Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur die Weltgesundheit beeinträchtigt, sondern auch eine Reihe von Langzeitfolgen mit sich gebracht, die als Post-COVID oder Long-COVID bekannt sind. Zu diesen Spätfolgen gehören auch Nervenschmerzen, die das Leben vieler Betroffener erheblich beeinträchtigen können. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Nervenschmerzen nach einer Corona-Infektion und stellt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten vor.
Was ist Post-COVID?
Der Begriff "Post-COVID" umfasst eine Vielzahl von Symptomen, die innerhalb von drei Monaten nach einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten, mindestens zwei Monate andauern und nicht durch eine andere Diagnose erklärt werden können. Zu den häufigsten Symptomen zählen:
- Starke Müdigkeit (Fatigue)
- Kurzatmigkeit
- Kognitive Störungen ("Gehirnnebel")
- Schmerzen (einschließlich Muskel- und Nervenschmerzen)
Mindestens 25 Prozent der Betroffenen entwickeln Muskelschmerzen (Myalgie) und eine frühzeitige Muskelermüdung. Studien zählen bis zu 200 unterschiedliche Long-COVID-Symptome auf. Die Stärke der Beschwerden kann individuell sehr unterschiedlich sein. Bei manchen Betroffenen entwickelt sich sogar ein ganzer Symptomkomplex, der dem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) gleicht.
Ursachen von Nervenschmerzen nach Corona
Die genauen Ursachen für Nervenschmerzen nach einer COVID-19-Infektion sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch mehrere Theorien und Forschungsansätze, die mögliche Mechanismen aufzeigen:
Entzündungen und Gewebeschäden
Während der akuten Infektion kann das Virus Entzündungen und Schädigungen in verschiedenen Geweben des Körpers verursachen, einschließlich der Nerven. Diese Entzündungen können zu Nervenschmerzen führen, die auch nach der Genesung fortbestehen.
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Viruspersistenz und Autoimmunreaktionen
Einige Theorien gehen davon aus, dass das Virus auch nach der akuten Phase im Körper verbleiben kann (Viruspersistenz) und eine anhaltende Immunreaktion auslöst. Dies könnte zu einer chronischen Entzündung und Schädigung der Nerven führen. Es wird auch diskutiert, ob sich infolge der Viruserkrankung Autoantikörper bilden können, die sich gegen das körpereigene Nervengewebe richten und eine Autoimmunerkrankung auslösen.
Gefäßentzündungen
Eine weitere Erklärung für Nervenschmerzen ist, dass das SARS-CoV-2-Virus eine Gefäßentzündung verursachen kann. Entzündete Blutgefäße können die Nervenversorgung beeinträchtigen und somit Schmerzen verursachen.
Schädigung des Nervensystems
Das Coronavirus Sars-CoV-2 kann auch das Nervensystem befallen. In seltenen Fällen kommt es dabei zu Entzündungen des Hirngewebes - einer sogenannten Enzephalitis - oder auch zu Schädigungen an peripheren Nerven. Von solchen Schäden erholt sich unser Nervensystem erst im Verlauf vieler Monate.
Mikrostrukturelle Unterschiede in der Muskulatur
Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum untersuchte die Beinmuskulatur von Menschen mit Post-COVID-Diagnose und gesunden Kontrollpersonen mittels quantitativer Magnetresonanztomografie (MRT). Es zeigten sich mikrostrukturelle Unterschiede in der Beinmuskulatur der Post-COVID-Gruppe, die auf eine reversible Muskelfaser-Hypotrophie infolge einer Dekonditionierung hindeuten könnten. Dies bedeutet, dass die Muskeln vorübergehend geschwächt oder verkleinert sind, weil sie während der akuten Krankheitsphase zu wenig beansprucht wurden.
Mögliche Symptome von Nervenschmerzen nach Corona
Nervenschmerzen nach Corona können sich vielfältig äußern. Häufige Symptome sind:
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- Brennende, stechende oder reißende Schmerzen
- Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen
- Kribbeln oder Taubheitsgefühle
- Elektrisierende Schmerzattacken
- Muskelschwäche oder -zuckungen
Diagnose von Nervenschmerzen nach Corona
Die Diagnose von Nervenschmerzen nach Corona kann eine Herausforderung sein, da es keine spezifischen Tests gibt, die das Long-COVID-Syndrom oder Post-COVID-Syndrom zweifelsfrei diagnostizieren können. Die Diagnose stützt sich in der Regel auf:
- Krankengeschichte: Erfassung der Symptome, des zeitlichen Zusammenhangs mit der Corona-Infektion und eventueller Vorerkrankungen.
- Körperliche Untersuchung: Überprüfung der neurologischen Funktionen, Reflexe und Sensibilität.
- Ausschlussdiagnostik: Durchführung verschiedener Untersuchungen (z. B. Blutuntersuchungen, neurologische Tests, bildgebende Verfahren), um andere mögliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.
- Neurologische Praxis: Dort kann man durch Messungen eventuelle Nervenschäden, wie zum Beispiel eine Polyneuropathie, feststellen.
Behandlungsmöglichkeiten von Nervenschmerzen nach Corona
Da es bislang keine ursächliche Therapie für das Long-COVID-Syndrom gibt, zielt die Behandlung von Nervenschmerzen nach Corona in erster Linie darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es gibt verschiedene Behandlungsansätze, die je nach individueller Situation und Symptomatik eingesetzt werden können:
Medikamentöse Therapie
- Schmerzmittel: Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) oder Opioide können zur Linderung akuter Schmerzen eingesetzt werden.
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Duloxetin) haben sich bei der Behandlung von Nervenschmerzen als wirksam erwiesen.
- Antikonvulsiva: Medikamente, die normalerweise zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden (z. B. Gabapentin, Pregabalin), können auch bei Nervenschmerzen helfen.
- Kortisonspray: Bei Lungenbeschwerden verordnen Lungenfachärzte zum Teil Kortisonspray, um die überschießende Immunreaktion herunterzufahren.
Physiotherapie
Eine gezielte physiotherapeutische Behandlung kann helfen, die Muskelschmerzen zu lindern und die Beweglichkeit und Kraft wiederherzustellen. Ein Physiotherapeut kann individuelle Übungen und Techniken empfehlen, um die Muskeln zu stärken und zu dehnen. Auch Atemtherapie kann bei Long-Covid im KfN häufig eingesetzt werden. Gerade bei Kurzatmigkeit und Atemnot sind aktive Atemübungen sowie die reflektorische Atemtherapie für Long-Covid-Patienten sehr hilfreich. Das Zwerchfell als „Motor“ der Atmung wird dabei gestärkt.
Psychotherapie
Eine Psychotherapie kann Ihnen helfen, mit den Symptomen besser umzugehen und Ihre psychische Resilienz zu stärken. Besonders gut eignet sich für diesen Zweck eine Verhaltenstherapie.
Alternative und komplementäre Therapien
- Akupunktur: Einige Studien deuten darauf hin, dass Akupunktur bei der Linderung von Nervenschmerzen helfen kann.
- Naturheilkundliche Komplexbehandlung: Dabei werden verschiedene Verfahren aus der Naturheilkunde kombiniert und in hoher Therapiedichte angewendet. Durch die Kombination bewährter Therapiemaßnahmen aus der Naturheilkunde entstehen Synergieeffekte, die durch Einzelmaßnahmen so nicht zu erzielen sind. Die einzelnen naturheilkundlichen Maßnahmen werden individuell und zielgerichtet auf die Symptome und die körperlichen Ressourcen jeder/jedes Einzelnen abgestimmt.
- Ergotherapie: Bei Kribbeln oder Gefühlsstörungen in Armen und Beinen kann Ergotherapie helfen.
Weitere Maßnahmen
- Ruhe und Erholung: Ausreichende Ruhe und Erholung sind wichtig, um den Körper zu heilen und die Muskelschmerzen nach einer COVID-19-Infektion zu lindern. Es ist wichtig, dem Körper Zeit zu geben, sich zu erholen und nicht zu überanstrengen.
- Warme Kompressen: Das Auftragen von warmen Kompressen auf die schmerzenden Muskeln kann dazu beitragen, die Durchblutung zu verbessern und Muskelverspannungen zu lösen.
- Dehnen und sanfte Bewegung: Kontrollierte Dehnübungen und sanfte Bewegung können helfen, die Muskeln zu entspannen und die Beweglichkeit zu verbessern.
Rehabilitationsprogramme
In Reha-Kliniken werden gezielte Atemtherapien eingesetzt und mit Physiotherapie wieder Kraft und Kondition aufgebaut.
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Pacing
Die Behandlungsmethode richtet sich nach dem Schwerpunkt der Symptome. Auch hierbei sollte mittels Pacing darauf geachtet werden, die eigenen Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten. Dabei lernen Betroffene Überanstrengung zu vermeiden.
Wann sollte ein Arzt konsultiert werden?
Es wird empfohlen, einen Arzt zu konsultieren, wenn die Nervenschmerzen nach einer COVID-19-Infektion stark sind, über einen längeren Zeitraum anhalten oder von anderen Symptomen begleitet werden. Ein Arzt kann eine genaue Diagnose stellen und eine angemessene Behandlung empfehlen. Bei schweren Muskelschmerzen oder fortschreitenden Beschwerden sind eine frühzeitige ärztliche Untersuchung wichtig, um andere mögliche Ursachen auszuschließen. Suchen Sie bitte Ihren Hausarzt auf, wenn Sie neue Beschwerden bei sich oder Ihrem Angehörigen feststellen. So kann die Ursache hierfür geklärt werden. Dieser Schritt ist wichtig, denn nur so können Ärzte einen individuellen Therapieplan aufstellen, mit dem die Symptome gelindert oder bestenfalls behoben werden können.
Vorbeugung von Nervenschmerzen nach Corona
Um Nervenschmerzen nach einer COVID-19-Infektion vorzubeugen, ist es wichtig, während der Genesung eine angemessene Schonung und Erholung zu ermöglichen. Es ist ratsam, nicht zu früh wieder mit intensiver körperlicher Aktivität zu beginnen und den Körper langsam an Bewegung zu gewöhnen. Eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus kann das Risiko für Long COVID verringern.
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