Migräne ist eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, von der etwa jeder zehnte Mensch in Deutschland betroffen ist. Bei einem Drittel der Betroffenen treten zusätzlich vorübergehende neurologische Symptome auf, die als Migräne-Aura bekannt sind. Ein Forschungsteam aus Tübingen und München unter der Leitung von Professor Tobias Freilinger hat nun im Tiermodell einen wichtigen Mechanismus entdeckt, der zur Entstehung von Migräne-Auren beiträgt. Diese Erkenntnisse könnten neue Therapieansätze für bestimmte Formen von Migräne eröffnen.
Migräne und ihre Begleiterscheinungen
Migräne ist mehr als nur ein starker Kopfschmerz. Sie kann von einer Vielzahl von Symptomen begleitet sein, die das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Zu diesen Symptomen gehören:
- Pochende oder pulsierende Kopfschmerzen, meist einseitig
- Übelkeit und Erbrechen
- Licht- und Geräuschempfindlichkeit
- Sehstörungen (Flimmern vor den Augen, Lichtblitze)
- Sprachstörungen
- Sensibilitätsstörungen (Kribbeln, Taubheitsgefühl)
Ein besonderes Phänomen ist die Migräne-Aura, die bei etwa einem Drittel der Migränepatienten auftritt. Sie geht dem Kopfschmerz voraus und äußert sich in vorübergehenden neurologischen Symptomen wie Flimmern vor den Augen oder anderen Sehstörungen.
Die Rolle der Nervenzellen bei Migräne-Auren
Während einer Migräne-Aura beobachtet man im Gehirn ein charakteristisches Aktivitätsmuster: Eine starke Erregungswelle breitet sich wie ein Tsunami über die Hirnrinde aus, gefolgt von einer Phase der Ruhe. Das Forschungsteam um Professor Freilinger hat nun im Tiermodell untersucht, welche Mechanismen dieser Aktivitätswelle zugrunde liegen.
Die Forscher konzentrierten sich auf sogenannte Migräne-Mäuse, die die Erkrankung beim Menschen nachbilden. Dabei stellten sie fest, dass bei diesen Mäusen eine bestimmte Art von Nervenzellen überaktiv ist. "Wir können in diesen Tieren die neuronale Entsprechung der Migräne-Auren untersuchen: eine heftige Aktivitätswelle gefolgt von einer Ruhephase", erklärt Neurologe Professor Tobias Freilinger vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen.
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Die Migräne-Mäuse weisen, ähnlich wie Patienten mit einer bestimmten erblichen Form der Migräne, einen Gendefekt auf. Dieser Defekt führt dazu, dass bestimmte Membranporen - sogenannte Natriumkanäle - stärker durchlässig werden. Die Forscher beobachteten, dass dies zu einer Überaktivität von Nervenzellen führt. Interessanterweise betrifft dies jedoch nicht alle Neurone, sondern nur diejenigen, die die Aktivität sogenannter Pyramidenzellen hemmen. "Eine Überraschung für uns: Bislang hatte man überwiegend Pyramidenzellen unter Verdacht, Auslöser der Migräne-Auren zu sein", sagt Neurowissenschaftler Professor Nikolaus Plesnila vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung des LMU Klinikums München.
Therapieansätze durch Blockierung der Natriumkanalaktivität
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich die krankhafte Hirnaktivität bei den Mäusen verbesserte, als sie eine Substanz verabreichten, die die übermäßige Natriumkanalaktivität blockiert. "Damit haben wir einen Ansatzpunkt für die medikamentöse Behandlung von Patientinnen und Patienten - zumindest bei dieser bestimmten Form der Migräne", schlussfolgert Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch, Tübinger Wissenschaftlerin und Co-Erstautorin der Studie.
Diese Erkenntnisse sind vielversprechend, da sie einen spezifischen Mechanismus identifizieren, der zur Entstehung von Migräne-Auren beiträgt. Die Blockierung der Natriumkanalaktivität könnte somit einen gezielten Therapieansatz für Patienten mit dieser Form der Migräne darstellen.
Kopfschmerzzentrum Tübingen: Umfassende Diagnostik und Behandlung
Schmerzen und vor allem Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden im neurologischen Fachgebiet. Neben der Betreuung von Patienten mit neuropathischen Schmerzsyndromen beschäftigt sich die Spezialambulanz in Tübingen schwerpunktmäßig mit allen Formen von Kopf- und Gesichtsschmerzen, darunter Migräne, Spannungskopfschmerzen, Cluster-Kopfschmerz und Trigeminusneuralgie.
In der Ambulanz erwartet die Patienten zunächst ein ausführliches ärztliches Gespräch und eine Anamnese anhand mitgebrachter Unterlagen. Dies ist entscheidend, um die zugrunde liegende Kopfschmerzerkrankung zu identifizieren und geeignete therapeutische Möglichkeiten zu bestimmen. Es folgt eine klinisch-neurologische Untersuchung, um festzustellen, ob weitere technische Zusatzdiagnostik erforderlich ist.
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Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt auf einer umfassenden Beratung über die diagnostizierte Kopfschmerzerkrankung, ihre Prognose sowie verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten.
Forschung zum Thema Schlaf und Schmerz
Ein weiterer wichtiger Forschungsbereich in Tübingen ist die Rolle von Schlaf und Schlafentzug für Schmerz. Schlafdefizite gelten als unabhängiger, schmerzverstärkender Faktor, während erholsamer Schlaf als unterstützendes Therapeutikum in der Schmerztherapie angesehen wird. Die Mechanismen, die der schmerzverstärkenden Rolle von Schlafstörungen zugrunde liegen, sind jedoch noch nicht vollständig geklärt.
Weitere diagnostische Möglichkeiten in Tübingen
Die Klinik für Neurologie in Tübingen bietet ein breites Spektrum an diagnostischen Verfahren zur Abklärung neurologischer Erkrankungen, darunter:
- Ultraschall-Verfahren: Mit modernsten Ultraschall-Verfahren wird ein genaues Bild aller Hirnschlagadern dargestellt. So können bereits sehr früh Veränderungen an der Wand der Blutgefäße (Atherosklerose) festgestellt werden. Zusätzlich wird der Blutfluss beurteilt, so dass exakt festgestellt werden kann, ob eine Verengung (Stenose) vorliegt. Gerade im Bereich der Halsschlagadern lässt sich heutzutage mit sehr hoher Genauigkeit deren Zustand erfassen. Die farbkodierte Doppler- und Duplexsonografie wird sowohl an den äußeren hirnzuführenden Arterien (extracraniell) als auch an den Hirnbasisarterien (intracraniell bzw. transcraniell) durchgeführt. Mithilfe der TCS lassen sich weite Teile des Gehirnes von außen bei Ansatz der Sonde im Schläfenbereich darstellen. Insbesondere Hirnstamm, Ventrikelsystem und Basalganglien sind sonografisch erfassbar und können anhand ihrer charakteristischen Echomorphologie beurteilt werden. Ziel dieser Ultraschalluntersuchung ist es, frühzeitig Veränderungen der Echogenität bestimmter Hirnregionen im Hirnstamm (Substantia nigra) zu erkennen, welche bei Morbus Parkinson betroffen sind. Während beim primären Morbus Parkinson konventionelle Verfahren der zerebralen Bildgebung in der Regel unauffällig bleiben, ist es möglich, mittels TCS typische Änderungen der Echomorphologie der Substantia nigra zu erkennen. Auch bei weiteren Erkrankungen können Veränderungen festgestellt werden. Mit Ultraschall-Hochfrequenzsonden können an modernen Ultraschallgeräten Nerven dargestellt werden. Die Nervensonographie wird bei speziellen Fragestellungen durchgeführt.
- Elektroenzephalografie (EEG): Bei der Elektroenzephalografie erfolgt die Messung der elektrischen Hirneigenaktivität. Hierzu werden mit Hilfe einer Gummihaube Elektroden auf der Kopfhaut platziert. Eine Routine-EEG-Ableitung dauert ungefähr 30 Minuten.
- Evozierte Potentiale: Es wird die Leitfähigkeit und damit die Funktionsfähigkeit von peripheren und zentralen Nervenbahnen getestet. Das Prinzip beruht auf einer Reizung eines Sinnesorganes oder peripheren Nerven und der Messung der dadurch ausgelösten elektrischen Potentiale. Dazu werden von außen am Kopf Oberflächenelektroden aufgesetzt. Je nach Fragestellung werden akustisch evozierte Potentiale (AEP), somato-sensibel evozierte Potentiale (SEP) oder visuell evozierte Potentiale (VEP) bestimmt.
- Elektroneurografie (NLG): Diese Methode dient zur Bestimmung des Funktionszustandes eines peripheren Nerven. Es werden u.a. die Nervenleitgeschwindigkeiten und Amplituden von peripheren sensiblen und/oder motorischen Nerven erfasst. Zu diesem Zweck wird der Nerv mittels eines kurzen elektrischen Impulses gereizt und dann das Potential über einem weiter entfernt liegenden Muskel oder einem Hautareal mittels Oberflächenelektroden abgeleitet. Diese Messung ist unverzichtbar zur Feststellung, ob beispielsweise ein Karpaltunnelsyndrom oder ein Polyneuropathiesyndrom vorliegt, aber auch zur Erfassung von sonstigen Schädigungen einzelner Nerven nach einem Unfall, Bandscheibenvorfall, bei Nervenentzündung, nach einer Operation oder auch bei Druck auf einen Nerven.
- Elektromyografie (EMG): Hierbei wird die elektrische Muskelaktivität gemessen. Dazu wird eine sehr feine Nadelelektrode in den Muskel eingestochen und dessen Aktivität in Ruhe und bei Anspannung gemessen.
- Neuropsychologische Testung: Es werden Fragebogentests durchgeführt zur Erfassung von Gedächtnisstörungen bzw. Hirnleistungsstörungen. Eine Assistentin befragt dazu den Patienten und notiert die Antworten, teilweise sollen auch bestimmte kurze Anweisungen vom Patienten selbst durchgeführt werden. Es werden Tests eingesetzt, welche zu den Basisuntersuchungen in allen Gedächtnissprechstunden bzw. Demenzabklärungen gehören.
- Laboruntersuchungen: Bei speziellen Fragestellungen wird eine Blutabnahme durchgeführt und die Blutprobe in ein Labor gesendet. Von besonderer Bedeutung sind Laboruntersuchungen zur Kontrolle der Medikamentenspiegel und zur Vermeidung von Nebenwirkungen bei bestimmten Therapien. Es werden auch wichtige sehr spezielle Laborwerte bei seltenen Erkrankungen wie z.B. bei Myasthenie erfasst.
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