Neurologe und Schmerztherapeut: Schwerpunkte und Behandlungsansätze

Schmerzen gehören zu den häufigsten Gründen für Arztbesuche und können die Lebensqualität erheblich einschränken. Ein Neurologe und Schmerztherapeut ist spezialisiert auf die Diagnose und Behandlung von Schmerzzuständen, die durch Erkrankungen oder Verletzungen des Nervensystems verursacht werden. Dieser Artikel beleuchtet die Schwerpunkte und Behandlungsansätze in diesem wichtigen medizinischen Bereich.

Die Rolle des Neurologen und Schmerztherapeuten

Ein Neurologe mit Schwerpunkt Schmerztherapie befasst sich mit der umfassenden Diagnostik und individuellen Therapie neurologischer Erkrankungen unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und modernster Technik. Die Komplexität des Nervensystems erfordert ein tiefes Verständnis, um die Ursachen von Schmerzen zu erkennen und gezielte Behandlungen einzuleiten. Auch vermeintlich einfache Bewegungen entstehen durch ein kompliziertes Zusammenspiel von Muskeln, Nerven und Teilen des Gehirns.

Interdisziplinäre Vernetzung

Engagierte Spezialisten der Neurologie sind hervorragend interdisziplinär vernetzt. Dies ermöglicht eine umfassende Versorgung der Patienten, da Schmerzen oft verschiedene Ursachen haben und eine Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen erforderlich ist.

Schwerpunkte in der Neurologischen Schmerztherapie

Die neurologische Schmerztherapie umfasst ein breites Spektrum an Erkrankungen und Behandlungsmethoden. Zu den häufigsten Schwerpunkten gehören:

Neurologisch bedingte Schmerzen

Die Diagnostik und Therapie neurologisch bedingter Schmerzen, die von Erkrankungen und Verletzungen des Nervensystems verursacht wurden, stehen im Mittelpunkt. Dazu gehören:

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  • Kopfschmerzen: Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp, Cluster-Kopfschmerz und andere.
  • Gesichtsschmerzen: Zum Beispiel Trigeminusneuralgie.
  • Polyneuropathien: Zum Beispiel diabetische Polyneuropathie.
  • Small-Fiber-Neuropathien
  • Verletzungen von Nerven, Nervenwurzeln oder Nervenplexus
  • Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
  • Störungen, die zu zentralen Schmerzen führen

Chronische Schmerzen

Dauern Schmerzen mehr als drei bis sechs Monate, spricht man von chronischen Schmerzen. Sie beeinflussen das Leben aller betroffenen Menschen nachhaltig - körperlich, seelisch und sozial. Millionen Deutsche quälen sich mit chronischen Schmerzen durch den Tag. Ein vielversprechender Therapieansatz ist die multimodale Schmerztherapie. Was sich hinter dem ganzheitlichen Konzept verbirgt und wie es angewendet wird, wird im weiteren Verlauf des Artikels erläutert.

Kopfschmerzen und Gesichtsschmerzen

Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und treten bei 4-5% der deutschen Bevölkerung täglich auf. Zur Behandlung von Kopfschmerzen werden Medikamente eingenommen, wobei häufige Medikamenteneinnahme aber auch zu einem medikamenteninduzierten, d.h. durch Medikamente aufrecht erhaltenen Kopfschmerz führen kann. Zu den Gesichtsschmerzen gehören die Trigeminusneuralgie, seltenere Neuralgien wie die Glossopharyngeusneuralgie und der atypische Gesichtsschmerz. In der Rommel-Klinik bestehen langjährige Erfahrungen in der Diagnostik und Therapie von Kopf- und Gesichtsschmerzen.

Neuropathische Schmerzen

Unter neuropathischen Schmerzsyndromen versteht man Schmerzen, die durch Schädigungen des zentralen oder peripheren Nervensystems ausgelöst sind. So kann es z.B. Bei Schädigungen des peripheren Nervensystems finden sich solche Schmerzen nach isolierten Nervenverletzungen, nach Infektionen mit Befall der peripheren Nerven /Nervenwurzeln z.B. Zoster (Gürtelrose), aber auch nach diffusen Schädigungen mehrerer peripherer Nerven im Rahmen einer Polyneuropathie. All diesen neuropathischen Schmerzsyndromen ist gemeinsam, dass der Schmerz meist als brennend oder stechend beschrieben wird, und dass sich die Schmerzen sowie die anderen neurologischen Störungen an bestimmte Verteilungsmuster (z.B. peripherer Nerven) halten.

Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (CRPS)

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS, Algodystrophie, Morbus Sudeck) ist eine Erkrankung, welche nach einer Extremitätenverletzung, z.B. einem Armbruch entstehen kann, und mit starken Schmerzen einhergeht, welche länger als die üblichen Verletzungsschmerzen anhalten. Zusätzlich bestehen Sensibilitätsstörungen, eine Kraftminderung, Bewegungseinschränkung sowie eine Schwellung, Überwärmung oder Verfärbung des betroffenen Armes oder Beines.

Schwindel

Unter Schwindel versteht man das subjektive Empfinden eines Drehens, Schwankens oder einer drohenden Bewußtlosigkeit. Entsprechend lassen sich Schwindelbeschwerden bei Erkrankungen aus dem HNO-ärztlichen Bereich wie Störungen des Gleichgewichtsorgans (z.B. gutartiger Lagerungsschwindel, Meniere-Erkrankung) bei neurologischen Erkrankungen (z.B. Basillarismigräne, Durchblutungsstörungen des Gehirns) sowie bei orthopädischen Erkrankungen (z.B. Schädigung der Halswirbelsäule, Schleudertrauma) beobachten. Darüber hinaus spielen häufig psychische Faktoren für Schwindel eine große Rolle (z.B.

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Morbus Parkinson und Schmerzen

In den letzten 10 Jahren lag ein Schwerpunkt auf der Behandlung von Patienten mit Morbus Parkinson und Schmerzen/Wirbelsäulenbeschwerden. In Kooperation mit der Universitätsklinik Tübingen wurde eine Studie zur Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden bei Morbus Parkinson erstellt und wissenschaftlich publiziert.

Diagnostische Verfahren

Zur Diagnostik bei neurologisch bedingten Schmerzen kommen neben einem ausführlichen ärztlichen Gespräch und einer neurologischen Untersuchung weitere Diagnoseverfahren zum Einsatz. Dazu gehören:

  • Elektrophysiologische Untersuchungen: EEG, EMG, Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen, evozierte Potentiale, transkortikale Magnetstimulation.
  • Blutuntersuchungen
  • Quantitative sensorische Testung (QST)
  • Nerven- und Muskelultraschall
  • Analyse der Nervenfasern in einer Hautbiopsie
  • Ableitung Schmerz-evozierter Potenziale bei speziellen Fragestellungen
  • Liquordiagnostik
  • CW-Doppler- und farbkodierte Duplexsonographie der extra- und intrakraniellen Gefäße
  • Apparative Diagnostikverfahren: Computertomographie, Szintigraphie und Kernspintomographie (in Kooperation mit Radiologen)

Therapieansätze

Zur Behandlung von Schmerzen stehen medikamentöse und nicht-medikamentöse Verfahren zur Verfügung. Es wird eine individuell abgestimmte Therapie nach den neuesten wissenschaftlichen Standards angeboten.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Behandlung umfasst eine differenzierte Einstellung durch erfahrene Fachärzte. Bei neuropathischen Schmerzsyndromen liegt der Schwerpunkt in der gezielten Testung antineuropathisch wirksamer Medikamente (z.B. Gabapentin, Amitriptylin, Opioide).

Nicht-Medikamentöse Therapie

  • Multimodale Schmerztherapie: Nach dem biopsychosozialen Schmerzmodell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) berücksichtigt die Multimodale Schmerztherapie alle patientenbezogenen, für den Schmerz und seine Behandlung individuell wichtigen Faktoren. Die Multimodale Schmerztherapie ist damit das Therapieverfahren, das nach Meinung der Experten am besten geeignet ist, chronische Schmerzen ganzheitlich zu behandeln und zu lindern.
  • Interventionelle Verfahren: Hierzu zählen beispielsweise Infiltrationstherapien, Denervierungen und neuromodulative Verfahren (spinal-cord-stimulation, periphere Nervenfeldstimulation).
  • Physiotherapie: Erfahrene Physiotherapeuten mit Zusatzqualifikationen führen tägliche Einzel- und Gruppenbehandlungen durch. Bei Koordinations- und Gangstörungen erfolgt eine spezifische Behandlung.
  • Psychologische Betreuung: Im Rahmen der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie werden in Zusammenarbeit mit der psychologischen Abteilung Entzugsbehandlungen durchgeführt, z. B. bei Medikamentenübergebrauchskopfschmerzen oder entgleister Opiatbehandlung.
  • Naturheilkundliche Ansätze und integrative Methoden: Akupunktur, fokussierte und radiale Stoßwellentherapie, Magnetfeldtherapie, Faszientherapie, Neuraltherapie, transkutane elektrische Nervenstimulation, Kinesiotaping, intraartikuläre Infiltrationen mit Hyaluronsäure.

Interventionelle Verfahren im Detail

Organpathologische Erkrankungen können oftmals durch interventionelle oder neuromodulative Verfahren in ihrem Verlauf positiv beeinflusst werden. Hierzu zählen beispielsweise:

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  • Infiltrationstherapien: Durch Injektion eines Lokalanästhestikums und eines Kortikoides kann eine akute Entzündungsreaktion und der damit verbundene Schmerz beeinflusst werden. Häufig werden Facetteninfiltrationen, ISG-Infiltartionen und Nervenwurzeblockaden durchgeführt, die entweder im Röntgen oder CT durchgeführt werden oder alternativ unter sonografischer Kontrolle.
  • Denervierungen: Hierbei wird, ähnlich wie bei den Infiltrationstherapien, mit einer Sonde an das betroffene Gelenk vorgegangen und die Gelenkkapsel mitsamt der versorgenden Nervenfasern verödet.
  • Neuromodulative Verfahren (spinal-cord-stimulation, periphere Nervenfeldstimulation): Bei bestimmten Krankheitsbildern kann durch die Implantation einer Elektrode und eines entsprechenden Stimulationsgerätes die Weiterleitung des Schmerzimpulses an das ZNS verändert werden und es damit zu einer Veränderung der Schmerzwahrnehmung kommen. Ferner hat das Verfahren bei therapierefraktären Durchblutungsstörungen der Extremitäten (pAVK) und am Herzen (Angina pectoris) einen festen Stellenwert.
  • Medikamentenpumpen: Durch die Anlage einer implantierbaren Pumpe können Medikamente unmittelbar in das Liquorsystem und damit unmittelbar an das ZNS appliziert werden.

Das biopsychosoziale Modell des Schmerzes

In der Schmerzmedizin spricht man von einem biopsychosozialen Modell des Schmerzes, das hilft, die Ursache von Schmerzen zu verstehen und Lösungen zu erarbeiten.

  • Biologische Faktoren: organische Schädigungen, biologische Stressreaktion, Regulation des Hormonhaushaltes, Störungen des Schlafes etc.
  • Soziale Faktoren: familiäre Interaktion, Auswirkungen auf Beruf und Arbeitsplatz, soziale Kontakte.
  • Psychologische Faktoren: erlerntes Verhalten, emotionales Erleben, innere Konflikte.

Besteht ein Schmerz länger als 6 Monate, dann wird er als „chronischer Schmerz“ bezeichnet. Dabei ist der Schmerz zu einem eigenständigen Krankheitsbild geworden und hat keinen Bezug mehr zu den ursprünglichen Ursachen der Erkrankung. Der Schmerz hat dann seine nützliche Warnfunktion verloren und führt oft zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität: Einschränkung der körperlichen Aktivitäten und der sozialen Kontakte, mangelnder Schlaf sowie psychischen Symptomen wie z.B. depressive Verstimmung, Energielosigkeit und/oder erhöhte Reizbarkeit. Das alles verstärkt das Schmerzerlebnis und führt zu einer Schmerzchronifizierung.

Ziele der Therapie

Ziel ist es, mit Hilfe und aktiver Mitwirkung der Patienten diesen Teufelskreis zu durchbrechen und Lebensqualität und Lebensfreude zurückzugeben. Hierzu bieten interdisziplinär zusammenarbeitende Ärzte- und Therapeutenteams Hilfen zu einem schmerzfreieren und erfüllteren Leben. Die Vorgeschichte (Anamnese), sorgfältig und ganzheitlich durchgeführten Sitzungen, sowie mehrjährige Erfahrungen mit akuten und chronischen Schmerzpatienten führen dann zu einem besseren Verständnis des Krankheitsbildes, der funktionellen Zusammenhänge der einzelnen Faktoren und letztlich zu einer Steigerung der eigenen Selbstwirksamkeit. Dies benötigt Zeit und Aufmerksamkeit.

Spezifische Therapieziele bei CRPS

Es ist wichtig, frühzeitig nachdem ein CRPS diagnostiziert wurde, eine intensive Behandlung einzuleiten. Je länger die Erkrankung und die Schmerzen bestehen, desto schlechter sind die therapeutischen Möglichkeiten. Dabei steht zunächst die diagnostische Abklärung mit ausführlicher Anamnese und neurologischer sowie orthopädischer Untersuchung sowie apparativer Diagnostik (Röntgen, ggf. Szintigraphie, MRT, Nervenleitungsmessungen etc.) im Vordergrund.

Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit

Die Kombination von Neurologie, Orthopädie, Schmerztherapie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde bietet die Möglichkeit, neben der Behandlung der Primärerkrankung auch Begleitsymptome aus anderen Fachgebieten abzuklären. Regelmäßig werden Patienten mit Morbus Parkinson auch HNO-ärztlich vorgestellt, wo bei unklarer Diagnose auch ein Riechtest (Sniffing Sticks) durchgeführt, die Schluckmotorik mitbeurteilt und bei entsprechender Fragestellung eine gezielte Schwindeldiagnostik ergänzt wird.

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