Okzipitalneuralgie: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Kopf- und Nackenschmerzen treten häufig gemeinsam auf und können erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben. Die Okzipitalneuralgie, auch bekannt als Hinterhauptneuralgie, ist eine spezifische Form des Kopfschmerzes, die durch eine Reizung oder Schädigung der Okzipitalnerven verursacht wird. In diesem Artikel werden die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Okzipitalneuralgie detailliert erläutert.

Einführung

Die Okzipitalneuralgie ist ein chronisches Schmerzgeschehen im Bereich des Hinterkopfes, das von den Okzipitalnerven ausgeht. Diese Nerven, der Nervus occipitalis major und minor, entspringen aus der Halswirbelsäule und versorgen die Haut am Hinterkopf und im oberen Nackenbereich. Eine Reizung oder Einklemmung dieser Nerven kann zu intensiven, stechenden oder ziehenden Schmerzen führen.

Anatomie der Okzipitalnerven

Der große Hinterhauptnerv (Nervus occipitalis major) dient der motorischen Steuerung der Nackenmuskulatur sowie der sensiblen Versorgung der Haut am Hinterkopf. Der kleine Hinterhauptnerv (Nervus occipitalis minor) hingegen ist für die nervale Versorgung der Haut in der unteren und seitlichen Hinterkopfregion zuständig. Die Nerven stehen in enger Verbindung mit verschiedenen Halsmuskeln und können bei verspannter Muskulatur gereizt werden.

Ursachen der Okzipitalneuralgie

Die Ursachen der Okzipitalneuralgie sind vielfältig. In den meisten Fällen ist die Ursache eine Einklemmung des Nervs durch Muskelverspannungen der darüber liegenden Nackenmuskeln. Diese tritt vor allem bei Personen auf, die viel Zeit im Sitzen verbringen. Durch eine stundenlange Sitzhaltung kann eine dauerhafte Steifheit der Nacken- und Hinterkopfmuskulatur entstehen. Die Hinterhauptsnerven können so dauerhaft gereizt und sogar eingeklemmt werden. Auch bei Personen mit schwerer körperlicher Arbeit kann es durch häufige Wiederholung belastender Bewegungen zu einer Nervenreizung kommen.

Weitere mögliche Ursachen sind:

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  • Trauma: Verletzungen oder Stürze im Bereich des Hinterkopfes oder der Halswirbelsäule können zu einer direkten Schädigung oder Reizung der Okzipitalnerven führen. Das auslösende Trauma kann dabei auch mit etwas Abstand zur Verletzung zu Problemen führen.
  • Degenerative Veränderungen: Arthrose in den oberen Wirbeln der Halswirbelsäule kann zu einer Einengung der Nervenwurzeln führen, aus denen die Okzipitalnerven hervorgehen. Auch eine allgemeine Versteifung des Nackenbereichs in Folge der Arthrose kann eine Einklemmung der Nerven bewirken.
  • Stoffwechselerkrankungen: Stoffwechselerkrankungen wie Gicht oder Diabetes können einen negativen Effekt auf die Gelenke der Halswirbelsäule haben und dadurch die Halsnerven in Mitleidenschaft ziehen. Zusätzlich haben Patienten mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Neuralgien im Allgemeinen, da durch die erhöhten Blutzuckerwerte die Nerven im ganzen Körper geschädigt werden können.
  • Raumfordernde Prozesse: In seltenen Fällen können Tumore oder Metastasen im Austrittsbereich der Nerven in der oberen Halswirbelsäule die Nerven einklemmen und reizen. Auch Infektionen können eine Okzipitalneuralgie auslösen.
  • Neurovaskuläre Kompression: In einigen Fällen kann eine Kompression des Nervus occipitalis durch benachbarte Arterien zu einer Schädigung des Nervs und somit zu einer Okzipitalneuralgie führen.
  • Oberes Zervikalsyndrom: Nackenschmerzen mit Kopfschmerzen werden medizinisch als oberes Zervikalsyndrom bezeichnet. Es betrifft vor allem Menschen, die viel Zeit am Computer verbringen. Umgekehrt können Nackenschmerzen als Folge von Kopfschmerzen auftreten.
  • Verspannungen: Bei Verspannungen im Nacken kann der Schmerz bis in den Kopf ausstrahlen und Kopfschmerzen verursachen, die den Kopf helmartig bis zur Stirn umfassen. Die verkrampfte Muskulatur drückt auf Nerven, die das Hinterhaupt (Os occipitale) versorgen.
  • Alkohol- und Nikotingenuss: Nackenschmerzen zusammen mit Kopfschmerzen können nach übermäßigem Alkohol- und Nikotingenuss auftreten. Alkohol wirkt entwässernd und mit der Flüssigkeit verliert der Körper auch wichtige Elektrolyte wie Kalium, Kalzium und Magnesium. Der Elektrolytmangel führt zu einer Übersäuerung der Muskulatur, wodurch es zu Kopf- und Nackenschmerzen kommen kann. Nikotin reizt das Gehirn in Arealen, die für die Schmerzempfindung zuständig sind.
  • Unklare Ursache: Häufig kann jedoch keine eindeutige Ursache ausgemacht werden. Dies ist aber auch in den meisten Fällen und sofern schwerwiegendere Erkrankungen ausgeschlossen werden können, auch nicht für eine erfolgreiche Therapie erforderlich.

Symptome der Okzipitalneuralgie

Die Okzipitalneuralgie äußert sich durch eine Reihe von charakteristischen Symptomen:

  • Stechende, ziehende Schmerzen: Im Vordergrund stehen stechende, teils erhebliche Schmerzen, die hauptsächlich im Bereich des Hinterkopfes lokalisiert sind. Sie können sich aber auch auf den oberen Nacken und den oberen Kopfbereich ausdehnen. Eine Ausbreitung der Schmerzen entlang des Verlaufs der Nerven bis hin zur Stirn und Schläfe ist auch möglich.
  • Druckempfindlichkeit: An den Austrittspunkten der Nerven am Übergang von Nacken zum Hinterkopf kann es zu einer Druckempfindlichkeit kommen.
  • Anfallsartiger Schmerz: Die Schmerzen können teilweise anfallsartig auftreten und über mehrere Minuten anhalten. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass eine Okzipitalneuralgie u. a. mit Migräne verwechselt werden kann.
  • Einseitige Ausprägung: Typisch ist eine einseitige Ausprägung der Schmerzen, selten auch beidseitig.
  • Schmerzen im Augenbereich: Bei einer Reizung des kleinen Hinterhauptsnervens kann es sogar zu Schmerzen bis hin zu den Augen kommen.
  • Missempfindungen: Daneben kommt es auch zu Missempfindungen in der Kopfhaut. Zu den auftretenden Sensibilitätsstörungen zählen Kribbeln, Jucken, Überempfindlichkeit, aber auch Taubheit der betroffenen Hautareale.

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, die Okzipitalneuralgie von anderen Kopfschmerzarten und Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:

  • Migräne, Cluster- oder Spannungskopfschmerzen bei starken, anfallsartigen Schmerzen
  • andere sekundäre Kopfschmerzen, die von Störungen, Verletzungen etc. ausgelöst werden
  • postherpetische Neuralgie bei Schmerzen an der Kopfhaut
  • bei starken Schmerzen im Nackenbereich auch Bandscheibenvorfälle oder andere Störungen in der oberen Halswirbelsäule

Diagnostik der Okzipitalneuralgie

Die Diagnostik der Okzipitalneuralgie umfasst in der Regel folgende Schritte:

  • Anamnese: Als Erstes werden Lokalisation und Ausprägung der Schmerzen erfragt. In der weiteren Anamnese, der Befragung des Patienten zum Krankheitsgeschehen, werden weitere Symptome wie Missempfindungen oder Überempfindlichkeiten erfasst. Um mögliche Ursachen abzuklären, erkundigt sich der Arzt nach früheren Verletzungen oder weiteren Erkrankungen, die ursächlich für die Symptomatik sein können.
  • Körperliche Untersuchung: Wenn der Arzt bei der anschließenden körperlichen Untersuchung des Hinterkopfes einen Druckschmerz feststellen kann, ist dies ein Hinweis auf eine Okzipitalneuralgie. Meistens sind die sogenannten Nervenaustrittspunkte am Hinterkopf sehr druckempfindlich und verstärken die Schmerzen am Hinterhaupt. Gelegentlich führt der Druck auf diese Stellen aber auch zu einer Verminderung der Kopfschmerzen.
  • Nervenblockade: Eine Option zur Diagnose kann eine anästhetische Blockade des Okzipitalnervens sein. Dabei wird der Nerv durch lokale Betäubungsmittel betäubt. Wenn dadurch eine deutliche Schmerzlinderung erzielt werden kann, liegt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Okzipitalneuralgie vor. Wenn durch diese Blockade die Schmerzen am Hinterkopf um mehr als 80% zu reduzieren sind, spricht das für die Diagnose eines durch die Reizung der Hinterkopfnerven (Nervi okzipitales) ausgelösten Kopfschmerz. In der geleichen oder einer der folgenden Sitzungen kann zusätzlich ein Kortisonpräparat hinzugegeben werden.
  • Bildgebende Verfahren: Zum Ausschluss von Tumoren in der Halswirbelsäule oder Ursachen, die im Kopf lokalisiert sind, kann als weitere Untersuchung ein MRT oder CT sinnvoll sein. Bei Verdacht auf ein Nervenkompressionssyndrom sollte immer eine Bildgebung mit der Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. Neben hochauflösenden 3D-T2-gewichteten Sequenzen, wie zum Beispiel der CISS-Sequenz („constructive interference in steady-state“) sollte auch eine 3D-TOF(„time of flight“)-Angiografie durchgeführt werden, um sicher zwischen arterieller und venöser Kompression unterscheiden zu können. Außerdem dient die MRT auch dazu, andere Prozesse auszuschließen, die ursächlich für die Symptomatik sein könnten, wie zum Beispiel Tumore oder Aneurysmen.

Behandlung der Okzipitalneuralgie

Die Behandlung der Okzipitalneuralgie zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die je nach Ursache und Schweregrad der Erkrankung eingesetzt werden können.

Konservative Behandlung

  • Medikamentöse Therapie:
    • Schmerzmittel: Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac können zur Linderung akuter Schmerzen eingesetzt werden.
    • Muskelrelaxantien: Bei Muskelverspannungen können Muskelrelaxantien wie Tizanidin oder Baclofen helfen, die Muskulatur zu entspannen und den Druck auf die Nerven zu reduzieren.
    • Antikonvulsiva: Antikonvulsiva wie Carbamazepin oder Gabapentin werden häufig zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt und können auch bei Okzipitalneuralgie wirksam sein. Evidenzbasiert steht die Gabe von Carbamazepin als Mittel der Wahl an erster Stelle der Behandlung.
    • Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin oder Nortriptylin können ebenfalls zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden und zusätzlich die Stimmungslage verbessern.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Maßnahmen können helfen, Muskelverspannungen zu lösen, die Beweglichkeit der Halswirbelsäule zu verbessern und eine korrekte Körperhaltung zu fördern. Sowohl Akupunktur als auch Triggerpunktbehandlung können gezielt die Muskelanspannung bei Schmerzen am Hinterkopf reduzieren. Chirotherapie setzen wir an der HWS ausschliesslich mit sanften Techniken ein.
  • Manuelle Therapie: Zunächst versuche ich den gesamten Kopf- /Halsbereich manualtherapeutisch zu behandeln und eine gute Funktion aller Bestandteile der Halswirbelsäule einschliesslich des Atlas herzustellen. Dazu kommt eine Überprüfung der Kiefergelenke und der oberen Rippen, sowie der Übergang zur Brustwirbelsäule.
  • Wärme- und Kälteanwendungen: Wärme- oder Kälteanwendungen können je nach Bedarf zur Linderung von Schmerzen und Muskelverspannungen eingesetzt werden.
  • Nervenblockaden: Wiederholte Nervenblockaden mit Zusatz eines Corticoidpräparates durchführen. Dabei wird ein Lokalanästhetikum in die Nähe des betroffenen Nervs injiziert, um die Schmerzübertragung zu blockieren. In der geleichen oder einer der folgenden Sitzungen kann zusätzlich ein Kortisonpräparat hinzugegeben werden.
  • Triggerpunkt-Selbstmassage: Fast jeder Mensch hat Triggerpunkte. Werden diese Beschwerden durch Triggerpunkte ausgelöst, dann kannst du sie mit einer Triggerpunkt-Selbstmassage lindern bis lösen. Nur so weißt du, in welchen anderen Muskeln du neben dem Frontalis und Occipitalis nach Triggerpunkten suchen und diese massieren musst. Um deine Schmerzen ganz und nachhaltig zu lösen, empfehle ich zusätzlich, für deine Beschwerden passende Dehn- und Kräftigungsübungen auszuführen. So behandelst du auch noch weitere Schmerzauslöser in der Muskulatur und beugst der erneuten Entstehung von Triggerpunkten im Frontalis und Occipitalis und allen anderen Muskeln vor.

Invasive Behandlung

  • Kryoneurolyse: Sollte hier kein langanhaltendes Ergebnis in der Reduktion der Hinterkopfschmerzen erreicht werden, bietet sich idealerweise eine Kryoneurolyse der Hinterkopf - Nerven an, die in der Regel zu einer mehrmonatigen bis mehrjährigen Schmerzfreiheit führen.
  • Mikrovaskuläre Dekompression (MVD): Bei starken Beschwerden und einem nachgewiesenen Gefäß-Nerv-Kontakt kann eine mikrochirurgische Operation zur Entlastung des Nerven (Neurolyse) helfen. Die mikrovaskuläre Dekompression wird an unserer Klinik als endoskopisch-assistierte mikrochirurgische Operation durchgeführt. Ziel der mikrovaskulären Dekompression ist die Beseitigung des Gefäß-Nerven-Kontaktes durch Trennung der Strukturen voneinander und das langfristige Verhindern der Neuentstehung einer neurovaskulären Kompression. Nach Mobilisation des Gefäßes vom betroffenen Nerven wird, um die Distanz zwischen dem komprimierenden Gefäß und Nerven aufrecht zu erhalten, Teflonwatte zwischen diesen Strukturen platziert. Manchmal wird das komprimierende Gefäß auch mit einer Teflonschlinge an die harte Hirnhaut genäht.
  • Stimulation des Nervus okzipitalis (ONS): In kleineren Studien in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und Belgien waren die Resultate der ONS vielversprechend. Es gab keine ernsthaften Nebenwirkungen und bei zahlreichen Patienten traten Attacken seltener und weniger stark auf. Bevor diese neue Behandlungsmethode bei mehr Patienten angewandt wird muss die Wirksamkeit und Sicherheit in größeren wissenschaftlichen Studien bestätigt werden. Darüber hinaus möchten wir herausfinden, auf welche Art der Nervus okzipitalis am besten stimuliert werden muss.

Alternative Behandlungsmethoden

  • Akupunktur: Akupunktur kann helfen, Muskelverspannungen zu lösen und Schmerzen zu lindern.
  • Biofeedback: Wenn der erhöhte Muskeltonus auf Grund von Fehlhaltung oder als Stressreaktion erhöht ist, kann mit Hilfe einer Biofeedback Behandlung ein gutes Therapieergebnis in der Behandlung von Hinterkopfschmerzen erzielt werden.
  • Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga können helfen, Stress abzubauen und Muskelverspannungen zu reduzieren.

Wann sollte ein Arzt aufgesucht werden?

Bei plötzlich auftretenden, starken Schmerzen im Bereich des Hinterkopfes sollte unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Wenn das Schmerzgeschehen immer wieder ohne erkennbare Ursache auftritt, sollte ebenfalls ein Arzt zur Diagnostik und Therapie hinzugezogen werden. Auch zum Ausschluss von anderen chronischen Erkrankungen wie Migräne ist eine genaue Abklärung empfehlenswert.

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