Nervenschmerzen nach Antibiotika: Ursachen und Behandlung

Antibiotika sind wichtige Medikamente zur Bekämpfung bakterieller Infektionen. Sie wirken, indem sie Bakterien abtöten oder ihr Wachstum hemmen. Allerdings können Antibiotika auch unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, darunter Nervenschmerzen.

Fluorchinolone und ihre potenziellen Nebenwirkungen

Fluorchinolone sind eine Untergruppe der Chinolone und werden auch als Gyrasehemmer bezeichnet. In Deutschland zugelassene Wirkstoffe aus der Gruppe der Fluorchinolone sind Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin. Sie kommen zur Behandlung von Infektionen nur dann in Betracht, wenn Standardantibiotika versagt haben. Ärzte sollen diese Antibiotika nur noch in Ausnahmefällen und nach ausführlicher Risiko-Nutzen-Abwägung verschreiben.

Fluorchinolone können jedoch schwere Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen verursachen. Betroffene berichten nach der Einnahme von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone oft von starken Nebenwirkungen wie plötzlichen und unerklärlichen Schmerzen, Problemen mit den Sehnen, Depressionen und Psychosen. Bei manchen kommt es zu so schweren Einschränkungen, dass ihr normales Leben beeinträchtigt ist. Behörden warnen wegen möglicher Nebenwirkungen schon seit geraumer Zeit vor Fluorchinolonen.

Das Spektrum an Nebenwirkungen ist groß. Im Vordergrund stehen Auswirkungen auf Sehnen, Muskeln, Gelenke und das Nervensystem. Etwa:

  • Entzündungen von Sehnen
  • Muskelschmerzen, Muskelschwäche
  • Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen
  • Gangstörungen und neuropathische Symptome, zum Beispiel Schmerzen oder Brennen in Händen oder Füßen
  • sensorische Störungen (Seh-, Hör-, Geruchs- und Geschmacksstörungen)
  • Schlaflosigkeit, Ermüdung (Fatigue), Depressionen und Psychosen

Diese Nebenwirkungen sind sehr selten. Sie können direkt nach der Behandlung, aber auch erst einige Monate nach Behandlungsende auftreten. Häufig bilden sich die Beschwerden mit der Zeit wieder zurück. Sie können jedoch auch über Monate oder Jahre anhalten und möglicherweise bleibend sein. Manche der Symptome sind schwerwiegend und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

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Man weiß, dass diese Fluorchinolone ins Gehirn übergehen und da wirksam werden. Es gibt daher auch ganz viele Symptome im Zentralnervensystem.

In den USA hat man die Nebenwirkungen von Fluorchinolonen als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Auch werden Patienten dort deutlicher gewarnt. Seit 2008 machen "Black Box Warnings", schwarz eingerahmte Hinweise auf dem Beipackzettel, auf mögliche bleibende Sehnen-Schäden aufmerksam.

Ursachen von Nervenschmerzen nach Antibiotika

Eine Schädigung zentraler oder peripherer Nervenstrukturen ist grundsätzlich durch fast alle Antibiotika möglich. Es gibt jedoch erhebliche Häufigkeitsunterschiede. Eine Antibiotika-assoziierte Enzephalopathie ist häufiger, als man glaubt, und gerade bei älteren Intensivpatienten relevant. Aber manche Antibiotika können auch zu erheblichen neuromuskulären Problemen führen.

Die Neurotoxizität von Antibiotika ist ein Problem, das gerade auf der Intensivstation bei älteren Patienten durchaus als relevant zu bezeichnen ist. Das Auftreten neuer neurologischer Symptome nach Verabreichung von Antibiotika sollte jedenfalls den Verdacht auf Neurotoxizität wecken.

Pharmakokinetische Mechanismen spielen eine Rolle bei der Entwicklung von Neurotoxizitäten. So können lipophile Penicilline die Blut-Hirn-Schranke leichter durchdringen. Imipenem zeigt, im Vergleich zu anderen Carbapenemen, eine langsamere Clearance aus dem ZNS und damit ein höheres Risiko für Neurotoxizität.

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Höheres Lebensalter, schlechte Nierenfunktion und vorbestehende ZNS-Schädigung (z.B. durch M. Parkinson, Insult oder St. p. Schädel-Hirn-Trauma) erhöhen das Risiko für neurotoxische Wirkungen mancher, aber nicht aller Antibiotika.

Niereninsuffizienz führt nicht nur zu erhöhten Serumkonzentrationen von Antibiotika; zusätzlich kann durch Proteinurie der nicht proteingebundene Substanzanteil - und damit die Bioverfügbarkeit des Antibiotikums - ansteigen. Zudem können reduzierte Serumproteinspiegel auch die Blut-Hirn-Schranke schädigen.

Interaktionen mit Antibiotika können die Serumspiegel von Antikonvulsiva verändern, was einerseits zu Krampfanfällen, andererseits zu toxischen Antikonvulsivaspiegeln führen kann. Letztere können sich z.B. durch Enzephalopathie, Nystagmus, Gleichgewichtsstörungen oder Ataxie äußern.

Carbapeneme können die Serumspiegel von Valproinsäure um bis zu zwei Drittel senken; daher sollte diese Kombination vermieden werden. Umgekehrt können z.B. Clarithromycin oder Erythromycin die Serumspiegel von Phenytoin in den toxischen Bereich steigern; Analoges gilt für Isoniazid und Carbamazepin.

ZNS-Nebenwirkungen

Schwere, durch Antibiotika verursachte ZNS-Nebenwirkungen werden generell mit einer Häufigkeit von weniger als 1 % berichtet, und Enzephalopathien machen nur einen kleinen Teil dieser Nebenwirkungen aus. Andererseits gibt es Daten, die darauf hinweisen, dass die Antibiotika-assoziierte Enzephalopathie (AAE) unterdiagnostiziert ist. Insbesondere ältere Patienten sind häufiger als vermutet von diesem Problem betroffen. 80 % aller älteren Intensivpatienten entwickeln ein Delirium, davon jeder Fünfte bis Sechste in Assoziation mit einer Antibiotikagabe.

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Allerdings ist die Diagnostik eines AAE schwierig, da bei Patienten, die auf der ICU Antibiotika erhalten, noch eine Reihe anderer Ursachen für kognitive Veränderungen möglich sind; zudem gibt es wenig wissenschaftliche Studien zu den Risikofaktoren und klinischen Charakteristika von AAE - es liegen hauptsächlich Fallberichte und kleinere Fallserien vor.

Inzwischen sind allerdings Reviews erschienen, in denen die klinischen, radiologischen und elektrophysiologischen Charakteristika der AAE beschrieben werden.

Üblicherweise tritt zunächst ein Delir auf, das in weiterer Folge in eine AAE übergehen kann. Gemäß den klinischen Hauptsymptomen können drei Typen der AAE unterschieden werden:

  1. Eine Enzephalopathie, die üblicherweise mit Krampfanfällen oder Myoklonien einhergeht und einige Tage nach Beginn der Antibiotikaverabreichung auftritt. Sie wird in der Regel durch Penicilline oder Cephalosporine ausgelöst.
  2. Das Auftreten von Psychosen, ebenfalls einige Tage nach Antibiotikaverabreichung; dieses steht meist im Zusammenhang mit Sulfonamiden, Fluorchinolonen, Makroliden oder Procainpenicillin.
  3. Eine Enzephalopathie, die mit zerebellären Zeichen und MRT-Veränderungen einhergeht und Wochen nach Antibiotikagabe in Erscheinung tritt. Sie ist hauptsächlich mit Metronidazol assoziiert.

Diese Phänotypen zu kennen ist wichtig, um zu einer früheren AAE-Diagnose zu kommen, dementsprechend schneller das Antibiotikum abzusetzen und dem Patienten die Zeit, die er im Delir verbringt, zu verkürzen.

Ein Delirium ist assoziiert mit einem verlängerten Spitalsaufenthalt, einer höheren Komplikationsrate, einer höheren Wahrscheinlichkeit, in eine Langzeitpflegeeinrichtung überwiesen bzw. von dort rehospitalisiert zu werden, einer höheren Wahrscheinlichkeit für nachfolgende kognitive Einschränkungen sowie für Pflegebedürftigkeit und einer erhöhten Mortalität.

Deshalb unternimmt man heute verstärkte Anstrengungen, ein Delir zu erkennen, zu vermeiden bzw. zu behandeln. Was die Prävention angeht, weisen erste Daten auf eine Wirksamkeit des Melatoninagonisten Ramelteon hin. In einer placebokontrollierten prospektiven Studie reduzierte die prophylaktische Gabe von Ramelteon das Delirrisiko von 32 % auf 3 %.

Grundsätzlich kann eine AAE von nahezu jedem Antibiotikum ausgelöst werden. So zeigte eine retrospektive Untersuchung von 391 Fällen, die zwischen 1946 und 2013 aufgetreten waren, eine Assoziation mit 54 verschiedenen Antibiotika aus zwölf Substanzklassen. Auch kann nahezu jede Altersgruppe betroffen sein.

Einer der Hauptrisikofaktoren, der bei immerhin 25 % der Betroffenen vorhanden war, ist die chronische Niereninsuffizienz. Besonders häufig ist diese bei Cephalosporin-assoziierten Enzephalopathien; sie kommt jedoch auch bei anderen Antibiotikaklassen vor. Hepatische Dysfunktionen spielen vor allem bei Metronidazolassoziierten Enzephalopathien eine Rolle, sind aber sonst eher selten. Auch eine psychiatrische Vorgeschichte spielt eine eher geringe Rolle (≤20 % bei allen Antibiotikaklassen).

Ein Grund für das Underreporting von AAE könnte darin bestehen, dass die Enzephalopathie fälschlich für metabolisch bedingt oder für die Exazerbation einer psychiatrischen Erkrankung gehalten wird.

Nebenwirkungen im Bereich des peripheren Nervensystems

Hier sind drei Krankheitsbilder zu nennen: die Optikusneuropathie, die periphere Neuropathie und die Verschlechterung einer vorbestehenden Myasthenia gravis.

Eine Optikusneuropathie wird durch das Antituberkulotikum Ethambutol ausgelöst. Bei Standarddosen von 15mg/kg/ Tag beträgt die Häufigkeit einer Optikusneuropathie nur 1 %, bei Dosen über 60mg/kg/Tag jedoch bis zu 50 %. Pathogenetisch handelt es sich um eine durch das Medikament ausgelöste mitochondriale Dysfunktion, die zur Demyelinisierung des Nervus opticus und des Chiasma opticum führt.

Risikofaktoren sind höheres Lebensalter, Hypertonie, Nierenerkrankung und lange Therapie mit hohen Ethambutoldosen. Deshalb sollte jeder Patient vor einer geplanten Behandlung mit Ethambutol augenärztlich begutachtet werden. Wenn eine Optikusneuropathie auftritt, führt ein Absetzen von Ethambutol meist zu einer Besserung. Bleibende Schäden sind jedoch möglich. Auch unter Linezolid sind Optikusneuropathien beschrieben.

Eine periphere Neuropathie tritt am häufigsten unter Linezolid, Metronidazol und Dapson auf. Sie ist jedoch auch unter Chloramphenicol, Chloroquin, Ethambutol, Fluorchinolonen, Isoniazid, Nitrofurantoin und Sulfasalazin beschrieben. Ursächlich handelt es sich zumeist um axonale Schädigungen durch Störung der DNA-Reparatur, des Zellmetabolismus oder der Mitochondrienfunktion.

Zumeist handelt es sich um sensomotorische, von der Länge des Nervs abhängige Neuropathien, die zumeist nach prolongierter Antibiotikagabe auftreten. Unter Linezolid und Metronidazol sind bei langer Exposition bis zu 50 % aller Patienten betroffen. In der Regel wird die Neuropathie nach Absetzen besser, allerdings kann sie auch persistieren. Bei manchen Patienten setzt eine Besserung erst ein, nachdem die Neuropathie nach Absetzen des Antibiotikums noch einige Wochen lang fortgeschritten ist, ein Phänomen, das man als „Coasting“ bezeichnet.

Die Verschlechterung einer bestehenden Myasthenia gravis wird am häufigsten unter Aminoglykosiden, Fluorchinolonen und Makroliden gesehen.

Behandlung von Nervenschmerzen nach Antibiotika

Die Behandlung von Nervenschmerzen nach Antibiotika zielt in erster Linie darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Da die Ursachen vielfältig sein können, ist ein individueller Behandlungsplan erforderlich.

  • Absetzen des Antibiotikums: Wenn Nervenschmerzen nach der Einnahme von Antibiotika auftreten, sollte das Medikament in Absprache mit dem Arzt sofort abgesetzt werden. In vielen Fällen bessern sich die Beschwerden nach dem Absetzen des Medikaments.
  • Schmerzlinderung: Zur Linderung der Nervenschmerzen können verschiedene Schmerzmittel eingesetzt werden, darunter nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Opioide und Antikonvulsiva. Die Wahl des Schmerzmittels hängt von der Stärke der Schmerzen und den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab.
  • Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskeln zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und die Schmerzen zu lindern.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und die Lebensqualität zu verbessern.
  • Psychotherapie: Psychotherapie kann helfen, mit den Schmerzen umzugehen und die psychische Gesundheit zu verbessern.
  • Alternative Therapien: Einige Patienten finden Linderung durch alternative Therapien wie Akupunktur, Massage oder Yoga.

Was Patienten tun können

Patienten sollten immer nach Alternativen zu Fluorchinolonen fragen. In den meisten Fällen, in denen die Medikamente noch verschrieben werden, wirkt eine Vielzahl von anderen Antibiotika. Hat man bereits die Medikamente eingenommen und es treten Nebenwirkungen auf, gilt es, sofort zum Arzt zu gehen und die Symptome zu schildern. "In der Regel werden diese Medikamente dann abgesetzt", erklärt Becker-Brüser. "Ein direktes Entgegenwirken bei Psychosen wird schwierig, da muss man dann Erfahrung haben. Bei Sehnenrissen oder Sehnenentzündung muss man halt ruhig stellen, eventuell entlasten, schienen, vielleicht sogar operieren." Und hoffen. Bei vielen lassen die Symptome wieder nach. Doch bei manchen bleiben sie. Und sind zum Teil so gravierend, dass ein normales Leben für die Betroffenen nicht mehr möglich ist.

Fazit

Nervenschmerzen nach Antibiotika können eine belastende Nebenwirkung sein. Es ist wichtig, die Ursachen zu kennen und einen individuellen Behandlungsplan zu entwickeln, um die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Patienten sollten immer mit ihrem Arzt über mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Antibiotika sprechen und nach Alternativen fragen, wenn möglich.

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