Neue Erkenntnisse in der Alzheimer-Forschung

Die Alzheimer-Forschung ist ein dynamisches Feld, das ständig neue Erkenntnisse liefert. Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Ursachen der Alzheimer-Krankheit besser zu verstehen, neue Diagnoseverfahren zu entwickeln und Therapien zu finden, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen können. Obwohl es noch keine Heilung gibt, existieren bereits zuverlässige Diagnoseverfahren, Präventionsmaßnahmen und erste Therapien, die den Krankheitsverlauf bei einigen Formen der Demenz verlangsamen können.

Unterstützung der Forschung durch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) unterstützt im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Aufgaben regelmäßig Forschungsvorhaben im Bereich Demenz. Alle zwei Jahre schreibt die DAlzG eine Forschungsförderung im Bereich der Versorgungsforschung aus. Die nächste Förderung wird Anfang 2026 ausgeschrieben. Die DAlzG unterstützt Forschungsprojekte auch praktisch, indem sie ihr Expertenwissen in Projektbeiräten zur Verfügung stellt. Anfragende Projekte werden gebeten, alle wichtigen Angaben in ein Formblatt einzutragen.

Arbeitsgruppe „Demenz und Forschung“

Menschen mit Demenz wollen mitreden und gehört werden, insbesondere wenn es um ihre eigenen Belange geht. Dies gilt auch für die Forschung. Wenn in Forschungsprojekten Menschen mit Demenz im Fokus stehen, sollte die Forschung auch die Gedanken, Erfahrungen und das Wissen von Menschen mit Demenz einbeziehen. Im Rahmen des Projektes PraWiDem wurde 2022 eine Arbeitsgruppe Demenz und Forschung aufgebaut, die das Projekt kontinuierlich begleitete und einmal im Monat aktuelle Forschungsfragen diskutierte. Obwohl das Projekt PraWidem am 31.12.2024 endete, wird die gemeinsame Arbeit in der AG Demenz und Forschung fortgesetzt, um die wertvollen Erfahrungen nicht zu verlieren.

Aktuelle Medikamente und Zulassungsverfahren

Ein bedeutender Fortschritt in der Alzheimer-Therapie ist die Zulassung von Medikamenten mit Antikörpern. Am 15.04.2025 wurde von der EU-Kommission ein Medikament mit dem Antikörper Lecanemab für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen. Studien zufolge kann Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Dies ist das erste zugelassene neue Alzheimer-Medikament seit 2002. Seit 25.09.2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen, das den Antikörper Donanemab enthält. Auch dieses Medikament kann Studien zufolge bei einer Anwendung im Frühstadium der Erkrankung das Fortschreiten verlangsamen. Im Dezember 2024 wurde für ein drittes Alzheimermedikament das Zulassungsverfahren eröffnet.

Herausforderungen und Fehlschläge in der Medikamentenentwicklung

Vor der Zulassung für Lecanemab gab es über lange Zeit nur Fehlschläge. Eine 2014 publizierte Untersuchung ergab eine Misserfolgsquote von 99,6 % bei in klinischen Studien erprobten Medikamenten (J L Cummings et al.: Alzheimer’s disease drug-development pipeline: few candidates, frequent failures. Alzheimer's Research & Therapy 2014, 6:37). Trotz dieser Bilanz werden weiterhin Alzheimer-Medikamente entwickelt, viele davon auch unter Beteiligung deutscher Kliniken. Rund 60 weitere Medikamente befinden sich für die Alzheimer-Therapie im vorangehenden Erprobungsstadium (Phase II), der Erprobung mit wenigen Kranken nach erfolglichen Tests mit Gesunden (Phase I) (Quelle: PharmaProjects Database, 04.04.2025).

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Bedeutung der Früherkennung

Vieles deutet darauf hin, dass die Behandlung sehr frühzeitig begonnen werden muss, wenn sie noch wirksam ins Krankheitsgeschehen eingreifen soll, und nicht erst, wenn die Alzheimer-Symptome schon ausgeprägt sind. Zeichen der Krankheit (Beta-Amyloid und Tau-Fibrillen im Gehirn) lassen sich mittlerweile mit nicht-invasiven bildgebenden Verfahren nachweisen. Die vielen Fehlschläge in der Vergangenheit haben möglicherweise zum Teil damit zu tun, dass in die Studien auch Patient:innen einbezogen wurden, die an anderen Demenzformen litten und nur Alzheimer-hafte Symptome aufwiesen. Das National Institute on Aging and Alzheimer's Association Research Framework empfiehlt deshalb, bei klinischen Studien nur noch mit Patient:innen zu arbeiten, die die für Alzheimer charakteristischen Gehirnveränderungen aufweisen.

Angriffspunkte der Medikamente

Die Medikamente, die zum Aufhalten oder Verlangsamen der Alzheimer-Demenz in Entwicklung sind, greifen an verschiedenen Stellen in den Krankheitsprozess ein. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Alzheimer auftretenden Plaques zwischen den Nervenzellen wesentlich zum Absterben von Nervenzellen beitragen. Deshalb setzen viele Arzneimittel-Kandidaten an der Substanz an, aus der sie bestehen: dem Beta-Amyloid-Protein. Ein Typ dieser Medikamente enthält gentechnisch hergestellte Antikörper, die sich an das Beta-Amyloid-Protein oder Vorstufen davon heften. Das Immunsystem baut dann das so markierte Protein ab, wodurch der Raum zwischen den Nervenzellen gereinigt wird. Dieser Ansatz wird auch „passive Immunisierung gegen Alzheimer“ genannt. Die Studienergebnisse mit mehreren gegen Beta-Amyloid gerichteten Medikamente belegen, dass Beta-Amyloid-Plaques eine relevante Rolle im Krankheitsgeschehen spielen. Wie zentral diese ist, ist damit aber noch immer nicht geklärt. Einige Wissenschaftler:innen weisen seit Jahren darauf hin, dass sich solche Plaques mitunter auch im Gehirn von Menschen finden, die in geistiger Klarheit gestorben sind.

Neue Studie zur Reduktion schädlicher Plaques

Eine neue Methode von Dr. Benedikt Zott und seinem Team an der Technischen Universität München (TUM) und am TUM Klinikum rechts der Isar setzt genau dort an: Durch die Bindung von Amyloid Beta mit einem Protein namens "Anticalin" wird das Amyloid Beta gewissermaßen aus dem Verkehr gezogen. Das Team konnte im Laborversuch mit Mäusen nachweisen, dass sich durch die Gabe von Anticalin die erhöhte Aktivität der Nervenzellen wieder normalisiert. Noch ist es ein langer Weg bis zu einer bei Menschen anwendbaren Therapie, aber die Ergebnisse im Tierversuch sind sehr ermutigend. Ein Problem ist aber zum Beispiel, dass das Anticalin-Protein an der Blut-Hirn-Schranke scheitert. Es müsste also direkt ins Gehirn gespritzt werden, was bei Menschen bisher nicht möglich ist. Zudem wirkt es bislang nur in der Anfangsphase der Alzheimer-Erkrankung.

Schwerpunkte in der Demenzforschung 2025

Die Demenzforschung betrachtet heute viele verschiedene Mechanismen und verfolgt unterschiedliche Ansätze - von der Diagnostik bis zur Therapie.

  1. Früherkennung: Alzheimer und andere Demenzerkrankungen beginnen oft viele Jahre, bevor erste Symptome auftreten. Neue Bluttests, bildgebende Verfahren und digitale Methoden sollen es ermöglichen, die Krankheiten deutlich früher und zuverlässiger zu erkennen.
  2. Antikörper-Medikamente: Mit den Antikörpern Leqembi und Kisunla gibt es erstmals Medikamente, die den Verlauf von Alzheimer verlangsamen können. Sie richten sich an Menschen in einem frühen Krankheitsstadium und greifen gezielt in die Prozesse im Gehirn ein. Noch ist offen, wie groß ihr Nutzen langfristig ist und wie Nebenwirkungen am besten kontrolliert werden können.
  3. Krankheitsmechanismen verstehen: Forschende untersuchen zentrale Prozesse wie die Ablagerung der Proteine Amyloid-beta und Tau, entzündliche Vorgänge, die Bedeutung von Umwelteinflüssen und genetische Aspekte.
  4. Vorbeugung von Demenzerkrankungen: Rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen ließen sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft durch die Reduktion bestimmter Risikofaktoren verzögern oder sogar verhindern. Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes, Hörverlust, Depressionen oder soziale Isolation.
  5. Pflege und Lebensqualität: Neben der medizinischen Forschung rückt auch der Alltag von Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Studien befassen sich damit, wie die Versorgung individueller, die Belastung für Angehörige geringer und die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten werden kann.

Lecanemab (Leqembi): Ein neuer Hoffnungsträger

Dr. Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) ist ein neues Medikament zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September. Die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte im April 2025.

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Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen, aber Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten kann.

Voraussetzungen für die Behandlung mit Lecanemab

Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen.

Ablauf der Behandlung und Sicherheitsvorkehrungen

Leqembi wird als Infusion alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Nur Patientinnen und Patienten, die alle Voraussetzungen erfüllen, dürfen mit Leqembi behandelt werden. Vor Beginn der Therapie erhalten sie ebenso wie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend.

Wirksamkeit und Einschränkungen von Lecanemab

Ergebnis der CLARITY AD-Studie war, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe. Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht.

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.

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Lithium und Alzheimer: Neue Forschungsergebnisse

Erste Hinweise darauf, dass Lithium möglicherweise auch vor einer Demenzerkrankung schützen kann, gab es bereits in zwei Studien aus Dänemark und Großbritannien. Die 2025 in Nature veröffentliche Studie lieferte einen möglichen Grund für diese Zusammenhänge: Lithium kommt natürlicherweise im Gehirn vor, schützt es vor Alterung und erhält die Funktion aller wichtigen Zelltypen. Noch bevor erste Symptome wie Gedächtnisstörungen auftreten, kann bei Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung ein sinkender Lithiumspiegel gemessen werden. Der Grund dafür ist, dass das im Gehirn vorhandene Lithium an die Amyloid-beta-Ablagerungen bindet und dadurch nicht mehr frei verfügbar ist. Fehlt das Lithium, altern Nervenzellen schneller und werden anfälliger für Schädigungen. Die Studienergebnisse mit einem Mausmodell legen nahe, dass Lithium - in einer speziellen Form namens Lithiumorotat - das Fortschreiten von Alzheimer nicht nur verlangsamen, sondern in einigen Fällen umkehren kann. Ob Lithiumorotat auch beim Menschen Alzheimer vorbeugen oder rückgängig machen kann, ist noch nicht bewiesen. Dafür sind kontrollierte klinische Studien nötig. Bis dahin sollte Lithium nicht eigenständig zur Vorbeugung oder Behandlung eingenommen werden, da Lithium in zu hohen Dosen giftig sein kann.

Ernährung und Lebensstil als beeinflussende Faktoren

Einem Zusammenhang mit der Ernährung sind die Alzheimerforscher Hartmann und Grimm schon seit langem auf der Spur, jetzt hat ihr Forschungsteam hierfür neue Anhaltspunkte gefunden. Den Forscherinnen und Forschern ist es gelungen, einen bislang unbekannten Ablauf im Körper nachzuweisen, der zu Alzheimer führen kann: ein Mechanismus, der mit den Prozessen im Fettstoffwechsel zusammenhängt. Sie fanden heraus, dass die Produktion des Eiweißes Beta-Amyloid die Menge von bestimmten Fetten, vor allem der sogenannten Sulfatide, beeinflusst und auch umgekehrt: dass die Menge an Sulfatiden wiederum die Menge dieses Eiweißes beeinflusst - eine folgenreiche Wechselwirkung: Der Sulfatid-Spiegel ist im Gehirn von Alzheimer-Patientinnen und -Patienten verringert und das Beta-Amyloid erhöht. Faktoren wie Rauchen können die Sulfatidspiegel negativ beeinflussen, während eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K oder der Verzehr mancher Meeresfrüchte sich positiv auswirken können.

Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten. Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, das Risiko für eine Demenz zu reduzieren: Die Impfung gegen Gürtelrose-Viren.

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