beurteilung dieser Situation. Wobei nicht die Prüfung selbst das Hindernis darstellt, sondern die Angst vor den Konsequenzen eines etwaigen Scheiterns. Was passiert, wenn ich die Prüfung nicht schaffe? Wie wird sich mein Leben verändern? Wie werden Freunde und Familie reagieren? Bekomme ich noch eine Chance? War es das nun endgültig?
Der Blackout: Wenn die Angst das Gehirn blockiert
Das Blackout geht über simples Lampenfieber hinaus. Es ist der Moment, vor dem sich der Proband am meisten gefürchtet hat. Eine Denkblockade ist schlimmste Form der Prüfungsangst. Bei einem erhöhten Stresslevel kann es passieren, dass die Nervenzellen im Hippocampus absterben. Das Gehirn will das Absterben der Nervenzellen verhindern und wehrt sich. Der Hippocampus wird in eine Art Schockstarre versetzt und kann nun überhaupt nicht mehr reagieren. Die Folge: Der Prüfling kann die Inhalte nicht mehr abrufen, er kann sich an das Gelernte nicht mehr erinnern.
Lesen Sie auch: Diagnose von Schmerzen an der Außenseite des Knies
Tipps zur Vorbeugung von Prüfungsangst
Um Prüfungsangst zu vermeiden oder zu reduzieren, gibt es verschiedene Strategien, die bereits im Vorfeld einer Prüfung angewendet werden können:
1. Erstelle einen Lernplan
Prüfungsstress kann eine Ursache von Prüfungsangst sein. Beginne darum rechtzeitig vor der Klausur oder der Prüfung mit dem Lernen. Je länger du damit wartest, desto mehr staut sich am Ende an. Außerdem solltest du dir den Lernstoff sinnvoll einteilen. Dein Gehirn kann Inhalte besser verarbeiten, wenn sie in Häppchen serviert werden. Es ist ratsam, den Lernstoff in kleine Arbeitspakete einzuteilen und einen Lernplan mit klaren, realistischen Zielen zu erstellen. Bemerkt man während der Prüfungsvorbereitung, dass der Plan nicht aufgeht, sollte er angepasst werden. Wichtig ist, rechtzeitig mit dem Lernen und Wiederholen zu beginnen. So hat man weniger Prüfungsstress und kann den Stress vermeiden.
2. Vergiss nicht auf Pausen
Kein Gehirn der Welt kann endlos Inhalte aufnehmen. Es wird darum empfohlen, nach jeweils 90 Minuten eine Pause von 10 bis 15 Minuten einzulegen. Hast du 4 Stunden gebüffelt, solltest du sogar eine ganze Stunde pausieren. Auch eine ausgewogene Tagesstruktur mit ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung sowie Bewegung an der frischen Luft sorgen für einen guten Ausgleich.
3. Teste dich selbst
Lernen ist die eine Sache, das Erlernte in der richtigen Situation abzurufen, eine ganz andere. Spiele die Testsituation zu Hause nach, entweder mit Freunden, Familie oder einfach allein in Form von schriftlichen Mini-Prüfungen. Damit schlägst du gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens: Du überprüfst, wie viel du vom Lehrstoff bereits intus hast und erkennst, wo es noch Lücken gibt. Zweitens: Du machst dich mit der Prüfungssituation vertraut und sammelst Erfolgserlebnisse. Ein Probelauf vor der Prüfung mit passenden Übungsaufgaben hilft, Schwächen in der Vorbereitung zu erkennen und zu testen, ob die vorgegebene Zeit reicht. Wer vor einer mündlichen Prüfung steht, kann sich von anderen befragen lassen. Bei der Prüfungssimulation sollte alles so real wie möglich nachempfunden werden, denn es geht auch darum, sich gezielt der angstbesetzten Situation auszusetzen.
4. Hole dir ausreichend Schlaf
Wenn wir schlafen, verarbeiten wir die Erlebnisse des vergangenen Tages. Dazu zählen auch erlernte Inhalte, die sich dabei im Gehirn festsetzen. Schlafmangel reduziert zudem die Aufnahmefähigkeit und kann Stress verursachen. Du solltest dabei allerdings auch deinen Biorhythmus beachten. Bist du eine Lerche (Frühaufsteher), eine Eule (Langschläfer) oder ein Normaltyp?
Lesen Sie auch: Nurvet Kautabletten Nerven: Die Inhaltsstoffe und ihre Wirkung.
5. Setze dich mit deinen Ängsten auseinander
Notiere dir vor der Prüfung, was dir Sorgen bereitet. Dein Gehirn hat sich dann bereits mit deinen Ängsten auseinandergesetzt, vielleicht auch passende Lösungen gefunden. Frage dich: Wovor genau habe ich Angst? Selbstreflexion ist ein wichtiger Schritt, um den Ursachen der eigenen Prüfungsangst auf den Grund zu gehen. Hast du wirklich zu wenig gelernt oder steckt vielleicht mehr dahinter?
6. Optimiere deine Lernstrategie
Wenn sich, zum Beispiel im Studium, die Menge an Lernstoff erhöht, muss beim Erarbeiten anders als in der Schulzeit vorgegangen werden. Wie lange am Stück konzentriert gelernt werden kann, ist individuell verschieden. Entsprechend sollten regelmäßig Pausen gemacht werden.
7. Entspanne dich regelmäßig
Mit progressiver Muskelentspannung, autogenem Training oder Meditation kann Anspannung abgebaut und wieder ein gutes Leistungsniveau erreicht werden. Ein bestmöglicher Effekt wird durch regelmäßiges Üben von Entspannung erreicht.
8. Treibe Sport
Gegen Stress hilft auch Sport: Wer sich beim Jogging oder Fahrradfahren auspowert, bekommt den Kopf wieder frei. Bewegung ist ein einfacher und effektiver Weg, um überschüssiges Cortisol abzubauen und ausgeglichen zu bleiben. Durch körperliche Aktivität wird der Stoffwechsel angeregt, wodurch Stresshormone schneller abgebaut werden. Ein Spaziergang an der frischen Luft oder ein intensives Training im Fitnessstudio können helfen, den Kopf frei zu bekommen. Auch Aktivitäten mit der Familie und Freund*innen können dich auf andere Gedanken bringen. Wichtig ist, dass du dir in deiner Freizeit einen bewussten Ausgleich schaffst.
9. Denke positiv
Negative Annahmen sind für die persönliche Leistung kontraproduktiv. Besser ist, positive Gegenargumente zu suchen und sich diese immer wieder vorzusagen. Als Erinnerung können ermutigende Sätze dienen, die an gut sichtbaren Orten in der Wohnung platziert sind. Sobald Zweifel aufkommen und die Angst droht, die Oberhand zu gewinnen, solltest du nicht nachgeben, sondern dir gezielt positive Gedanken machen. Übrigens: Wenn du dir nur alles ausmalst, was schiefgehen könnte, verstärkst du deine Angst. Sinnvoller ist es, mögliche Szenarien durchzuspielen und dir gleichzeitig Lösungsstrategien zurechtzulegen. Falls dein Hals trocken wird, hilft ein Schluck Wasser. Wenn der Raum stickig ist, kannst du das Fenster öffnen. Sollte eine Frage unklar sein, kannst du um eine Wiederholung bitten.
Lesen Sie auch: Warum Eltern manchmal nerven
10. Lege einen Notfallplan zurecht
Bereits im Vorfeld sollte überlegt sein, was zu tun ist, wenn es bei der Prüfung nicht glatt läuft. Wer bei einem schriftlichen Test eine Frage nicht beantworten kann, macht zunächst mit einer anderen Aufgabe weiter. Bei einer mündlichen Prüfung kann man darum bitten, diese Frage ans Ende zu stellen.
Was tun, wenn die Prüfungsangst während der Prüfung auftritt?
Trotz Prävention und Vermeidung von Prüfungsstress kann es natürlich passieren, dass deine Prüfungsangst die Oberhand gewinnt und der Blackout droht. Dennoch musst du nicht die Nerven verlieren und die Flinte ins Korn werfen.
1. Halte kurz inne
Schließe kurz die Augen und werde dir deiner Situation bewusst. Schließlich hast du sie, wenn du die vorbeugenden Tipps beherzigt hast, schon unzählige Male durchgespielt: Du bist gut auf die Prüfung vorbereitet, es kann dir nichts passieren.
2. Atme tief durch
Die richtige Atemtechnik kann dabei helfen, Stress abzubauen. Wer gestresst ist, atmet nämlich viel zu schnell und zu flach. Achte auf eine aufrechte Körperhaltung und atme richtig tief ein. Tipp: Stelle dir dabei vor, dass du an einer duftenden Blume riechst. Zähle dabei gedanklich bis 5, dann atme die Luft kraftvoll wieder aus. Auch hier zählst du wieder bis 5. Kontrolliertes Atmen: Konzentration auf das langsame Ein- und Ausatmen. 5x5x5-Regel: 5 Sekunden einatmen, Luft anhalten und ausatmen, dann 5 Sekunden Pause.
3. Spanne deine Muskeln an
Eine leichte Übung, die du ebenfalls im Sitzen und im Stehen ausführen kannst - die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen. Spanne dabei gezielt bestimmte Muskeln für einige Sekunden an und entspanne sie danach langsam (20 bis 30 Sekunden) wieder.
4. Wähle die beste Reihenfolge
Beginne die Prüfung, sofern möglich, mit der leichtesten Aufgabenstellung. Am besten, ihr beginnt bei Prüfungen immer mit den Aufgaben, die euch am einfachsten erscheinen. So habt ihr bereits Punkte sicher, wenn ihr an einer schwierigeren Aufgabe sitzt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ihr Euch in der schweren Aufgabe verliert und anschließend keine Zeit mehr für die anderen Aufgaben habt.
5. Wackle mit den Zehen
Der Zehen-Trick klingt einfach, hilft aber wirklich! Wackle zu Beginn deiner Prüfung mit deinen beiden großen Zehen und konzentriere dich dabei auf die Bewegung. Dein Körper konzentriert sich auf diese Tätigkeit, Anspannungen werden abgebaut.
6. Nutze Entspannungsmethoden
Einzelne Übungen etwa aus der progressiven Muskelentspannung lassen sich auch während der Prüfung anwenden. Bodyscan: Fokussiere Dich auf einzelne Körperteile, um in die Gegenwart zurückzukehren.
7. Kommuniziere offen (bei mündlichen Prüfungen)
In einer mündlichen Prüfung oder Lehrprobe ist es völlig legitim, offen zu kommunizieren, dass du eine kurze Pause brauchst. Prüfer*innen wissen, dass Nervosität dazu gehört. Bitte bei einem Blackout um Zeit, die Frage zu überdenken oder um eine Ersatzfrage.
8. Superhelden-Pose
Eine weitere Methode, um dich vor einer Prüfung mental zu stärken, ist die Superhelden-Pose. Stelle dich breitbeinig hin, stemme die Hände in die Hüften, richte den Kopf auf und atme tief ein.
9. Die 5-4-3-2-1-Methode
Gegen akute Angst während der Prüfung helfen Atemübungen oder die 5-4-3-2-1-Methode. Hierbei betrachtet man fünf Dinge im Raum, die man sehen kann, danach vier Dinge, die man fühlen kann, dann drei Dinge, die man hören kann, zwei Dinge, die man riechen kann, und zum Schluss eines, das man schmecken kann. So lässt sich die Aufmerksamkeit weg von der Angst auf das Hier und Jetzt lenken.
Medikamente und Therapien bei Prüfungsangst
Sollten die genannten Tipps nicht zum Erfolg führen und Prüfungsangst dein ständiger Begleiter sein, ist ein Arztbesuch ratsam. Sollte er feststellen, dass deine Prüfungsangst Krankheitscharakter hat, kann er mit gezielten Therapien und Medikamenten gegensteuern.
Auch pflanzliche Mittel aus der Apotheke können gegen Prüfungsangst helfen. Bei starker Unruhe und Ängsten sorgen beispielsweise Kapseln mit Arzneilavendel für einen tieferen und längeren Schlaf. Johanniskraut hilft bei leichten depressiven Verstimmungen und Antriebslosigkeit. Beide sollten längerfristig eingenommen werden, um ihre optimale Wirkung zu entfalten. Der Extrakt der Passionsblume wirkt sehr schnell beruhigend und entspannend (schon nach 30 Minuten) und beeinträchtigt die Konzentration nicht, sodass er auch am Prüfungstag eingenommen werden kann. Auch Pastillen oder Tropfen mit Bachblüten sind eine Option - zum Beispiel eine fertige „Rescue Mischung“ mit Star of Bethlehem (gegen Schock und Lähmung), Rock Rose (gegen Panik, Todesangst und andere nervliche Übererregung), Cherry Plum (gegen die Angst, körperlich oder gedanklich durchzudrehen), Clematis (gegen die Neigung, sich der Realität nicht stellen zu wollen) und Impatiens (gegen zu hohe innere Anspannung), von der vier Tropfen eingenommen werden. Wer auf homöopathische Mittel vertraut, kann zu Argentum nitricum D12 greifen, wenn Durchfall und Blähungen als Beschwerden auftreten. Gelsemium D12 aus gelbem Jasmin hilft bei Lampenfieber gepaart mit Schwindel, Lähmungsgefühl und Zittern. Die Schüßler-Salze Magnesium phosphoricum (Nummer 7), Kalium phosphoricum (Nummer 5) und Calcium phosphoricum (Nummer 2) haben ebenfalls eine entspannende Wirkung bei Prüfungsangst.
In besonders ausgeprägten und immer wiederkehrenden Fällen hilft eine Verhaltenstherapie gegen Prüfungsangst.
Ursachenforschung und langfristige Bewältigung
Um die Angst vor einer Prüfung abzulegen, sollte man erst mal herausfinden, warum man so nervös ist. Fragen wie „Was will ich erreichen?“, „Was erwarten andere von mir?“ oder „Warum wäre ich enttäuscht, wenn ich in der Prüfung nicht so gut abschneide, wie ich mir vorstelle?, helfen bei der Ursachenforschung.