Das Schulter-Arm-Syndrom, auch bekannt als Zervikobrachialgie oder Zervikobrachial-Syndrom, ist ein Symptomkomplex, der sich durch verschiedene Beschwerden im Bereich von Nacken, Schultern und Armen äußert. Es handelt sich dabei nicht um eine klar definierte Krankheit oder Verletzung, sondern vielmehr um eine Reihe von Symptomen, bei denen Schulterschmerzen oft im Vordergrund stehen. Die Schmerzen können in den Oberarm ausstrahlen und das Anheben des Arms über den Kopf oder bestimmte Drehbewegungen erschweren. Oftmals treten die Schmerzen auch nachts auf.
Dieser Artikel wurde von Dr. Jannik Ashauer und Axel Lust überarbeitet. Geprüft wurde er von Dr. med. Egbert Ritter, Facharzt für Unfallchirurgie.
Was ist ein eingeklemmter Nerv im Arm?
Umgangssprachlich spricht man von einem eingeklemmten Nerv, wenn ein Nerv über einen gewissen Zeitraum von außen Druck erfährt, was zu Schmerzen führt. Ein eingeklemmter Nerv in der Schulter äußert sich oft durch plötzliche, stechende Schmerzen mittig neben oder unterhalb des Schulterblatts, die in Richtung Wirbelsäule ausstrahlen können. Nach dem Schmerzereignis sind die Bewegungsmöglichkeiten häufig stark eingeschränkt.
Ursachen
- Muskulär-fasziale Probleme an der Halswirbelsäule: Knotige, schmerzende Verspannungen, eine zu hohe Spannung in den Faszien oder ein muskuläres Ungleichgewicht können die häufigste Ursache für das Schulter-Arm-Syndrom sein.
- Über- oder Fehlbelastungen der Schultergürtelmuskulatur oder der Muskulatur des oberen Rückens: Sportverletzungen können ebenfalls zu einem eingeklemmten Nerv führen.
- Fehlhaltungen: Dauerhaftes, langes Sitzen in derselben Position sollte möglichst vermieden werden, da es eine Nerveneinklemmung begünstigen kann.
- Muskuläre Dysbalance: Eine unausgeglichene Belastung verschiedener Muskelgruppen, unter anderem am Schultergürtel, kann bei alltäglichen und sportlichen Bewegungen zu Fehlbelastungen und somit zu Beschwerden führen.
- Bandscheibenprobleme: Im schlimmsten Fall können die Bandscheiben die einwirkende Kraft nicht mehr abdämpfen, sodass sich der Gallertkern gegen den äußeren Ring drückt. Bleiben Fehlhaltung oder Fehlstellung bestehen, kann der Faserring der Belastung irgendwann nicht mehr standhalten und einreißen.
- Weitere Ursachen: Auch andere Erkrankungen wie Diabetes Mellitus können eine Frozen Shoulder begünstigen, die oft mit einem Schulter-Arm-Syndrom einhergeht.
Symptome
Ein eingeklemmter Nerv an der Schulter kann sich durch folgende Symptome äußern:
- Schmerzen: Plötzliche, stechende Schmerzen mittig neben oder unterhalb des Schulterblatts sind ein häufiges Leitsymptom. Die Schmerzen können zusätzlich in Richtung Wirbelsäule zur Innenseite des Schulterblatts ausstrahlen. Die Schmerzen haben häufig einen stechenden oder bohrenden Charakter und sind am inneren Rand des Schulterblatts der betroffenen Seite, zwischen Wirbelsäule und Schulter lokalisiert.
- Bewegungseinschränkungen: Massive Bewegungseinschränkungen können ein Folgesymptom eines eingeklemmten Nervs an der Schulter sein.
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln: Taubheit oder ein „Ameisenlaufen“ in der Schulter, im Arm oder den Fingern kann auftreten.
- Schmerzverstärkung bei bestimmten Bewegungen: Verstärkter Schmerz bei bestimmten Bewegungen der Schulter oder des Arms kann auftreten.
Diagnose
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Eine erste Einschätzung der Beschwerden kann durch den Hausarzt erfolgen. Bei starken, wiederkehrenden Schmerzen sollte ein Orthopäde oder Unfallchirurg aufgesucht werden. Neben einer gezielten Anamnese des Schmerzereignisses wird der behandelnde Arzt eine ausführliche körperliche Untersuchung mit Prüfung der noch möglichen Bewegungen durchführen.
- Bildgebende Verfahren: Sind die klinischen Befunde zur Diagnosestellung nicht ausreichend, kann im Anschluss ein bildgebendes Verfahren wie beispielsweise eine Sonographie, ein Röntgenbild oder ein MRT der Schulter durchgeführt werden, um den betroffenen Nerven und die umliegenden Strukturen genauer beurteilen zu können.
- Elektromyographie (EMG): In Folge einer Einklemmung eines Nerves an der Schulter können unter anderem Schädigungen der die Muskeln innervierenden Nervenfasern die Ursache für veränderte Muskelaktivitäten im EMG darstellen.
- Wirbelsäulenvermessung: Mittels dreidimensionaler Rekonstruktion lassen sich Haltungsdiagramme erstellen und Fehlstellungen von Wirbelsäulen und Beckenknochen gezielt darstellen.
Behandlung
Die Behandlung eines Schulter-Arm-Syndroms richtet sich danach, ob eine Ursache gefunden wurde. Im Allgemeinen zielt die Therapie darauf ab, den Druck auf den Nerv zu reduzieren, die Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit wiederherzustellen.
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- Konservative Behandlung:
- Schonung und Entlastung: In den akuten Phasen sollten schmerzauslösende Bewegungen vermieden werden, um die Reizung zu reduzieren.
- Trainingstherapie: Ein gezieltes Training mit einem Sportwissenschaftler kann helfen, Muskelverspannungen zu lösen und die betroffenen Bereiche zu mobilisieren. Dabei sind Übungen zur Kräftigung und Dehnung der Schulter- und Rückenmuskulatur besonders wichtig. Diese Maßnahmen tragen zur Verbesserung der Haltung und Entlastung des Nervs bei.
- Manuelle Therapie: Spezielle Techniken, wie die Myofasziale Entspannung, Mobilisationen und Traktionen, können helfen, Blockaden und Verspannungen zu lösen.
- Wärme- oder Kälteanwendungen: Wärme kann helfen, verspannte Muskeln zu entspannen, während Kälte eine entzündungshemmende Wirkung hat und Schmerzen lindern kann. Hierbei sollte der Betroffene jedoch darauf achten, das Kühlpack oder die heiße Wärmflasche nicht direkt auf die Haut zu legen und beispielsweise ein Küchentuch dazwischen zu verwenden, um Verbrühungen bzw. Erfrierungen vorzubeugen.
- Haltungs- und Bewegungsschulung: Eine Fehlhaltung oder ungünstige Bewegungsmuster sind häufige Ursachen für Nerveneinklemmungen.
- Triggerpunktbehandlung: Bei Verspannungen der umliegenden Muskulatur kann die Behandlung von Triggerpunkten die Symptome lindern.
- Dehnübungen: Leichte, schonend durchgeführte und zunächst durch einen Physiotherapeuten angeleitete Dehnübungen der Schulter- und Nackenregion können dabei helfen, die Schmerzen durch einen eingeklemmten Nerven der Schulter zu lindern und erneuten Einklemmungen vorzubeugen. Zudem sollte im Vorfeld von sportlichen Aktivitäten mit Belastung der Schulterregion immer eine entsprechende Dehnung der beanspruchten Muskeln erfolgen, um Verletzungen vorzubeugen.
- Medikamentöse Therapie: Allgemein sollte eine ausreichende Schmerztherapie mittels NSAR wie Ibuprofen oder Paracetamol erfolgen, um langfristig Schon- und Fehlhaltungen vorzubeugen. Auch Schmerzsalben wie Voltaren können bei lokaler Anwendung zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung beitragen. Ist die Diagnose durch den behandelnden Arzt gesichert, kann der geschulte Arzt ein lokal wirksames Schmerzmittel mit einer Spritze mit feiner Kanüle vorsichtig direkt in die betroffene Region einbringen. Hierdurch kann der betroffene Nerv mittels Nervenblockade gezielt betäubt und somit die massiven, stechenden Schmerzen wirksam gelindert werden.
- Operative Behandlung: Zu einem chirurgischen Eingriff wird nur geraten, wenn alle anderen Behandlungsoptionen versagt haben oder wenn akute Probleme vorliegen. In schweren Fällen mit sehr starken Schmerzen und neurologischen Ausfällen der oberen Extremität besteht die Möglichkeit einer OP mit Freilegung des eingeklemmten Nervs (Foraminotomie) oder des Ersatzes der betroffenen Bandscheibe (Implantation einer Bandscheibenprothese).
Was kann man selbst tun?
- Häufige Positionswechsel: Dauerhaftes, langes Sitzen in derselben Position sollte möglichst vermieden werden. Häufige Positionswechsel (zum Beispiel bei der Arbeit am Schreibtisch) und ausreichende dynamische Bewegung helfen, einer Nerveneinklemmung vorzubeugen.
- Wärmeanwendungen: Wärmeanwendungen können akut Linderung verschaffen.
- Schmerzmittel: Schmerzmittel beziehungsweise Schmerzsalben können akut Linderung verschaffen.
- Ergonomie am Arbeitsplatz: Achten Sie auf eine ergonomische Sitzposition: Bildschirm auf Augenhöhe, Unterarme im 90-Grad-Winkel aufstützen, Rücken anlehnen. Vermeiden Sie ständiges Vorlehnen oder einseitiges Hochziehen der Schultern.
- Schultergurt vermeiden: Taschen oder Rucksäcke mit nur einem Gurt können Druck auf die Nervenbahnen ausüben. Tragen Sie Lasten immer möglichst beidseitig - oder wechseln Sie regelmäßig die Seite.
- Kein ständiges Smartphone-Klemmen: Das Einklemmen des Telefons zwischen Ohr und Schulter führt zu Muskelverspannungen im Nacken-Schulter-Bereich. Nutzen Sie lieber Headsets oder Lautsprecherfunktionen.
- Schulterschonende Schlafposition: Seitenschläfer sollten auf ein ausreichend hohes Kissen achten, um die Halswirbelsäule in neutraler Position zu halten. Rückenlage ist oft die schonendste Variante.
- Reizfreie Belastung statt Schonhaltung: Vermeiden Sie absolute Ruhe - sie führt oft zu noch mehr Verspannung. Stattdessen: leichte Mobilisation, Wärme und Pausen in belastenden Tätigkeiten wie Gartenarbeit oder Heimwerken.
Übungen
Gezielte Übungen können einer Einklemmung eines Nerven der Schulter durch Stärkung der betroffenen Muskulatur vorbeugen, die Therapie unterstützen und nach Therapieende einer erneuten Einklemmung entgegenwirken. Es ist wichtig, die Übungen langsam und kontrolliert durchzuführen und auf den eigenen Körper zu hören, um Überlastungen zu vermeiden.
- Dehnung der seitlichen Nackenmuskulatur: Setzen Sie sich aufrecht hin. Neigen Sie den Kopf zur Seite, als würden Sie das Ohr zur Schulter führen, ohne die Schulter anzuheben.
- Dehnung der Brustmuskulatur: Stellen Sie sich in einen Türrahmen, die Arme in Schulterhöhe angewinkelt auf den Rahmen legen.
- Katze-Kuh-Übung: Gehen Sie in den Vierfüßlerstand.
- Seitliches Armheben mit Unterstützung: Stellen Sie sich mit leicht gespreizten Beinen hin und stützen sich mit der gesunden Seite auf einem Tisch oder Stuhl ab.
- Plank: Gehen Sie in eine Plank-Position (Liegestütz-Position) oder auf die Knie.
- Rudern mit Theraband: Stehen Sie aufrecht und halten Sie ein Theraband mit beiden Händen fest.
Dauer der Krankschreibung
Die Dauer der Krankschreibung richtet sich stark nach der individuell ausgeübten Tätigkeit des Betroffenen. Hierüber entscheidet der behandelnde Arzt im Einzelfall. Eventuelle Vorerkrankungen können die Heilungsdauer beeinflussen. Im Durchschnitt dauert die Krankschreibung bei einem eingeklemmten Nerv im Schulterblattbereich etwa eine bis drei Wochen, kann aber je nach Verlauf variieren.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Nicht jeder ziehende Schmerz im Schulter- oder Nackenbereich ist gleich ein medizinischer Notfall - dennoch gibt es klare Warnsignale, bei denen eine ärztliche Abklärung dringend angeraten ist:
- Taubheitsgefühle oder Kribbeln, die länger als 48 Stunden anhalten
- Zunehmende Muskelschwäche, z. B. beim Anheben des Arms
- Nächtliche Schmerzen, die die Schlafqualität deutlich beeinträchtigen
- Fehlstellungen oder Bewegungseinschränkungen, die sich trotz Entlastung nicht bessern
- Schmerzen nach einem Unfall, z. B. einem Sturz
Je früher strukturelle Probleme erkannt werden, desto besser lassen sie sich behandeln - oft sogar ohne Operation.
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