Nervenschmerzen im Liegen: Ursachen, Diagnose und Behandlungsansätze

Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, sind eine spezielle Art von Schmerz, die durch eine Schädigung oder Funktionsstörung des Nervensystems verursacht wird. Diese Schmerzen können im Ruhezustand auftreten und sich beim Liegen verstärken, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnosemethoden und verschiedenen Behandlungsansätze bei Nervenschmerzen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Liegen.

Was sind Nervenschmerzen?

Nervenschmerzen, fachsprachlich als neuropathische Schmerzen bezeichnet, entstehen durch direkte Schädigungen der "Gefühlsfasern" des Nervensystems. Dies unterscheidet sie grundlegend von anderen Schmerzarten wie Rücken-, Kopf- oder Tumorschmerzen. Im Gegensatz zu "normalen" Schmerzen entstehen die Schmerzimpulse nicht in den Nervenendigungen der Schmerzfasern in den Geweben, sondern direkt im Nervensystem selbst.

Charakteristika neuropathischer Schmerzen

Für die Diagnose neuropathischer Schmerzen ist es wichtig, Verteilungsmuster, Stärke und Qualität der Schmerzen zu erfassen. Typische Merkmale sind:

  • Brennender Schmerz: Ein häufig beschriebenes Gefühl.
  • Bohrende Schmerzen: Tief sitzende, quälende Schmerzen.
  • Einschießende Schmerzen: Plötzlich auftretende, heftige Schmerzattacken.
  • Stechende Schmerzen: Scharfe, lokalisierte Schmerzen.

Die Schmerzen treten oft in Ruhe auf und können durch leichte Berührungen ausgelöst werden (Allodynie). Zudem kann eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit gegenüber schmerzauslösenden Reizen (Hyperalgesie) bestehen.

Ursachen von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen können vielfältige Ursachen haben, die von lokalen Nervenkompressionen bis hin zu systemischen Erkrankungen reichen. Hier sind einige der häufigsten Auslöser:

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Bandscheibenvorfall

Ein Bandscheibenvorfall, bei dem die Bandscheibe auf eine Nervenwurzel drückt, ist ein häufiger Auslöser. Dies ist durch bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT oder MRT sichtbar. Betroffen ist oft die fünfte Nervenwurzel im Lendenbereich, was zu Taubheitsgefühl und Schmerzausstrahlung über das Bein bis zur Großzehe führen kann. Nervenstrukturen werden durch das Vorfallen der Bandscheibe eingeengt, die im Bereich der Austrittskanäle der Wirbelsäule liegen.

Polyneuropathie

Polyneuropathie, eine Erkrankung vieler Nerven, tritt oft im Rahmen von Diabetes mellitus auf. Hierbei schädigt ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel die feinen Nervenendigungen, was zu brennenden Schmerzen und Berührungsschmerzen an Füßen und Händen führt.

Gürtelrose (Herpes Zoster)

Eine Gürtelrose kann neuropathische Schmerzen verursachen, indem das Varizella-Zoster-Virus eine Nervenentzündung in der Haut auslöst. Nach einer Windpockeninfektion im Kindesalter verbleiben die Viren in den Nervenwurzeln und können durch Stress oder ein geschwächtes Immunsystem reaktiviert werden.

Nervenverletzungen

Nervenquetschungen oder -durchtrennungen durch Unfälle oder Operationen können ebenfalls Nervenschmerzen verursachen. Dies gilt auch für das Phantomschmerzsyndrom nach Amputationen.

Engpass-Syndrome

Engpass-Syndrome, wie das Karpaltunnelsyndrom am Handgelenk, entstehen durch die Kompression von Nerven. Dies kann durch Flüssigkeitseinlagerungen (z.B. in der Schwangerschaft) oder durch repetitive Bewegungen und Vibrationen (z.B. bei Handwerkern, Musikern, Masseuren) bedingt sein.

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Tumorerkrankungen

Tumore können Nervenschmerzen verursachen, wenn sie auf Nervenfasern drücken oder diese infiltrieren. Im Rahmen von Bestrahlungen kann es zudem zu Bindegewebsneubildungen kommen, die Nerven schädigen.

Medikamentöse Therapien und genetische Erkrankungen

Auch bestimmte Medikamente oder genetisch bedingte Erkrankungen können Nervenschmerzen auslösen.

Alkoholismus

Chronischer Alkoholmissbrauch führt häufig zu Nervenschmerzen, typischerweise mit beidseitigen brennenden Schmerzen in den Beinen und Füßen.

Vitaminmangel

Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere Vitamin B12, kann Nervenschmerzen verursachen, besonders bei veganer oder vegetarischer Ernährung. Auch ein Vitamin-D-Mangel, besonders in den Wintermonaten, kann problematisch sein.

Stress und psychische Faktoren

Angststörungen, Depressionen oder ständiger Stress können die Schmerzempfindlichkeit erhöhen und somatoforme Schmerzstörungen verursachen.

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Nervenschmerzen im Liegen

Viele Betroffene berichten, dass sich ihre Nervenschmerzen im Liegen verstärken. Dies kann verschiedene Gründe haben:

Veränderte Körperhaltung

Im Liegen verändert sich die Druckverteilung auf den Körper. Dies kann bestimmte Nerven stärker belasten oder einklemmen.

Mangelnde Ablenkung

Nachts fehlt die Ablenkung durch Alltagsaktivitäten. Die Konzentration auf den Schmerz verstärkt die Wahrnehmung.

Hormonelle Veränderungen

Die Produktion des entzündungshemmenden Hormons Cortisol erreicht nachts ihren Tiefpunkt, was die Schmerzwahrnehmung verstärken kann.

Schlafstörungen

Schmerzen und Schlafstörungen beeinflussen sich gegenseitig. Schlafmangel kann die Schmerzempfindlichkeit erhöhen und umgekehrt.

Diagnostische Abklärung

Die Diagnose neuropathischer Schmerzen basiert auf einer umfassenden Anamnese, körperlichen Untersuchung und speziellen Tests:

Anamnese

Der Arzt erfragt die Krankheitsgeschichte, die genaue Beschreibung der Schmerzen (Art, Lokalisation, Auslöser) sowie Vorerkrankungen wie Diabetes, Gürtelrose oder Alkoholismus.

Körperliche Untersuchung

Die Untersuchung umfasst die Prüfung der Sensibilität (z.B. Berührung, Temperatur, Schmerz) und der motorischen Funktionen. Es wird geprüft, ob die Schmerzausbreitung dem Versorgungsgebiet eines Nervs entspricht.

Schmerzzeichnung und -fragebögen

Der Patient markiert die Schmerzbereiche auf einer Zeichnung und beantwortet standardisierte Fragebögen zur Schmerzintensität und -qualität.

Quantitative Sensorische Testung (QST)

Die QST misst die Hautempfindlichkeit, um Veränderungen der Schmerzwahrnehmung festzustellen.

Neurographie

Die Neurographie bestimmt die Nervenleitgeschwindigkeit, um Nervenschädigungen zu identifizieren.

Somatosensibel evozierte Potenziale (SEP)

SEP prüfen die Funktion der gesamten Gefühlsbahn von der Haut über das Rückenmark bis zum Gehirn.

Bildgebende Verfahren

CT oder MRT können Nervenschädigungen oder andere Ursachen (z.B. Bandscheibenvorfall, Tumore) sichtbar machen.

Elektroneurografie und Elektromyografie

Diese Untersuchungen überprüfen die Erregbarkeit des Nerven und die Funktionalität des Muskels.

Nervenbiopsie

Die Nervenbiopsie ist die Standarduntersuchung zum Feststellen einer Erkrankung von dünnen Nervenfasern (Small-Fiber-Neuropathie).

Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung von Nervenschmerzen ist oft komplex und erfordert einen individuellen Therapieplan. Ziel ist es, die Schmerzen zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und die zugrunde liegende Ursache zu behandeln.

Medikamentöse Therapie

  • Antidepressiva: Amitriptylin oder Duloxetin können schmerzlindernd wirken.
  • Antikonvulsiva: Gabapentin und Pregabalin dämpfen die Nervenaktivität.
  • Opioide und Tramadol: Werden bei starken Schmerzen vorsichtig eingesetzt.
  • Topische Therapie: Cremes oder Pflaster mit Lidocain oder Capsaicin können lokal Schmerzen lindern.

Es ist wichtig zu beachten, dass "normale" Schmerzmittel wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) bei Nervenschmerzen oft nicht wirksam sind.

Nicht-medikamentöse Verfahren

  • Physiotherapie: Kräftigungs- und Bewegungsübungen, sensorisches Training.
  • Ergotherapie: Anpassung des Alltags, Hilfsmittel.
  • Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie (CBT), Schmerzbewältigungstraining.
  • Neuromodulation: Spinal Cord Stimulation (SCS), periphere Nervenstimulation, Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS).
  • Alternative Therapien: Akupunktur, Entspannungstechniken (progressive Muskelentspannung, Yoga).

Operative Behandlung

In hartnäckigen Fällen können Nervenstimulatoren implantiert werden, die sanfte Impulse an die Nerven abgeben.

Lifestyle-Änderungen

  • Ernährung und Gewichtskontrolle: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, besonders bei Diabetes.
  • Regelmäßige Bewegung: Moderate Bewegung stärkt die Muskeln und unterstützt die Nervenfunktion.
  • Schlafhygiene: Guter Schlaf reduziert Schmerzen und Überempfindlichkeit.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Reduktion von Alkoholkonsum, Nikotinverzicht.

Hausmittel

Kühle Kompressen, warme Auflagen oder Bäder können zusätzlich Linderung verschaffen.

Was kann man selbst tun?

  • Schmerztagebuch führen: Dokumentieren Sie Art, Intensität, Lokalisation und Auslöser der Schmerzen.
  • Arzt aufsuchen: Bei Verdacht auf Nervenschmerzen sollten Sie umgehend einen Arzt konsultieren.
  • Vitaminmangel ausgleichen: Lassen Sie Ihren Vitamin-B12- und Vitamin-D-Spiegel regelmäßig kontrollieren und ggf. supplementieren.
  • Stress reduzieren: Entspannungstechniken, Sport und soziale Kontakte können helfen, Stress abzubauen.
  • Aktive Lebensführung: Vermeiden Sie Schonhaltungen und bleiben Sie aktiv.
  • Schlafhygiene verbessern: Sorgen Sie für eine angenehme Schlafumgebung und regelmäßige Schlafzeiten.

Schlafhygiene bei Nervenschmerzen

Da Schmerzen und Schlaf eng miteinander verbunden sind, ist eine gute Schlafhygiene entscheidend:

  • Regelmäßiger Schlafrhythmus: Gehen Sie jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett und stehen Sie zur gleichen Zeit auf.
  • Angenehme Schlafumgebung: Sorgen Sie für ein dunkles, ruhiges und kühles Schlafzimmer.
  • Entspannungsübungen: Entspannungsübungen vor dem Schlafengehen können helfen, zur Ruhe zu kommen.
  • Vermeidung von Stimulanzien: Vermeiden Sie Koffein, Alkohol und Nikotin vor dem Schlafengehen.
  • Matratze und Kissen anpassen: Wählen Sie eine Matratze und Kissen, die Ihre Wirbelsäule optimal unterstützen und Druck auf Nerven reduzieren.
  • Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann den Schlaf verbessern, sollte aber nicht kurz vor dem Schlafengehen erfolgen.
  • Tageslicht: Sorgen Sie für ausreichend Tageslicht, um Ihren Schlaf-Wach-Rhythmus zu regulieren.

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