Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, sind eine belastende Erkrankung, die durch Schädigungen oder Funktionsstörungen des Nervensystems verursacht wird. Sie können in verschiedenen Körperregionen auftreten, betreffen jedoch häufig die Arme und Beine. Die Symptome sind vielfältig und reichen von Kribbeln und Brennen bis hin zu Taubheitsgefühlen und stechenden Schmerzen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Nervenschmerzen in Armen und Beinen, die diagnostischen Möglichkeiten und die verschiedenen Behandlungsansätze.
Einführung
Nervenschmerzen in Armen und Beinen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Um die richtige Therapie einzuleiten, ist es wichtig, die Ursachen zu verstehen und eine genaue Diagnose zu stellen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aspekte von Nervenschmerzen in Armen und Beinen.
Ursachen von Nervenschmerzen in Armen und Beinen
Nervenschmerzen in Armen und Beinen können vielfältige Ursachen haben. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Erkrankungen des Bewegungsapparates und neuropathischen Schmerzen, die auf einer Schädigung des Nervensystems selbst beruhen.
Erkrankungen des Bewegungsapparates
- Eingeklemmter Nerv: Ein eingeklemmter Nerv, beispielsweise durch eine Engstelle im Handgelenkbereich (Karpaltunnelsyndrom) oder in der Schulter (Impingement-Syndrom), kann Nervenschmerzen verursachen. Auch ein Bandscheibenvorfall kann auf Nervenwurzeln drücken und Schmerzen auslösen.
- Muskelverspannungen: Verspannte Muskeln, insbesondere im Schulter-Nacken-Bereich, können auf Nerven drücken und Schmerzen in Arme und Beine ausstrahlen lassen.
- Ausgekugelte Schulter: Eine Schulterluxation kann neben strukturellen Schäden auch Nerven einklemmen oder schädigen.
Neuropathische Schmerzen
Neuropathische Schmerzen entstehen durch Schädigungen oder Funktionsstörungen der Nerven selbst oder der sie versorgenden Blutgefäße. Man unterscheidet zwischen zentralen und peripheren Neuropathien.
- Zentrale Neuropathien: Diese entstehen durch Schädigungen des zentralen Nervensystems (Gehirn oder Rückenmark), beispielsweise durch einen Schlaganfall, Multiple Sklerose, Verletzungen des Rückenmarks oder Tumoren. Nach einem Schlaganfall entwickeln Schätzungen zufolge bis zu 20 Prozent der Betroffenen ein zentrales neuropathisches Schmerzsyndrom (Central Post-Stroke Pain, CPSP).
- Periphere Neuropathien: Diese entstehen durch Schädigungen der peripheren Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Häufige Ursachen sind:
- Polyneuropathie: Eine Erkrankung vieler Nerven, oft verursacht durch Diabetes mellitus (diabetische Polyneuropathie), Alkoholmissbrauch, Vitaminmangel, Stoffwechselerkrankungen, Medikamente oder Entzündungen. Bei der diabetischen Polyneuropathie schädigt ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel die feinen Nervenendigungen, insbesondere in den Füßen, Unterschenkeln und Händen.
- Gürtelrose (Herpes zoster): Eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus, das nach einer Windpockeninfektion im Körper verbleibt, kann zu einer Nervenentzündung und damit zu Nervenschmerzen führen.
- Nervenverletzungen: Nervenquetschungen oder -durchtrennungen im Rahmen von Unfällen oder Operationen können Nervenschmerzen verursachen.
- Engpass-Syndrome: Nervenschmerzen können auch auftreten, wenn Nerven zusammengedrückt werden, wie beispielsweise beim Karpaltunnelsyndrom am Handgelenk.
Weitere Ursachen
- Infektionen: Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose können zu Entzündungen führen, die die Nerven schädigen.
- Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis können Nervenschäden verursachen.
- Mangelernährung: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere Vitamin B12, kann zu Nervenschäden führen.
- Kontakt mit giftigen Substanzen: Schwermetalle oder bestimmte Medikamente können Nerven schädigen.
- Krebserkrankungen: Bestimmte Krebsarten, wie Brustkrebs oder Blutkrebs, können Nervenschäden verursachen.
- Hormonelles Ungleichgewicht: Eine Schilddrüsenunterfunktion kann Nervenschmerzen verursachen.
- Erbliche Veranlagung: In seltenen Fällen können Nervenschmerzen erblich bedingt sein (hereditäre Neuropathien).
Symptome von Nervenschmerzen in Armen und Beinen
Die Symptome von Nervenschmerzen in Armen und Beinen sind vielfältig und können je nach Ursache und betroffenem Nerv variieren. Typische Symptome sind:
Lesen Sie auch: Hüft-TEP und Nervenschmerzen
- Kribbeln: Ein Gefühl, als würden Ameisen über die Haut laufen.
- Brennen: Ein brennender Schmerz, der sich heiß anfühlen kann.
- Taubheitsgefühle: Ein Verlust der Empfindung in den betroffenen Bereichen.
- Stechen: Ein stechender, einschießender Schmerz.
- Missempfindungen: Verzerrte Wahrnehmung von Berührungen, Temperatur oder Schmerz.
- Muskelschwäche: Schwierigkeiten bei der Bewegung der Arme oder Beine.
- Muskelkrämpfe: Unwillkürliche Muskelkontraktionen.
- Koordinationsschwierigkeiten: Probleme beim Gehen oder bei feinmotorischen Aufgaben.
- Schmerzen im Ruhezustand: Schmerzen, die auch ohne äußere Reize auftreten.
- Allodynie: Schmerzen, die durch normalerweise nicht schmerzhafte Reize ausgelöst werden (z.B. leichte Berührung der Haut).
- Hyperalgesie: Verstärkte Schmerzempfindlichkeit nach schmerzauslösenden Reizen.
Diagnose von Nervenschmerzen in Armen und Beinen
Die Diagnose von Nervenschmerzen in Armen und Beinen erfordert eine sorgfältige Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene technische Untersuchungen.
Anamnese
Der Arzt wird zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten führen, um die genaue Art und Entwicklungsgeschichte der Beschwerden zu erfragen. Dabei sind folgende Fragen relevant:
- Seit wann bestehen die Schmerzen?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an (z.B. brennend, stechend, kribbelnd)?
- Wo treten die Schmerzen auf?
- Gibt es Auslöser oder Faktoren, die die Schmerzen verstärken oder lindern?
- Gibt es Begleitsymptome wie Taubheitsgefühle, Muskelschwäche oder Koordinationsschwierigkeiten?
- Welche Vorerkrankungen liegen vor (z.B. Diabetes, Autoimmunerkrankungen)?
- Werden Medikamente eingenommen?
- Gibt es Hinweise auf Alkoholmissbrauch oder Kontakt mit giftigen Substanzen?
Körperliche Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung wird der Arzt die Muskelkraft, die Reflexe und das Reizempfinden überprüfen. Auch eine neurologische Untersuchung kann durchgeführt werden, um die Funktion der Nerven zu beurteilen.
Technische Untersuchungen
- Elektroneurographie (ENG): Bei dieser Untersuchung wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen, um festzustellen, ob die Nerven geschädigt sind.
- Elektromyographie (EMG): Diese Untersuchung misst die elektrische Aktivität der Muskeln und kann Hinweise auf Nervenschäden geben.
- Quantitative Sensorische Testung (QST): Diese Testung untersucht die Hautempfindlichkeit und kann helfen, die Art und das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
- Somatosensibel evozierte Potenziale (SEP): Diese Untersuchung misst die Nervenleitgeschwindigkeit entlang der gesamten Gefühlsbahn von der Haut über das Rückenmark bis zum Gehirn.
- Bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) können eingesetzt werden, um Nervenschädigungen oder andere Ursachen der Schmerzen sichtbar zu machen (z.B. Bandscheibenvorfall, Tumoren).
- Laboruntersuchungen: Blut- und Urinuntersuchungen können Hinweise auf Stoffwechselerkrankungen, Entzündungen oder Vitaminmangel geben.
- Nervenwasseruntersuchung (Lumbalpunktion): In bestimmten Fällen kann eine Untersuchung des Nervenwassers erforderlich sein, um Entzündungen oder andere Erkrankungen des Nervensystems auszuschließen.
- Gewebeprobe (Biopsie): In seltenen Fällen kann eine Gewebeprobe aus der Haut, einem Muskel oder einem Nerv entnommen werden, um die Ursache der Nervenschmerzen zu bestimmen.
Behandlung von Nervenschmerzen in Armen und Beinen
Die Behandlung von Nervenschmerzen in Armen und Beinen richtet sich nach der Ursache der Schmerzen. Ziel der Behandlung ist es, die Schmerzen zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und die zugrunde liegende Ursache zu behandeln.
Behandlung der Ursache
- Diabetes mellitus: Eine gute Blutzuckereinstellung ist entscheidend, um weitere Nervenschäden zu verhindern.
- Alkoholmissbrauch: Alkoholabhängige Menschen profitieren von einer Suchttherapie.
- Vitaminmangel: Ein Vitaminmangel kann durch Ernährungsumstellungen oder Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden.
- Infektionen: Infektionen können mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten behandelt werden.
- Autoimmunerkrankungen: Autoimmunerkrankungen können mit Immunsuppressiva behandelt werden.
- Eingeklemmter Nerv: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um den Nerv zu entlasten.
Schmerztherapie
- Medikamente:
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva können die Schmerzweiterleitung im Nervensystem beeinflussen und so Nervenschmerzen lindern.
- Antikonvulsiva: Diese Medikamente, die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt wurden, können die Erregbarkeit der Nerven reduzieren und so Schmerzen lindern.
- Opioide: In schweren Fällen können Opioide zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. Aufgrund des Suchtpotenzials werden sie jedoch nur kurzfristig und unter strenger ärztlicher Kontrolle eingesetzt.
- Capsaicin-Pflaster: Capsaicin, der Wirkstoff aus Chilischoten, kann auf die Haut aufgetragen werden, um Schmerzen zu lindern und die Durchblutung zu fördern.
- Nicht-medikamentöse Verfahren:
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskeln zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu lindern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und dieFunktionsfähigkeit der Arme und Hände zu verbessern.
- Psychotherapie: Psychotherapie kann helfen, mit den Schmerzen umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei der TENS werden die Nerven durch elektrische Impulse stimuliert, um Schmerzen zu lindern.
- Akupunktur: Akupunktur kann bei einigen Patienten mit Nervenschmerzen eine Linderung bringen.
Weitere Maßnahmen
- Orthesen: Spezielle Schienen (Orthesen) können bei Muskellähmungen helfen, die Hände und Füße beweglich zu halten.
- Gleichgewichtstraining: Bei Gangunsicherheit kann Gleichgewichtstraining in der Physiotherapie helfen.
- Regelmäßige Bewegung: Aquagymnastik oder Gehtraining können bei Schmerzen und Missempfindungen helfen.
- Fußpflege: Menschen mit Polyneuropathie an Beinen oder Füßen sollten ihre Füße regelmäßig auf Wunden kontrollieren, da ein vermindertes Schmerzempfinden das Risiko für Fußgeschwüre erhöht.
Tipps für die Vorsorge und mehr Lebensqualität bei Nervenschmerzen
- Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten ihren Blutzucker regelmäßig kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
- Füße kontrollieren: Menschen mit Polyneuropathie an Beinen oder Füßen sollten ihre Füße regelmäßig auf Wunden kontrollieren.
- Bewegen: Regelmäßige Bewegung kann bei Schmerzen und Missempfindungen helfen.
- Vermeiden von Risikofaktoren: Alkoholmissbrauch und Kontakt mit giftigen Substanzen sollten vermieden werden.
- Gesundheits-Check-up: Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen können Risikofaktoren wie einen erhöhten Blutzuckerspiegel und frühe Symptome aufdecken.
Lesen Sie auch: Nervenschaden nach Zahnbehandlung: Symptome und Therapie
Lesen Sie auch: Medikamentenfreie Schmerzlinderung bei Nervenschmerzen