Nervenschmerzen, auch Neuralgien genannt, können äußerst belastend sein und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Doch welcher Arzt ist bei Verdacht auf Neuralgie der richtige Ansprechpartner? Dieser Artikel gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Fachrichtungen, diagnostischen Verfahren und Therapieoptionen, um Ihnen den Weg zu einer effektiven Behandlung zu erleichtern.
Erster Ansprechpartner: Der Hausarzt
Ihre wichtigste Ansprechperson bei Verdacht auf Nervenschmerzen ist Ihre Hausärztin/Ihr Hausarzt. Sie oder er ist in der Regel die erste Anlaufstelle und kann eine erste Einschätzung der Ursache Ihrer Schmerzen vornehmen. Um Ihre Schmerzen zu behandeln, muss Ihre Ärztin/Ihr Arzt wissen, unter welchen Umständen Ihre Schmerzen auftreten und wie sehr diese Sie beeinträchtigen. Unterstützen Sie Diagnose und Behandlung, indem Sie sich auf den Arztbesuch vorbereiten. Das Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt bildet die Grundlage der Diagnose und Behandlung Ihrer Schmerzen.
Vorbereitung auf das Arztgespräch
Das Anamnesegespräch ist die Grundlage für das weitere diagnostische Vorgehen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich vor dem Arztbesuch Gedanken zu Ihren Schmerzen machen. Hier finden Sie eine Liste an Fragen, die Sie sich vor dem Arztgespräch stellen können, um Ihre Beschwerden genau schildern zu können. Außerdem finden Sie hier eine Liste mit hilfreichen Formulierungen, wie Sie Ihre Schmerzen besser in Worte fassen. Ein Schmerz-Tagebuch hilft dabei, den Schmerz besser zu verstehen und zu charakterisieren. Es gibt einen genauen Überblick über Zeit, Dauer, Art und Stärke der Schmerzen, aber auch über begleitende Faktoren, die den Schmerz beeinflussen.
Der Neurologe: Experte für Nervenerkrankungen
Da neuropathische Schmerzen auf Schäden der Nerven selbst zurückzuführen sind, wird die Behandlung häufig von NeurologInnen weitergeführt. Der Neurologe ist ein Facharzt, der sich auf die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems spezialisiert hat. Er ist der Experte für die Feststellung von Nervenschädigungen. Zum einen versucht der Facharzt herauszufinden, ob, wo und in welchem Ausmaß eine Nervenschädigung vorliegt.
Neurologische Untersuchung
Das Anamnesegespräch und die körperliche Untersuchung bilden die Basis der Diagnose. Während des Gesprächs werden zudem die Art und die Intensität der Schmerzen klassifiziert, zum Beispiel brennend und eher schwach ausgeprägt oder stechend und sehr stark. Hierbei muss der Patient seinen Schmerz auf einer visuellen Skala (meist in Form eines Balkens) einschätzen. Die Intensität gibt der Patient auf einer Skala an. Von diesen so genannten Mess-Skalen gibt es zwei Arten: Die “visuelle Analogskala” ist eine 10 cm lange, waagerechte Linie auf einem Blatt Papier. Die Endpunkte geben auf der einen Seite "kein Schmerz" und auf der anderen Seite "maximal vorstellbarer Schmerz" an. Der Patient markiert mit einem senkrechten Strich die empfundene Schmerzstärke. Bei der “numerischen Ratingskala” wird dem Patienten eine Zahlenreihe zur Auswahl angeboten, bei der der Wert Null "kein Schmerz" und der Wert zehn "maximal vorstellbarer Schmerz" bedeutet. Mess-Skalen sind bei der Betreuung von Schmerz-Patienten nützlich.
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Neben der Anamnese und der Schmerzbeschreibung führt der Neurologe eine Reihe von neurologischen Tests durch, um die Funktion der Nerven zu überprüfen.
Weitere Tests beziehen sich auf die Berührungsempfindlichkeit von Armen oder Beinen. Als Hilfsmittel dient dabei zum Beispiel eine Stimmgabel. Diese wird angeschlagen und anschließend an die untersuchte Hautstelle gehalten, sodass die Schwingungen nachempfunden werden können - oder eben nicht, wenn eine Nervenschädigung vorliegt.
Technische Untersuchungen zur Diagnose von Neuralgien
Zur weiteren Abklärung können verschiedene technische Untersuchungen durchgeführt werden:
- Quantitativ Sensorische Testung (QST-Test): Die Quantitativ Sensorische Testung (QST-Test) ist ein Untersuchungsverfahren, das die veränderte Wahrnehmung der Haut durch die Nervenerkrankung erfasst. Dabei ist Ihre Ärztin/Ihr Arzt auf Ihre Rückmeldung angewiesen. Bei leichter Berührung: Ihre Ärztin/Ihr Arzt streicht mit einem Wattebausch oder Pinsel über Ihre Haut. Bis zur Schmerzschwelle: Ihre Ärztin/Ihr Arzt setzt mit einer kleinen Nadel kurze Schmerzreize auf Ihre Haut. Ihre Haut wird dabei nicht verletzt. Eine Hitze- und Kälteeinheit wird auf Ihre Hand gesetzt und in der Temperatur variiert. Sie teilen Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt mit, wann Sie eine Veränderung wahrnehmen und wann die Hitze oder Kälte für Sie schmerzhaft wird. Ihre Ärztin/Ihr Arzt berührt Ihre Haut mit einem sogenannten Monofilament. Das ist ein Nylonfaden von standardisierter Stärke.
- Neurografie und Elektromyografie: Durch eine Neurografie und eine Elektromyografie kann die Leitfähigkeit Ihrer Nerven bestimmt werden. Bei einer Elektroneugrafie misst der Mediziner die Nervenleitgeschwindigkeit - also die Fähigkeit eines Nervs, elektrische Impulse zu leiten. Dafür klebt der Arzt mehrere kleine Elektroden auf die Haut. Der Nerv wird dann über die Elektroden durch einen sanften elektrischen Impuls stimuliert. Gleichzeitig erfassen die Elektroden, wie lange es dauert, bis der Nerv den Impuls an einen Muskel weitergegeben hat. Die daraus gezogenen Messwerte geben Aufschluss über Art und Ausmaß von Nervenschädigungen. Bei einer Elektromyographie wird die elektrische Muskelaktivität (also das Zusammenspiel von versorgenden Nerven und Muskelpartie) bestimmt. Der Neurologe führt bei dieser Untersuchung dünne Nadelelektroden durch die Haut in den jeweiligen Muskel ein. Die Elektroden leiten auf den Muskel übertragene Aktivität ab und stellen diese auf einem Bildschirm in Form von Spannungskurven dar. Ist die Muskulatur oder ein dazugehöriger Nerv geschädigt, ist die gemessene elektrische Aktivität verändert (zeigt sich zum Beispiel durch verkürzte oder verlängerte Spannungskurven). Patienten müssen keine Angst vor einem EMG haben, die Einstiche der Nadelelektroden sind mit denen bei einer Akupunktur vergleichbar.
- Bildgebende Verfahren: Unterstützend kann eine Ultraschalluntersuchung gemacht werden. Sowohl die Computertomografie (CT) als auch die Magnetresonanztomografie (MRT) können Nervenschädigungen sichtbar machen. Die Kernspintomografie wird durchgeführt, um bestimmte Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder einen Tumor als Ursache der Trigeminusneuralgie auszuschließen. Hierfür gilt sie als Verfahren der ersten Wahl. Für die Untersuchung wird der Patient in den Magnetresonanztomografen, umgangssprachlich „Röhre“ genannt, geschoben. Hier werden mithilfe der starken elektromagnetischen Felder detaillierte Schichtbilder des Gehirns erzeugt. Das in die Vene verabreichte Kontrastmittel zählt zu den Nachteilen der MRT. Hier muss vorab geklärt sein, ob beim Patienten Unverträglichkeiten bestehen. Eine Strahlenbelastung gibt es nicht. Da bei einer MRT-Untersuchung starke elektromagnetische Felder genutzt werden, dürfen die Patienten keinerlei metallische Gegenstände beziehungsweise metallischen Schmuck wie Ketten oder Uhren bei sich haben.
- Blutuntersuchung: Eine Blutuntersuchung kann Hinweise auf eine Grunderkrankung geben, ist aber nicht ausreichend, um die Ursache für Nervenschmerzen zu diagnostizieren. Spezielle Messwerte und Parameter des Bluts können Hinweise auf die Ursache einer Nervenschädigung geben.
- Liquoruntersuchung: Mithilfe der Liquoruntersuchung kann entschieden werden, ob Gehirn und Rückenmark von den Nervenschädigungen betroffen sind. Die aus dem Rückenmark entnommene Flüssigkeit ist normalerweise klar. Liegt eine Nervenschädigung vor, ist die Zusammensetzung des Liquors verändert. Für die Gewinnung des Liquors sticht der Facharzt mit einer dünnen Nadel in der Regel zwischen den 3. und 4.
- Nervenbiopsie: Bei einer Nervenbiopsie wird während eines kurzen chirurgischen Eingriffs unter örtlicher Betäubung durch einen kleinen Schnitt in der Haut eine Gewebeprobe direkt aus einem Nerv entnommen. Der Laborarzt bewertet dann, basierend auf einer mikroskopischen Betrachtung, den Zustand der Nervenzellen. Zeigen die Nervenzellen keine Auffälligkeiten, liegt keine Nervenschädigung vor. Sind hingegen degenerierte oder unterversorgte Nervenzellen zu sehen, leidet der Patient vermutlich an einer Nervenschädigung. Nerven bei der Untersuchung unbeabsichtigt zu verletzen.
In der Regel ist eine Kombination der genannten Methoden nötig, um eine Nervenschädigung und deren Ursache zu erkennen und daraus eine gezielte Behandlung abzuleiten.
Weitere Fachärzte und Spezialisten
Je nach Ursache der Neuralgie können auch andere Fachärzte in die Behandlung einbezogen werden:
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- Neurochirurgen: Bei bestimmten Formen der Neuralgie, insbesondere wenn eine Kompression des Nervs vorliegt, kann eine Operation erforderlich sein. In diesem Fall ist ein Neurochirurg der richtige Ansprechpartner.
- Orthopäden: Wenn die Neuralgie durch Erkrankungen des Bewegungsapparates verursacht wird, wie z.B. einen Bandscheibenvorfall oder eine Spinalkanalstenose, kann ein Orthopäde helfen.
- Schmerztherapeuten: Schmerztherapeuten sind auf die Behandlung chronischer Schmerzen spezialisiert und können ein multimodales Therapiekonzept erstellen, das verschiedene Behandlungsansätze kombiniert.
- Weitere Fachrichtungen: Je nach Ursache kann aber auch eine Konsultation anderer Fachrichtungen, zum Beispiel von GastroenterologInnen, DiabetologInnen, DermatologInnen oder RheumatologInnen notwendig und hilfreich sein.
Therapieoptionen bei Neuralgie
Nach der Diagnose wird Ihre Ärztin/Ihr Arzt mit Ihnen mögliche Behandlungsoptionen besprechen. Die Therapie von Neuralgien zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Medikamentöse Therapie
Zur Therapie von Nervenschmerzen kommen bestimmte Schmerzmedikamente zum Einsatz. Da „normale“ Schmerzmittel eher nicht greifen, sind von Seiten der Schulmedizin häufig starke Medikamente wie Opioide, Antikonvulsiva (Epilepsie-Mittel) und auch Antidepressiva angeraten.
Nicht-medikamentöse Therapie
Auch physikalische Therapien, Ergotherapie, Bewegungsübungen und Entspannungsverfahren können hilfreich sein. Viele Patienten mit Morton Neurom können sich durch eine Änderung ihrer Gewohnheiten und spezielle physiotherapeutische Übungen selbst helfen. Die Transkutane Elektrische Nervenstimulation ist ein konservatives Verfahren zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen. Die elektrische Reizung von Hautarealen erfolgt über Oberflächenelektroden. Dabei unterbindet der elektrische Reiz die Schmerzübertragung der Nerven zwischen Gehirn und Entstehungsort des Schmerzes.
Alternative und komplementäre Behandlungsmethoden
Gerade bei Neuralgien profitieren Betroffene von einer ganzheitlichen Behandlung, die Hausmittel, Homöopathie, pflanzliche Mittel aus der Naturheilkunde und manuelle Therapien integrieren. Unerwünschte Nebenwirkungen und eine Anpassung der Dosierung können beispielsweise durch homöopathische Begleitung positiv beeinflusst werden. Zusammensetzungen aus der Homöopathie mit Arnika, Zaunrübe, Kieselsäure und Teufelskralle, wie sie in Pascoe-agil HOM Injektopas enthalten sind, können zur Umstimmung beitragen. Die Königskerze, homöopathisch aufbereitetes Chinin, Yamswurzel und Magnesiumhydrogenphosphat wie in Dolo-Injektopas enthalten, kann als intracutane Injektionen in den Schmerzbereich injiziert werden. Die Neuraltherapie hat einen besonderen Stellenwert in der Behandlung von Neuralgien. Sie kann mit der Gabe von homöopathischen Mitteln zur Injektion, wie Dolo Injektopas®, Gnaphalium-Injektopas® und Neuralgie-Injektopas® begleitet werden, aber auch alleinige Injektionen mit dem Lokalanästhetikum Procain (Pasconeural-Injektopas 2%) werden in vielen Naturheilpraxen angewandt. Auch ein Check der B-Vitamine und - bei vorliegendem Vitamin-B-Mangel - Injektionen mit ihnen kann zu einer Schmerztherapie dazu gehören.
Operative Eingriffe
In speziellen Fällen, wie eingeklemmten Nerven oder schweren Nervenschäden, kann eine Operation notwendig sein, um den Schaden zu beheben. Meist erfolgt die Entfernung des geschwollenen Mittelfußnerven beim Morton Neurom durch einen offenen operativen Zugang von der Fußsohle aus. Wenn die Schwellung an der Fußsohle noch nicht zu stark ausgeprägt ist, kann alternativ eine nervenerhaltende Therapie durchgeführt werden, die man als Dekompression (Druckentlastung) des Morton Neuroms bezeichnet.
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Spezielle Neuralgieformen
Einige Neuralgieformen erfordern besondere Aufmerksamkeit und gegebenenfalls eine rasche Vorstellung bei einem Spezialisten:
- Gürtelrose (Herpes Zoster): Sollte ein Herpes Zoster im Bereich des Gesichts, speziell des Auges oder des Ohres vorliegen, sollte sofort ein Neurologe/Nervenarzt aufgesucht werden, um eine frühestmögliche Behandlung vorzunehmen. So werden Spätschäden mit bleibenden Seh- und Hörstörungen in vielen Fällen vermieden. Bei Verdacht auf eine PZN nach einer Gürtelrose verschafft sich der Neurologe/Nervenarzt zunächst mit Wattebausch, Temperatursonde und Nadel einen Eindruck über das Ausmaß der Nervschädigung. Berührungs- und Schmerzempfinden können gestört sein. Häufig sind sie aber normal. Missempfindungen fehlen jedoch nur selten. Einige Patienten beschreiben einen quälenden Juckreiz. Der Arzt untersucht die betroffene Haut.
- Trigeminusneuralgie: In der Regel wird die Trigeminusneuralgie von Ärzten der Neurologie oder Neurochirurgie diagnostiziert. Zur neurologischen Untersuchung gehören vor allem das Berühren und Abtasten des Gesichts sowie Reflextests an den sogenannten Triggerpunkten („Nervenaustrittspunkte“). Beides hilft dem Arzt, die betroffenen Gesichtsbereiche beziehungsweise den betroffenen Nervenast des Nervus trigeminus genauer zu bestimmen.