Sturzgefahr bei Demenz: Pflegeplanung und Maßnahmen

Stürze sind ein häufiges und ernstes Problem, insbesondere bei älteren Menschen und solchen mit Demenz. Sie können zu Verletzungen, Angst und einem Verlust von Alltagskompetenzen führen. Die Sturzprophylaxe ist daher ein wichtiger Bestandteil der Pflegeplanung, um Stürze zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.

Die Bedeutung der Sturzprophylaxe

Stürze sind Ereignisse, bei denen Betroffene unbeabsichtigt auf den Boden oder eine andere tiefere Ebene fallen. In Deutschland werden jährlich mehr als fünf Millionen Stürze von älteren Menschen gezählt, von denen über 400.000 zu Knochenbrüchen führen. Weitere Folgen können Prellungen, Verstauchungen oder Hüftfrakturen sein. Neben den körperlichen Folgen haben Stürze auch psychische Auswirkungen, wie Angst vor erneuten Stürzen, verminderte Bewegung und Verlust von Alltagskompetenzen.

Die Sturzprophylaxe zielt darauf ab, diese Risiken zu minimieren und Stürze zu verhindern. Sie umfasst ein Bündel an Maßnahmen, wie die Beratung von Betroffenen und Angehörigen, die Beseitigung von Gefahren in der Wohnumgebung und Bewegungsübungen zur Verbesserung von Kraft und Gleichgewicht. Auch Hilfsmittel wie Rollatoren können einen Beitrag zur Sturzvorbeugung leisten.

Risikofaktoren für Stürze

Es gibt verschiedene Risikofaktoren, die die Sturzgefahr erhöhen können. Im Alter sind das häufig:

  • Gleichgewichtsstörungen
  • Muskelschwäche
  • Eingeschränkte Bewegungsfreiheit
  • Fehlsichtigkeit oder Augenerkrankungen
  • Inkontinenz
  • Angst vor Stürzen
  • Ungeeignete Kleidung und Schuhwerk
  • Krankheiten wie Multiple Sklerose, Parkinson oder Blutdruckstörungen
  • Medikamente wie blutdrucksenkende Mittel oder Beruhigungsmittel

Es ist wichtig, diese Risikofaktoren zu erkennen und gezielte Maßnahmen zur Sturzprophylaxe zu ergreifen.

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Maßnahmen zur Sturzprophylaxe

Eine umfassende Sturzprophylaxe besteht aus verschiedenen Maßnahmen, die individuell auf die Bedürfnisse der betroffenen Person abgestimmt werden sollten. Dazu gehören:

1. Personenbezogene Maßnahmen

  • Bewegungstraining: Regelmäßiges Training von Kraft, Balance und Reaktionsvermögen ist entscheidend, um Stürze zu verhindern. Geeignete Übungen können mit dem behandelnden Arzt, Pflegefachpersonen oder Physiotherapeuten abgestimmt werden.
  • Bewegungsplan: Ein Bewegungsplan kann helfen, tägliche Aktivitäten zu notieren und das Training zu strukturieren.
  • Passende Kleidung und Schuhe: Kleidung sollte Bewegungsfreiheit ermöglichen, und Schuhe sollten festen Halt geben und eine rutschfeste Sohle haben.
  • Medikamentenüberprüfung: Bestimmte Medikamente können die Sturzanfälligkeit erhöhen. Eine Überprüfung der Medikation mit dem behandelnden Arzt ist ratsam.

2. Umweltbezogene Maßnahmen

  • Anpassung der Wohnung: Eine sichere Umgebung kann das Sturzrisiko deutlich senken. Dazu gehören eine ausreichende Beleuchtung, das Entfernen von Stolperfallen wie Teppichkanten oder herumliegende Kabel und die Installation von Haltegriffen im Badezimmer.
  • Hilfsmittel: Gehhilfen wie Rollatoren oder Gehstöcke können Stürzen vorbeugen. Eine eingehende Beratung im Sanitätsfachhandel ist wichtig, um das passende Hilfsmittel auszuwählen und richtig einzusetzen.
  • Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Die Pflegekasse bezuschusst im Einzelfall wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, die die Selbständigkeit fördern und die Pflege erleichtern.

3. Technische Hilfsmittel

  • Hausnotrufsystem: Ein Hausnotrufsystem mit Notrufarmband oder Notrufkette kann im Notfall schnell Hilfe rufen.
  • Mobile Notrufsysteme: Mobile Notrufsysteme sorgen auch unterwegs für mehr Sicherheit.

Sturzprophylaxe-Übungen für Zuhause

Es gibt einfache Übungen, die zu Hause durchgeführt werden können, um die Balance und Muskelkraft zu verbessern:

  • Kniebeugen am Stuhl: Stellen Sie sich hinter einen Stuhl und halten Sie sich an der Lehne fest. Beugen Sie die Knie, wobei das Gesäß nach hinten geschoben wird, als wollten Sie sich hinsetzen. Achten Sie darauf, dass die Knie nicht über die Fußspitzen hinausragen.
  • Hanteltraining im Sitzen: Setzen Sie sich auf einen Stuhl und nehmen Sie in jede Hand eine Hantel (0,5-1 kg schwer). Heben Sie die Hanteln mit einigem Abstand vor der Brust in die Höhe und ziehen Sie sie dann zur Seite, bis sich die Schulterblätter auf dem Rücken annähern.

Wichtig: Die Übungen sollten Freude bereiten und keine Schmerzen verursachen. Führen Sie die Übungen regelmäßig, mindestens zwei- bis dreimal pro Woche, durch.

Sturzprophylaxe bei Demenz

Menschen mit Demenz haben ein erhöhtes Sturzrisiko aufgrund von Orientierungsschwierigkeiten, Koordinationsproblemen und motorischen Einschränkungen. Eine durchdachte Sturzprophylaxe kann zu mehr Sicherheit und Lebensqualität beitragen:

  • Strukturierte Tagesabläufe: Schaffen Orientierung und reduzieren Stresssituationen.
  • Orientierungshilfen: Farbliche Markierungen, gut sichtbare Wegweiser und ausreichende Beleuchtung erleichtern die Orientierung im Wohnumfeld.
  • Bewegungstherapie: Gezielte Bewegungstherapie fördert Koordination und Gleichgewicht.
  • Technische Hilfsmittel: Moderne Gehhilfen mit automatischen Bremssystemen oder Gehstöcke mit Laserlinien-Projektion können zusätzliche Sicherheit bieten.

Umgang mit Bewegungsdrang bei Demenz

Einige Menschen mit Demenz haben einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Es ist wichtig, die Ursachen für diesen Bewegungsdrang zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen:

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  • Ursachenforschung: Mögliche Ursachen sind Langeweile, Einsamkeit, Verunsicherung, Schmerzen oder das Suchen nach Geborgenheit.
  • Anpassung der Umgebung: Stolperfallen entfernen, Handläufe anbringen, feste Schuhe anziehen.
  • Ablenkung und Beschäftigung: Regelmäßige Angebote mit sozialer Komponente, emotionale Stimulation durch Musik oder Kontakte mit Kindern und Haustieren können das Laufen unterbrechen.
  • Sicherheit: Haustür sichern, um unbemerktes Verlassen des Hauses zu verhindern. In Pflegeeinrichtungen können geschützte Gärten genutzt werden.

Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM)

In manchen Fällen kann es notwendig sein, freiheitsentziehende Maßnahmen zum Schutz des Patienten vor sich selbst oder anderen zu ergreifen. Dies ist jedoch nur als letztes Mittel und nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und Vorteile erlaubt. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind äußere Eingriffe in die Handlungs- und Bewegungsfreiheit eines Menschen. Sie sind eine Form der Gewalt, die gegen die Freiheitsrechte des Menschen verstößt.

Arten von FEM

  • Sedierung: Ruhigstellung mithilfe von Medikamenten.
  • Fixierung: Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen wie Bettgitter oder Fesseln.

Voraussetzungen für FEM

  • Es muss eine akute Gefahr für den Patienten oder andere bestehen.
  • Es dürfen keine anderen Möglichkeiten zur Risikominimierung bestehen.
  • Eine richterliche Genehmigung ist erforderlich (außer in Notfallsituationen).
  • Die Maßnahme muss im Sinne des gesundheitlichen Patientenwohls erfolgen und darf nicht länger als notwendig dauern.

Risiken von FEM

  • Physische Schäden wie blaue Flecken, Abschürfungen oder Druckstellen.
  • Muskelschwund und erhöhte Sturzgefahr.
  • Psychische Belastung durch den Verlust von Freiheit.

Der Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“

Der Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ definiert ein strukturiertes und evidenzbasiertes Vorgehen zur Verringerung des Sturzrisikos in der professionellen Pflege. Er umfasst die systematische Erfassung, Bewertung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen, die Stürze verhindern und deren Folgen minimieren.

Wichtige Inhalte des Expertenstandards

  • Regelmäßige Risikoeinschätzung durch systematische Screenings und Assessments.
  • Personalisierte Pflegepläne, die individuell auf die Bedürfnisse abgestimmt sind.
  • Schulungen und Beratungen von Pflegekräften, Angehörigen und Betroffenen.

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