Die Alzheimer-Krankheit, eine der größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit, betrifft weltweit Millionen von Menschen und stellt eine enorme Belastung für Betroffene, Angehörige und Gesundheitssysteme dar. Lange Zeit gab es nur wenige Fortschritte in der Behandlung dieser verheerenden Krankheit. Doch in den letzten Jahren hat die Forschung bedeutende Fortschritte gemacht, die zu neuen Therapieansätzen geführt haben. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen in der Alzheimer-Therapie, von den ersten zugelassenen krankheitsmodifizierenden Medikamenten seit Jahrzehnten bis hin zu vielversprechenden Forschungsansätzen.
Die ersten Hoffnungsträger: Lecanemab und Donanemab
Nach einer langen Durststrecke von Fehlschlägen in der Alzheimer-Forschung hat die Zulassung von Medikamenten mit den Antikörpern Lecanemab und Donanemab einen neuen Hoffnungsschimmer entfacht. Am 15. April 2025 wurde Lecanemab von der EU-Kommission für eine genau definierte Patientengruppe mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen. Studien haben gezeigt, dass Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann. Dies ist das erste zugelassene neue Alzheimer-Medikament seit 2002, als ein Medikament mit dem Wirkstoff Memantin eine EU-Zulassung erhielt. Am 25. September 2025 folgte die Zulassung von Donanemab, einem weiteren Antikörper-basierten Medikament, ebenfalls für die Anwendung im Frühstadium der Erkrankung.
Ein komplizierter Weg zur Zulassung
Das Zulassungsverfahren für Lecanemab war ungewöhnlich kompliziert. Das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hatte zunächst keine Zulassungsempfehlung ausgesprochen. Auch beim zweiten Mal sprach sich das CHMP für die Zulassung aus, allerdings für eine enger gefasste Patientengruppe. Die EU-Kommission bat das CHMP sogar um eine dritte Entscheidung, um weitere Daten zur Sicherheit des Medikaments in die Beurteilung einzubeziehen. Auch Donanemab hatte einen steinigen Weg zur Zulassung. Die EMA gab zunächst eine negative Entscheidung ab, die jedoch nach einer Überprüfung revidiert wurde.
Wie wirken Lecanemab und Donanemab?
Lecanemab und Donanemab sind monoklonale Antikörper, die gezielt gegen Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn wirken, einem der Hauptmerkmale der Alzheimer-Krankheit. Diese Plaques entstehen durch die Ablagerung von Amyloid-Beta-Proteinen zwischen den Nervenzellen und tragen vermutlich zum Absterben von Nervenzellen bei. Die Antikörper heften sich an das Beta-Amyloid-Protein oder Vorstufen davon und markieren es für den Abbau durch das Immunsystem. Dieser Ansatz wird auch als "passive Immunisierung gegen Alzheimer" bezeichnet. Studienergebnisse belegen, dass die Medikamente in der Lage sind, überschüssiges Amyloid-Beta aus dem Gehirn zu entfernen und so den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.
Mögliche Nebenwirkungen und Risiken
Die Behandlung mit Lecanemab und Donanemab ist jedoch nicht ohne Risiken. Zu den häufigsten und bedeutsamsten Nebenwirkungen gehören Mikroblutungen im Gehirn (Microbleeds) und vorübergehende regionale Hirnödeme, die als "amyloid related imaging abnormalities" (ARIA) bezeichnet werden. Glücklicherweise verlaufen die meisten dieser Nebenwirkungen asymptomatisch und werden nur im MRT festgestellt. Symptomatische ARIAs können sich durch Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen oder Antriebsminderung äußern, in seltenen Fällen auch durch schwerwiegendere Symptome wie Verwirrtheitszustände, Gangstörungen oder Krampfanfälle. In klinischen Studien kam es in seltenen Fällen auch zu tödlichen Hirnblutungen im Zusammenhang mit der Behandlung.
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Um das Risiko für Nebenwirkungen zu minimieren, müssen vor Beginn der Behandlung bestimmte Risikofaktoren sorgfältig überprüft werden. Dazu gehören zerebrovaskuläre Vorerkrankungen, die Einnahme von gerinnungshemmenden Substanzen und das Vorhandensein eines Apolipoprotein-Epsilon-4-Allels (APOE4), einem genetischen Risikofaktor für Alzheimer. Regelmäßige MRT-Kontrollen sind während der Behandlung unerlässlich, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Für welche Patienten kommt eine Therapie in Frage?
Lecanemab und Donanemab sind nur für Patienten im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit geeignet, d.h. für Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) oder einer leichtgradigen Alzheimer-Demenz. Wichtig ist, dass die kognitiven Beeinträchtigungen durch die Alzheimer-Krankheit verursacht sein müssen und nicht durch andere Erkrankungen. Ein Mini-Mental-Status-Test (MMSE) von über 22 ist ebenfalls erforderlich. Zudem muss eine Amyloid-Beta-Pathologie im Gehirn nachgewiesen werden, entweder durch eine Amyloid-PET-Untersuchung oder durch eine Biomarker-Bestimmung im Liquor.
Bestimmte Ausschlusskriterien müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Dazu gehören ausgeprägte zerebrovaskuläre Erkrankungen, psychische Störungen, die die Einwilligungsfähigkeit beeinträchtigen, immunologische Erkrankungen oder die Einnahme von Immunsuppressiva oder Gerinnungshemmern.
Logistische Herausforderungen und Kosten
Die Behandlung mit Lecanemab und Donanemab stellt hohe Anforderungen an das Gesundheitssystem. Die Eingangsdiagnostik und das erforderliche Sicherheitsmonitoring sind aufwendig und erfordern eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete wie Neuropsychiatrie, Geriatrie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin. Die Infusionstherapie selbst muss alle zwei bzw. vier Wochen in spezialisierten Zentren durchgeführt werden, was entsprechende logistische Voraussetzungen erfordert.
Auch die Kosten der Behandlung sind erheblich. Die jährlichen Therapiekosten für Lecanemab belaufen sich in den USA auf 26.500 Dollar, zuzüglich der Kosten für das Sicherheitsmonitoring. Es ist noch unklar, ob und in welcher Höhe die Krankenkassen in Deutschland die Kosten übernehmen werden.
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Weitere vielversprechende Therapieansätze
Neben Lecanemab und Donanemab gibt es noch zahlreiche weitere Therapieansätze, die derzeit in klinischen Studien oder bei Tieren erprobt werden. Viele dieser Ansätze zielen darauf ab, in den Krankheitsprozess einzugreifen, bevor die Alzheimer-Symptome ausgeprägt sind.
TREM2 und Mikroglia
Ein Forschungsteam um Prof. Stefan Lichtenthaler (München) befasst sich mit TREM2, einem Eiweiß-Molekül, das auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns vorkommt, den sogenannten Mikroglia. Mikroglia spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Gefahren im Gehirn. TREM2 fungiert dabei als Schalter, der die Aktivität der Mikroglia verstärkt. Die Forschenden untersuchen, wie man diesen Schalter beeinflussen kann, um entzündliche Prozesse, die mit Alzheimer einhergehen, einzudämmen.
Gentherapie zur Prävention
Ein Team um Prof. Martin Fuhrmann (Bonn) möchte mit Hilfe eines gentherapeutischen Verfahrens das Risiko-Gen ApoE3 verändern und damit das Risiko für Alzheimer senken. Menschen mit dieser speziellen Genform in ihrem Erbgut haben ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die Forschenden wollen damit Grundlagen für eine neuartige, präventive Therapie für die Alzheimer-Erkrankung legen.
Risikofaktoren für Frontotemporale Demenz (FTD)
Ziel eines Projekts um Prof. Anja Schneider (Bonn) ist es, mittels einer Technik der Erbgutanalyse namens GWAS genetische Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD) aufzuklären. Die Identifizierung solcher Risikofaktoren könnte helfen, neue Ansätze für die Therapie von FTD zu finden.
Bluttests zur Vorhersage des Alzheimer-Risikos
Prof. Monique Breteler (Bonn) wird gemeinsam mit Fachleuten aus den Niederlanden untersuchen, inwieweit Bluttests das Alzheimer-Risiko im frühen Stadium zuverlässig abschätzen können.
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Der NMDAR/TRPM4-Komplex als neues Target
Eine aktuelle Studie untersuchte den NMDAR/TRPM4-Komplex als neues therapeutisches Target in der AD-Forschung. Die Forschenden unter Leitung des Neurobiologen Prof. Dr. Hilmar Bading von der Universität Heidelberg untersuchten das Small Molecule FP802, einen selektiven TwinF-Interface-Inhibitor, im Mausmodell. Die Ergebnisse zeigen, dass FP802 eine breite neuroprotektive Wirkung entfaltet, indem es sowohl funktionelle als auch strukturelle AD-typische Veränderungen eindämmt.
Die Bedeutung der Frühdiagnostik
Die Zulassung von Lecanemab und Donanemab unterstreicht die Bedeutung der Frühdiagnostik der Alzheimer-Krankheit. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto größer sind die Chancen, dass die neuen Therapien wirksam sind. Es ist daher wichtig, dass Menschen mit Gedächtnisproblemen oder anderen kognitiven Beeinträchtigungen frühzeitig einen Arzt aufsuchen, um eine Diagnose zu erhalten.
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