Die Alzheimer-Krankheit ist eine der häufigsten Formen von Demenz und betrifft weltweit Millionen von Menschen. Alzheimer-Patienten verlieren ihr Gedächtnis, ihre Orientierung, sie haben Sprachstörungen und sind zunehmend verwirrt. Bislang ist die Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben, nicht heilbar. Neue Forschungsergebnisse könnten jedoch zu neuartigen Therapieansätzen beitragen und helfen, der Krankheit vorzubeugen.
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Krankheitszustand, der mit einer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten und daher schwerwiegenden Folgen einhergeht. Zu den möglichen Symptomen gehören Gedächtnis- und Orientierungsprobleme, Sprachstörungen, Minderungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Im fortgeschrittenen Stadium sind die betroffenen Personen auf fremde Hilfe angewiesen, weil sie sich im Alltag nicht mehr alleine zurechtfinden. Sie sind dann pflegebedürftig.
Es gibt nicht DIE Demenz, sondern tatsächlich viele Formen davon. Demenz ist ein Überbegriff: Diverse Erkrankungen, die sich auf das Gehirn auswirken, können Demenz auslösen. Die bekannteste und bei weitem häufigste dieser Demenzerkrankungen ist Alzheimer. Sie macht bis zu 2/3 aller Demenzerkrankungen aus. Weitere sind zum Beispiel die Lewy-Körperchen-Demenz, die Vaskuläre Demenz und die Frontotemporale Demenz. Bei einer Parkinson-Erkrankung können zusätzlich zu motorischen Beeinträchtigungen auch Symptome von Demenz auftreten und bei Menschen mit Down-Syndrom ist die Entwicklung von Demenz aufgrund genetischer Veranlagung nahezu unausweichlich. Die verschiedenen Demenzerkrankungen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie das Gehirn und dessen Funktion beeinträchtigen.
Verbreitung der Demenz
In der großen Mehrheit der Fälle tritt Demenz erst im späten Erwachsenenalter auf.
Deutschland
Im Jahr 2023 lebten hierzulande - nach Abschätzungen auf der Grundlage von Literaturdaten und der aktuellen Altersstruktur der Bevölkerung - rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 40 Jahren), in der Altersgruppe ab 65 Jahren waren es etwa 1,7 Millionen.
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Nach Prognosen könnte die Anzahl der Betroffenen (im Alter ab 65 Jahren) im Jahr 2030 auf bis zu 1,9 Millionen ansteigen, im Jahr 2040 auf bis zu 2,3 Millionen und im Jahr 2050 bis zu 2,7 Millionen erreichen.
Im Jahr 2023 sind in der Altersgruppe ab 65 Jahren nach Berechnungen zwischen 364.000 und 445.000 Menschen neu an einer Demenz erkrankt.
Die Verteilung von Menschen mit Demenz ist in Deutschland regional sehr unterschiedlich - Ursache ist die Altersstruktur der lokalen Bevölkerung.
In den Jahren 2015 bis 2022 ist die Anzahl der dokumentierten Demenzdiagnosen in deutschen Arztpraxen zurückgegangen. Dieser Trend ist von den Hausarztpraxen geprägt. Bei den niedergelassenen Fachärzten sind die Demenzdiagnosen hingegen gestiegen.
Europa
In der EU (inklusive UK) lebten im Jahr 2018 - Schätzungen zufolge - rund 8,9 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 30 Jahren), in der Altersgruppe ab 65 Jahren waren es ca. 8,4 Millionen.
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Im Jahr 2021 waren in Europa etwa 1,9 Prozent aller Menschen in der Altersgruppe 65 bis 69 an Demenz erkrankt, in der Altersgruppe 80 bis 84 waren es rund 14 Prozent - also etwa jede siebte Person.
Gemäß Prognosen könnte die Anzahl der Betroffenen (im Alter ab 30 Jahren) im Jahr 2025 auf rund 10,3 Millionen ansteigen und im Jahr 2050 ca. 16,3 Millionen erreichen. In der Altersgruppe, in der Demenzerkrankungen überwiegen (im Alter ab 65 Jahren), werden für 2025 rund 9,8 Millionen Betroffene vorausberechnet, für 2050 sind es ca. 15,9 Millionen.
Global
Im Jahr 2019 gab es - Schätzungen zufolge - weltweit mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 40 Jahren), in der Altersgruppe ab 65 Jahren waren es rund 48 Millionen.
Gemäß Prognosen könnte die Anzahl der Betroffenen (im Alter ab 40 Jahren) im Jahr 2030 auf rund 78 Millionen ansteigen und im Jahr 2050 ca.
Jüngere Menschen
Weil Demenz vorwiegend im höheren Alter auftritt, erfassen viele Statistiken über Demenz nur Personen ab dem Alter von 65 Jahren. Tatsächlich können jedoch auch jüngere Menschen erkranken - in sehr selten Fällen sogar Kinder und Jugendliche. Nach Schätzungen der WHO gab es 2019 weltweit mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz im Alter ab 40 Jahren, davon etwa 6,8 Millionen in der Altersgruppe zwischen 40 und 64 Jahren. In Deutschland gab es Schätzungen zufolge im Jahr 2018 etwa 73.000 Menschen mit Demenz im Alter zwischen 30 und 64 Jahren.
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Demenz bei Menschen mit Migrationshintergrund
In der EU sowie UK, Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz leben, nach Schätzungen des DZNE, insgesamt etwa neun Millionen Menschen mit Demenz - davon mehr als eine halbe Million mit Migrationshintergrund (konkret sind damit Personen gemeint, die nicht in ihrem Geburtsland leben). Hierzulande waren es im Jahr 2021 Schätzungen zufolge fast 160.000 (im Alter ab 65 Jahren). Für diese Personen kann sich der Zugang zu medizinischen Informationen, ärztlicher Betreuung und Versorgungsangeboten aufgrund von Sprachbarrieren und kulturellen Unterschieden zur einheimischen Bevölkerung als schwierig erweisen. Denn kultursensible Angebote und mehrsprachige Informationsmaterialien über Demenz sind bislang nicht Standard - weder in Deutschland noch in vielen anderen Teilen Europas.
Kosten von Demenz
Berechnungen des DZNE beziffern die Kosten für Demenz in Deutschland für das Jahr 2020 mit rund 83 Milliarden Euro - das entspricht mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach Prognosen könnten diese Kosten im Jahr 2040 auf rund 141 Milliarden Euro, im Jahr 2060 auf rund 195 Milliarden Euro anwachsen. Im Jahr 2019 betrugen die weltweiten Kosten für Demenz rund 1,3 Billionen (Tausend Milliarden) US-Dollar.
Lebenserwartung
Menschen mit Demenz haben eine verkürzte Lebenserwartung. Studien zeigen eine durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnosestellung von 4,8 Jahren für Menschen mit Demenz insgesamt. Dieser Durchschnittswert kann individuell stark abweichen. Bei fortgeschrittener Demenz leidet dann auch der allgemeine Gesundheitszustand, insbesondere werden die betroffenen Personen anfälliger für Infektionen. Viele Menschen mit Demenz versterben daher an einer Lungenentzündung. Im Allgemeinen ist es also nicht der geistige Abbau, der unmittelbar zum Tode führt, sondern gesundheitliche Komplikationen, die mit Demenz einhergehen. Im Jahr 2019 (vor der Corona-Pandemie) gingen fünf Prozent der Todesfälle in der EU auf Alzheimer und andere Formen der Demenz zurück.
Risikofaktoren und Prävention
Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können. Dazu gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Schwerhörigkeit, Luftverschmutzung, geringe Bildung und soziale Isolation. Demnach wären bei Beseitigung dieser 14 Risiken rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen vermeidbar oder könnten hinausgezögert werden - theoretisch. Denn Fachleute sind der Ansicht, dass eine Reduzierung in dieser Größenordnung in der Praxis nicht realistisch ist.
Die von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Demenzstrategie hat das Ziel, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu verbessern.
Die Alzheimer-Krankheit im Detail
Bei der Alzheimer-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen (kognitiven) Fähigkeiten führt. Gedächtnisprobleme und Orientierungsschwierigkeiten sind nur zwei der Symptome, die den Alltag der Betroffenen zunehmend erschweren.
Ursachen und Mechanismen
Die Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind noch nicht vollständig geklärt. Über die Ursachen der Alzheimer-Krankheit wird viel geforscht. Fest steht: Bei Menschen mit Alzheimer kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die sich in vielfältiger Weise auf die Betroffenen auswirken.
Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, das heißt, man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern. Weitere Symptome sind Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Dinge zu planen und zu organisieren.
Amyloid-beta und Tau-Protein
Amyloid-beta (abgekürzt Aß) ist ein Protein, das natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques).
Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet.
Die Rolle des Fettstoffwechsels
Eine Studie der Alzheimerforscher Marcus Grimm und Tobias Hartmann hat eine Wechselwirkung im Fettstoffwechsel des Körpers aufgezeigt, die eine wichtige Rolle bei der Erkrankung spielen könnte. Die Forscher fanden heraus, dass die Produktion des Eiweißes Beta-Amyloid die Menge von bestimmten Fetten, vor allem der sogenannten Sulfatide, beeinflusst und auch umgekehrt: dass die Menge an Sulfatiden wiederum die Menge dieses Eiweißes beeinflusst - eine folgenreiche Wechselwirkung: Der Sulfatid-Spiegel ist im Gehirn von Alzheimer-Patientinnen und -Patienten verringert und das Beta-Amyloid erhöht.
Marcus Grimm erläutert, dass die Studie eine bisher unbekannte physiologische Funktion der Verarbeitung des Amyloid-Vorläuferproteins, des sogenannten APP, zeigt, die eine wesentliche Rolle bei der Regulation des Fettstoffwechsels, insbesondere der Sulfatide im Gehirn, spielt. Sulfatide sind spezielle Fette, welche sowohl über die Nahrung aufgenommen als auch vom Körper selbst hergestellt werden können. Experimente haben nachgewiesen, dass die Beta-Amyloid-Produktion die Menge an Sulfatiden beeinflusst und umgekehrt. Den Ergebnissen zufolge kommt es bei der Spaltung des Vorläuferproteins zu Beta-Amyloid zur Freisetzung eines weiteren Proteinfragments: des sogenannten AICD. Dieses AICD wiederum hemmt die Produktion des zentralen Enzyms Gal3st1/CST der körpereigenen Sulfatid-Synthese.
Ernährung und Lebensstil
Besonders interessant ist der Einfluss, den vor diesem Hintergrund die Ernährung und auch der Lebensstil bei der Erkrankung hat. Faktoren wie Rauchen können die Sulfatidspiegel negativ beeinflussen, während eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K oder der Verzehr mancher Meeresfrüchte sich positiv auswirken können. Diese Erkenntnisse eröffnen potenzielle Ansatzpunkte für präventive und therapeutische Strategien im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit.
Die Rolle von Gliazellen
Neben den Ablagerungen von Amyloid und Tau kommen Fehlfunktionen bestimmter Zellen als mögliche Auslöser der Alzheimer-Krankheit in Frage. Im Fokus stehen hier insbesondere die Gliazellen, die etwa 90 Prozent aller Gehirnzellen ausmachen. Aufgabe der Gliazellen ist es, die Nervenzellen im Gehirn zu schützen und zu unterstützen, damit die Signalübertragung - und damit unser Denken und Handeln - reibungslos funktioniert. Mikrogliazellen spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem unseres Gehirns. Wie eine Gesundheitspolizei sorgen sie dafür, dass schädliche Substanzen wie Krankheitserreger zerstört und abtransportiert werden. Astrozyten sind Gliazellen mit gleich mehreren wichtigen Aufgaben, unter anderem versorgen sie das Gehirn mit Nährstoffen, regulieren die Flüssigkeitszufuhr und helfen bei der Regeneration des Zellgewebes nach Verletzungen. Astrozyten stehen im Verdacht, an der Verbreitung der giftigen Amyloid-beta-Oligomere und Tau-Fibrillen beteiligt zu sein.
Immunaktivität im Gehirn
Schon lange vor dem Auftreten von Demenz gibt es Anzeichen für eine erhöhte Aktivität des Immunsystems des Gehirns. Zu dieser Einschätzung kommen Forschende des DZNE und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) auf der Grundlage einer Studie an mehr als 1.000 älteren Erwachsenen. Diverse Proteine wurden dazu im Nervenwasser erfasst: Sie dienten als sogenannte Biomarker, die auf Entzündungsprozesse des Nervensystems hinweisen. Wie sich herausstellte, sind manche dieser Moleküle offenbar Teil eines Programms des Immunsystems zur Schadensbegrenzung - was für die Entwicklung neuer Medikamente nützlich sein könnte.
Genetische Faktoren
Die genaue Ursache ist bislang nicht geklärt, jedoch spielen genetische Faktoren eine wesentliche Rolle bei der Krankheitsentstehung.
Diagnose und Therapie
Um die Diagnose von Demenzerkrankungen zu stellen, muss die Ärztin oder der Arzt eine sorgfältige Untersuchung durchführen.
Medikamentöse Therapie
Die Demenz ist derzeit nicht heilbar. Mit den sogenannten Cholinesterase-Hemmern und den NMDA-Rezeptorblockern gibt es allerdings zwei Medikamentenklassen, die die Abnahme der Leistungsfähigkeit des Gehirns für eine gewisse Zeit verlangsamen können. Der Effekt ist aber nur vorübergehend. Eines der Probleme bei der Demenztherapie ist die meist zu späte Diagnose. Wenn die betroffenen Menschen ausgeprägte Symptome zeigen, sind viele Nervenzellen bereits irreversibel geschädigt. Welche Medikamente für eine gezielte Frühtherapie in Frage kommen, wird derzeit intensiv erforscht.
Antikörper-Therapien
Antikörper, die gegen das Alzheimer-typische Protein Amyloid gerichtet sind, stellen einen wichtigen Baustein in der Therapie- und Präventionsforschung der Alzheimer-Krankheit dar. Man verspricht sich davon, dass Antikörper Amyloid binden und somit das Zusammenklumpen zu sogenannten Plaques verhindern bzw. diese sogar abbauen können. Dadurch erhofft man sich eine Reduktion der kognitiven Symptome bzw.
Der Pharmakonzern Lilly hat im März 2023 in einer Pressemitteilung verkündet, dass der Amyloid-Antikörper Solanezumab den kognitiven Abbau von Personen in einem Demenzvorstadium nicht verhindern kann. Getestet wurde der Arzneistoff über 4,5 Jahre an mehr als 1100 Personen zwischen 65 und 85 Jahren, bei denen Amyloid-Plaques im Gehirn nachgewiesen werden konnten, die jedoch noch keine Alzheimer-typischen Symptome aufwiesen. Es zeigte sich jedoch kein Unterschied hinsichtlich der kognitiven Funktionen der Studienteilnehmenden, die Solanezumab erhielten und denen, die das Placebo-Medikament erhielten. Ebenfalls konnte die Anreicherung von Amyloid-Plaques nicht aufgehalten werden.
Präventionsstrategien
Unabhängig davon kann jeder Mensch sein Demenzrisiko zumindest etwas senken. Eine Reihe von Studien zeigt beispielsweise, dass regelmäßige körperliche Betätigung mit einer geringeren Häufigkeit von Demenz im Alter einhergeht. Bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutdruck geht eine gute medikamentöse Einstellung mit einem geringeren Demenzrisiko einher (Deutsche Hochdruckliga). Auch wer auf seine Ernährung achtet und starkes Übergewicht vermeidet, kann die Demenzentwicklung im Alter positiv beeinflussen: Ein Body Mass Index (BMI) von über 30 ist aktuellen Daten zufolge mit einem vierfach höheren Demenzrisiko verbunden (Schwedisches Zwillingsregister). Auch ein geistiges Training kann dazu beitragen, dass sich das Demenzrisiko vermindert. Wissenschaftliche Studien legen darüber hinaus nahe, dass körperliche Aktivitäten und gezielte Trainingsverfahren, die die geistigen Fähigkeiten stärken, den Krankheitsverlauf verlangsamen können.
Brain Health Services
In Anbetracht der steigenden Zahl an Demenzerkrankungen und der damit wachsenden Notwendigkeit für frühzeitige Präventions- und Interventionsmöglichkeiten sieht ein europäisches Expertengremium den Bedarf an spezialisierten Hirngesundheitszentren (sogenannte Brain Health Services (BHS)), die sich an Personen richten, die ein ungünstiges Risikoprofil aufweisen oder sich über ihre Hirngesundheit und Gedächtnisfähigkeiten sorgen, ohne jedoch bereits erkrankt zu sein. Die Brain Health Services sollen sich auf vier Säulen stützen: Erfassung des Demenzrisikos, Risikokommunikation, personalisierte Präventionsangebote und kognitives Training. Die Angebote der BHS sollen evidenzbasiert, an aktueller Forschung orientiert, personalisiert und an ethischen und kommunikativen Richtlinien ausgerichtet sein. Erste Zentren dieser Art sind als Pilotprojekte in Schottland eingerichtet worden. Sie sollen der Evaluation der Effektivität der Angebote und der Kosten und Nutzen dienen.
Achtsamkeitstraining und Lebensstilberatung
Viele Menschen machen sich Sorgen um eine verspürte Verschlechterung ihres Gedächtnisses und suchen deshalb eine Gedächtnisambulanz auf. Oftmals stellt sich in der ausführlichen Untersuchung heraus, dass keine objektivierbare Beeinträchtigung vorliegt. In diesem Fall spricht man von einer subjektiven kognitiven Störung. Aus Studien der letzten Jahre ist bekannt, dass Patientinnen und Patienten mit rein subjektiven kognitiven Störungen ein Risiko haben, sich zukünftig weiter zu verschlechtern. In einer großen EU-geförderten Studie wurde untersucht, inwiefern Mindfulness Based Stressreduction (MBSR), eine Achtsamkeitsübung, die zu den Entspannungsverfahren zählt, oder auch eine intensive Lebensstilberatung die Sorgen und Ängste von Patientinnen und Patienten mit subjektiven kognitiven Störungen reduzieren kann. In der Analyse von 147 Teilnehmenden wurden in beiden Behandlungsgruppen eine signifikante Reduktion der Ängstlichkeit nachgewiesen.
Empfehlungen der WHO
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erstmals eine Leitlinie mit konkreten Empfehlungen zur Demenz-Prävention vorgestellt. Diese Leitlinie richtet sich vorrangig an das öffentliche Gesundheitswesen, kann aber von jedem Einzelnen als Orientierungshilfe genutzt werden, um das eigene Risiko für den Abbau der Gedächtnisleitung zu verringern. Der Fokus der Leitlinie liegt hierbei auf veränderbaren Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, ungesunder Ernährung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck.
Forschungsperspektiven
Überall auf der Welt arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, Antworten darauf zu finden, wie Alzheimer entsteht, wie es verhindert oder geheilt werden kann.
Ein internationales Expertenteam der EU-geförderten „EMIF-AD“ Studie hat unter Leitung des Lübecker Genomforschers Prof. Dr. Lars Bertram, Direktor der Lübecker Interdisziplinären Plattform für Genomanalytik der Universität zu Lübeck, neue Mechanismen bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit identifiziert. Die Forschenden konnten u.a. eine Verringerung der vom Körper produzierten Menge von GRIN2D, eines Rezeptors des Gehirnbotenstoffs Glutamat, bei der Alzheimer-Krankheit und anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen zeigen. Das Forschungsteam fand heraus, dass ein Entstehungsweg über die Effekte der sogenannten Amyloid- und Tau-Eiweiße wirkt, der schon seit langem bekannt ist und durch das seit Jahrzehnten bekannte Alzheimer-Risikogen APOE vermittelt wird. Der zweite wichtige Entstehungsweg basiert maßgeblich auf der Reaktion des Immunsystems, die u.a. durch die Effekte der Gene TMEM106B undCHI3L1 bedingt ist, welche eine Rolle beim Transport von Zellbestandteilen und der Regulation von Entzündungsreaktionen spielen.
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