Neue Studien zur Epilepsiebehandlung

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der in Deutschland schätzungsweise 400.000 bis 800.000 Menschen betroffen sind. Die Diagnose wird gestellt, wenn mindestens zwei epileptische Anfälle aufgetreten sind oder nach einem ersten unprovozierten Anfall ein deutlich erhöhtes Risiko für weitere Anfälle besteht. Obwohl die anfallssuppressive Pharmakotherapie nach wie vor den Goldstandard der Epilepsietherapie darstellt, gibt es ständig neue Entwicklungen und Studien, die darauf abzielen, die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern. Dieser Artikel gibt einen Überblick über einige aktuelle Studien und Therapieansätze in der Epilepsiebehandlung.

Pharmakologische Studien

XEN1101 als Zusatztherapie

Die X-TOLE2-Studie untersucht die klinische Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von XEN1101 als Zusatztherapie bei Erwachsenen mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie. In dieser multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-3-Studie werden die Teilnehmer in drei Gruppen aufgeteilt, von denen zwei zusätzlich zur bisherigen Behandlung XEN1101 in unterschiedlichen Dosierungen (15 mg, 25 mg) erhalten, während die dritte Gruppe ein Placebo erhält. Ziel ist es festzustellen, ob XEN1101 das Auftreten weiterer epileptischer Anfälle besser verhindern kann als die bisherige Behandlung. Eine ähnliche Studie, die X-ACKT-Studie, untersucht XEN1101 bei Patienten mit primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.

Alprazolam (Staccato®) bei prolongierten Anfällen

Die STARS-Studie evaluiert die Wirksamkeit und Sicherheit von Alprazolam (Staccato®) 2 mg bei Patienten mit stereotypen, prolongierten Anfällen. Diese doppelblinde, randomisierte und placebokontrollierte Phase-3-Studie richtet sich an Personen ab 12 Jahren mit Epilepsie, die immer wieder anhaltende epileptische Anfälle haben. Untersucht wird ein Inhalator mit einem Prüfpräparat, das einen aktiven anhaltenden Anfall schnell beenden soll.

Valproat vs. Levetiracetam bei Status epilepticus

Im Rahmen der ToSEE-Studie werden ältere Erwachsene (ab 65 Jahre) mit Status epilepticus, die auf die Standardbehandlung der ersten Stufe (mit Benzodiazepinen) nicht ansprechen, in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe wird mit Valproat, die andere mit Levetiracetam behandelt. Ziel ist es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit beider Substanzen zu vergleichen.

Ganaxolon bei Tuberöser Sklerose

Am Epilepsiezentrum Freiburg wird eine Phase-III-Studie mit Ganaxolon zur Therapie der Epilepsie bei Patienten mit Tuberöser Sklerose durchgeführt. An dieser Studie können Patienten ab dem Alter von 1 Jahr teilnehmen.

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Nicht-pharmakologische Studien

EASEE®-PEARL-Beobachtungsstudie

Die EASEE®-PEARL-Beobachtungsstudie sammelt Erfahrungswerte mit dem kommerziell verfügbaren EASEE®-System im Real World-Setting. Bei Patienten mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie, die mit dem EASEE®-System behandelt werden, sollen über einen längeren Zeitraum Effektivität und Verträglichkeit der Stimulationsbehandlung untersucht werden. Das EASEE®-System ist ein Stimulationssystem, das bei Patienten mit fokalen, medizinisch refraktären Anfällen eingesetzt wird.

Vagusnervstimulation mit AURORA

In der AURORA-Studie wird ein neu entwickeltes Vagusnervstimulationsgerät der Firma Synergia erprobt. Dieses Gerät verwendet Lichtleitung anstelle elektrischer Impulse und kann daher ohne Einschränkungen auch bei Kernspintomographien eingesetzt werden. Es wird wöchentlich aufgeladen und benötigt keinen Batteriewechsel. Patienten mit fokaler Epilepsie, die trotz Pharmakotherapie unter beeinträchtigenden Anfällen leiden, können an dieser Studie teilnehmen.

Fokusstimulation mittels kombinierter Wechsel- und Gleichströme

Am Epilepsiezentrum Freiburg wird eine Studie zur Fokusstimulation mittels kombinierter Wechselströme (100 Hz) und Gleichströme durchgeführt. Hierbei wird ein unter die Kopfhaut implantiertes Gerät verwendet, das mittels einer speziellen Elektrode im Laplace-Design eine besonders gute Eindringtiefe erreicht. Die Studie EASEE4YOU richtet sich an Patienten zwischen 12 und 18 Jahren mit fokalem Anfallsbeginn im Neocortex, die auf Medikamente nicht ausreichend angesprochen haben.

Gentherapie mit EpiBlok

EpiBlok Therapeutics GmbH entwickelt eine Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten. Dieser Ansatz wird derzeit validiert, um ihn als minimalinvasive Einmaltherapie klinisch zu prüfen und zulassungsfähig zu machen.

Register und Leitlinien

German Registry of Antiepileptic Drugs in Pregnancy (GRAPE)

Das German Registry of Antiepileptic Drugs in Pregnancy (GRAPE) ist Teil des internationalen Schwangerschaftsregisters European Registry of Antiepileptic Drugs in Pregnancy (EURAP). Ziel ist ein Vergleich der Sicherheit verschiedener Antiepileptika für das ungeborene Kind bezüglich der Häufigkeit von Fehlbildungen und Wachstumsverzögerungen.

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Neue Leitlinien für Epilepsie

Im vergangenen Jahr wurden die Leitlinien der Deutschen Gesellschaften für Neurologie und Epileptologie „Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter“ publiziert. Diese Leitlinien decken überwiegend die aktuelle Literatur und Praxisevidenz ab, haben aber den Nachteil, dass sie sich bei mäßiger Evidenzlage in der Literatur auch nur vage Empfehlungen ableiten können.

Auswahlkriterien für die medikamentöse Therapie

Monotherapie als Standard

Die initiale medikamentöse Epilepsietherapie ist in der Regel eine Monotherapie, da die Beurteilbarkeit von Wirksamkeit und Verträglichkeit einfacher ist. Die Liste der zur Monotherapie zugelassenen ASM ist limitiert.

Auswahlkriterien für ASM

Die Auswahlkriterien für die Erstbehandlung beruhen wesentlich auf den SANAD-Studien. Diese Studien verglichen die Effizienz der Erstbehandlung mit verschiedenen ASM. Die erfolgreichsten ASM waren Lamotrigin für fokale und Valproat für generalisierte Epilepsien. Entsprechend positionieren sich auch die Leitlinien.

Individuelle Bedürfnisse und Therapieplanung

Die Therapieplanung setzt die Kenntnis des pharmakologischen Profils jeder Substanz voraus, um nach Möglichkeit das bestmögliche Medikament zu identifizieren und im Verlauf beurteilen zu können, welche Begleitmaßnahmen erforderlich sind, um Wirksamkeit und Verträglichkeit zu optimieren.

Herausforderungen und Perspektiven

Schwierigkeiten bei der Anfallsfreiheit

Eine Langzeitstudie hat gezeigt, dass die Chance auf Anfallsfreiheit mit dem ersten Medikament etwa 50 % beträgt und dann kontinuierlich mit jedem weiteren Medikament sinkt. Etwa ein Drittel aller Patienten wird nicht anfallsfrei. Um dieses verbleibende Drittel gut zu behandeln, bedarf es offenbar völlig neuer Strategien.

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Bedeutung der Verträglichkeit

Wenn keine Anfallsfreiheit erreicht wird, ist die Verträglichkeit der ASM für Patienten wichtiger als die Anfallsfrequenz. Neue ASM und hochrangige Studien zur Sicherheit und Verträglichkeit bereits vorhandener Medikamente haben die Möglichkeiten zu einer verbesserten Pharmakotherapie deutlich verbessert.

Neue Therapieansätze

Neben der Pharmakotherapie gibt es vielversprechende neue Therapieansätze wie die Gentherapie mit EpiBlok, die Vagusnervstimulation und die Fokusstimulation. Diese Ansätze zielen darauf ab, die Anfallsentstehung direkt zu beeinflussen oder die allgemeine Erregbarkeit des Gehirns zu modulieren.

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