Die Radialisparese, auch bekannt als Radialisnervlähmung, ist eine Erkrankung, die durch eine Schädigung des Nervus radialis verursacht wird. Dieser Nerv verläuft vom Hals abwärts durch den Arm bis in die Finger und spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Muskeln im Arm und Handgelenk sowie bei der Übertragung von sensorischen Informationen aus diesen Bereichen.
Was ist der Nervus radialis?
Der Nervus radialis ist ein wichtiger Nerv, der aus dem Plexus brachialis entspringt, einem Nervengeflecht an der Halswirbelsäule, aus dem sämtliche Fasern für die Innervation der Arme hervorgehen. Er enthält sowohl Fasern, die sensorische Signale vom Arm übertragen, als auch solche, die motorische Signale vom zentralen Nervensystem zur Muskulatur leiten.
Verlauf und Funktion des Nervus radialis
Der Nervus radialis zieht an der Rückseite des Oberarmknochens entlang Richtung Ellenbeuge. Dort teilt er sich in den Ramus profundus (tiefer Ast) und den Ramus superficialis (oberflächlicher Ast). Der Ramus profundus zieht durch den Musculus supinator und innerviert die Unterarm- sowie Handmuskulatur. Der Ramus superficialis versorgt den Handrücken mit sensiblen Fasern.
Der Nervus radialis ist verantwortlich für die nervöse Versorgung der Streckmuskulatur von Oberarm, Unterarm und Teilen der Finger. Er steuert Bewegungen und Gefühl am Arm und koordiniert die Streckmuskeln an Handgelenk und Fingern. Darüber hinaus leitet er Gefühlsreize wie Berührungs- und Temperaturempfindungen aus bestimmten Hautarealen des Arms an das Gehirn weiter.
Ursachen der Radialisparese
Die Radialisparese kann verschiedene Ursachen haben. Meistens wird der Nerv im Arm eingeklemmt oder geschädigt, zum Beispiel durch eine ungünstige Schlafposition. An bestimmten anatomischen Lokalisationen ist das Risiko für eine Radialisschädigung erhöht:
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- Axilla (Achselhöhle): Hier tritt sie häufiger bei Menschen auf, die Unterarm-Gehstützen benutzen, sich die Schulter ausgekugelt oder den Oberarm gebrochen haben (Typ I: Krückenlähmung).
- Oberarm: Im mittleren Drittel des Oberarms liegt der Nerv dem Knochen sehr eng an und ist besonders bei Knochenbrüchen gefährdet (Typ II: Humerusschaftfraktur, Operationen am Oberarm). Sehr häufig ist ein Bruch des Oberarms die Ursache einer Radialisparese. Der Nerv verläuft hier dem Oberarmknochen eng anliegend und kann durch die Bruchstücke eingeklemmt oder durchtrennt werden.
- Schlaf- oder Parkbanklähmung: Diese tritt häufig im Tiefschlaf unter Alkoholeinwirkung auf, wenn Betroffene für längere Zeit auf dem Arm liegen oder ihn ungünstig auf der Bettkante auflegen. Das Krankheitsbild tritt häufig bei einer vorübergehenden Einklemmung des Radialisnervens auf; klassischerweise beim Tiefschlaf nach Alkoholkonsum.
- Radialtunnel: Eine weitere Prädilektionsstelle ist der Radialtunnel, wo der Nerv das Ellenbogengelenk überkreuzt.
- Unterarm und Handgelenk: Auch im Bereich des Unterarms und des Handgelenkes kann der Nerv eingeklemmt werden, z. B. durch zu enge Armbänder oder auch Handschellen. Daher stammt auch die Bezeichnung des Syndroms als „Arrestantenlähmung" oder „Fesselungslähmung".
Weitere mögliche Ursachen sind:
- Druckverletzungen: z.B. Radialis-Tunnel-Syndrom: Einengung im Supinatorkanal z.B. Sehnenreizung am Ellenbogen
- Verletzungen: beispielsweise durch einen Unfall oder eine Operation.
- Iatrogene Ursachen: In einigen Fällen kann die Radialisparese durch medizinische Eingriffe verursacht werden.
Iatrogene Verletzungen des Nervus radialis haben vielfältige Ursachen. In 20 von insgesamt 48 operierten Nerven lag eine iatrogene Ursache vor. Die häufigsten Ursachen waren Verletzungen im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen am Radiuskopf bzw. Schwannomen.
Symptome der Radialisparese
Ein typisches Symptom ist die sogenannte Fallhand: Handgelenk und Finger können nicht mehr gestreckt werden. Bei Schädigungen, die weiter oben am Arm lokalisiert sind, kann auch der Trizeps gelähmt sein, sodass keine Ellenbogenstreckung mehr möglich ist. Häufig ist die Streckfunktion im Handgelenk, Ellenbogen und in den Fingern eingeschränkt.
Darüber hinaus ist eine Störung der Gefühlswahrnehmung im seitlichen Ober- und Unterarm sowie dem Handrücken (Daumen bis Mittelfinger) möglich. Einige Reflexe am Arm können abgeschwächt sein. Sensibilitätsstörungen am lateralen Ober- und/oder Unterarm sowie radialen Handrücken können auftreten.
Abhängig von der Lokalisation der Schädigung können folgende Symptome auftreten:
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- Läsion in der Axilla (Typ I): Beteiligung des M. triceps brachii (Armextension, ggf. inkomplett). Hypästhesie Oberarmrückseite und Unterarmrückseite. Tricepssehnenreflex abgeschwächt/erloschen.
- Läsion am Oberarm (Typ II): Parese von M. brachioradialis, M. supinator, Handextensoren, Daumenextensoren. Fallhand. Handextension im Fingermittelgelenk vollkräftig (Prüfung mit Unterstützung im Metokarpalgelenk). Fingerspreizung nur scheinbar paretisch (Prüfung nach passiver Extension der Finger).
Diagnose der Radialisparese
Von ärztlicher Seite besteht in der Regel kein Problem, die Diagnose zu stellen. Die Krankengeschichte und eine einfache Untersuchung reichen normalerweise aus.
Bei Unsicherheit in Bezug auf die Diagnose oder bei einem schlechten Genesungsprozess ist möglicherweise eine MRT-Untersuchung des Arms zu empfehlen. In Ausnahmefällen können auch Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit und der Muskelfunktion erforderlich sein.
Folgende diagnostische Maßnahmen können durchgeführt werden:
- Klinische Untersuchung: zur Beurteilung der motorischen und sensorischen Funktionen.
- Elektrophysiologische Untersuchung: Elektromyographie (EMG) zur Beurteilung der Muskelaktivität und Elektroneurographie zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.
- Bildgebung: MRT-Untersuchung des Arms bei Unsicherheit oder schlechtem Genesungsprozess.
- Sonographie: zur Beurteilung des Nervenverlaufs und Ausschluss von Kompressionen.
Therapie der Radialisparese
Die Radialisparese verschwindet normalerweise innerhalb weniger Wochen von selbst. Man bemerkt eine schrittweise Verbesserung der Funktion. Je nach Art der Nervenschädigung stehen verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung:
Konservative Therapie:
- Schienentherapie: In dieser Zeit kann das Tragen einer Schiene sinnvoll sein, die das Handgelenk leicht gestreckt hält, um die Anwendung der Hand zu erleichtern.
- Physiotherapie: Gezielte Physiotherapie zur Förderung der Beweglichkeit und Muskelkraft. Physiotherapie unterstützt, indem sie die Muskulatur lockert, Verspannungen löst und dadurch den Nervendruck reduziert.
- Ergotherapie: Wenn eine Fallhand chirurgisch durch die Wiederherstellung der Handsehnen behandelt wird, spielt die Ergotherapie eine wichtige Rolle im Rehabilitationsprozess. Patienten müssen lernen, mit alternativen Muskelgruppen die Hand zu strecken. Ergotherapeuten setzen dabei unterschiedliche Trainingsmethoden ein, um das Zusammenspiel von Gehirn, Nerven und Muskulatur zu fördern und zu verbessern.
- Medikamentöse Therapie: In vielen Fällen bessern sich Druckbeschwerden oder Einklemmungen jedoch auch spontan. Dazu zählen die Schonung und Entlastung des Arms sowie die Gabe von entzündungshemmenden Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Diclofenac, die oft rasch Linderung verschaffen.
Operative Therapie:
- Druckentlastung: Bei langanhaltenden Schmerzen, deren Ursache das Einklemmen des Nervs ist, z. B. im Bereich des Ellenbogens, kann ein operativer Eingriff nötig werden, um für eine Druckentlastung zu sorgen.
- Nervenrekonstruktion: Eine Operation ist meist dann notwendig, wenn der N. radialis komplett durchtrennt ist. Dabei werden die Nervenenden vom Chirurgen mit einer sogenannten Nervennaht wieder verbunden. Ist ein größerer Abschnitt des Nervs zusätzlich geschädigt, kann autogene Nerventransplantation helfen. Dafür wird dir an einer anderen Stelle ein nicht so wichtiger Nerv entnommen und an den N. radialis transplantiert.
- Sehnen- und Muskeltransplantation: Falls die Transplantation eines Nervs nicht möglich ist, können Muskeln und Sehnen, die für die Bewegung des Handgelenks zuständig sind, an die Hand verlagert werden. Der Patient muss dann allerdings lernen, die neue Muskelpartie für die Streckung der Hand zu nutzen.
- Nerventransfer: Ein neuartiges Verfahren stellt die Nervenumlagerung bzw. der Nerventransfer dar. Bei früher Diagnose kann die gelähmte Muskulatur durch die mikrochirurgische Umsetzung von Nervenästen wieder funktionsfähig gemacht werden. Der Vorteil des Nerventransfers ist eine mögliche unabhängige Streckung der Finger voneinander.
Nach einer Operation wird die Hand über eine Schiene oder Orthese ruhiggestellt.
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Übungen bei Nervenschmerzen:
Übungen bei Nervenschmerzen werden als Nervengleitübungen oder Neurodynamik bezeichnet. Der Arm wird seitlich ausgestreckt, die Handfläche und Finger zeigen nach unten. Mit der anderen Hand werden die Finger sanft in Richtung Körper gezogen, bis ein leichtes Ziehen spürbar ist. Dieser Rhythmus wird etwa 15-mal wiederholt.
Prognose der Radialisparese
Bei den meisten Betroffenen liegt nur eine milde Form der Nervenläsion vor, die innerhalb einiger Tage bis Wochen ausheilt. Sind Teile des Nervens durchtrennt, so dauert die Genesung mitunter mehrere Monate. Nervenausfälle in den Händen wirken sich bei vielen Alltagstätigkeiten störend aus und sollten auf keinen Fall hingenommen werden. Je früher die Behandlung beginnt, umso eher besteht die Chance, die Funktionsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen.