Nervensystem, Gehirn: Funktion und Überblick

Das Gehirn ist ein komplexes und faszinierendes Organ, das als zentrale Steuereinheit des menschlichen Körpers fungiert. Es ist der Teil des zentralen Nervensystems (ZNS), der sich innerhalb des Schädels befindet und diesen vollständig ausfüllt. Das Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die über ein komplexes Netzwerk von Nervenbahnen miteinander verbunden sind und den gesamten Organismus steuern.

Anatomie des Gehirns

Gewicht und Volumen

Das menschliche Gehirn wiegt etwa 1,5 bis 2 Kilogramm, was ungefähr 3 % des gesamten Körpergewichts entspricht. Das Gehirnvolumen beträgt etwa 20 bis 22 Gramm pro Kilogramm Körpermasse. Obwohl das Gehirn von Männern im Durchschnitt etwas größer und schwerer ist als das von Frauen, gibt dieser Größenunterschied keine direkten Rückschlüsse auf die Intelligenz.

Gehirnzellen und Gliazellen

Das Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die das zentrale Nervensystem bilden und untereinander verknüpft sind. Die Anzahl dieser Verknüpfungen wird auf etwa 100 Billionen geschätzt. Die Nervenzellen sind in ein stützendes Gewebe aus Gliazellen eingebettet, die verschiedene wichtige Aufgaben erfüllen.

Hirnhäute

Das Gehirn ist von drei schützenden Hirnhäuten umgeben:

  • Dura mater (harte Hirnhaut): Die äußere, feste Schicht, die mit den Schädelknochen verbunden ist.
  • Arachnoidea (Spinnengewebshaut): Die mittlere Schicht, die durch einen Raum (Subarachnoidalraum) von der inneren Hirnhaut getrennt ist.
  • Pia mater (innere Hirnhaut): Die innerste Schicht, die direkt auf der Gehirnoberfläche liegt.

Der Subarachnoidalraum ist mit Liquor (Hirn-Rückenmarksflüssigkeit) gefüllt, der das Gehirn zusätzlich schützt und als Stoßdämpfer bei Erschütterungen wirkt.

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Gehirnabschnitte

Das Gehirn lässt sich grob in fünf Hauptabschnitte gliedern:

  1. Großhirn (Telencephalon): Der größte Teil des Gehirns, der für höhere kognitive Funktionen wie Denken, Sprache und Gedächtnis zuständig ist.
  2. Zwischenhirn (Diencephalon): Beinhaltet Strukturen wie Thalamus und Hypothalamus, die wichtige Funktionen wie die Verarbeitung von Sinnesinformationen und die Steuerung des autonomen Nervensystems übernehmen.
  3. Mittelhirn (Mesencephalon): Ein kleiner Abschnitt des Gehirns, der an der Steuerung von Augenbewegungen, Schlaf-Wach-Rhythmus und Aufmerksamkeit beteiligt ist.
  4. Kleinhirn (Cerebellum): Koordiniert Bewegungen, hält das Gleichgewicht und speichert erlernte Bewegungsabläufe.
  5. Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata): Bildet den Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark und steuert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruck.

Hirnstamm

Der Hirnstamm ist der stammesgeschichtlich älteste Teil des Gehirns und besteht aus Mittelhirn, Medulla oblongata (Nachhirn) und Brücke (Pons). Er ist für grundlegende Lebensfunktionen wie Atmung, Kreislauf und Reflexe zuständig.

Graue und weiße Substanz

Das Gehirn besteht aus grauer und weißer Substanz. Die graue Substanz besteht hauptsächlich aus Nervenzellkörpern und befindet sich vor allem in der Großhirnrinde, den Basalganglien, der Kleinhirnrinde und den Hirnnervenkernen. Die weiße Substanz besteht aus den Nervenfasern (Axonen), die die Nervenzellen miteinander verbinden und sich im Mark von Großhirn und Kleinhirn befinden.

Hirnnerven

Dem Gehirn entspringen zwölf paarige Nerven, die den Kopf, den Hals und Organe im Rumpf versorgen.

Ventrikelsystem

Das Gehirn weist mehrere Hohlräume (Hirnkammern) auf, in denen der Liquor zirkuliert und die zusammen das Ventrikelsystem bilden.

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Blutversorgung des Gehirns

Das Gehirn wird über die rechte und linke innere Halsschlagader (Arteria carotis interna) und die Arteria vertebralis mit Blut versorgt. Diese Arterien bilden einen Gefäßring (Circulus arteriosus cerebri), der die Basis des Zwischenhirns umfasst und eine ausreichende Blutversorgung des Gehirns sicherstellt, auch bei Schwankungen in der Blutzufuhr. Etwa 15 bis 20 Prozent des Herzminutenvolumens entfallen auf die Blutversorgung des Gehirns.

Blut-Hirn-Schranke

Das empfindliche Gewebe im Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke vor schädlichen Substanzen im Blut geschützt.

Funktionen des Gehirns

Das Gehirn ist für eine Vielzahl von Funktionen verantwortlich, die für das Überleben und die Interaktion mit der Umwelt unerlässlich sind.

Steuerung lebenswichtiger Funktionen

Der Hirnstamm steuert grundlegende Lebensfunktionen wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung und Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- oder Hustenreflex.

Verarbeitung von Sinneseindrücken

Das Zwischenhirn, insbesondere der Thalamus, verarbeitet Sinneseindrücke. Der Hypothalamus steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger und Durst, das Schmerz- und Temperaturempfinden und den Sexualtrieb.

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Koordination von Bewegungen und Gleichgewicht

Das Kleinhirn koordiniert unsere Bewegungen und das Gleichgewicht und speichert erlernte Bewegungen.

Kognitive Funktionen

Das Großhirn ist für höhere kognitive Funktionen wie Lernen, Sprechen, Denken, Gedächtnis, Sprache und Logik sowie Kreativität und Orientierungssinn zuständig. In der Hirnrinde, dem äußeren Bereich des Großhirns, sind diese Fähigkeiten verankert. Hier laufen die Informationen aus den Sinnesorganen zusammen, werden verarbeitet und schließlich im Gedächtnis gespeichert.

Limbisches System

Das limbische System reguliert das Affekt- und Triebverhalten und dessen Verknüpfungen mit vegetativen Organfunktionen. Wichtige Teilbereiche des limbischen Systems sind die Amygdala (Mandelkern) und der Hippocampus. Die Amygdala spielt eine Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere Angst. Der Hippocampus ist der Arbeitsspeicher unseres Gehirns und die Schaltstelle zwischen dem Kurz- und dem Langzeitgedächtnis.

Gedächtnis

Das Gedächtnis ist eine sehr wichtige Funktion des Gehirns, die vom Ultrakurzzeit- über das Kurzzeit- bis zum Langzeitgedächtnis reicht.

Sensorisches, motorisches und vegetatives Nervensystem

Das Nervensystem besteht aus dem sensorischen, motorischen und vegetativen Nervensystem. Das sensorische Nervensystem nimmt Reize aus der Umwelt wahr und leitet sie an das Gehirn weiter. Das motorische Nervensystem steuert die Muskulatur und ermöglicht uns, Handlungen auszuführen und uns in der Umwelt zu bewegen. Das vegetative Nervensystem kontrolliert die Muskulatur aller Organe und regelt lebenswichtige Körperfunktionen wie Herztätigkeit, Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel, Verdauung, Ausscheidung, Schweißbildung, Körpertemperatur und Fortpflanzung.

Wie funktioniert das Gehirn?

Das Gehirn funktioniert als ein komplexes Netzwerk von Milliarden von Nervenzellen (Neuronen), die durch Synapsen miteinander verbunden sind. Informationen aus dem Körper oder der Umwelt gelangen in Form von Hormonen über das Blut oder als elektrische Impulse aus den Sinneszellen über Nervenbahnen ins Gehirn. Dort werden sie bewertet und verarbeitet. Als Reaktion werden entsprechende Signale vom Gehirn wieder ausgesendet - zum Beispiel an Muskeln, um sich zu bewegen, an Drüsen, um Sekrete zu produzieren und abzugeben, oder an Sinnesorgane, um Reize aus der Umwelt zu beantworten.

Die Nervenzellen sind die Bausteine unseres Nervensystems. Sie besitzen einen Zellkörper und Zellfortsätze, die sie mit anderen Nervenzellen oder mit Körperzellen verbinden. Diese Fortsätze werden als Axone und Dendriten bezeichnet. Axone leiten Signale zu anderen Neuronen oder Zielzellen weiter, während Dendriten die Signale meistens von anderen Neuronen empfangen.

Entlang einer Nervenzelle werden die Signale elektrisch fortgeleitet. Die Geschwindigkeit solcher Signale kann bis zu 360 km pro Stunde erreichen. Die Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen ist die Synapse. Hier erfolgt die Übertragung des elektrischen Signals von einer Nervenzelle zur nächsten mit Hilfe von Botenstoffen, die auch als Transmitter bezeichnet werden.

Energieverbrauch und Gehirnkapazität

Der Energieverbrauch des Gehirns ist enorm hoch. Fast ein Viertel des Gesamtenergiebedarfs des Körpers entfällt auf das Gehirn. Die Glukosemenge, die täglich mit der Nahrung aufgenommen wird, wird bis zu zwei Drittel vom Gehirn beansprucht. Die Gehirnkapazität ist deutlich größer als die, die wir im Alltag tatsächlich nutzen. Das bedeutet: Ein Großteil unserer Gehirnkapazität ist ungenutzt.

Entwicklung des Gehirns

Die embryonale Entwicklung des Gehirns aus dem Neuralrohr zeichnet sich durch ein besonderes Größenwachstum und ein ungleichmäßiges Dickenwachstum der Wand aus. Dadurch wird das Gehirn schon frühzeitig in mehrere Abschnitte unterteilt. Aus der Hirnanlage bilden sich zunächst drei hintereinander liegende Abschnitte (primäre Hirnbläschen) heraus, die dann das Vorderhirn, das Mittelhirn und das Rautenhirn bilden. In der weiteren Entwicklung entstehen daraus fünf weitere, sekundäre Hirnbläschen: Aus dem Vorderhirn entwickeln sich Großhirn und Zwischenhirn. Aus dem Rautenhirn gehen die Medulla oblongata, die Brücke und das Kleinhirn hervor.

Neurologische Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen sind Erkrankungen des Nervensystems. Sie können entweder durch einen Gendefekt angeboren sein oder im Laufe des Lebens entstehen, beispielsweise durch eine Infektion, ein Trauma oder eine Degeneration. Einige Beispiele für neurologische Erkrankungen sind:

  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  • Schlaganfall
  • Multiple Sklerose
  • Parkinson-Krankheit
  • Alzheimer-Krankheit

Das Nervensystem im Alltag

Unser Nervensystem ist ständig aktiv und steuert bewusste und unbewusste Prozesse. Es ermöglicht uns, mit der Umwelt zu interagieren, Informationen zu verarbeiten und auf Reize zu reagieren. Ob wir eine Tasse Kaffee genießen, Sport treiben oder einfach nur atmen - unser Nervensystem ist an allem beteiligt.

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