Neuro-Socken bei Polyneuropathie: Erfahrungen, Ursachen und Therapieansätze

Polyneuropathie, abgeleitet vom griechischen Begriff für "Erkrankung mehrerer Nerven", ist eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, die Männer und Frauen gleichermaßen betrifft und deren Häufigkeit mit dem Alter zunimmt. Schätzungsweise ist jeder dritte Diabetiker von Polyneuropathie betroffen. Die Erkrankung manifestiert sich typischerweise durch eine Vielzahl von Empfindungsstörungen, Schmerzen und funktionellen Einschränkungen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können.

Symptome der Polyneuropathie

Die Symptome einer Polyneuropathie beginnen meist schleichend und symmetrisch an den Füßen. Patienten berichten häufig von Kribbeln, brennenden Schmerzen, Missempfindungen, Taubheitsgefühlen und einem unangenehmen Druckgefühl. Oft wird das Gefühl beschrieben, auf Watte zu gehen oder elektrisiert zu werden. Typischerweise sind zunächst die Zehen und der Fußballen betroffen, bevor sich die Symptome über Monate oder Jahre auf die Füße und Unterschenkel ausweiten, wobei eine sockenförmige oder kniestrumpfförmige Begrenzung auftritt. In fortgeschrittenen Stadien können auch die Oberschenkel und schließlich die Fingerspitzen und Hände betroffen sein, was zu einer handschuhförmigen Verteilung der Taubheitsgefühle führt.

Neben den sensorischen Beeinträchtigungen können auch Lähmungen auftreten, insbesondere der Fußheber, Zehenheber oder Fußsenker, was zu Muskelschwund und Gangstörungen führt. Krämpfe, vor allem nachts oder bei Belastung, sind ebenfalls häufig. Viele Patienten klagen über kalte Füße und eine gestörte Wahrnehmung der Körperlage, was zu Schwanken, Schwindel und Gangunsicherheiten führen kann.

Ein weiteresProblem ist die allmähliche Herabsetzung des Schmerzempfindens, wodurch Verletzungen am Fuß nicht oder zu spät wahrgenommen werden. Dies kann, insbesondere bei Diabetes mellitus, zur Entstehung von Druckgeschwüren führen. In schweren Fällen kann auch das autonome Nervensystem betroffen sein, was zu Funktionsstörungen der inneren Organe wie Blasenlähmung, Darmträgheit oder Herzrhythmusstörungen führen kann.

Ursachen der Polyneuropathie

Die Polyneuropathie entsteht durch Schädigung der peripheren Nerven, entweder des inneren Strangs oder der Umhüllung. Da lange Nerven anfälliger sind, beginnt die Erkrankung oft in den Zehen und Füßen. Es gibt über 300 bekannte Ursachen, wobei Diabetes mellitus (ca. 35 %) und Alkoholkonsum (ca. 20 %) die häufigsten sind. Bei etwa einem Viertel der Fälle bleibt die Ursache jedoch ungeklärt.

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Zu den weiteren möglichen Ursachen gehören:

  • Stoffwechselstörungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion, Nierenversagen, Lebererkrankungen
  • Entzündliche Erkrankungen: Borreliose, Gefäßentzündungen, Autoimmunerkrankungen
  • Vitaminmangel: Mangel an Vitamin B1, B2, B6, B12 oder E
  • Schwermetallvergiftungen: Blei, Arsen, Thallium, Quecksilber, Gold
  • Medikamente: Bestimmte Chemotherapeutika, Interferone, Virustherapeutika
  • Genetische Faktoren: Es sind mehrere genetisch bedingte Polyneuropathien bekannt.

Diagnose der Polyneuropathie

Die Diagnose und Therapie der Polyneuropathie fallen in das Fachgebiet des Neurologen. Am Anfang stehen eine ausführliche Anamnese und eine klinisch-neurologische Untersuchung. Gegebenenfalls ist auch eine psychiatrische Untersuchung zur Abgrenzung erforderlich.

Zur Beurteilung der peripheren Nerven werden elektrophysiologische Methoden wie die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und die Elektromyographie (EMG) eingesetzt. Ergänzend erfolgt eine laborchemische Abklärung relevanter Ursachen aus dem Blut. Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung kann eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) erforderlich sein. In einigen Fällen ist eine Kernspintomographie der Wirbelsäule indiziert, um andere Erkrankungen auszuschließen. Genetische Untersuchungen können bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Polyneuropathie durchgeführt werden, sind aber aufgrund der hohen Kosten nicht routinemäßig. Eine Nervenbiopsie ist heutzutage nur noch in Ausnahmefällen notwendig.

Therapieansätze bei Polyneuropathie

Entgegen der oft verbreiteten Meinung, dass Polyneuropathie nicht behandelbar sei, gibt es vielfältige therapeutische Ansätze, die Verbesserungen und in manchen Fällen sogar eine Ausheilung ermöglichen können.

Das primäre Ziel der Behandlung ist die Beseitigung der Ursache der Polyneuropathie. Dies kann die optimale Einstellung eines Diabetes mellitus, das Absetzen oder Austauschen von Medikamenten, die eine Polyneuropathie verursachen, oder die Vermeidung toxischer Expositionen umfassen. Bei alkoholbedingter Polyneuropathie ist eine lebenslange Alkoholabstinenz unerlässlich.

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Zur Behandlung von Schmerzen und Missempfindungen stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Bei entzündlichen Ursachen können Cortison-Infusionen, Plasmapherese oder Immunglobuline eingesetzt werden. Neural-Akupunktur kann ebenfalls zur Linderung von Missempfindungen und Schmerzen beitragen. Lähmungen, Muskelschwund und Gangstörungen können durch spezifische Physiotherapie behandelt werden, die gegebenenfalls durch elektrische oder magneto-elektrische Stimulation ergänzt wird.

Naturheilkundliche Therapieansätze

Neben der konventionellen Therapie gibt es auch eine Reihe von naturheilkundlichen Therapieansätzen, die zur Linderung der Beschwerden beitragen können.

  • Hydro- und Thermotherapie: Trockenbürsten, Igelballmassagen, Wassertreten nach Kneipp, kalte Unterschenkelgüsse, ansteigende Teilbäder, Lehmpackungen
  • Ernährung und Vitamine: Ovolaktovegetabile Vollwertkost, Vermeidung extremer Diäten, Ausgleich von Vitaminmängeln (B1, B12, Folsäure), Gabe von Alpha-Liponsäure
  • Ordnungstherapie: Individuelle Beratung zu Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum, Stressmanagement, Entspannungsverfahren, Yoga, Akupunktur
  • Phytotherapeutische Präparate: Teufelskrallen-Präparate, Aconit-Nervenöl, Nelken-, Rosmarin- oder Minzöl, Johanniskraut-Rotöl, Capsaicin-haltige Salben, Senfmehl-Fußbäder
  • Bewegungstherapie und Krankengymnastik: Trainingstherapie, Walking, Geräte- oder Ergometertraining, Bewegungsbäder, Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitationstherapie (PNF), Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage (z. B. nach dem Bobath-Konzept), Gangschulung, Hilfsmittelversorgung (Fußheberorthesen, orthopädische Schuhe, Gehstock, Rollator), Vibrationstraining, Posturomed-Training

TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation)

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist ein Verfahren, bei dem Stromimpulse über Elektroden unter die Haut geschickt werden. Es wird oft zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt, auch bei Polyneuropathien. Die elektrischen Signale stimulieren Nervenfasern, die Berührungsreize weiterleiten und im Rückenmark mit den Schmerzfasern verschaltet sind. Dadurch kann die Weiterleitung der Schmerzen an das Gehirn gehemmt werden. TENS hat kaum Nebenwirkungen, in seltenen Fällen kann es zu Hautreizungen an der Klebstelle kommen. Die Kosten für die Geräte werden bei chronischen Schmerzen von den Krankenkassen übernommen, allerdings zu unterschiedlichen Bedingungen.

Die Wirksamkeit von TENS ist wissenschaftlich noch nicht vollständig bewiesen, es gibt aber Hinweise auf eine Schmerzlinderung. Eine Meta-Analyse von 2022 deutet darauf hin, dass TENS Schmerzen besser lindert als ein Placebo. TENS ist nicht geeignet für Menschen mit einem Herzschrittmacher oder einer Epilepsie. In Deutschland ist sie auch für Schwangere nicht empfohlen.

Neuro-Socken als innovative Therapieoption

Eine vielversprechende neue Entwicklung im Bereich der Polyneuropathie-Behandlung sind sogenannte Neuro-Socken. Diese nicht-invasive Neuroprothese, entwickelt von Forschern aus der Schweiz und Österreich, zielt darauf ab, die gestörte Nervenleitung in den Füßen durch gezielte elektrische Impulse wiederherzustellen.

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Das System funktioniert wie ein herkömmlicher Socken und stimuliert die noch teilweise funktionierenden Nervenbahnen durch die Haut. Ein personalisiertes Kalibrierungsverfahren passt die Stimulation an den individuellen Grad der Nervenschädigung an. Das System arbeitet im geschlossenen Regelkreis während des Gehens und bietet in Echtzeit sensorisches Feedback.

In einer Studie berichteten Patienten bereits nach einem Tag Nutzung der Neuroprothese über deutliche Verbesserungen des Empfindungsvermögens, der Bewegungskoordination und weniger Schmerzen. Magnetresonanztomografien zeigten, dass das Gehirn das wiederhergestellte Gefühlsempfinden ähnlich verarbeitet wie natürliche Sinnesreize.

Obwohl weitere Untersuchungen erforderlich sind, bevor "NeuroStep" in der Praxis eingesetzt werden kann, sind die bisherigen Ergebnisse vielversprechend. Eine Folgestudie konzentriert sich auf die Langzeitanwendung der Neuroprothese und deren Auswirkung auf den Verlauf der diabetischen Neuropathie.

Die Entwickler arbeiten bereits an adaptiven KI-Algorithmen, um die Kalibrierungszeit zu reduzieren und das System an Schwellungen oder Hardware-Probleme anzupassen. Ziel ist es, eine lernende Prothese zu entwickeln, die sich den individuellen Bedürfnissen des Patienten anpasst.

Erfahrungen von Betroffenen

Die Erfahrungen von Polyneuropathie-Patienten sind vielfältig und individuell. Viele berichten von einem langen Weg bis zur Diagnose, begleitet von Unsicherheit und Einschränkungen der Lebensqualität. Typische Beschwerden sind Missempfindungen in den Füßen, Schmerzen, Gangunsicherheiten und Schwierigkeiten beim Gehen.

Einige Patienten berichten von einer Verschlimmerung der Symptome nach der Einnahme bestimmter Medikamente, insbesondere Breitbandantibiotika mit dem Wirkstoff Fluorchinolon. Andere stellen einen Zusammenhang zwischen Zucker, Stress und den Beschwerden fest.

Bewegung, Physiotherapie, Kneipp’sche Wechselbäder und die Einnahme von hoch dosiertem Vitamin B12 können zur Linderung der Symptome beitragen. Selbsthilfegruppen bieten eine wichtige Plattform für den Austausch von Erfahrungen und die gegenseitige Unterstützung.

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