Die Diagnose Brustkrebs und die damit verbundenen Behandlungen, wie die Mastektomie, können für Patientinnen eine immense Belastung darstellen. Neben den unmittelbaren körperlichen Auswirkungen der Operation kann es auch zu langfristigen Beschwerden kommen, darunter Nervenschmerzen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Nervenschmerzen nach einer Mastektomie und stellt verschiedene Behandlungsansätze vor, um Betroffenen zu helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern.
Brustkrebs und Mastektomie: Ein Überblick
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Jährlich wird die Diagnose über 70.000 Mal gestellt, wobei über 17.000 Frauen jährlich daran sterben. Entscheidend ist die rechtzeitige Erkennung, da die Erkrankung im frühen Stadium gut heilbar ist. Die Mastektomie, also die vollständige oder teilweise Entfernung der Brustdrüse, ist oft ein notwendiger Schritt in der Behandlung von Brustkrebs.
Die Mastektomie wird in der Regel aufgrund einer diagnostizierten Brustkrebserkrankung durchgeführt. In einigen Fällen kann dieser Eingriff präventiv durchgeführt werden. Wenn ein dringender Verdacht auf eine spätere Brustkrebserkrankung vorliegt, kann von ärztlicher Seite dazu geraten werden. Sowohl die Brustwarze als auch der Warzenhof werden bei dem Eingriff entfernt, da sich dort die Krebszellen befinden können.
Es gibt unterschiedliche Arten von Mastektomien. Es kann überlebenswichtig sein, die gesamte Brustdrüse, das umliegende Brustgewebe, die Brustwarze und den Lymphknotenbereich unter der Achsel zu entfernen. In manchen Fällen kann die Brustwarze erhalten bleiben. In anderen werden der Tumor und das umliegende gesunde Gewebe entfernt. Die Brustwarze bleibt erhalten und nur Teile der Brust werden operativ entfernt. Welche Art des Eingriffs im Falle einer Brustkrebserkrankung durchgeführt wird, hängt ganz individuell von der Art des Tumors ab und muss mit dem medizinischen Personal genauestens besprochen werden.
Ursachen von Nervenschmerzen nach Mastektomie
Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, können nach einer Mastektomie auftreten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Rund 20 % aller operierten Patienten entwickeln Nervenschmerzen, sogenannte postoperative neuropathische Schmerzen oder postoperative Neuropathie. Die Ursachen hierfür sind vielfältig:
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- Nervenverletzungen während der Operation: Während des Eingriffs kann es zu Schädigungen des Nervensystems kommen, etwa durch Kompressionen, Dehnungen, Traumen oder die Patientenlagerung. Die Entfernung der Lymphknoten ist eine Hauptursache für chronische Schmerzen, da dabei wahrscheinlich sensorische Nerven durchtrennt werden. Dieser Eingriff erhöht das Risiko für chronischen Schmerz nach einer Brustkrebsoperation um 21 Prozent.
- Entzündungsprozesse: Entzündungsprozesse nach der Operation können dazu führen, dass die peripheren Nerven erkranken.
- Plastische Veränderungen im Nervensystem: Durch eine Nervenverletzung kommt es im Nervensystem zu plastischen Veränderungen, die langfristig irreversibel werden können, sodass die neuropathischen Schmerzen in eine chronische Form übergehen.
- Weitere Risikofaktoren: Bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit postoperativer Neuropathien. Dazu zählen zum einen Vorerkrankungen der peripheren Nerven. Zum anderen gibt es Nervenschäden begünstigende Erkrankungen, darunter Diabetes, sehr hoher oder sehr niedriger Body-Mass-Index, periphere Gefäßerkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder eine Arthritis. Darüber hinaus gibt es Risikofaktoren, die die empfundene Stärke von Nervenschmerzen beeinflussen, darunter eine subjektiv erniedrigte Schmerzschwelle oder eine pessimistische Erlebnisverarbeitung.
Symptome von Nervenschmerzen
Kennzeichnend für postoperative neuropathische Schmerzen beziehungsweise Nervenschmerzen allgemein ist eine charakteristisch veränderte Hautsensibilität. Betroffene reagieren unter- oder überempfindlich (manchmal auch beides) auf Reize wie Kälte, Wärme, Berührung oder Druck. Betroffene berichten von Taubheitsgefühlen und/oder Schmerzattacken. Letztere können sich kribbelnd, brennend, stechend, einschießend oder elektrisierend äußern. Manchmal vermeiden die Betroffenen es, den schmerzbereitenden Körperteil zu bewegen, wodurch die entsprechenden Muskeln verkümmern können.
Weitere Symptome können sein:
- Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche oder Schmerzen in den Fußsohlen oder Fingerspitzen
- Schwierigkeiten bei feinmotorischen, alltäglichen Aktivitäten, wie Schreiben oder Haus- und Gartenarbeit
- Gleichgewichtsstörungen und Stürze
- Unwillkürliches Muskelzucken oder Muskelkrämpfe
- Kraftlosigkeit in Armen und Beinen
- Hör- und Sehstörungen bei Schädigungen von Hirnnerven
Diagnose von Nervenschmerzen
Es gibt verschiedene Diagnosemethoden bei Neuropathie. Wichtig ist eine ausführliche Anamnese, bei der die Patientin ihre Beschwerden schildert. Anschließend erfolgen neurologische Untersuchungen, um die Sensibilität, Reflexe und Muskelkraft zu prüfen. In manchen Fällen können auch elektrophysiologische Untersuchungen, wie die Elektroneurographie (ENG) oder die Elektromyographie (EMG), durchgeführt werden, um die Funktion der Nerven zu beurteilen.
Behandlung von Nervenschmerzen nach Mastektomie
Die Behandlung von Nervenschmerzen nach einer Mastektomie ist oft komplex und erfordert einen multimodalen Ansatz. Ziel ist es, die Schmerzen zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und dieFunktionsfähigkeit wiederherzustellen.
Medikamentöse Therapie
Typischerweise gegen neuropathische Schmerzen eingesetzte Medikamente sind unter anderem Antikonvulsiva, trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer oder Opioide. Eine lokale Therapie erfolgt zum Beispiel mittels Lidocain-Pflastern. Meistens ist es sinnvoll, mehrere Medikamente miteinander zu kombinieren. Zu beachten ist, dass sowohl Wirksamkeit als auch Nebenwirkungen eines Medikaments je nach Patient sehr verschieden sein können: Arzt und Patient sollten also genug Geduld aufbringen, um gemeinsam die individuell optimale Schmerztherapie zu finden. Hierbei ist auch wichtig, die Therapieziele zu besprechen: Eine völlige Schmerzfreiheit kann im Grunde fast nie erreicht werden. Realistisch ist eine Schmerzreduktion um 30 bis 50 Prozent, sodass Schlaf- und Lebensqualität des Patienten sich verbessern können. Dies muss dem Patienten bewusst gemacht werden, damit zu hohe Erwartungen und damit Enttäuschungen vermieden werden.
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Nicht-medikamentöse Therapie
Die nicht-medikamentöse Behandlung neuropathischer Schmerzen erstreckt sich unter anderem auf warme Fußbäder, transkutane elektrische Nervenstimulation, Akupunktur, milde Infrarotstrahlung, Applikation von Kälte, Physio- und Ergotherapie und Psychotherapie (Verbesserung der Schmerzakzeptanz).
- Physiotherapie und Ergotherapie: Krebspatient*innen mit Taubheitsgefühlen an Füßen und Händen können mithilfe von Physiotherapie, Ergotherapie und Elektrotherapie oder Bädern behandelt werden. Besonders wichtig ist ausreichende Bewegung, wobei das Gewebe unterschiedlichen Reizen ausgesetzt wird, sodass sich die Nervenfunktion in den Gliedern erholen kann. Das so genannte Funktionstraining, welches Balanceübungen, sensomotorisches Training, Koordinationstraining, Vibrationstraining und auch Feinmotorikertraining umfasst, hat sich Studien zwecks Symptomlinderung positiv hervorgetan.
- Bewegungstherapie: Sport hilft, die Nebenwirkungen einer Krebstherapie messbar zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Sanfte Bewegung hilft: Übungen für zuhause. Nach dem Eingriff dauert die Wundheilung etwa drei Wochen. Danach können gewohnte Alltagsaktivitäten allmählich wieder aufgenommen werden. Beschwerden im Muskel- und Gelenkapparat lassen sich mithilfe von gezielten Übungen verringern. Sie sollten jedoch immer zuerst mit dem behandelnden Arzt, der Ärztin, der Physiotherapeutin oder dem Physiotherapeuten besprechen, welche Übungen in Ihrer individuellen Situation geeignet sind.
- Vermeiden Sie ruckartige, unkontrollierte Bewegungen.
- Hören Sie auf Ihren Körper. Es sollte sich niemals unangenehm anfühlen oder schmerzhaft sein.
- Bevor Sie mit den Übungen beginnen, ist es hilfreich, dass Sie sich einmal im Spiegel betrachten. Oft steht die Schulter auf der operierten Seite ein wenig höher und nach vorn. Achten Sie bei den Übungen bewusst auf eine aufrechte Körperhaltung und nehmen Sie sich genügend Zeit dafür. Am besten integrieren Sie solche Übungen möglichst regelmäßig in Ihren Alltag.
- Überkopftstemme zur Kräftigung der Schulter: Zwei Minuten auf der Stelle gehen und die Arme kreisen lassen, um sich aufzuwärmen. Dann zwei Hanteln oder zwei kleine volle Wasserplastikflaschen (0,5 Liter) seitlich halten, Bauchnabel nach innen ziehen, Knie leicht beugen. Arme nach oben strecken und langsam wieder senken. Wiederholen Sie die Hantelübung sechs- bis achtmal. Wenn Sie sich dabei eine schöne flotte Musik vorstellen und den Oberkörper etwas „tanzen“ lassen, tut das nicht nur dem verspannten Nacken gut, sondern hebt auch die Laune. Nutzen Sie dabei die natürliche Drehung der Schulterachse, und die Arme werden wie von selbst aktiv (rechte Schulter und linkes Bein nach vorn und umgekehrt).
- Psychotherapie: Viele Krebspatienten kennen Gefühle wie innere Unruhe, Nervosität und Angst nur zu gut. Abgeschlagenheit, körperliche Verspannungen sowie Anspannung während und nach einer Krebstherapie sind belastend. Entspannungstechniken können Krebspatienten helfen, Verspannungen und Verkrampfungen zu lösen, Ängste zu mildern und die eigenen Kräfte zu stärken.
- Weitere Maßnahmen:
- Kälte vermeiden: Patient*innen, die mit Probleme mit Kältereizen haben, sollten sich nicht zu lange in kalten Räumen oder bei kaltem Wetter draußen aufhalten, ohne sich entsprechend zu schützen.
- Für einen guten Stand sorgen: Um sich sicher fortzubewegen, sollten Vorkehrungen wie festes Schuhwerk oder eine Gehhilfe getroffen werden.
- Verletzungen und Infektionen vorbeugen: Verletzungen, wie Schnittwunden oder Verbrennungen an Händen und Füßen werden später oder gar nicht wahrgenommen, wenn das Empfinden an diesen Stellen stark eingeschränkt ist.
- Ohrgeräusche minimieren: Wer bei lauten Geräuschen an Tinnitus leidet, sollte laute Umgebungen meiden.
Invasive Therapie
Manchmal ist es sinnvoll beziehungsweise erforderlich, neuropathische Schmerzen zusätzlich invasiv zu behandeln. Dies erfolgt unter anderem durch selektive Nervenblockaden, Ganglionblockaden oder Neuromodulationsverfahren.
Weitere Behandlungsansätze
Neben den genannten Therapien gibt es weitere Ansätze, die bei Nervenschmerzen nach Mastektomie in Betracht gezogen werden können:
- Akupunktur: Die Akupunktur kann Gelenkschmerzen womöglich lindern.
- Ernährung: Eine gute Versorgung mit Vitamin D und Kalzium kann das Risiko für Osteoporose senken. Über die Ernährung lässt sich allerdings nur wenig Vitamin D zuführen. Es wird vor allem unter der Einwirkung des Sonnenlichts in der Haut produziert. Bei einem Vitamin D-Mangel können eventuell Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D helfen (vorher Arzt oder Ärztin fragen). Empfehlenswert sind proteinreiche Lebensmittel, wie Fisch, Eier oder Hülsenfrüchte. Lebensmittel, die Vitamin C und Zink beinhalten, unterstützen das Immunsystem und beschleunigen die Heilung. Hierzu sind Lebensmittel, wie Zitrusfrüchte, Paprika oder Nüsse sinnvoll.
- Narbenpflege: Eine gute Narbenpflege nach einer Operation erfolgt mit speziellen Cremes oder Silikonpflastern. So können Spannungsgefühle und Schmerzen reduziert werden. Narbentherapie ist ein spezieller Bereich in der Physiotherapie, in der eine Lösung und Entspannung der fixierten Narbe erreicht werden kann. Neben manuellen Grifftechniken kann auch mit Schröpfgläsern gearbeitet werden. Der Vorteil des Schröpfens besteht darin, das Gewebe mit effektivem Zug aus der Tiefe zu mobilisieren.
Leben mit Nervenschmerzen nach Mastektomie
Nervenschmerzen nach einer Mastektomie können das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Es ist wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen und verschiedene Therapieansätze auszuprobieren, um die bestmögliche Schmerzlinderung zu erreichen. Darüber hinaus können folgende Tipps helfen, den Alltag mit Nervenschmerzen besser zu bewältigen:
- Austausch mit anderen Betroffenen: Der Austausch mit anderen Frauen in Selbsthilfegruppen und anderen Communitys kann ausschlaggebend sein. Es gibt zahlreiche lokale Unterstützungsnetzwerke, Selbsthilfegruppen, Foren und natürlich die sozialen Medien, in denen Du Dich informieren kannst. Sie geben praktische Tipps im Umgang mit der Krankheit und motivieren.
- Akzeptanz des veränderten Körperbildes: Die Akzeptanz des veränderten Körperbildes kann anfangs für die Patientinnen noch sehr schwer sein. Viele Frauen brauchen mehrere Jahre, um ihren veränderten Körper zu akzeptieren und anzunehmen. Psychologische Unterstützung kann hier ausschlaggebend sein.
- Unterstützung im Alltag: Rein praktische Unterstützung von Familienmitgliedern, Freunden oder anderen Personen, die im Haushalt helfen, ist enorm wichtig. Du wirst nach einer Mastektomie mit den körperlichen und mentalen Folgen dieses schweren Eingriffs zu kämpfen haben. Da ist es gut wissen, dass es jemanden gibt, der einkauft, die Wäsche wäscht und sich um die Kinder kümmert. Denn die ersten Wochen nach dem Eingriff brauchst Du, um Dich zu erholen und wieder stabil zu werden. Dann erst kannst Du Dich wieder in den Alltag stürzen.
- Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen: Die regelmäßigen Nachfolgeuntersuchungen nach einer Mastektomie sind sehr wichtig und lebenserhaltend. Dein Heilungsprozess wird hierbei streng überwacht. So können eventuelle Komplikationen und Rückfälle rechtzeitig erkannt werden. Die strenge Überwachung Deiner Gesundheit kann das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte wiederherstellen. Die Selbstuntersuchungen müssen ebenfalls dauerhaft durchgeführt werden, um die Früherkennung zu gewährleisten. In den ersten 1-3 Jahren nach einer OP finden die körperlichen Untersuchungen alle drei Monate statt. Hier ist es wichtig, sich dafür Zeit zu nehmen, sich mental darauf einzustellen und einen Arzt zu finden, dem Du vertraust.
Brustrekonstruktion und Schmerzen
Findet im Rahmen der Brustkrebsoperation eine Entfernung der Brust statt, stehen mehrere Optionen zur Verfügung, diese zu rekonstruieren. Bei der Rekonstruktion mit Eigengewebe werden Hautlappen von z. B. Rücken oder Gesäß verwendet. Dies ist zwar relativ aufwendig, ermöglicht aber ein anhaltendes kosmetisches Ergebnis. Eine Rekonstruktion mit einem Implantat ist zwar weniger aufwendig, weist allerdings u. a. In einer systematischen Übersichtsarbeit haben Wissenschaftler untersucht, wie sich die Rekonstruktion der Brust mit einem Implantat auf das Risiko für das Auftreten von chronischen Schmerzen auswirkt. Sieben der untersuchten Artikel zeigten keinen Einfluss der Verwendung eines Implantats auf das Risiko für das Auftreten von chronischen Schmerzen nach der Operation.
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