Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis, das mit großen körperlichen Veränderungen und Belastungen einhergeht. Viele Frauen erleben nach der Entbindung verschiedene Arten von Schmerzen, die von den Nachwirkungen der Schwangerschaft, den Strapazen der Geburt selbst oder den neuen Anforderungen des Mutterseins herrühren können. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Nervenschmerzen und anderen Schmerzarten nach der Geburt und stellt verschiedene Behandlungsansätze vor.
Verletzungen während der Geburt
Während der Geburt wirken starke Kräfte auf den Körper der Frau, insbesondere auf den Gebärmutterhals, die Vagina und den Beckenboden. Dies kann zu verschiedenen Verletzungen führen, die Schmerzen verursachen.
Arten von Geburtsverletzungen
- Blutergüsse, Abschürfungen und oberflächliche Risse: Diese Verletzungen sind in der Regel harmlos und heilen meist problemlos ab. Sie entstehen durch die Dehnung des Gewebes während des Geburtsvorgangs.
- Dammriss: Ein Dammriss ist eine häufigere, größere Verletzung, bei der das Gewebe zwischen Vagina und After (Damm) einreißt. Dammrisse werden in vier Schweregrade eingeteilt, je nachdem, wie tief der Riss ist und welche Gewebe betroffen sind.
- Scheidenrisse: Kleine Einrisse oder Abschürfungen in der Vagina (Scheide) sind ebenfalls häufig. Sie müssen in der Regel genäht werden, verursachen aber aufgrund der guten Heilungsfähigkeit des Vaginalgewebes kaum Beschwerden.
- Zervixriss: Bei etwa einer von zweihundert Geburten kommt es zu einem Einriss am Gebärmutterhals (Zervixriss), der meist stärker blutet und genäht werden muss.
- Rissverletzungen der Vulvalippen: Rissverletzungen der kleinen Vulvalippen müssen genäht werden, wenn sie stark bluten oder die Rissenden nicht gut aufeinander passen.
- Symphysen-Lockerung oder -Riss: Bei der Geburt wird das Becken der Schwangeren weiter, weil sich die Verbindungen zwischen den einzelnen Beckenknochen dehnen. Eine Überbeanspruchung der Schambeinfuge (Symphyse) durch die Geburt, eine Symphysen-Lockerung, bildet sich in der Regel nach der Geburt von selbst zurück. Ein Symphysen-Riss (Symphysen-Sprengung) ist äußerst selten.
Ursachen von Geburtsverletzungen
Der Geburtsweg ist von Natur aus so angelegt, dass er sich enorm dehnen kann. Der Muttermund öffnet sich auf etwa 10 cm, und auch die Vagina kann sich entsprechend dehnen. Trotzdem kann es aufgrund der Enge des Geburtswegs zu Verletzungen kommen. Risikofaktoren für einen Dammriss sind beispielsweise:
- Erste vaginale Geburt
- Hohes Geburtsgewicht des Kindes (über 4 kg) oder großer Kopfumfang
- Nicht optimale Lage des Kopfes beim Austritt
- Einsatz von Saugglocke oder Geburtszange
Nervenschmerzen nach der Geburt
Nervenschmerzen nach der Geburt können verschiedene Ursachen haben. Geburtsverletzungen können Nerven schädigen, die den Beckenboden versorgen, was zu chronischen Schmerzen führen kann. Auch die hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt können Nervenschmerzen begünstigen.
Karpaltunnelsyndrom
Das Karpaltunnelsyndrom tritt bei knapp 20 % der Schwangeren auf. Die vermehrte Flüssigkeitseinlagerung führt zu dem typischen nächtlichen Kribbeln in den Fingern oder zu Schmerzen. Die Ruhigstellung im Handgelenk während der Nachtstunden kann helfen. In seltenen Fällen kann es zu Nervenschädigungen kommen. Warum das Karpaltunnelsyndrom während einer Schwangerschaft 2- bis 4-mal häufiger auftritt, ist unklar. Diskutiert werden perineurale Ödeme, eine Thromboseneigung der begleitenden Blutgefäße und eine relative Immunsuppression. Die Manifestation meist im letzten Schwangerschaftsdrittel oder in der 1. Woche nach der Geburt erlaubt den Einsatz von Kortikoiden ohne Gefährdung des Kindes.
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Periphere Nervenläsionen der unteren Extremitäten
Periphere Nervenläsionen der unteren Extremitäten treten bei 58 von 10 000 Entbindungen auf. Zu den Nervenläsionen, die sich vor allem nach der Entbindung manifestieren, zählen:
- Meralgia paraesthetica
- Howship-Romberg-Syndrom
Eine Schädigung des N. cutaneus femoris lateralis, die Meralgia paraesthetica, kann während der natürlichen Geburt durch die Lagerung der Mutter provoziert werden. Die schmerzhaften unangenehmen Empfindungen des ventrolateralen Oberschenkels werden durch Lidocain-Pflaster oder lokale Infiltrationen behandelt.
Die Schädigung des N. obturatorius kommt zustande, wenn der kindliche Kopf in das Becken eintritt. Es resultieren Missempfindungen an der distalen Innenseite des Oberschenkels, das Howship-Romberg-Syndrom. Auch hier helfen lokale Lidocain-Pflaster.
Läsionen anderer Beinnerven (N. femoralis, N. ischiadicus, Plexus lumbosacralis) machen den CT- oder MR-tomografischen Ausschluss von Einblutungen (retroperitoneal, M. iliopsoas) erforderlich.
Eine Schädigung des Nervus femoralis tritt sehr selten vor der Geburt in der 32.-34. Gestationswoche mit Rückenschmerzen, Hüftbeuger- und Adduktorenschwäche auf. Meist zeigt sie sich unter oder nach der Entbindung bedingt durch Kompression am Beckenrand, und dann auch mit einer Fußheberschwäche, was zur Fehldiagnose eines L5-Syndroms führen kann.
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Andere Arten von Schmerzen nach der Geburt
Neben Nervenschmerzen können nach der Geburt auch andere Arten von Schmerzen auftreten:
- Nachwehen: Nach der Geburt zieht sich die Gebärmutter zusammen, um sich auf ihre ursprüngliche Größe zurückzubilden. Diese Kontraktionen können als krampfartige Schmerzen (Nachwehen) wahrgenommen werden, die sich beim Stillen verstärken können.
- Schmerzen im Intimbereich: Verletzungen wie Dammrisse oder -schnitte können zu Schmerzen im Intimbereich führen, die beim Sitzen, Stehen oder Wasserlassen auftreten können.
- Hämorrhoiden: Durch das Pressen während der Geburt können Hämorrhoiden entstehen, die schmerzhaft sein können.
- Rückenschmerzen: Lange Wehen, häufiges Heben und Tragen des Babys sowie Fehlhaltungen beim Stillen können zu Rückenschmerzen führen.
- Kopfschmerzen: Spannungskopfschmerzen können durch die Anspannung der Körpermuskulatur während der Geburt entstehen.
- Kaiserschnittschmerzen: Nach einem Kaiserschnitt können an der Naht Schmerzen, Juckreiz, Brennen, Spannungsgefühl oder Ziehen auftreten.
- Stillbeschwerden: Milcheinschuss, wunde Brustwarzen und andere Stillprobleme können zu schmerzhaften Beschwerden führen.
- Beckenschmerzen/Schambeinschmerzen: Beckenschmerzen bzw. Schambeinschmerzen sind nach der Geburt normal und benötigen einige Wochen bis Monate, bis sie verschwinden.
- Stillrheuma: Gelenkschmerzen, insbesondere in den Hand- und Fingergelenken, können durch hormonelle Veränderungen in der Stillzeit verursacht werden.
Behandlung von Schmerzen nach der Geburt
Die Behandlung von Schmerzen nach der Geburt richtet sich nach der Ursache und Art der Schmerzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern:
Selbsthilfemaßnahmen
- Gute Wundpflege: Bei Dammrissen oder anderen Geburtsverletzungen ist eine gute Wundpflege wichtig, um Infektionen vorzubeugen und die Heilung zu fördern. Die Wunde sollte täglich und nach jedem Stuhlgang mit Wasser gereinigt werden.
- Weicher Stuhlgang: Bei höhergradigen Dammrissen kann ein weicher Stuhlgang helfen, die Wunde zu schonen. Laktulose kann den Stuhl aufweichen.
- Kühlen: Kalte Umschläge oder Sitzbäder können bei Hämorrhoiden oder Schwellungen im Intimbereich helfen.
- Wärme: Wärmeanwendungen wie warme Bäder oder Wärmepflaster können bei Muskelverspannungen und Rückenschmerzen helfen.
- Schonung und Entspannung: Nach der Geburt ist es wichtig, sich ausreichend zu schonen und zu entspannen. Entspannungsmethoden wie Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen und Verspannungen zu lösen.
- Ergonomisches Tragen und Stillen: Achten Sie auf eine gute Körperhaltung beim Tragen und Stillen des Babys, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Verwenden Sie Tragetücher oder Stillkissen, um den Rücken zu entlasten.
- Bewegung: Leichte Bewegung wie Spaziergänge oder Schwimmen kann helfen, die Durchblutung zu fördern und Muskelverspannungen zu lösen.
- Beckenbodentraining: Ein gezieltes Beckenbodentraining kann helfen, die Beckenbodenmuskulatur zu stärken und Inkontinenz vorzubeugen.
Medikamentöse Behandlung
- Schmerzmittel: Bei Bedarf können Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen eingenommen werden. Diese gelten in niedrigen Dosierungen auch während der Stillzeit als verträglich.
- Antibiotika: Bei höhergradigen Dammrissen oder anderen Geburtsverletzungen kann ein Antibiotikum verschrieben werden, um Infektionen vorzubeugen.
- Salben und Zäpfchen: Gegen Hämorrhoiden gibt es verschiedene Salben und Zäpfchen, die zur Linderung der Beschwerden beitragen können.
- Kortikoide: Bei einem Karpaltunnelsyndrom, das sich im letzten Schwangerschaftsdrittel oder in der 1. Woche nach der Geburt manifestiert, kann der Einsatz von Kortikoiden ohne Gefährdung des Kindes erfolgen.
Physiotherapie und Osteopathie
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, Muskelverspannungen zu lösen, die Körperhaltung zu verbessern und die Beckenbodenmuskulatur zu stärken.
- Osteopathie: Die Osteopathie betrachtet den Körper als eine Einheit und konzentriert sich darauf, das Gleichgewicht und die Funktionsweise wiederherzustellen. Sie kann bei Beckenschmerzen, Rippenschmerzen, verklebten Narben nach einem Kaiserschnitt und Schmerzen im unteren Rücken helfen.
Alternative Behandlungsmethoden
- Akupunktur: Akupunktur kann bei verschiedenen Arten von Schmerzen nach der Geburt helfen, insbesondere bei Rückenschmerzen und Verspannungen.
- Akupressur: Die Akupressur ist eine ähnliche Methode wie die Akupunktur, bei der bestimmte Körperpunkte durch Druck stimuliert werden.
- Infiltrationstherapie und Prolotherapie: Diese Methoden können bei Symphysenschmerzen eingesetzt werden, um die Regeneration der Symphyse bzw. der Gelenkkapsel anzuregen.
- Stoßwellentherapie: Eine Stoßwellentherapie kann ebenfalls bei Symphysenschmerzen zu einer „Anregung“ der Regeneration der Symphyse bzw. der Gelenkkapsel führen.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
In den meisten Fällen sind Schmerzen nach der Geburt normal und verschwinden von selbst oder können mit einfachen Maßnahmen gelindert werden. Es gibt jedoch Situationen, in denen ein Arzt aufgesucht werden sollte:
- Starke, anhaltende Schmerzen, die sich nicht bessern
- Anzeichen einer Infektion (Rötung, Schwellung, Wärme, Schmerzen, Austritt von Flüssigkeit aus der Wunde)
- Stuhlinkontinenz oder Harninkontinenz
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Beinen
- Fieber
- Starke Blutungen
- Psychische Belastung durch die Schmerzen
Notfälle während der Geburt
In seltenen Fällen kann es während der Geburt zu Notfällen kommen, die lebensbedrohlich für die Mutter sein können. Dazu gehören:
- Thrombosen und Embolien: Sie treten mit einer Häufigkeit von 1:1.000 auf, nach Kaiserschnitten häufiger.
- Schwere Blutungen: Sie können auftreten, wenn sich der überdehnte Gebärmuttermuskel nach einer langen Geburt nicht regelrecht zusammenzieht (Uterusatonie).
- Schwangerschaftsbedingte Krampfanfälle: Sie können mit und ohne Bluthochdruckkrisen auftreten.
- Wochenbettfieber: Es kann durch Bakterien verursacht werden, die während oder nach der Geburt in die Blutbahn der Mutter eintreten.
- Fruchtwasserembolie: Sie tritt bei etwa einer unter 15.000 Geburten auf und kann zu Herzversagen und Kreislaufzusammenbruch führen.
- Herzprobleme: Frauen mit angeborenen oder erworbenen Herzfehlern oder -krankheiten oder nach früheren Herzoperationen sind während der Geburt besonders gefährdet.
In solchen Notfällen ist ein sofortiges ärztliches Eingreifen erforderlich.
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