Wadenschmerzen sind ein weit verbreitetes Problem, das viele Menschen betrifft. Die Ursachen können vielfältig sein und reichen von harmlosen Muskelverspannungen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen. Es ist wichtig, die Anatomie der Wade und die beteiligten Nerven zu verstehen, um die Ursachen von Wadenschmerzen besser zu erkennen und geeignete Behandlungsstrategien zu entwickeln.
Anatomie der Wade
Die Wade, auch als Regio suralis bezeichnet, ist der hintere, gewölbte Abschnitt des Unterschenkels. Sie erstreckt sich von der Kniekehle bis zum unteren Drittel des Unterschenkels. Die Form der Wade wird hauptsächlich durch die Wadenmuskulatur bestimmt, die aus mehreren wichtigen Muskeln besteht:
- Musculus gastrocnemius (Zwillingswadenmuskel): Dieser Muskel besteht aus zwei Köpfen (Caput mediale und Caput laterale) und ist für die Plantarflexion des Fußes und die Beugung des Kniegelenks verantwortlich. Da der Zwillingswadenmuskel sowohl im Sprunggelenk als auch im Kniegelenk seine Funktion entfaltet, bezeichnet man ihn als zweigelenkigen Muskel.
- Musculus soleus (Schollenmuskel): Dieser Muskel liegt unterhalb des Musculus gastrocnemius und ist ebenfalls für die Plantarflexion des Fußes zuständig.
- Musculus plantaris: Einige Autoren betrachten diesen Muskel als Teil des Musculus triceps surae, während andere ihn als eigenständige Einheit sehen. Er hat eine geringe funktionelle Bedeutung beim Menschen.
Gemeinsam bilden die drei Muskelköpfe den Musculus triceps surae, der den stärksten Beuger im oberen Sprunggelenk darstellt und einen Kraftanteil von 90 Prozent bei der Plantarflexion hat. Die Plantarflexion ermöglicht das Abdrücken des Fußes vom Boden beim Gehen, Laufen und Springen.
Innervation der Wade
Die Innervation der Wadenmuskulatur erfolgt hauptsächlich durch den Nervus tibialis (Schienbeinnerv), einem der beiden Äste des Nervus ischiadicus (Ischiasnerv). Der Nervus tibialis entspringt dem Plexus sacralis und teilt sich im weiteren Verlauf in zwei Hauptäste auf, die verschiedene Muskeln innervieren.
- Nervus tibialis (Schienbeinnerv): Er versorgt den Musculus gastrocnemius, den Musculus soleus, den Musculus plantaris, den Musculus tibialis posterior, den Musculus flexor digitorum longus und den Musculus flexor hallucis longus mit motorischen Impulsen. Auf der Innenseite des Sprunggelenks zieht der Schienbeinnerv durch den Tarsaltunnel und kann dort durch Kompression schmerzhaft eingeengt werden (Tarsaltunnelsyndrom).
- Nervus suralis: Dieser Nerv wird hauptsächlich aus Ästen des Nervus tibialis und des Nervus fibularis communis gebildet. Er verläuft entlang der Rückseite des Unterschenkels und versorgt die Haut der äußeren Wade und des lateralen Fußrandes sensibel. Aufgrund seiner leicht zugänglichen Lage wird er häufig in der Diagnostik und für Nervenbiopsien genutzt.
Funktionen der Wade
Die Wade hat mehrere wichtige Funktionen:
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- Bewegung des Fußes: Die Wadenmuskulatur ermöglicht die Plantarflexion des Fußes und somit das Stehen auf den Zehenspitzen.
- Aufrechte Körperhaltung: Die Wade unterstützt die aufrechte Körperhaltung und hilft, das Gleichgewicht zu halten.
- Wadenpumpe: Durch die Kontraktion der Wadenmuskulatur wird das Blut in den Venen zurück in die Körpermitte gepumpt.
Häufige Ursachen für Wadenschmerzen
Wadenschmerzen können verschiedene Ursachen haben, darunter:
- Muskelverspannungen: Erhöhter Muskeltonus, oft durch Fehlbelastungen oder Überlastungen verursacht.
- Muskelkrämpfe: Plötzliche, unwillkürliche Kontraktionen der Wadenmuskulatur, oft durch Flüssigkeitsmangel oder Elektrolytstörungen bedingt.
- Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse: Verletzungen der Wadenmuskulatur durch abrupte Bewegungen oder Überdehnung.
- Achillessehnenschmerzen: Überlastung der Achillessehne, oft durch verspannte Wadenmuskulatur verursacht.
- Tiefe Venenthrombose (TVT): Verschluss einer tiefen Vene durch ein Blutgerinnsel, das zu Schmerzen und Schwellungen in der Wade führt.
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Durchblutungsstörung in den Extremitäten aufgrund von Arteriosklerose, die zu Wadenschmerzen beim Gehen führt (Claudicatio intermittens).
- Nervenschädigungen/-kompressionen: Schädigungen oder Kompressionen von Nerven im Bein oder im Rücken, die zu Wadenschmerzen ausstrahlen können. Beispiele hierfür sind das Tarsaltunnelsyndrom und die Baxter-Neuropathie.
- Kompartmentsyndrom: Erhöhter Druck in einem Muskelkompartiment der Wade, der Nerven und Blutgefäße abdrückt und zu starken Schmerzen führt.
- S1-Syndrom: Reizzustand oder Schädigung der Nervenwurzel S1, die zu Schmerzen in der Wade ausstrahlen kann.
- Fehlhaltungen: Fehlhaltungen wie Hohlkreuz können zu hohen Spannungen in den Muskeln der Körperrückseite, einschließlich der Wadenmuskulatur, führen.
- Bein-Fuß-Fehlstellungen: O-Beine und Hohlfüße können beidseitige Wadenschmerzen auslösen.
Nervenkompressionssyndrome in der Wade und im Fuß
Nervenkompressionssyndrome können eine wichtige Ursache für Wadenschmerzen und Fußbeschwerden darstellen. Einige der häufigsten Kompressionssyndrome, die die Nerven in der Wade und im Fuß betreffen, sind:
- Tarsaltunnelsyndrom: Hierbei wird der Nervus tibialis posterior im Tarsaltunnel am Innenknöchel eingeklemmt. Dies kann zu Schmerzen, Taubheit und Kribbeln im Fuß, in der Ferse und in der Wade führen. Ursachen können Fußfehlstellungen wie Knick-Senkfuß oder Verletzungen sein. Die Diagnose erfolgt durch klinische Untersuchung, Röntgenaufnahmen, Ultraschall oder MRT. Die Behandlung umfasst Schuheinlagen, Orthesen, entzündungshemmende Medikamente und Kortisoninjektionen. In schweren Fällen kann eine operative Dekompression des Nervs erforderlich sein.
- Baxter-Neuropathie: Hierbei handelt es sich um eine Kompression des Nervus calcaneus inferior, auch Baxter-Nerv genannt, im Bereich der Plantarsehne. Dies kann zu Fersenschmerzen führen, insbesondere bei Laufsportlern.
- Morton Neurom: Dies ist eine schmerzhafte, entzündliche Verdickung eines Mittelfußnerven, meist zwischen dem 3. und 4. Mittelfußknochen. Es kann zu Schmerzen im Vorfuß, insbesondere beim Gehen, führen. Das Mulder-Zeichen, ein Klicken beim Ertasten der Fußsohle, kann bei der Diagnose helfen. Die Behandlung umfasst Änderungen der Gewohnheiten, physiotherapeutische Übungen und in einigen Fällen eine Operation zur Entfernung des geschwollenen Nervs oder zur Dekompression.
- Läsion des Nervus peroneus communis: Da der Nervus peroneus communis an der Außenseite des Knies direkt unter der Haut verläuft, ist er anfällig für Läsionen, die beispielsweise durch Druck von außen entstehen können. Eine Schädigung dieses Nervs kann zu einer eingeschränkten Streckung und Einwärtsdrehung des Fußes sowie der Zehen führen.
Diagnose von Wadenschmerzen
Die Diagnose von Wadenschmerzen umfasst in der Regel:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Beschreibung der Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung: Beurteilung der Muskulatur, Nerven und Gefäße in der Wade und im Fuß.
- Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen, Ultraschall, MRT oder CT, um die Ursache der Schmerzen zu identifizieren.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um Nervenschädigungen festzustellen.
Behandlung von Wadenschmerzen
Die Behandlung von Wadenschmerzen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache:
- Konservative Maßnahmen: Ruhe, Kühlung, Kompression, Hochlagern (PECH-Regel), Schmerzmittel, entzündungshemmende Medikamente, Physiotherapie, Dehnübungen, Massagen, Einlagen, Orthesen.
- Medikamentöse Therapie: Schmerzmittel, Muskelrelaxantien, entzündungshemmende Medikamente, Antibiotika (bei Infektionen).
- Operative Therapie: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, z. B. bei einem Kompartmentsyndrom, einer tiefen Venenthrombose oder einem Tarsaltunnelsyndrom.
Prävention von Wadenschmerzen
Es gibt verschiedene Maßnahmen, um Wadenschmerzen vorzubeugen:
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- Regelmäßige Dehnübungen: Dehnung der Wadenmuskulatur, um Verspannungen vorzubeugen.
- Ausgewogene Ernährung: Ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten, um Muskelkrämpfen vorzubeugen.
- Geeignetes Schuhwerk: Tragen von Schuhen mit guter Unterstützung und Dämpfung.
- Vermeidung von Überlastung: Angemessene Trainingsplanung und Pausen, um Überlastungen zu vermeiden.
- Gewichtsmanagement: Reduktion von Übergewicht, um die Belastung der Wadenmuskulatur zu verringern.
- Regelmäßiges Barfußlaufen: Stärkt die Tiefenwahrnehmung und kann gemeinsam mit Stabilitätstraining vor Überlastungsverletzungen schützen.
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