Morbus Huntington: Ursachen, Symptome und Therapie

Die Huntington-Krankheit (Morbus Huntington, Chorea Huntington, Huntington's Disease, HD) ist eine seltene, vererbbare Erkrankung des Gehirns, die durch Bewegungsstörungen, psychische Veränderungen mit Verhaltensstörungen und einen Rückgang der intellektuellen Fähigkeiten gekennzeichnet ist. Die Krankheit verläuft fortschreitend und tritt meist im Alter von 30 bis 45 Jahren auf, wobei die Symptome über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren fortschreiten. In seltenen Fällen kann die Erkrankung auch in der frühen Kindheit oder im höheren Alter auftreten.

Was ist Chorea Huntington?

Chorea Huntington, auch Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington genannt, ist eine vererbbare Erkrankung des Gehirns. Sie wurde nach dem US-amerikanischen Arzt George Huntington benannt, der die Krankheit 1872 als erster wissenschaftlich beschrieb. Unwillkürliche zuckende Bewegungen von Kopf, Armen, Beinen und Händen, aber auch des Rumpfs, bis hin zu einem charakteristischen tänzelnden Gang: Diese Symptome hatten der Krankheit bereits im Mittelalter den - mittlerweile veralteten - Namen Veitstanz eingebracht. Der heilige Veit wurde als Schutzheiliger im christlichen Volksglauben angerufen, die Erkrankung zu heilen, da er der Legende nach zu seinen Lebzeiten ein Kind von der Krankheit befreit hatte.

Ursachen und Vererbung

Genetische Grundlagen

Die Ursache der Huntington-Krankheit ist eine Veränderung (Mutation) auf Chromosom 4 im "Huntingtin"-Gen, das 1993 entdeckt wurde. Die Huntington Krankheit ist genetisch bedingt und wird autosomal dominant vererbt. Das heißt: Gibt ein betroffenes Elternteil das veränderte Gen an seine Kinder weiter, erkranken diese zwangsläufig ebenfalls. Betroffen ist eine Region auf Chromosom Nummer vier. Hier gibt es einen Bereich, in dem sich die DNA-Bausteine CAG (Cytosin, Adenin und Guanin) mehrfach wiederholen - bei den meisten Menschen zwischen 10 und 30 Mal. Allerdings kann die Kopier-Maschinerie des Erbguts ins „Stottern geraten“ - dann vermehren sich die Wiederholungen. Ab zirka 36 Wiederholungen bricht die Krankheit aus. Die Zahl der Wiederholungen nimmt von einer Generation zur nächsten häufig zu. Die Faustregel: Je mehr CAGs, umso früher bricht die Krankheit aus und umso rascher schreitet sie voran. Bei etwa einem bis drei Prozent aller Betroffenen sind keine Fälle von Chorea Huntington in der Familie bekannt. Dann kann es sich um eine neu aufgetretene Veränderung im Erbgut handeln.

Das veränderte Huntingtin-Gen befindet sich auf dem 4. Chromosom. Das Gen kann man sich als ein Bauplan für ein Eiweiß vorstellen. Jeder Teil des Eiweißes (des Gebäudes) wird im Gen durch eine Kombination von 3 Nukleotiden festgelegt. Diese Kombination aus 3 Nukeotiden nennt man Trinukleotide. Für die Erkrankung ursächlich ist die Kombination der Nukleotide C, A und G - das Trinukeotid CAG. Bei Gesunden kommt diese Kombination an einer bestimmten Stelle im Gen nur wenige Male vor. Im „krankhaften“ Gen wird die Kombination CAG sehr häufig wiederholt, z. B. 40 Mal oder mehr. Diese vielen Wiederholungen führen dazu, dass das Huntingtin-Eiweiß nicht richtig gebaut wird

Kinder mit einem an Chorea Huntington erkrankten Elternteil haben ein 50%iges Risiko, auch zu erkranken. Die Erkrankung bricht erst dann sicher aus, wenn sich das krankmachende CAG-Triplett mehr als 39 mal wiederholt. Patienten mit weniger Wiederholungen haben nur eine Vorstufe von Chorea Huntington. Mit jeder Generation erhöht sich die Anzahl der Wiederholungen. Das bedeutet, dass ein Kind von einer Person mit einer Vorstufe eine um 5% erhöhte Wahrscheinlichkeit hat, an Chorea Huntington zu erkranken - auch wenn beide äußerlich Eltern gesund waren. In noch selteneren Fällen entsteht die Erkrankung durch eine gänzlich neue Mutation.

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Das Vorhandensein von intermediären Allelen (CAG-Wiederholungen zwischen 27 und 35) ist in der Regel nicht mit Krankheitssymptomen assoziiert, aber die Möglichkeit der Expansion der CAG-Repeats stellt ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für die Nachkommen dar.

Huntingtin-Protein

Der verlängerte DNA-Abschnitt führt dazu, dass ein Eiweißstoff namens Huntingtin nicht korrekt hergestellt wird. In der gesunden Form ist Huntingtin für den Körper lebensnotwendig. Die veränderte Form ist jedoch giftig und führt dazu, dass Nervenzellen absterben.

Die Forschenden haben herausgefunden, dass die fehlerhafte Form des Eiweißmoleküls entsteht, nachdem das Huntingtin-Gen mit verlängertem CAG-Abschnitt in Boten-RNA (mRNA) übersetzt wurde. Dann heftet sich ein bestimmter Eiweiß-Komplex an den verlängerten Bereich.

Vererbungsmuster

Jeder Träger des veränderten Gens, wo es zu einer Verlängerung sog. „CAG-Triplet“-Wiederholungen kommt, wird mit 100%iger Sicherheit erkranken. Außerdem hat jedes Kind eines Merkmalsträgers ein 50%iges Risiko, ebenfalls das veränderte Gen geerbt zu haben. Die Erkrankung betrifft Frauen und Männer gleichermaßen.

Da Chorea Huntington dominant vererbt wird, kann sie keine Generation überspringen. Die Krankheit bricht nur dann ganz sicher aus, wenn mindestens 40 Wiederholungen (Repeats) des CAG-Tripletts vorliegen. Liegen zwischen 36 und 39 Wiederholungen vor, erkrankt ein Betroffener nicht immer. Unter 36 Wiederholungen bricht die Erkrankung nicht aus, der Patient hat keine Symptome.

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Spät auftretende Symptome

In den meisten Fällen tritt Chorea Huntington im Alter zwischen 40 und 50 Jahren auf. Das liegt daran, dass das veränderte Huntington-Eiweiß die Nervenzellen im Gehirn erst nach und nach zerstört. Die Krankheit schreitet deswegen auch immer weiter fort. Wann die Krankheit auftritt, hängt auch davon ab, wie viele Wiederholungen des CAG-Tripletts ein Patient hat.

Manchmal tritt Chorea Huntington schon vor dem 20. Lebensjahr auf. Dann spricht man von der „juvenilen Form“ von Chorea Huntington.

Seltene Fälle

In ca. 5 bis 10% der Huntington-Genträger sind Spontanmutationen für die Genveränderung verantwortlich.

Symptome

Der Verlauf der Erkrankung ist individuell sehr unterschiedlich, es zeigen sich vielfältige Symptome, die die Erkrankten entwickeln können. Die Huntington-Krankheit (HK) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch eine Trias von motorischen Symptomen (vor allem Bewegungsstörungen), kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Symptomen gekennzeichnet ist.

Frühsymptome

Chorea Huntington beginnt oft mit eher unspezifischen Symptomen. Dazu zählen Auffälligkeit des Verhaltens und der Psyche. Viele Patienten werden zunehmend reizbar, aggressiv, depressiv oder enthemmt, andere werden ängstlich. Typisch ist, dass Betroffene zu Wutausbrüchen neigen oder andere ohne ersichtlichen Grund verletzen. Außerdem kann es zu massivem Misstrauen und Kontrollzwang kommen.

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Das erste Symptom von Chorea Huntington ist in aller Regel eine Wesensveränderung. Noch ehe es zu den typischen Bewegungsstörungen kommt, sind die Betroffenen reizbarer als sonst und reagieren schneller aggressiv. Rund zwei Drittel der Erkrankten leiden unter Depression oder haben Ängste. Oft meiden die Betroffenen plötzlich ihre sozialen Kontakte, fühlen sich vielen alltäglichen Aufgaben nicht mehr gewachsen und vernachlässigen ihr Äußeres. Auch zwanghaftes Verhalten kann auftreten, ist aber seltener. Bis zu 10 % der Erkrankten haben zudem eine Psychose. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, einen Selbstmord zu begehen.

Psychische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten können jedoch schon viele Jahre vor dem Auftreten motorischer Symptome auftreten. Depressive Symptome zählen mit einer Prävalenz von 30-70 % zu den häufigsten Symptomen bei der HK. Sie treten in allen Stadien der HK auf und sind eng mit Suizidalität und anderen psychiatrischen Komorbiditäten verbunden. Angststörungen treten bei bis zu 50 % der Betroffenen in allen Stadien der Krankheit auf und beginnen oft schon vor dem Auftreten motorischer Symptome. Antriebstörung sowie Apathie äußern sich in einem Mangel an Interesse und/oder Motivation für Aktivitäten, die früher Spaß gemacht haben, sowie für das tägliche Leben und soziale Interaktionen. Es handelt sich um ein sehr häufiges neuropsychiatrisches Symptom der HK, mit zunehmender Prävalenz im Krankheitsverlauf.

Motorische Symptome

Typisch ist zum einen das Auftreten von unwillkürlichen und unkontrollierbaren (sog. choreatischen) Bewegungen der Arme, Beine, des Rumpfes und des Kopfes. Anfangs ist es möglich, dass diese überschießenden und ungewollten Bewegungen oft noch in scheinbar sinnvolle Bewegungsabläufe eingebaut werden. Die Bewegungen nehmen bei Aufregung oder Nervosität zu. Eine deutliche Gangunsicherheit mit erhöhter Sturzgefahr kann zusätzlich bestehen.

Die Bewegungsstörungen bei Chorea Huntington machen sich meist durch unwillkürliche Bewegungen, etwa von Kopf, Händen, Armen, Beinen, Rumpf, auch durch Tic-artige Muskelzuckungen wie Augenzwinkern oder ein Verzerren des Mundes bemerkbar. Charakteristisch ist der tänzelnde Gang. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf wird es für die Betroffenen immer schwerer, Bewegungsabläufe des Alltags zu koordinieren und zu bewältigen. Bei einem kleinen Teil der Patienten kommt es statt der chaotischen Bewegungen zu Muskelsteifheit und Bewegungshemmung.

Charakteristisch für die Huntington-Krankheit ist die „Chorea“. Das Wort kommt aus dem griechischen und bedeutet „Tanz“, die Huntington-Krankheit wurde früher auch als Veitstanz bezeichnet. Gemeint sind damit die typischen ruckartigen, kurzen Bewegungen von Gesicht, Rumpf und Gliedmaßen. Anfangs sind die Bewegungen oft so gering ausgeprägt, dass Betroffene lediglich unruhig wirken. Mit der Zeit werden die Bewegungen und das Grimassieren immer stärker. Viele Patienten nehmen die Bewegungen zunächst selbst gar nicht wahr, obwohl sie für Außenstehende deutlich sichtbar sind.

Mit Fortschreiten der Krankheit werden die Bewegungsstörungen immer stärker. Erkrankte nehmen bizarre Fehlhaltungen ein, die Körperteile verdrehen sich krampfartig. Durch Verziehen des Mundes entstehen Grimassen, das Zwinkern wird häufiger. Die Hände vollführen oft klavierspielerartige Bewegungen, die Zunge schnellt nach dem Strecken wie bei einem Chamäleon schnell wieder zurück. Es wird zunehmend schwieriger, Gegenstände zu greifen, weil die Feinabstimmung der Bewegungen nicht mehr gelingt.

Mit dem Fortschreiten der Erkrankung wird das Gehen immer schwieriger. Das Gangbild wirkt oft tänzelnd - das liegt daran, dass es immer wieder zu kurzen, abrupten, nicht kontrollierbaren Bewegungen der Gliedmaßen kommt. Später leidet auch die Balance, die Erkrankten haben dann einen schwankenden Gang. Weil es zunehmend schwieriger wird, die Beine richtig anzuheben, steigt die Stolpergefahr.

Weitere Symptome

Außerdem ist die Sprache oft undeutlich und klingt abgehackt. Zudem können Schluckstörungen auftreten, so dass die Nahrungsaufnahme sehr schwierig wird. Lungenentzündungen aufgrund von Schluckstörungen sind eine häufige Komplikation im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung.

Typisch für die Erkrankung ist außerdem das hastige Essen. Betroffene schlingen Speisen hinunter, sobald sie vor ihnen stehen, und kauen dabei oft kaum oder gar nicht. Im weiteren Verlauf geht die Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskulatur verloren, so dass Schluckbeschwerden die Nahrungsaufnahme erschweren. Außerdem treten Sprachstörungen auf.

Kognitive Beeinträchtigungen

Mit fortschreitendem Verlust von Nervenzellen im Gehirn gehen auch geistige Fähigkeiten verloren, wobei sich dies individuell verschieden äußern kann, etwa durch Interessensverlust, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit. Die Urteilsfähigkeit schwindet, das Lernen und Planen fällt zunehmend schwer. In späteren Stadien treten Gedächtnis- und Orientierungsstörungen bis zur Demenz auf.

Spätstadium

Weil bei der Chorea Huntington immer mehr Nervenzellen absterben, verschlimmern sich die Symptome mit dem zunehmenden Alter. Irgendwann verliert der Erkrankte auch die Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskeln. Das Sprechen wird schwierig, der Erkrankte stößt unkontrollierte, abgehackte Laute aus. Weil das Schlucken nicht mehr gut funktioniert, ist das Essen schwierig. Betroffene nehmen oft massiv ab. Auch das Atmen wird schwieriger und die Kontrolle über Urin- und Stuhlgang geht verloren. Zu den Persönlichkeitsveränderungen kommen noch die Symptome einer Demenz. Obwohl die Symptome drastisch sind, versterben die Erkrankten in der Regel nicht an der Chorea Huntington selbst, sondern an sich daraus entstehenden Komplikationen - zum Beispiel Lungenentzündungen auf Grund der Schluckstörungen oder einem Infekt wegen der allgemeinen Schwäche.

Juvenile Form

Tritt Chorea Huntington vor dem 20. Lebensjahr auf, spricht man von der juvenilen Form der Erkrankung. Dann stehen zunächst ausgeprägte psychische Symptome im Vordergrund. Erkrankte Kinder fallen zum Beispiel in der Schule durch Verhaltensstörungen, Sprachprobleme, Ungeschicklichkeit und Lernschwierigkeiten auf. Außerdem kommt es früh im Leben zu einer Demenz. Die Chorea - also die einschießenden Bewegungsstörungen - fehlen zunächst. Stattdessen sind die Bewegungen verlangsamt und starr, Körperteile können bizarr verdreht sein. Anders als bei der erwachsenen Form sind epileptische Anfälle möglich. Tritt die Erkrankung bereits im Jugendalter auf, kann es dagegen zu einer zunehmenden Muskelsteifigkeit und Bewegungshemmung kommen, wie es bei Parkinson-Patienten bekannt ist (sog. Westphal-Variante).

Diagnose

Im Frühstadium ist die Diagnose der Erkrankung schwierig. Da es sich um eine erbliche Erkrankung handelt, ist Befragung zur Familiengeschichte des Patienten von großer Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Symptome - wie etwa die Bewegungsstörungen - sehr charakteristisch sind und oft zu einer Verdachtsdiagnose führen. Den endgültigen Nachweis bringt die molekulargenetische Untersuchung. Hier wird im Blut getestet, wie oft sich das CAG-Basentriplett wiederholt.

Anamnese und klinische Untersuchung

Am Anfang der Diagnose von Chorea Huntington steht eine ausführliche Befragung zur Kranken- und zur Familiengeschichte (Anamnese). Interessant für den Arzt ist, ob nahe Angehörige (Eltern, Großeltern) an Chorea Huntington erkrankt sind. Bei der körperlichen Untersuchung wird der Arzt darauf achten, ob die typischen Bewegungsstörungen festzustellen sind. Außerdem gibt es ein paar körperliche Tests, die hinweisend für die Erkrankung sind, z. B. die Chamäleonzunge. Das bedeutet, dass Erkrankte ihre Zunge nicht ausgestreckt halten können - sie schnellt wie bei einem Chamäleon einfach wieder zurück in den Mund. Da viele Patienten die Bewegungsstörungen zu Beginn nicht wahrnehmen, ist auch eine Fremdanamnese wichtig, um den genauen Beginn der motorischen Krankheitsanzeichen sicher festlegen zu können. Es sind neurologische, neuropsychologische, psychiatrische und internistische Untersuchungen angezeigt.

Bei der neurologischen Untersuchung sollte der Unified Huntington’s Disease Rating Scale total motor score (UHDRS-TMS) erhoben werden. Bei der neuropsychologischen Untersuchung sollte u.a. auf psychomotorische Verlangsamung, Gedächtnisstörungen und eine Abnahme des Sprachflusses geachtet werden. Eine formale kognitive Testung nach UHDRS sollte erfolgen. In der psychiatrischen Untersuchung wird beispielsweise auf Anzeichen von Persönlichkeitsveränderungen, Aggressivität, Depression oder Suizidalität geachtet. In der Leitlinie wird die Anwendung der „Problem-Behavior-Assessment“-Skala (PBA-s) empfohlen.

Molekulargenetische Testung

Eine sichere Diagnosestellung gelingt mit Hilfe einer molekulargenetischen Testung. Dabei wird eine Blutprobe eines Betroffenen auf Veränderungen im entsprechenden Gen untersucht. Gewissheit bringt schließlich der molekulargenetische Test auf Chorea Huntington. Er darf nur von Fachärzten für Humangenetik durchgeführt werden oder von Ärzten, deren fachlicher Schwerpunkt die genetische Beratung und Diagnostik ist.

Der Auftrag zu molekulargenetischen Untersuchung ist durch den betreuenden Arzt möglich. Die Mitteilung des Untersuchungsergebnisses sollte stets persönlich durch denselben Arzt erfolgen.

Vorhersagediagnostik

Auch gesunde erwachsene Familienangehörige können sich diesbezüglich untersuchen lassen (sog. prädiktive Diagnostik). Die Vorhersagediagnostik (prädiktive Diagnostik) bei Menschen mit einem Huntington-Risiko hat eine erhebliche psychische und soziale Tragweite. Daher wurden Richtlinien erarbeitet, nach denen in Deutschland die prädiktive Diagnostik durchgeführt wird. Diesen Richtlinien folgend soll weder bei Minderjährigen noch auf Wunsch Dritter (z.B. Ärzten, Versicherungsgesellschaften, Adoptionsstellen oder Arbeitgebern) eine solche Untersuchung erfolgen.

Ablauf eines Gentests

Vor dem Test muss eine ausführliche Beratung stattfinden - das schreibt das Gesetz vor. Es handelt sich dabei meist um zwei Gespräche im Abstand von 14 Tagen. Dabei muss der Arzt ausführlich über den Test und die Konsequenzen des Ergebnisses beraten. Der Betroffene kann dann nochmal mindestens 4 Wochen in Ruhe überlegen, ob er das Ergebnis wirklich wissen möchte. Er kann währenddessen auch eine psychologische Beratung in Anspruch nehmen.

Für den Test selbst ist nur eine Blutentnahme nötig. Die Probe wird dann in ein Labor geschickt. Das Labor untersucht, wie oft sich das Basentriplett CAG in einem bestimmten Gen auf dem vierten Chromosom wiederholt.

Nach der genetischen Beratung und der Entscheidungsfindung geht der eigentliche Test recht schnell. Die Untersuchung der Blutprobe dauert je nach Labor ungefähr eine Woche. Manche Ärzte nehmen zweimal Blut ab und lassen den Test wiederholen, damit das Ergebnis ganz sicher ist.

Kosten

Der genetische Test auf Chorea Huntington kostet um die 200 Euro. Die Krankenkasse übernimmt sowohl die Kosten für die genetische Beratung als auch für den genetischen Test. Manche Betroffene entscheiden sich dafür, den Test selbst zu bezahlen. Das kann manchmal sinnvoll sein, weil die Diagnose dann zunächst nirgends dokumentiert ist.

Test bei Kindern

Theoretisch kann man schon bei einem Kind im Blut feststellen, ob es das Chorea-Huntington-Gen hat. Es gibt aber Experten-Richtlinien, die einen Test bei Minderjährigen ausschließen. Laut Gesetz darf die Gendiagnostik nämlich nur durchgeführt werden, wenn die Testperson sich völlig selbstbestimmt dafür entscheidet. Der Grund dafür ist, dass Chorea Huntington nicht heilbar ist und früh zum Tode führt. Anders ist das bei Erkrankungen, die sich nach der Diagnose behandeln lassen.

Bildgebung und weitere Untersuchungen

Sind die neurologischen Symptome und die Familiengeschichte eindeutig, kann auf eine ausgedehnte Diagnostik verzichtet werden. Bei untypischen Beschwerden werden zusätzliche bildgebende Verfahren (CT, MRT) eingesetzt, ggf. werden auch neurophysiologische und nuklearmedizinische Verfahren angewandt. Dies ist notwendig, um die Huntington-Erkrankung von anderen Krankheitsbildern, die im Anfangsstadium ähnlich verlaufen können, zu unterscheiden. Da die Huntington-Krankheit eine sehr seltene Krankheit ist, sollten die Untersuchungen am besten in einem spezialisierten Zentrum erfolgen. Dort haben die Ärzte eine lange Erfahrung mit der Diagnostik und der Therapie der Krankheit.

Um das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen, werden Menschen mit Chorea Huntington neurologisch, neuropsychologisch und psychiatrisch untersucht. Diese Untersuchungen führen entweder erfahrene Ärzte oder speziell ausgebildete Neuropsychologen durch. Durch bildgebende Untersuchungen wie eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns lässt sich der Abbau einzelner Hirnbereiche darstellen, die bei Chorea Huntington besonders betroffen sind. Die elektrophysiologische Diagnostik untersucht die Hirnfunktion und liefert in Einzelfällen ebenfalls wichtige Hinweise bei Chorea Huntington.

MRT

Bei Chorea Huntington lässt sich im MRT erkennen, wie viele Bereiche des Gehirns schon Schaden genommen haben. Es gibt noch andere apparative Untersuchungen, die den Schaden am Gehirn untersuchen, etwa die Positronen-Emissions-Tomographie und das Elektro-Enzephalogramm.

Weitere Differentialdiagnosen

Manchmal liegen zwar eindeutige Symptome der Erkrankung vor, der Gentest zeigt jedoch nicht die erwartete Mutation. Die Liste weiterer Krankheiten mit choreatiformen Störungen beinhaltet andere genetische Krankheiten wie z.B. die Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson, die spinocerebelläre Ataxie Typ 1, 2, 3, 17, Friedrich Ataxie, Huntingon’s disease like-Erkrankungen, Neuroakanthozytose. Weitere Erkrankungen mit Chorea können entstehen u.a. infolge von Schlaganfällen, Schilddrüsenstörungen oder durch Einnahme von Medikamenten, die den Dopaminstoffwechsel beeinflussen.

Therapie

Chorea Huntington ist eine Erkrankung, die stetig fortschreitet und für die es keine Heilung gibt. Bislang ist Chorea Huntington noch nicht heilbar. Die Behandlung in spezialisierten Zentren konzentriert sich daher auf das Mildern der Symptome und Einschränkungen.

Die Therapie bei Chorea Huntington zielt darauf ab, die Beschwerden zu lindern. Eine Heilung gibt es nicht. Patienten werden symptomatisch behandelt, d.h. man versucht die einzelnen Symptome zu lindern.

Medikamentöse Therapie

Bestimmte Medikamente lindern jedoch die Symptome. Ärzte setzen zum Beispiel die Wirkstoffe Tiaprid und Tetrabenazin gegen die übermäßigen und unkontrollierten Bewegungsabläufe ein. Diese Mittel wirken dem körpereigenen Botenstoff Dopamin entgegen. Bei depressiven Verstimmungen kommen meist Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) oder Sulpirid zum Einsatz.

  • Hyperkinesen: Überbewegungen werden mit Dopaminrezeptorantagonisten (Tiaprid), Dopamin-entspeicherern (Tetrabenazin) oder atypischen Antipsychotika behandelt. Nach derzeitiger Studienlage ist Tetrabenazin am besten zur Therapie geeignet. Der große Nachteil liegt darin, dass als unerwünschte Arzneimittelwirkung eine Depression auftreten kann. In der Leitlinie wird daher empfohlen, die antihyperkinetische Therapie mit Tiaprid zu beginnen, bei dem ein günstigeres Nebenwirkungsprofil vorliegt.
  • Hypokinesen: Minderbewegungen können mit Parkinson-Medikamenten behandelt werden.
  • Depression: Die Depression kann mit beispielsweise Serotoninwiederaufnahmehemmern oder Dopamin-Rezeptorantagonisten behandelt werden.
  • Reizbarkeit, Aggressivität, Psychosen: Vermehrte Reizbarkeit, Aggressivität oder Psychosen können mit atypischen Neuroleptika häufig gut kontrolliert werden.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Funktionserhaltende Therapien: Daneben haben funktionserhaltende Therapien, die zum Ziel haben, die Mobilität und Lebensqualität über eine lange Zeit zu erhalten, eine wichtige Bedeutung, insbesondere Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. Zum Beispiel helfen spezielle Übungen dabei, Sprech- oder Schluckstörungen zu verbessern. Außerdem lassen sich mit Ergotherapie die Aktivitäten des alltäglichen Lebens trainieren. Dies ermöglicht Menschen mit Chorea Huntington, länger selbstständig zu bleiben. Eine Psychotherapie hilft vielen Betroffenen, besser mit der Erkrankung umzugehen. Auch Selbsthilfegruppen stellen für viele eine große Unterstützung dar.
  • Ernährung: Gegen einen drohenden Gewichtsverlust wird eine hochkalorische Ernährung mit bis zu 6 bis 8 Mahlzeiten pro Tag empfohlen. Da viele Menschen mit Chorea Huntington im Laufe ihrer Krankheit stark abnehmen, ist eine kalorienreiche Ernährung sinnvoll. In einigen Fällen verbessert leichtes Übergewicht die Symptome der Chorea Huntington.
  • Hilfsmittel und sozialmedizinische Aspekte: In späten Stadien der Huntington-Erkrankung sind auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (Gehwagen, spezielle Abpolsterungen) und eine ausreichende Ernährung von großer Bedeutung. Zudem ist es notwendig, rechtzeitig sozialmedizinische Aspekte der Erkrankung (Rente, Betreuung, Vollmachten u. ä.) zu berücksichtigen.
  • Weitere Maßnahmen: Wichtig sind regelmäßige Anwendungen mittels Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie.

Forschung

Da derzeit keine neuroprotektiven Wirkstoffe zur Behandlung der Huntington-Erkrankung zur Verfügung stehen, kommt es im Verlauf der Erkrankung unweigerlich zu einem zunehmenden Verlust der Nervenzellen im Striatum, aber auch im Cortex und im Hirnstamm. Man versucht, diesen Zellverlust über Transplantation von Stammzellen in das Gehirn hinein auszugleichen. Ein weiterer Ansatz ist die Tiefe Hirnstimulation mit experimenteller Implantation eines Hirnschrittmachers.

Therapien, die den zugrunde liegenden Abbauprozess bei Chorea Huntington aufhalten, sind noch nicht bekannt. Es werden vielfältige neue Ansätze in der medikamentösen Chorea-Huntington-Therapie verfolgt, die sich aber bisher noch im Versuchsstadium befinden. Ein kausaler Therapieansatz durch den Einsatz von Antisense-Oligonukleotiden wird erforscht.

Selbsthilfegruppen und Netzwerke

Psychologische und psychosoziale Maßnahmen sind notwendig. Weiter gibt es Selbsthilfegruppen wie z.B. die Deutsche Huntington Hilfe. Patienten und Angehörige können sich in das Europäische Huntington-Netzwerk einschließen lassen.

Europäisches Huntington-Netzwerk (EHDN)

Um die Erforschung der Huntington-Erkrankung voranzutreiben, gründeten einige Zentren in Europa 2003 das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN). Dieses Netzwerk bündelt die Anstrengungen von Ärzten, Grundlagenwissenschaftler, Pflegekräften, Therapeuten, aber auch Patienten und Angehörigen, um neue Therapien für die Huntington-Erkrankung zu entwickeln. Inzwischen gibt es über 140 Zentren in 17 Ländern Europas.

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