Sturzgefahr bei Demenz: Ursachen und wirksame Maßnahmen zur Prävention

Stürze stellen eine erhebliche Gefahr für ältere Menschen dar, insbesondere für Personen mit Demenz. Sie können zu schwerwiegenden Verletzungen, einem Verlust der Mobilität und einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Ursachen von Stürzen bei Demenz zu verstehen und gezielte Maßnahmen zur Sturzprophylaxe zu ergreifen. Die Sturzprophylaxe ist eine der wichtigsten Prophylaxen in der Pflege.

Die Bedeutung der Sturzprophylaxe

Stürze gehören zu den größten Risiken im Pflegealltag und können schwerwiegende Folgen wie Knochenbrüche, Verletzungen oder den Verlust der Mobilität nach sich ziehen. In Deutschland werden jährlich mehr als fünf Millionen Stürze von älteren Menschen gezählt. Über 400.000 davon erleiden in Folge des Sturzes einen Knochenbruch. Weitere mögliche Folgen sind Prellungen, Verstauchungen oder Hüftfrakturen. Etwa 30 Prozent der über 65-Jährigen, die zuhause leben, stürzen einmal im Jahr. 50 Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland erleiden nach einem Sturz Bewegungseinschränkungen, jeder fünfte bedarf dauerhafter Pflege. Die Sturzprophylaxe ist ein zentraler Bestandteil der Pflege, insbesondere bei älteren Menschen oder Personen mit chronischen Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson. Mit anderen Worten: Es geht um Prävention - also vorbeugende Maßnahmen, die helfen, Sturzgefahren frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Ziel ist es, Stürze aktiv zu verhindern und das Risiko im Alltag deutlich zu senken.

Ursachen von Stürzen bei Demenz

Menschen mit Demenz haben im Vergleich zu älteren Erwachsenen ohne Demenz ein doppelt so hohes Sturzrisiko und ein mehr als doppelt so hohes Risiko für eine Fraktur. Die Ursachen für Stürze bei Demenz sind vielfältig und können in personenbezogene und umgebungsbedingte Risikofaktoren unterteilt werden.

Personenbezogene Risikofaktoren

Manche Sturzgefahren liegen in der Person selbst. Einschränkungen wie eine nachlassende Mobilität, eine Muskelschwäche oder auch Gleichgewichtsstörungen erhöhen das Risiko deutlich. Besonders nach Behandlungen oder operativen Eingriffen besteht eine größere Sturzgefahr - vor allem, wenn erstmals Hilfsmittel wie Gehstöcke oder Rollatoren genutzt werden, die noch ungewohnt sind. Auch kognitive Beeinträchtigungen, wie sie bei einer Demenzerkrankung auftreten, oder Sehstörungen spielen eine zentrale Rolle. Zusätzlich können bestimmte Medikamente Nebenwirkungen wie Schwindel verursachen und so die Standfestigkeit beeinträchtigen. Ein oft unterschätzter Faktor ist die sogenannte Sturzangst. Sie entsteht häufig nach einem oder mehreren Stürzen oder wenn Schmerzen zu einer Schonhaltung führen. Obwohl diese Angst wie ein natürlicher Schutzmechanismus wirkt, kann sie paradoxerweise das Sturzrisiko weiter erhöhen, da Betroffene unsicherer und weniger aktiv werden. Als pflegender Angehöriger ist es wichtig, solche Anzeichen frühzeitig zu erkennen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen.

Weitere personenbezogene Risikofaktoren sind:

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  • Krankheiten: Erkrankungen der Gefäße am Herzen oder des Gehirns, Anämie oder Hypoglykämie können Stürze auslösen. Bei Schmerzen in einem Gelenk wie der Hüfte oder dem Knie ist die Wahrscheinlichkeit zu stürzen um 53 Prozent erhöht.
  • Gebrechlichkeit: Gebrechlichkeit, Gleichgewichtsstörungen und Sarkopenie (Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft) erhöhen das Sturzrisiko bei Demenz.
  • Medikation: Die Einnahme von Benzodiazepinen erhöht das nächtliche Sturz- und Hüftverletzungsrisiko um 44 Prozent. Bestimmte Medikamente können Nebenwirkungen wie Schwindel verursachen und so die Standfestigkeit beeinträchtigen.
  • Seh- und Hörbeeinträchtigungen: Eine eingeschränkte Sehfähigkeit und Hörschwäche können die Orientierung im Alltag erschweren und das Sturzrisiko erhöhen.
  • Fußprobleme: Schwielen und eingewachsene Zehennägel können zu Einschränkungen beim Gehen führen und das Sturzrisiko erhöhen.
  • Bewegungsdrang: Demenz kann zu einem ausgeprägten Bewegungsdrang führen, der das Sturzrisiko erhöht, insbesondere wenn die Betroffenen orientierungslos sind.
  • Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus: Weil die Demenz oftmals zu einer zeitlichen Umkehrung der Schlaf- und Wachphasen führt, weisen einige Menschen mit Demenz vor allem nachts Ruhelosigkeit und Bewegungsdrang auf und sind dementsprechend tagsüber so müde, dass sie immer wieder einschlafen.

Umgebungsbedingte Risikofaktoren

Neben den persönlichen Aspekten ist auch das direkte Wohnumfeld entscheidend. Rutschige Böden, unebene Flächen oder Stolperfallen wie lose Teppiche, Kabel und Türschwellen stellen häufige Gefahrenquellen dar. Ebenso können schlecht beleuchtete Räume das Sturzrisiko erheblich erhöhen.

Weitere umgebungsbedingte Risikofaktoren sind:

  • Stolperfallen: Kabel, Teppichkanten oder Möbelkanten können die Laufwege unsicher machen.
  • Schlechte Beleuchtung: Insbesondere im Badezimmer ist eine gute Beleuchtung wichtig, um Stürze zu vermeiden.
  • Spiegelungen und Schatten: Diese können an Demenz erkrankte Personen verwirren und das Sturzrisiko erhöhen.

Maßnahmen zur Sturzprophylaxe

Um Stürze zu verhindern, gilt es die folgenden drei Bereiche genau zu beleuchten und Maßnahmen zur Verringerung des Sturzrisikos durchzuführen.

1. Sicherheit zu Hause und in der Umgebung

Hierbei wird das tägliche Umfeld angepasst und mögliche Stolperfallen beseitigt. Dazu gehören zum Beispiel Hindernisse wie Möbel oder erhöhte Türschwellen. Außerdem soll für gute Lichtverhältnisse gesorgt und Blendeffekte vermieden werden. Haltegriffe im Bad oder im Flur sind in vielen Fällen sehr hilfreich. Beim Verlassen des Hauses sollten Senior:innen auf festes und stabilisierendes Schuhwerk achten und bei Bedarf eine geeignete Mobilitätshilfe verwenden. Je nach der Verfassung der oder des Betroffenen kommen entweder Gehstock oder Rollatoren zum Einsatz. Hierbei ist zu beachten, dass die Gehhilfen individuell richtig eingestellt und regelmäßig gewartet werden sollten.

Konkret bedeutet das:

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  • Beseitigung von Stolperfallen: Lose Teppiche entfernen, Kabel sichern, Türschwellen entfernen oder abflachen.
  • Gute Beleuchtung: Ausreichende und blendfreie Beleuchtung in allen Räumen, insbesondere in Fluren, Treppenhäusern und im Badezimmer. Bewegungsmelder können in der Nacht für zusätzliche Sicherheit sorgen.
  • Haltegriffe: Anbringen von Haltegriffen im Badezimmer (Dusche, Badewanne, Toilette) und in Fluren.
  • Rutschfeste Böden: Vermeidung von glatten Böden oder Auslegen von rutschfesten Matten.
  • Sichere Schuhe: Tragen von festem, geschlossenem Schuhwerk mit rutschfester Sohle. Im Winter können Schuhspikes genutzt werden, um das Sturzrisiko durch Schnee und Eis zu vermindern.
  • Geeignete Hilfsmittel: Individuelle Anpassung und regelmäßige Wartung von Gehhilfen wie Gehstöcken oder Rollatoren.
  • Wohnumfeldanpassung: Die Pflegekasse bezuschusst wohnumfeldverbessernde Maßnahmen im Einzelfall mit bis zu 4.180 Euro, solange bei Ihnen oder Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen ein Pflegegrad vorliegt und mit den Maßnahmen die Selbständigkeit gefördert und die Pflege erleichtert wird.

2. Personenbezogene Maßnahmen

In Abhängigkeit der Verfassung jeder sturzgefährdeten Person können individuelle Übungen zur Sturzprophylaxe durchgeführt werden. Im Fokus stehen dabei in der Regel die Förderung des Gleichgewichts, ein Bewegungstraining wenn Gehstörungen bestehen und die Kräftigung der Muskulatur. Zum Beispiel hilft die Absolvierung eines Kraft- oder Ausdauertrainings. Dabei müssen insbesondere Krankheiten, die die Bewegungsfähigkeit einschränken, berücksichtigt werden. Parkinson, Multiple Sklerose, Epilepsie oder Nervenkrankheiten sind wichtige Beispiele. Auf diese angepasst erfolgt eine individuelle Anpassung der Sturzprophylaxe.

Konkret bedeutet das:

  • Bewegungstraining: Regelmäßige körperliche Aktivität zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung des Gleichgewichts. Dazu gehören Physiotherapie, Gehtraining und maßgeschneiderte Übungen. Auch alltägliche Aktivitäten wie Spaziergänge tragen zur Förderung der Mobilität bei. Wichtig ist es, Bewegungsübungen in den Pflegealltag zu integrieren, die an die körperlichen Fähigkeiten der zu pflegenden Person angepasst sind. Eine übermäßige Motivation kann kontraproduktiv sein und zu Stürzen führen. Hier ist das richtige Maß entscheidend. Statt aufgrund von Sturzangst körperliche Betätigung zu vermeiden, sollte man regelmäßiges Training fördern - denn das halbiert das Sturzrisiko. Dabei sind sowohl Krafttraining zur Stärkung der Muskulatur wichtig. Koordinationsübungen dienen dazu, den Gleichgewichtssinn und damit den Gang sicherer zu machen. Die Bewegung kann man durch simple Aktivitäten wie Spaziergänge fördern, oder aber auch durch speziellere Übungen wie Tai-Chi.
  • Kraft- und Gleichgewichtsübungen: Diese Übungen helfen, die Mobilität zu erhalten und sogar zu verbessern.
  • Bewegungsplan: Erstellung eines Bewegungsplans, der die täglichen Aktivitäten notiert und mit dem behandelnden Arzt, Pflegefachpersonen oder der Physiotherapie abgestimmt wird.
  • Geeignete Kleidung: Bequeme Kleidung, die die Bewegung nicht einschränkt, und Schuhe mit festem Halt und rutschfester Sohle.
  • Umgang mit Hilfsmitteln: Um Menschen mit erhöhtem Sturzrisiko zu unterstützen, können ihnen einige Hilfsmittel zur Seite gestellt werden. Besteht aufgrund von Seh- oder Hörschwäche ein Bedarf, sollten Brillen, bzw. Hörgeräte genutzt werden, um die Orientierung im Alltag zu erleichtern. Generell gilt, dass man bei dem Einsatz von Hilfsmitteln eine umfassende Einweisung bieten sollte.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Ärztinnen und Ärzte sollten bezüglich der Medikation in regelmäßigen Abständen zu Rate gezogen werden. Ebenso sollte man mögliche Sturzursachen wie Schwindel, Sehschwäche, Nährstoffmangel, etc frühstmöglich abklären.

3. Medikamentenbezogene Maßnahmen

Wenn sturzgefährdete Patient:innen bestimmte Medikamente regelmäßig einnehmen, müssen diese zur Sturzprophylaxe möglicherweise abgesetzt werden. Insbesondere dann wenn sie das Sturzrisiko erhöhen. Beruhigungsmittel oder Schlaftabletten werden zum Beispiel oft nicht bis zum nächsten Morgen vollständig abgebaut. Rückstände führen dann dazu, dass Betroffene nach dem Aufstehen noch benommen sind und nicht im vollen Besitz ihrer Kräfte. In diesem Fall ist es im Sinne der Sturzprophylaxe ratsam, die Medikamente abzusetzen. Auch Antidepressiva stehen in Verbindung mit einem erhöhten Sturzrisiko.

Konkret bedeutet das:

  • Überprüfung der Medikation: Regelmäßige Überprüfung der Medikamente auf mögliche Nebenwirkungen, die das Sturzrisiko erhöhen können. Besprechen Sie die Medikation mit dem behandelnden Arzt, insbesondere wenn Schwindel oder Gangunsicherheit auftreten.
  • Anpassung der Medikation: In Absprache mit dem Arzt können Medikamente, die das Sturzrisiko erhöhen, reduziert oder abgesetzt werden.

Spezielle Maßnahmen für Menschen mit Demenz

Menschen mit Demenz oder Parkinson benötigen eine besondere Unterstützung, um sicher im Alltag zu sein. Aufgrund von Orientierungsschwierigkeiten, Koordinationsproblemen und motorischen Einschränkungen besteht ein erhöhtes Sturzrisiko. Eine durchdachte Sturzprophylaxe kann zu mehr Sicherheit und Lebensqualität beitragen.

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Zusätzlich zu den allgemeinen Maßnahmen zur Sturzprophylaxe sind bei Menschen mit Demenz folgende Aspekte besonders wichtig:

  • Strukturierte Tagesabläufe: Strukturierte Tagesabläufe schaffen Orientierung und reduzieren Stresssituationen.
  • Orientierungshilfen: Hilfreiche Orientierungshilfen wie farbliche Markierungen, gut sichtbare Wegweiser und ausreichende, harmonische Beleuchtung erleichtern die Sicht im Wohnumfeld. Eine Umgebung, die sowohl Sicherheit bietet als auch Ruhe ausstrahlt, ist für das Wohlbefinden besonders wertvoll. Im Sinne der Sturzprävention ist es außerdem ratsam, Spiegelungen und Schatten zu vermeiden, da diese an Demenz erkrankte Personen verwirren können. Hängt man beispielsweise Spiegel mit einem Tuch ab und leuchtet dunkle Ecken ausreichend aus, so wird das Sturzrisiko verringert.
  • Gezielte Bewegungstherapie: Für Menschen mit Parkinson ist eine gezielte Bewegungstherapie von großer Bedeutung. Spezielle Übungen zur Förderung von Koordination und Gleichgewicht tragen aktiv zur Sturzprävention bei. Eine individuell abgestimmte Medikation sollte regelmäßig mit dem behandelnden Arzt überprüft werden.
  • Technische Hilfsmittel: Technische Hilfsmittel wie moderne Gehhilfen mit automatischen Bremssystemen oder Gehstöcke mit Laserlinien-Projektion können zusätzlich für mehr Sicherheit und Mobilität sorgen.
  • Umgang mit Bewegungsdrang: Bei Menschen mit Demenz kann ein ausgeprägter Bewegungsdrang auftreten. In diesem Fall ist es wichtig, die Ursachen zu ergründen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Sturzrisiko zu minimieren. Dazu gehören beispielsweise das Beseitigen von Stolperfallen, das Anbringen von Handläufen, das Bereitstellen von hochkalorischen Snacks und Getränken entlang der Laufwege sowie das Anbieten von gemeinsamen Spaziergängen und Beschäftigungsangeboten.
  • Sicherung der Haustür: Um zu verhindern, dass orientierungslose und weglaufgefährdete Menschen mit Demenz unbemerkt das Haus verlassen, kann die Haustür durch einen Alarm gesichert werden, welcher entweder unaufdringlich und wohltönend wie ein Glockenspiel ist oder am besten nur von den Pflegeverantwortlichen gehört werden kann.

Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“

Um Risiken und darauf abgestimmte Maßnahmen bestmöglich in die Pflegeplanung einer pflegebedürftigen Person einzubinden, gibt es sogenannte “Expertenstandards”. Der Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ definiert ein strukturiertes und evidenzbasiertes Vorgehen zur Verringerung des Sturzrisikos in der professionellen Pflege. Er umfasst die systematische Erfassung, Bewertung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen, die Stürze verhindern und deren Folgen minimieren. Verantwortlich für die Entwicklung des Standards sind das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) und das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). Der Standard wird in ambulanten, teilstationären und stationären Pflegeeinrichtungen angewendet und richtet sich an alle Pflegenden, unabhängig von ihrer Qualifikation. Die wichtigsten Inhalte des Expertenstandards umfassen die regelmäßige Risikoeinschätzung durch systematische Screenings und Assessments. Pflegebedürftige erhalten personalisierte Pflegepläne, die individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Schulungen und Beratungen von Pflegekräften, Angehörigen und Betroffenen sorgen dafür, dass alle Beteiligten über geeignete Präventionsmaßnahmen informiert sind.

Der Expertenstandard umfasst die systematische Erfassung von Sturzrisiken, die Erstellung individueller Pflegepläne und die Schulung von Pflegekräften, Angehörigen und Betroffenen.

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