Die Neuritis Vestibularis, umgangssprachlich auch als Entzündung des Gleichgewichtsnervs bekannt, ist eine Erkrankung, die durch plötzlichen und heftigen Drehschwindel gekennzeichnet ist. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung.
Definition
Neuritis Vestibularis ist eine Entzündung des Nervus vestibularis, des Nervs, der das Gleichgewichtsorgan im Innenohr mit dem Gehirn verbindet. Die Entzündung stört die Nervensignale, was zu einer fehlerhaften Verarbeitung im Gehirn führt. Dies resultiert in einem intensiven Drehschwindel und Gangunsicherheit. Vereinfacht ausgedrückt, Neuritis Vestibularis heißt auf Deutsch übersetzt: Entzündung des Nervens, der vom Gleichgewichtsorgan zum Gehirn führt.
Symptome
Das Hauptsymptom ist ein plötzlich einsetzender, heftiger Drehschwindel, der auch in Ruhe nicht aufhört. Betroffene haben das Gefühl, dass sich die Umgebung um sie herum dreht. Typischerweise kommt es zu einem Drehschwindel, bei dem sich die Umgebung zu drehen scheint, zu einer Fallneigung in Richtung der betroffenen Seite und Übelkeit, fast immer begleitet von Erbrechen. Häufig besteht eine deutliche Schwierigkeit zu gehen, verbunden mit einer Fallneigung zur Seite. Das Bild scheint aus dem Blickfeld zu einer Seite „wegzulaufen“.
Weitere Symptome können sein:
- Unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus): Die Augen gleiten zur gesunden Seite und springen dann ruckartig zurück.
- Übelkeit und Erbrechen: Begleiten oft den Schwindel.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Gehör bei einer Neuritis Vestibularis in der Regel nicht beeinträchtigt ist. Die akute Symptomatik dauert selten länger als ein paar Tage, manchmal bis zu ein paar Wochen.
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Ursachen
Die genaue Ursache der Neuritis Vestibularis ist bis heute nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass die Erkrankung durch die Reaktivierung eines Virus ausgelöst wird, insbesondere des Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1). Man geht davon aus, dass es durch Herpes-Viren zu der Entzündung des Gleichgewichtsnerves kommt. Dieses Virus tragen viele Menschen in sich. Die Reaktivierung des Virus führt zu einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs (N. vestibularis). Der entzündete Nerv schwillt an und stößt an die knöcherne Begrenzung des ihn umgebenden Tunnels. Dies wiederum verursacht eine vorübergehende Störung der Nervensignale zwischen dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr und dem Gleichgewichtszentrum im Gehirn.
Häufigkeit
International treten etwa 13,6 Fälle pro 100.000 Einwohner auf. Neuritis Vestibularis ist die dritthäufigste Ursache für Drehschwindel nach dem gutartigen Lagerungsschwindel und Morbus Menière. Die Neuritis vestibularis macht etwa 7% der Diagnosen in einer Spezialambulanz für Schwindel aus. Die Erkrankung tritt am häufigsten bei Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf, wobei Frauen öfter betroffen sind als Männer.
Diagnose
Die Diagnose der Neuritis Vestibularis basiert in erster Linie auf der Schilderung der typischen Symptome:
- Akuter Schwindel
- Übelkeit
- Fallneigung zur betroffenen Seite
Es können unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus) beobachtet werden.
Zusätzlich werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
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- Körperliche und neurologische Untersuchung: Um andere Ursachen auszuschließen.
- Untersuchung der Gehörgänge und des Trommelfells.
- Hörtest: Um das Hörvermögen zu überprüfen, das bei einer Neuritis Vestibularis normal ist. Das Hörvermögen muss bei HNO-Ärzt*innen durch einen Hörtest abgeklärt werden, dort erfolgen auch ggf. weitere Tests.
- Ausschluss anderer Ursachen: Insbesondere ein Schlaganfall muss ausgeschlossen werden, was zusätzliche Untersuchungen erforderlich machen kann. Der Facharzt wird bei der Ursachenklärung zunächst nach weiteren Symptomen suchen, um z.B. einen Schlaganfall, Entzündung oder eine Blutung im Gehirn auszuschließen.
Mögliche weitere Ursachen für Schwindel, die ausgeschlossen werden müssen, sind:
- Gutartiger Lagerungsschwindel
- Morbus Menière
- Labyrinthitis
- Akustikusneurinom
- Hörsturz
- Verletzungen
- Schwindel durch Medikamente
- Multiple Sklerose
- Migräne
Eine Krankenhauseinweisung kann notwendig sein bei:
- Akutem Pflegebedarf
- Starker Übelkeit und Erbrechen
- Sturzneigung und fehlender häuslicher Versorgungsmöglichkeit
Behandlung
Die Behandlungsziele bei Neuritis Vestibularis sind:
- Symptomlinderung
- Verkürzung des Krankheitsverlaufs
- Verhindern von bleibenden Folgen
Die Behandlung umfasst in der Regel:
- Medikamentöse Therapie: In den ersten Tagen können Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit) und Antivertiginosa (Medikamente gegen Schwindel) in Kombination mit Kortison sinnvoll sein. Bei schwerer Übelkeit und Brechreiz können innerhalb der ersten Tage zur symptomatischen Therapie Antivertiginosa verabreicht werden (Tabelle 2), die jedoch bei längerer Gabe die zentrale Kompensation des peripheren Vestibularisausfalls verzögern. Eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Studie mit 141 Patienten zeigte, dass eine Monotherapie mit Methylprednisolon zu einer signifikanten Verbesserung der Erholung der peripheren vestibulären Funktion führte (17). Diese Befunde wurden durch eine weitere Studie bestätigt (e3). In einer Cochrane-Analyse wird dieser Trend einen Monat nach Erkrankung zwar auch gesehen, allerdings wird aus Mangel an einer ausreichenden Zahl von Studien dazu keine allgemeine Behandlungsempfehlung für Kortikosteroide gegeben (18).
- Vestibuläre Rehabilitationstherapie: Während die Entzündung abklingt, etwa ab dem zweiten oder dritten Tag nach Einsetzen der Beschwerden, sollte schon mit vestibulärer Rehabilitationstherapie begonnen werden. Anschließend ist es wichtig, frühzeitig ein Rehabilitationsprogramm zu beginnen:
- Mobilisierung mit Schulung der Gleichgewichtsfunktion im Stehen und Gehen auf ebenen und unebenen Flächen
- Training der Fähigkeiten zur Blickfixierung
Mit Hilfe der Übungen lernt das Gehirn schnell, wie es die, durch die Entzündung verlorenen Funktionen, ersetzen kann. Diese Aktivitäten verursachen zu Beginn erhöhtes Unwohlsein und Müdigkeit, werden aber auf längere Sicht die Symptome reduzieren, die Funktionsfähigkeit verbessern und zu einer schnelleren Heilung beitragen. Manche Patient*innen benötigen eine besondere physiotherapeutische oder gleichgewichtstherapeutische Verlaufskontrolle
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Prognose
Die Prognose ist im Allgemeinen sehr gut, die meisten Patientinnen erhalten ihren normalen Gleichgewichtssinn zurück. Die Mehrzahl der Patientinnen hat 1-2 Tage starke Beschwerden mit anschließend allmählicher Besserung. So dramatisch diese Erkrankung zu Beginn auch scheinen mag, so gut ist ihre Prognose. Die Beschwerden klingen meist nach etwa ein bis zwei Wochen wieder ab. Dabei lässt sich der Heilungsprozess durch rasche Mobilisation mit gezieltem Gleichgewichtstraining und Medikamenten beschleunigen, anfangs ist Bettruhe angeraten. Rückfälle (Rezidive) sind glücklicherweise sehr selten.
Differenzialdiagnose
Es ist wichtig, andere Ursachen für Schwindel auszuschließen, insbesondere solche, die eine zentrale Beteiligung des Nervensystems aufweisen. Akute audiologische und andere neurologische Symptome, insbesondere zentrale okulomotorische oder vestibuläre Zeichen (vor allem vertikale Divergenz (skew deviation), sakkadierte Blickfolge, Blickrichtungsnystagmus oder zentraler Fixationsnystagmus) fehlen (16), was zur Differenzierung gegenüber einer zentralen „Pseudoneuritis vestibularis“, durch lakunäre Hirninfarkte oder Multiple-Sklerose-Plaques, wichtig ist.
Fazit
Die Neuritis Vestibularis ist eine unangenehme, aber in der Regel gut behandelbare Erkrankung. Eine frühzeitige Diagnose und adäquate Therapie können den Krankheitsverlauf verkürzen und bleibende Folgen verhindern. Es ist wichtig, bei plötzlichem, heftigem Drehschwindel einen Arzt aufzusuchen, um die Ursache abzuklären und eine geeignete Behandlung einzuleiten.
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