Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, bei dem die Sauerstoffversorgung des Gehirns plötzlich unterbrochen wird. Schnelles Handeln ist entscheidend, da jede Minute zählt, um die Schädigung von Nervenzellen im Gehirn zu minimieren und weitreichende Folgen zu verhindern. Stroke Units spielen eine zentrale Rolle in der Akutversorgung von Schlaganfallpatienten.
Was ist eine Stroke Unit?
Per Definition ist eine Stroke Unit eine spezialisierte Abteilung in einem Krankenhaus oder Klinikum. Der Begriff "Stroke Unit" stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt "Schlag(anfall)station". Als Teil der Ambulanz ist sie eine Spezialstation der neurologischen Klinik, die sich auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit akuten Schlaganfällen spezialisiert hat. Sie ist eine spezielle Organisationseinheit innerhalb eines Krankenhauses zur Erstbehandlung von Schlaganfallpatienten.
Kliniken oder Krankenhäuser mit einer Stroke Unit innerhalb des Fachbereichs Neurologie haben die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten mit einem akuten Schlaganfall intensiv zu betreuen. Diese Einheiten sind darauf ausgerichtet, Patienten mit akuten Schlaganfällen zu behandeln und bieten die apparativen und personellen Voraussetzungen für die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Bezeichnung "Stroke Unit" oder "Schlaganfall-Station" in Deutschland gesetzlich nicht geschützt ist. Daher ist eine leitliniengerechte Schlaganfall-Behandlung nicht automatisch garantiert.
Zertifizierung von Stroke Units
Stroke Units unterliegen strengen Zertifizierungskriterien und müssen hohen personellen, technischen, strukturellen, baulichen sowie fachlich-inhaltlichen Standards entsprechen. Durch die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft sind die Kriterien für eine strukturierte bundesweite Stroke-Unit-Behandlung in regionalen und überregionalen (zusätzliche Möglichkeit der mechanischen Thrombektomie von großen Gefäßverschlüssen vor Ort) Stroke Units inklusive des ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Personalbedarfes definiert worden, auf deren Boden eine regelmäßige Zertifizierung der Stroke Units erfolgt. Regionale Stroke Units arbeiten in der Regel mit überregionalen Stroke Units/neuroradiologischen Abteilungen zusammen, um Patienten, die für eine mechanischen Thrombektomie in Frage kommen, nach erfolgter Akutdiagnostik und ggf. Beginn der systemischen Thrombolyse nach dem sog.
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Warum sind Stroke Units wichtig?
Die ersten Stunden nach einem Schlaganfall sind entscheidend für das Ausmaß der Schäden am Gehirn. Je mehr Zeit bis zur Behandlung des Schlaganfalls verloren geht, desto mehr Lebensqualität kann für die betroffenen Patientinnen und Patienten auf dem Spiel stehen. Schlaganfallpatienten haben die besten Genesungschancen, wenn sie auf einer zertifizierten Stroke Unit behandelt werden, da dort nicht nur das Personal spezialisiert ist, sondern auch Ausstattung und Strukturen optimiert sind.
Die Behandlung auf einer Stroke Unit in der Akut- und Postakutphase ist neben der systemischen Thrombolyse, der mechanischen Thrombektomie im vorderen Hirnkreislauf, der frühen Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) und der Hemikraniektomie beim malignen Mediainfarkt die wichtigste evidenzbasierte Akuttherapie zur Reduzierung der funktionellen Beeinträchtigung und Mortalität bei Schlaganfall-/TIA-Patienten. In einer Cochrane-Metaanalyse war sowohl die Sterblichkeit der auf einer Stroke Unit behandelten Patienten um 13 % (mediane Nachbeobachtungszeit 1 Jahr) als auch die funktionelle Beeinträchtigung signifikant geringer gegenüber Patienten, die auf einer Normalstation behandelt wurden (Stroke Unit Trialists’ Collaboration 2013). Auch wurden z. B. Schlaganfallpatienten in Baden-Württemberg signifikant häufiger in Krankenhäusern mit einer Stroke Unit systemisch lysiert (44 % in einem Schlaganfallzentrum gegenüber 13,1 % in Krankenhäusern ohne Stroke Unit) (Gumbinger et al.
Behandlung auf der Stroke Unit
Die Behandlung auf der Stroke Unit umfasst eine intensive Diagnostik, Therapie und Versorgung, darunter:
- Intensive Überwachung: Regelmäßige Überprüfung aller sogenannten Basisparameter wie Blutdruck, Puls, Temperatur und Atmung mittels einer zentralen Monitoranlage. Jeder Patient wird zunächst an einen Monitor angeschlossen, sodass man engmaschig den Blutdruck, die Herzaktion und den Sauerstoffgehalt im Blut überwachen und kontrollieren kann.
- Weitergehende diagnostische Maßnahmen: Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT), Elektrokardiogramm (EKG), Angiografie oder Echokardiografie. Zunächst wird jeder Patient genau befragt, wie es zu dem Schlaganfall gekommen ist und welche Vorerkrankungen bestehen. Anschließend erfolgt eine ausführliche neurologische und internistische Untersuchung. Transthorakale Echokardiographie: Das Herz kann mit Ultraschall von außen untersucht werden.Transösophageale Echokardiographie, sogenannte Schluck-Echokardiographie: In vielen Fällen ist eine Herzuntersuchung von der Speiseröhre ausgehend notwendig, um kleine Blutgerinnsel und Klappenveränderungen genau erkennen zu können. Diese Untersuchung erfordert, dass ein Schlauch geschluckt wird, vergleichbar mit einer Magenspiegelung.
- Therapeutische Verfahren: Z. B. die kathetergestützte, mechanische Thrombektomie oder die systemische intravenöse Thrombolyse. Ist eine Blutung Ursache für einen Schlaganfall, muss diese zunächst gestoppt werden. Denn das ausgetretene Blut erhöht den Druck im Hirn und kann so die Zellen schädigen. Gerade bei größeren Blutungen kann eine Operation notwendig sein.
- Komplikationsmanagement: Die unmittelbare Erkennung und Behandlung von auftretenden Komplikationen.
- Interdisziplinäre Kooperation: Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachbereiche wie z. B. Neurologie, Innere Medizin bzw. Kardiologie und Radiologie.
- Frühzeitiger Beginn einer Rehabilitation: Dazu gehören u. a. Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten sowie Logopädinnen und Logopäden und anderem therapeutischen Training werden mögliche Einschränkungen wie Schluckstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen oder motorische Störungen behandelt.
Akuttherapie und Überwachung
In der akuten Phase ist der Krankheitsverlauf von Schlaganfallpatient:innen meist noch nicht stabil, sodass sie intensiv versorgt und überwacht werden müssen. Ziel ist die möglichst rasche Verbesserung beziehungsweise die Vermeidung einer Zunahme der Symptome, die in der ersten Krankheitsphase noch möglich ist.
Handelt es sich um einen Hirninfarkt, wird umgehend entschieden, ob die Wiedereröffnung eines verschlossenen Gefäßes mit einer Infusion (Thrombolyse) oder einem Katheter durch die Neuroradiolog:innen möglich ist. Ursache für einen Schlaganfall ist häufig ein Blutgerinnsel, das ein Gefäß verstopft. In einigen Fällen kann dieses Gerinnsel mit einem Medikament aufgelöst werden und das Gefäß wieder geöffnet werden. Die dafür erforderliche Behandlung ist die sogenannte Lysetherapie. Neben der medikamentösen Therapie wenden wir unter bestimmten Voraussetzungen bei Schlaganfallpatient:innen auch das moderne Verfahren der sogenannten Thrombektomie an.
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Nicht immer wird auf der Schlaganfallstation ein mechanisches Verfahren eingesetzt. Bei etwa 15 Prozent der Schlaganfallpatientinnen und Schlaganfallpatienten kann das verstopfte Hirngefäß mit einem Medikament wieder eröffnet werden.
Das multiprofessionelle Team
Das multiprofessionelle Team aus Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften sowie Therapeutinnen und Therapeuten behandelt Patientinnen und Patienten mit akutem Schlaganfall mit hoher Kompetenz und Expertise. Betreut und behandelt werden die Patienten durch ein multiprofessionelles, speziell geschultes und qualifiziertes Team (unsere Mitarbeiter nehmen regelmäßig an internen sowie externen Fort- und Weiterbildungen sowie Kongressen und Fachtagungen teil, u.a. ist eine Vielzahl unserer Gesundheits- und Krankenpfleger zu spezialisierten Fachkräften für die Stroke Unit weitergebildet) aus Ärzten, Gesundheits- und Krankenpflegern, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialarbeitern und einem Neuropsychologen.
Die Patienten werden rund um die Uhr überwacht, d.h. es erfolgt ein kontinuierliches Monitoring von Blutdruck, Herzschlag, Sauerstoffgehalt im Blut, Atemfrequenz, Körpertemperatur und Blutzuckerwert. Auf der Stroke Unit findet täglich (auch an Sonn- und Feiertagen) eine Oberarztvisite statt, die durch den zuständigen Assistenzarzt sowie das Pflegefachpersonal und je nach Bedarf durch verschiedene Therapeuten und eine Sozialarbeiterin begleitet wird. Des Weiteren wird jeder Patient mehrmals täglich von einem Assistenzarzt visitiert und ein neurologischer Score zur Einschätzung des Patienten (Grad der Lähmung, Sprachstörungen,…) erhoben. Die Dienstübergaben erfolgen am Patientenbett, der Patient steht im Mittelpunkt der Übergabe und wird aktiv daran beteiligt. Dies hilft Veränderungen vom Zustand des Patienten sofort zu erkennen. Außerdem wird so viel Transparenz geschaffen. Jeder Patient wird von den Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten einmalig am Aufnahmetag bzw. am Folgetag besucht und die jeweilige Notwendigkeit und Art der Therapie geklärt. Bei Bedarf wird der Patient dann fortlaufend von den jeweiligen Therapeuten täglich behandelt.
Frührehabilitation
Eng verbunden mit der Stroke Unit ist auch die Frührehabilitation, die nach einem Schlaganfall oder einer anderen neurologischen Erkrankung von einem interdisziplinären Team angeboten wird.
Die Prognoseverbesserung von Patienten auf der Stroke Unit beruht neben den akuten Therapiemaßnahmen, der kontinuierlichen Überwachung und der frühzeitigen Initiierung einer ischämischen Sekundärprophylaxe (siehe unten) im Wesentlichen auch auf dem Beginn einer multimodalen Frührehabilitation durch das speziell geschulte Pflegepersonal, Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden. Die Patienten erhalten auf der Stroke Unit tägliche therapeutische Einheiten über mindestens 30 Minuten pro Fachdisziplin. Der Beginn der frührehabilitativen Maßnahmen sollte dabei individuell an den klinischen Zustand des Patienten angepasst werden.
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Dauer des Aufenthalts
Üblicherweise bleiben Betroffene ein bis drei Tage auf der Stroke Unit, wo sie überwacht und anschließend auf eine Allgemeinstation verlegt werden. Erfahrungsgemäß verbleiben Patienten ca. 3 Tage auf der Stroke Unit und werden dann in einem klinisch stabilen Zustand zur Weiterbehandlung auf eine Station der Klinik für Neurologie verlegt. Hier werden die eingeleiteten Therapien weitergeführt und noch ausstehende und abschließende Diagnostik erhoben, bis der Patient das Krankenhaus verlassen kann und in die weiterbehandelnde Rehaklinik verlegt wird oder eine andere Anschlussheilbehandlung erfährt. Mitarbeiter:innen des Sozialdienstes begleiten die Therapie, um eine anschließende Rehabilitation zu planen. Die Akutphase bei einem Schlaganfall dauert etwa ein bis fünf Tage. Während dieser Zeit bleiben die Patientinnen und Patienten auf der Stroke Unit.
Was tun bei Verdacht auf Schlaganfall?
Bei Verdacht auf einen Hirninfarkt rufen Sie sofort den Notarzt (112) an. Wer nicht sprechen kann, sollte durch Klopfen oder andere Geräusche auf sich aufmerksam machen und nicht auflegen. Ein akuter Schlaganfall ist ein Notfall, bei dem man sofort den Rettungsdienst unter der 112 anrufen sollte - dabei zählt jede Stunde und Minute.
Der FAST-Test
Der sogenannte FAST-Test gehört zur Grundausbildung des Rettungspersonals, kann aber auch von Laien durchgeführt werden. F- A - S - T steht für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit):
- Face: Bitten Sie die Person zu lächeln. Wenn das Gesicht einseitig verzogen ist, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
- Arms: Lassen Sie die Person beide Arme nach vorne strecken und dabei mit den Handflächen nach oben zeigen. Im Falle einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, sinken oder drehen sich.
- Speech: Bitten Sie die Person einen einfachen Satz nachzusprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
- Time: Sollte die betroffene Person mit einer dieser Aufgaben Probleme haben, wählen Sie unverzüglich die 112 und erläutern Sie die Symptome.
Symptome eines Schlaganfalls
Schlaganfallsymptome:
- Halbseitige Lähmungen/ Taubheitsgefühl
- Sprach- oder Verständnisstörungen
- Gesichtsfeldausfall (eingeschränktes Sehen)
- Hängender Mundwinkel
- Koordinationsstörungen
Die meisten Symptome treten plötzlich und ohne „Vorwarnung“ auf:
- Plötzliche Lähmung auf einer Körperseite oder ungewohnte Störung der Feinmotorik (z. B. beim Essen oder Schreiben).
- Plötzliche Gefühlsstörung ebenfalls auf einer Körperseite. Wird oft wie „eingeschlafen“ oder wie Kribbeln oder wie „Ameisenlaufen“ beschrieben
- Plötzliche Sprachstörung. Der Patient redet oft „Kauderwelsch“ oder mit schwerer Zunge. Manchmal versteht der Patient niemanden mehr und wirkt völlig verwirrt
- Plötzliche Sehstörung. Diese tritt entweder auf einem Auge auf (ein Auge zuhalten) oder in einer Gesichtsfeldhälfte. Verschiedene Formen sind möglich, z. B.
Ziele der Behandlung auf der Stroke Unit
Welche Ziele verfolgen wir mit diesen Maßnahmen und Strukturen der Stroke Unit für unsere Patienten?
- Eine frühe, optimale und aktive Behandlung und Betreuung
- Rasches Erkennen und Behandeln von Komplikationen
- Eine Verbesserung der Prognose
- Ein frühestmöglicher Beginn der aktivierenden Pflege
- Ein frühestmöglicher Beginn rehabilitativer Maßnahmen
- Die Aufklärung und Beratung des Patienten und seiner Angehörigen bzgl. des Krankheitsbildes und der individuellen Risikofaktoren
- Die Einleitung weiterführender Maßnahmen zur Rehabilitation und ein reibungsloser Übergang zwischen Krankenhausaufenthalt und Rehabilitation
- Die Senkung des Behinderungsgrades nach einem Schlaganfall
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