Nervenschmerzen im Bein nach einer Operation können eine belastende Komplikation darstellen. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Ursachen für diese Schmerzen und stellt verschiedene Behandlungsansätze vor. Er richtet sich an Betroffene, Angehörige und medizinisches Fachpersonal, um ein umfassendes Verständnis für dieses komplexe Thema zu schaffen.
Einführung
Operationen im Bereich des Beins, insbesondere am Knie, können in manchen Fällen zu Nervenschädigungen und damit verbundenen Schmerzen führen. Diese neuropathischen Schmerzen unterscheiden sich von herkömmlichen postoperativen Schmerzen und erfordern eine spezifische Diagnostik und Therapie. Es ist wichtig, die potenziellen Ursachen zu kennen, um frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.
Ursachen von Nervenschmerzen im Bein nach OP
Nervenschmerzen im Bein nach einer Operation können vielfältige Ursachen haben. Einige der häufigsten werden im Folgenden erläutert:
Direkte Nervenverletzung während der Operation
Während des Eingriffs kann es trotz größter Sorgfalt zu einer direkten Verletzung von Nerven kommen. Dies kann durch Schnitte, Quetschungen oder Dehnungen der Nervenstrukturen geschehen. Besonders gefährdet sind Nerven, die in unmittelbarer Nähe des Operationsgebietes verlaufen, wie der Nervus peroneus (Wadenbeinnerv) und der Nervus tibialis (Schienbeinnerv) im Bereich des Knies. Etwa 40% aller Nervenverletzungen entstehen bei einer unfallchirurgischen oder orthopädischen Operation.
Nervenkompression durch postoperative Schwellungen und Hämatome
Nach der Operation können Schwellungen und Blutergüsse (Hämatome) entstehen, die Druck auf die Nerven ausüben und dadurch Schmerzen verursachen. Dieser Druck kann die Nervenfunktion beeinträchtigen und zu Taubheitsgefühlen, Kribbeln oder Schmerzen führen.
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Narbenbildung
Im Rahmen des Heilungsprozesses kann es zur Bildung von Narbengewebe kommen, das die Nerven einengt und reizt. Diese Narbenbildung kann auch Monate nach der Operation noch Beschwerden verursachen. Über Monate bis zu 1½ Jahre nach der Operation andauernde Beschwerden sind oftmals Folge einer Narbenbildung im Bereich der Arthroskopiezugänge. Beim Zugang zum Gelenk schneidet der Operateur nicht nur durch die Haut, sondern auch durch das unter der Haut gelegene Fettgewebe. Dadurch können sich Gewebsstrukturen verdicken und verhärten und es kommt insbesondere bei der Beugung des Gelenks zu Schmerzen.
Ischämie (Minderdurchblutung) des Nervs
Eine unzureichende Durchblutung der Nerven kann ebenfalls zu Schmerzen und Funktionsstörungen führen. Dies kann beispielsweise durch Gefäßverletzungen während der Operation oder durch Kompression der Blutgefäße durch Schwellungen oder Narben verursacht werden.
Auswirkungen von Anästhesie oder Blutsperre
In seltenen Fällen können auch die Anästhesie oder die Verwendung einer Blutsperre während der Operation zu Nervenschäden führen. Dies kann beispielsweise durch toxische Effekte der Anästhetika oder durch den Druck der Blutsperre auf die Nerven verursacht werden.
Infektionen
Eine weitere sehr seltene Ursache für Schmerzen nach der Operation kann ein im Kniegelenk schleichender Infekt sein. Dieser zeichnet sich durch entsprechende Veränderungen der Laborparameter (Blutsenkung, C-reaktives Protein) und durch eine meist massive Berührungsempfindlichkeit des Gelenkes. Die Bewegung ist schmerzbedingt stark eingeschränkt. Eine Blutuntersuchung liefert wichtige Hinweise auf eine Infektion im Gelenk.
Arthrofibrose
Bei einer Arthrofibrose bildet sich Narbengewebe innerhalb eines Gelenks. Die Arthrofibrose ist eine schmerzhafte Beweglichkeitsstörung, die durch vermehrte Bildung von Bindegewebszellen (Fibroblasten) verursacht wird. Sie tritt als Komplikation nach operativen Eingriffen oder Verletzungen an Gelenken auf. Vor allem nach Knie-Operationen wie z. B. dem Einsatz einer Knie-TEP, einer Kreuzband-OP oder Meniskus-OP gehört die Arthrofibrose (oder auch Zyklops) zu den häufigsten Komplikationen.
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Symptome von Nervenschmerzen im Bein nach OP
Die Symptome von Nervenschmerzen im Bein nach einer Operation können vielfältig sein und hängen von der Art und dem Ausmaß der Nervenschädigung ab. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln: Diese Empfindungsstörungen treten oft im Bereich des Knies, des Unterschenkels oder des Fußes auf.
- Brennende oder stechende Schmerzen: Diese Schmerzen werden oft als sehr unangenehm und quälend beschrieben.
- Muskelschwäche: Insbesondere beim Anheben des Fußes kann es zu einer Schwäche kommen (Fußheberschwäche).
- Eingeschränkte Beweglichkeit: Die Beweglichkeit des Knies oder des Fußes kann eingeschränkt sein.
- Veränderungen der Hautempfindlichkeit: Die Haut kann überempfindlich oder unempfindlich gegenüber Berührungen sein.
- Lähmungserscheinungen: In schweren Fällen kann es zu Lähmungen kommen.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome unmittelbar nach der Operation oder erst nach einiger Zeit auftreten können.
Diagnose von Nervenschmerzen im Bein nach OP
Die Diagnose von Nervenschmerzen im Bein nach einer Operation erfordert eine sorgfältige Anamnese, eine körperliche Untersuchung und gegebenenfalls weitere diagnostische Maßnahmen.
Anamnese
Der Arzt wird zunächst ausführlich nach der Krankengeschichte fragen, um die Art und den Verlauf der Beschwerden zu erfassen. Wichtige Fragen sind:
- Welche Art von Operation wurde durchgeführt?
- Wann sind die Schmerzen aufgetreten?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an (z.B. brennend, stechend, dumpf)?
- Wo genau treten die Schmerzen auf?
- Gibt es begleitende Symptome wie Taubheitsgefühl oder Muskelschwäche?
- Welche Behandlungen wurden bereits versucht?
Körperliche Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung wird der Arzt das Bein gründlich untersuchen, um die Ursache der Schmerzen zu finden. Er wird die Sensibilität, die Motorik und die Reflexe überprüfen. Außerdem wird er nach Anzeichen von Entzündungen, Schwellungen oder Narbenbildung suchen.
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Weitere diagnostische Maßnahmen
Je nach Verdacht kann der Arzt weitere diagnostische Maßnahmen veranlassen, wie zum Beispiel:
- Elektromyographie (EMG): Diese Untersuchung misst die elektrische Aktivität der Muskeln und kann Hinweise auf Nervenschädigungen liefern.
- Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): Diese Untersuchung misst die Geschwindigkeit, mit der elektrische Signale entlang der Nerven weitergeleitet werden. Sie kann helfen, die Lokalisation und das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Diese bildgebende Untersuchung kann Nerven, Muskeln und andere Weichteilstrukturen darstellen und helfen, Ursachen für die Nervenschmerzen zu identifizieren, wie z.B. Narbenbildung oder Nervenkompressionen.
Behandlung von Nervenschmerzen im Bein nach OP
Die Behandlung von Nervenschmerzen im Bein nach einer Operation zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern, die Nervenfunktion zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen. Die Therapieansätze sind vielfältig und werden individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt.
Konservative Therapie
In vielen Fällen können Nervenschmerzen im Bein mit konservativen Maßnahmen erfolgreich behandelt werden. Dazu gehören:
- Schmerzmedikamente: Verschiedene Schmerzmittel können zur Linderung der Nervenschmerzen eingesetzt werden. Dazu gehören nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Opioide und spezielle Medikamente gegen Nervenschmerzen wie Gabapentin oder Pregabalin.
- Physiotherapie: Physiotherapeutische Übungen können helfen, die Muskulatur zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und die Nervenfunktion zu fördern.
- Ergotherapie: Ergotherapeutische Maßnahmen können helfen, die Alltagsfunktionen zu verbessern und die Selbstständigkeit zu erhalten.
- Nervenstimulation: Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) kann helfen, die Schmerzen zu lindern, indem sie die Nerven stimuliert.
- Psychologische Betreuung: Chronische Schmerzen können zu psychischen Belastungen führen. Eine psychologische Betreuung kann helfen, mit den Schmerzen umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
- Osteopathische Therapie: Osteopathische Therapieansätze gehen davon aus, dass der Körper zur Selbstheilung fähig ist.
- Lymphdrainage und ZRT-Matrixtherapie: Diese Methoden fördern den Stoffwechsel und die Mikrozirkulation im Gewebe. Auf diese Weise sinkt die Konzentration der für die Myofibroblastenbildung verantwortlichen Zytokine.
- Wärmetherapie: Schmerzlindernd wirken durch ihre durchblutungsfördernde Wirkung zudem Maßnahmen wie Wärmetherapie.
- Ernährung: Es kann sinnvoll sein, durch eine Anpassung der Ernährung die Zytokinausschüttung zu verringern und auf diese Weise dem Prozess der Vernarbung im Gelenk entgegenzuwirken. Vermeiden bzw. reduzieren sollte man hingegen gesättigte Fettsäuren, da diese entzündungsfördernd wirken. Eine Nahrungskarenz von 14 bis 16 Stunden täglich kann den Stoffwechsel steigern. Auf diese Weise helfen Sie Ihrem Körper, das abgebaute Gewebe besser zu verwerten.
Invasive Therapie
In einigen Fällen sind invasive Behandlungen erforderlich, um die Nervenschmerzen zu lindern. Dazu gehören:
- Nervenblockaden: Bei einer Nervenblockade wird ein Betäubungsmittel in die Nähe des betroffenen Nervs gespritzt, um die Schmerzleitung zu unterbrechen.
- Kortisoninjektionen: Kortison kann Entzündungen reduzieren und dadurch die Nervenschmerzen lindern.
- Radiofrequenzablation: Bei dieser Methode wird der betroffene Nerv mit Radiowellen erhitzt, um die Schmerzleitung zu unterbrechen.
- Operation: In seltenen Fällen ist eine Operation erforderlich, um die Ursache der Nervenschmerzen zu beseitigen, z.B. um Narbengewebe zu entfernen oder einen eingeklemmten Nerv zu befreien. In der Gelenk-Klinik wird in diesen Fällen häufig ein möglichst minimalinvasives Verfahren (Arthroskopie) gewählt. Die entstandenen Vernarbungen werden mit einem Thermokoagulationsverfahren gewebeschonend entfernt oder durchtrennt. Im gleichen Schritt wird das Gewebe durch die Erhitzung verödet.
Behandlung von Arthrofibrose
Die Therapie der Arthrofibrose richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Ziel der Behandlung ist es, den Heilungsprozess im Gelenk günstig zu beeinflussen und die Aktivität der Bindegewebszellen zu normalisieren. Es ist wichtig, möglichst schnell nach der Diagnosestellung der Arthrofibrose mit der Physiotherapie zu beginnen. Ziel der Therapie ist es, den Körper dabei zu unterstützen, das pathologische Gewebe abzubauen und eine Gewebsgesundheit herzustellen. Die Therapie darf im betroffenen Gelenk keine Schmerzen auslösen, da dies die Gefahr einer erneuten Arthrofibrose erhöht. Bewegungserweiternde Maßnahmen sollten individuell angepasst und ohne Schmerzen angewendet werden. Der Fokus der medizinischen Trainingstherapie nach einer Knie-OP sollte auf der Beübung des gesunden Beines liegen. Manchmal ist weniger mehr. Versuchen Sie nicht, die Beweglichkeit Ihres Knies mit Gewalt zu verbessern. In vielen Fällen erzielt die konservative Behandlung bei Patienten mit fortgeschrittener Arthrofibrose (Stadium 3) keine nennenswerten Ergebnisse. Dann empfehlen wir eine arthroskopische Abtragung des Narbengewebes im Rahmen einer minimalinvasiven Operation.
Rechtliche Aspekte
Die Entstehung eines Nervenschadens nach einer Knieoperation wirft häufig die Frage nach einem möglichen Behandlungsfehler auf. Nicht jeder Nervenschaden ist auf einen ärztlichen Fehler zurückzuführen, jedoch gibt es bestimmte Konstellationen, die einer genauen rechtlichen Prüfung bedürfen:
- Fehlende oder mangelhafte Aufklärung über das Risiko von Nervenschäden
- Nicht erkannte oder zu spät behandelte Nervenkompressionen
- Fehlerhafte Operationstechnik
- Unzureichende postoperative Überwachung
- Versäumte oder verzögerte Behandlung bei Anzeichen eines Nervenschadens
Prävention
Einige Maßnahmen können helfen, das Risiko von Nervenschmerzen im Bein nach einer Operation zu verringern:
- Sorgfältige Operationsplanung: Eine sorgfältige Planung des Eingriffs kann helfen, Nervenverletzungen zu vermeiden. Bei der Prävention ist primär das Operationsteam gefragt, das sich schon im Vorfeld bei der Planung des Eingriffs über Risiken und Maßnahmen zur Vermeidung von Neuropathien austauschen sollte.
- Schonende Operationstechnik: Eine gewebeschonende Operationstechnik kann das Risiko von Nervenschäden reduzieren. In der Gelenk-Klinik führen wir Operationen möglichst gewebeschonend unter Einsatz von Arthroskopien und mittels Thermokoagulation durch.
- Optimale Lagerung des Patienten: Bei der Positionierung des Patienten sind starke Überdehnung oder hohe Druckbelastungen wie etwa auf den Ellenbogen zu vermeiden.
- Frühzeitige Mobilisation: Eine frühzeitige Mobilisation nach der Operation kann helfen, Schwellungen und Narbenbildung zu reduzieren.
- Kontrolle hinsichtlich neuropathischer Symptome: Nach der Operation empfehlen Dr. Laughlin und Kollegen die früh beginnende und fortlaufende Kontrolle hinsichtlich neuropathischer Symptome und die Identifizierung möglicher Auslöser, um frühzeitig intervenieren zu können.