Neue Schlaganfalltherapie Methoden: Fortschritte und Innovationen

Jährlich erleiden in Deutschland etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall, der oft mit erheblichen Einschränkungen der Selbstständigkeit und Lebensqualität verbunden ist. Der akute ischämische Schlaganfall, meist durch ein Blutgerinnsel verursacht, das eine Hirnarterie verschließt, ist nach Herzinfarkt und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache. Um bleibende Schäden zu minimieren, ist eine rasche Wiederherstellung der Durchblutung entscheidend. Glücklicherweise hat die Schlaganfallforschung in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht, die neue Therapieansätze ermöglichen.

Innovative Kombinationsbehandlung an der Uniklinik RWTH Aachen

An der Uniklinik RWTH Aachen wurde ein neuartiges Verfahren entwickelt, das die mechanische Entfernung von Blutgerinnseln (Thrombektomie) mit einer offenen Operation an der verengten Halsschlagader kombiniert. Dieses Vorgehen wird dort als Routineverfahren angeboten und ist weltweit einzigartig. Bei der Thrombektomie schieben spezialisierte Neuroradiologen einen Katheter von der Leiste bis zum Thrombus im Gehirn vor.

Ablauf der Kombinationsbehandlung

  1. Narkose und Katheterbehandlung: Nach Einlieferung des Schlaganfallpatienten leiten Anästhesisten umgehend eine Narkose ein, während Neuroradiologen mit der kathetergestützten Behandlung der Gehirngefäße beginnen.
  2. Chirurgische Erweiterung der Halsschlagader: Parallel dazu erweitern Gefäßchirurgen die verengte Halsschlagader durch eine kleine offene Operation.

Diese Kombinationstherapie vermeidet das Einsetzen eines Stents und die damit verbundene notwendige Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten, welche das Risiko von Hirnblutungen erhöhen können. Studien haben gezeigt, dass durch diese kombinierte Behandlung die Blutungsrate im Vergleich zur Stentimplantation deutlich gesenkt werden konnte.

Fortschritte in der Akuttherapie

Thrombektomie: Ein Meilenstein in der Schlaganfallbehandlung

Die mechanische Thrombektomie hat sich als bahnbrechende Methode in der Akuttherapie des Schlaganfalls etabliert. Dabei wird ein Mikrokatheter verwendet, um die verstopfte Hirnarterie vom Blutgerinnsel zu befreien und die Hirndurchblutung rasch wiederherzustellen. Dies kann schwere Behinderungen oft vermeiden. Die Erweiterung des Zeitfensters für die Katheterbehandlung ermöglicht es, dass Patientinnen und Patienten mit einem Verschluss großer hirnversorgender Gefäße sogar bis zu 24 Stunden nach dem Ereignis von dieser Behandlung profitieren können.

Medikamentöse Therapie: Tenecteplase als neues Thrombolytikum

Auch in der medikamentösen Schlaganfalltherapie gibt es Fortschritte. Das Thrombolytikum Tenecteplase hat in vielen deutschen Schlaganfallzentren das bisherige Medikament Alteplase abgelöst. Tenecteplase bietet den Vorteil einer kürzeren Applikationsdauer (Bolusgabe statt einstündiger Infusion) bei gleicher Wirkung, was die Abläufe in der Akuttherapie vereinfacht, insbesondere bei Transfers zwischen Krankenhäusern.

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Postakute Therapien und Rehabilitation

Neben der Akuttherapie gewinnen postakute Therapien zunehmend an Bedeutung, um die Regeneration nach einem Schlaganfall zu verbessern. Die neuronale Reorganisation spielt dabei eine entscheidende Rolle für die funktionelle Erholung.

Transkranielle Magnetstimulation (TMS)

Die Kombination von bildgebenden Verfahren und transkranieller Magnetstimulation (TMS) zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Reorganisation neuronaler Netzwerke. Die funktionelle Bildgebung mittels MRT oder Elektroenzephalografie (EEG) kann die Hirnareale identifizieren, die am meisten von einer TMS profitieren. Die TMS ist eine nicht-invasive Behandlungsmethode, bei der bestimmte Bereiche des Gehirns mithilfe starker Magnetfelder stimuliert werden, um eine therapeutische Wirkung zu erzielen. Sie kann die Funktionsfähigkeit von Armen und Händen verbessern.

Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI)

Die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) trägt zu einer präziseren, personalisierten Therapie bei. KI-Algorithmen können anhand von Patientendaten den individuellen Verlauf eines Schlaganfalls vorhersagen und Faktoren identifizieren, die eine schnelle Regeneration oder einen komplizierten Verlauf begünstigen.

Flächenabdeckung und Herausforderungen

Gerade in Deutschland hat die akute Schlaganfalltherapie große Fortschritte gemacht, nicht zuletzt durch die flächendeckende Etablierung und Zertifizierung von Stroke Units. Obwohl die Zahl der Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall um 25 % gestiegen ist, hat sich die Krankheitslast für die einzelnen Betroffenen, gemessen an den durch Mortalität verlorenen Jahren und den Jahren mit krankheitsbedingt verminderter Lebensqualität (DALYs), um 54 % reduziert. Eine flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit modernen Schlaganfalltherapien stellt jedoch weiterhin eine Herausforderung dar.

Weitere Fortschritte in der Neurologie

Neben den Fortschritten in der Schlaganfalltherapie gibt es auch vielversprechende Entwicklungen bei anderen neurologischen Erkrankungen.

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Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer bisher unheilbaren Erkrankung des motorischen Nervensystems, gibt es neue Hoffnung durch eine Behandlungsstrategie, die am Immunsystem ansetzt. Eine klinische Studie untersucht, ob Rituximab, ein Medikament aus der Immuntherapie, das Fortschreiten der ALS verlangsamen kann. Ein weiterer Durchbruch ist die Entwicklung von Tofersen, einem Antisense-Oligonukleotid, das die SOD1-Proteinsynthese unterdrückt und im April 2023 von der FDA und im Februar 2024 von der europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen wurde.

Alzheimer-Demenz

Für die Therapie von Frühformen der Alzheimer-Demenz wurde Lecanemab von der Europäischen Arzneimittelbehörde im Jahr 2024 zugelassen. Diese Antikörpertherapie entfernt Eiweiße aus dem Gehirn, die für die Entstehung der Alzheimer-Erkrankung verantwortlich gemacht werden.

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