Neurologie Forschung an der Universität Heidelberg: Fortschritte und Schwerpunkte

Die Neurologische Universitätsklinik Heidelberg ist ein bedeutendes Zentrum für die Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems. Mit über 340 Mitarbeitern, darunter mehr als 180 Pflegekräfte, bietet die Abteilung umfassende neurologische Diagnostik und Therapie. Die Forschung an der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg konzentriert sich auf die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien mit dem Ziel, diese schnellstmöglich für Patienten verfügbar zu machen.

Forschungsschwerpunkte und aktuelle Studien

Die Forschungsschwerpunkte der Abteilung umfassen:

  • Neuroonkologie
  • Vaskuläre Neurologie
  • Neuroimmunologie
  • Akut- und Intensivneurologie
  • Neurodegenerative Erkrankungen und Bewegungsstörungen
  • Systemische Neurowissenschaften

Im Bereich der Systemischen Neurowissenschaften werden insbesondere neuromuskuläre Erkrankungen erforscht. Aktuelle Studien in diesem Bereich sind:

ION-682884-CS13: Langzeitstudie zu hereditärer Transthyretin-vermittelter Amyloid-Polyneuropathie

Diese Erweiterungsstudie untersucht die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit von ION-682884 bei Patienten mit hereditärer Transthyretin-vermittelter Amyloid-Polyneuropathie. Die Phase-IIIb-Studie ist abgeschlossen. Studienleitung: Prof. Dr.

ACT-EARLY (AG10-501): Prävention der Transthyretin-Amyloidose bei jungen Menschen

Eine randomisierte, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie zur Prävention der Transthyretin-Amyloidose mit Acoramidis bei Menschen mit nachgewiesener Variante im Transthyretin-Gen. Die Rekrutierung für diese Studie beginnt voraussichtlich im zweiten Quartal 2025. Studienleitung: Prof. Dr.

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ASCEND: Studie zu höher dosiertem Nusinersen bei spinaler Muskelatrophie

Diese Studie bewertet die Wirkung von höher dosiertem Nusinersen (BIIB058) bei Patienten mit spinaler Muskelatrophie, die zuvor mit Risdiplam behandelt wurden. Es handelt sich um eine offene Phase-IIIb-Studie, in der aktuell Patienten rekrutiert werden. Studienleitung: Prof. Dr.

SMArtCARE: Verlaufsbeobachtung und Therapieevaluation bei spinaler Muskelatrophie

SMArtCARE ist eine Verlaufsbeobachtung und Therapieevaluation bei Spinaler Muskelatrophie. Es handelt sich um eine offene Studie, in der aktuell Patienten rekrutiert werden. Studienleitung: Prof. Dr.

EARLY-ALS: Studie zu Frühsymptomen bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS)

Diese Studie untersucht Frühsymptome bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose und anderen Motoneuronerkrankungen. Die Rekrutierung für diese Studie läuft. Studienleitung: Prof. Dr.

TEAR-ALS: Biomarker-Analyse aus Tränenflüssigkeit bei ALS

In dieser Studie werden Biomarker aus Tränenflüssigkeit bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose und anderen Motoneuronerkrankungen analysiert. Die Rekrutierung für diese Studie läuft. Studienleitung: Prof. Dr.

Psychosoziale und palliative Versorgung von ALS-Patienten

Diese multizentrische, Fragebogen-basierte Studie erfasst die Zufriedenheit mit der palliativen, einschließlich psychosozialen Versorgung von ALS-Patienten in Deutschland. Die Rekrutierung für diese Studie läuft. Studienleitung: Prof. Dr.

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Auszeichnungen und Anerkennung

Die Exzellenz der Heidelberger Neurologie-Forschung wird durch zahlreiche Auszeichnungen belegt. Besonders hervorzuheben ist der Brain Prize 2025, der an Professor Frank Winkler verliehen wird.

Brain Prize 2025 für Prof. Dr. Frank Winkler

Der mit mehr als einer Million Euro dotierte Brain Prize würdigt Professor Frank Winklers Pionierarbeiten zu Nervensystem-Krebs-Interaktionen. Winkler, der an der Medizinischen Fakultät Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) forscht und am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) Patienten mit Hirntumoren behandelt, entdeckte, dass Nervenzellen des Gehirns mit Hirntumorzellen kommunizieren und so das Fortschreiten der Erkrankung beeinflussen. Diese Erkenntnis eröffnet völlig neue Behandlungsansätze.

Winkler zeigte, dass Glioblastomzellen Kontakte mit gesunden Nervenzellen eingehen und von diesen Signale empfangen, was das invasive Wachstum der Tumoren befeuert. Einige Tumorzellen entwickeln sich zu Taktgebern, die zusammen mit den Erregungssignalen der Nervenzellen die Ausbildung eines pilzartigen Tumor-Geflechts im Gehirn vorantreiben. Dieses Netzwerk ermöglicht den Tumorzellen eine komplexe Kommunikation und verleiht ihnen enorme Widerstandskraft gegen gängige Therapien.

Aktuell prüft das Team um Winkler in einer klinischen Studie, ob ein Medikament, das bei Epilepsie zum Einsatz kommt, die Kommunikation zwischen Nerven- und Tumorzellen stören und somit Patientinnen und Patienten mit Glioblastom Vorteile bringen kann.

Cancer Neuroscience: Ein neuer Forschungsbereich

Im neuen Forschungsbereich „Cancer Neuroscience“ steht das Zusammenspiel von Nervensystem und Krebs im Fokus. Es wird untersucht, welche Rolle das Nervensystem bei der Entstehung und Ausbreitung von Tumoren spielt, ob Wechselwirkungen die Prognose beeinflussen und ob diese Prozesse gestoppt oder für Therapien genutzt werden können.

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Professor Dr. Michael Boutros, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg, betont, dass „Cancer Neuroscience“ als Forschungsthema in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird, da immer deutlicher wird, dass das Nervensystem bei Krebserkrankungen, auch denen außerhalb des Gehirns, eine wichtige Rolle spielt.

Kooperationen und Translation

Die Neurologische Universitätsklinik Heidelberg profitiert von der engen Verzahnung von Universität, Universitätsklinikum und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie dem DKFZ. Diese Kooperationen ermöglichen einen schnellen Transfer neuer Erkenntnisse aus der Forschung in die klinische Versorgung.

Professor Dr. Dr. Jürgen Debus, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), betont, dass dies gelebte Translation ist, wenn neue Erkenntnisse aus der Forschung zeitnah in die klinische Versorgung fließen.

Rolle des Innovationscampus Health and Life Science Alliance

Die Rektorin der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Frauke Melchior, betont die Bedeutung des Innovationscampus Health + Life Science Alliance Heidelberg Mannheim für die Förderung patientenbezogener Forschung und klinischer Praxis. In der Allianz arbeiten Mitglieder von Universität, Universitätsklinika und außeruniversitären Einrichtungen in engen Kollaborationen, um in der Verbindung von Forschung, Klinik und Medizintechnik neue wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst schnell in die medizinische Versorgung einzubringen.

Grundlagenforschung zu Glioblastomen

Die Arbeitsgruppe von Prof. Winkler hat bereits 2015 entdeckt, dass Glioblastomzellen untereinander durch lange Zellfortsätze verbunden sind und wie ein Pilzgeflecht in das gesunde Gehirn einwachsen. 2019 veröffentlichte Winkler mit seinem Team weitere bahnbrechende Erkenntnisse: Nervenzellen des Gehirns knüpfen Kontakte zu den Tumorzellen von Glioblastomen, geben Erregungssignale an diese weiter und befeuern so die Ausbreitung und Vernetzung der Krebszellen im Gehirn. Zudem fanden sie heraus, dass es sich bei den Zell-Zell-Kontakten um echte Synapsen handelt, die genauso aufgebaut sind wie die Kontaktstellen zwischen gesunden Nervenzellen und auch mit denselben Wirkstoffen gehemmt werden können.

Sonderforschungsbereich UNITE GLIOBLASTOMA

Winklers Forschungsarbeiten sind unter anderem Teil des Sonderforschungsbereichs „UNITE GLIOBLASTOMA - Überwindung der Therapieresistenz von Glioblastomen (SFB1389)“, der von Heidelberg aus koordiniert wird. Sprecher ist Professor Dr. Wolfgang Wick, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des UKHD und Leiter der Klinischen Kooperationseinheit „Neuroonkologie“ von UKHD und DKFZ.

Strategische Ausrichtung und Ziele

Die wissenschaftliche Strategie der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg konzentriert sich auf die Bereiche Neuroonkologie, Vaskuläre Neurologie, Neuroimmunologie, Akut- und Intensivneurologie, Systemische Neurowissenschaften und Neurodegeneration. Ziel ist es, die Translation von Forschungsergebnissen in die klinische Anwendung zum Wohle der Patienten voranzutreiben.

Die Abteilung veröffentlichte in den Jahren 2021/2022 mehr als 360 Publikationen. Die Forschungsgruppen der Abteilung haben zahlreiche Forschungsprojektförderungen in Höhe von mehr als 4,5 Millionen Euro im Jahr 2021 erhalten. Der Sonderforschungsbereich 1389 "Understanding and targeting resistance in glioblastoma" wurde für weitere 4 Jahre (2023) verlängert, ebenso wie das von der EKFS finanzierte Heidelberg Research College for Neurooncology und das Hertie Network of Excellence in Clinical Neuroscience.

Klinische Studien

Ein Fokus der Tätigkeit der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg liegt auf der Entwicklung und Durchführung innovativer klinischer Studien, um Patienten frühzeitig am medizinischen Fortschritt teilhaben zu lassen. Im Jahr 2021 wurden 41 diagnostische, therapeutische und präventive Studien durchgeführt oder geleitet. Die ärztlichen Mitarbeiter werden von einem Team von Studienassistentinnen bei der Koordination und Durchführung klinischer Studien unterstützt. Alle Studien werden in Zusammenarbeit mit der Klinischen Koordinierungsstelle (KKS) Heidelberg, dem Institut für Medizinische Biometrie und Informatik und/oder der NCT Studienzentrale koordiniert.

Aktuell wird ein Konzept erarbeitet, um die Studienstrukturen der Schwerpunkte zusammenzufassen und die studienspezifischen Prozesse standardisiert, einheitlich und effektiv zu organisieren.

NCT Heidelberg: Sprechstunde und Untersuchungsergebnisse

Patienten, die das erste Mal zur Sprechstunde ins NCT Heidelberg kommen, werden gebeten, alle bisherigen Untersuchungsergebnisse in Kopie mitzubringen, wie zum Beispiel pathologische Befunde und alle Bildgebung auf CD gebrannt, sowie eine Überweisung (Vermerk: "Universitätsklinikum HD, NCT").

Ausgewählte Publikationen

Die Neurologische Universitätsklinik Heidelberg hat zahlreiche hochrangige Publikationen veröffentlicht, darunter:

  • Nature, 613(7942):179-186 Autonomous rhythmic activity in glioma networks drives brain tumour growth (2023)
  • Cancer Res Active remodeling of capillary endothelium via cancer cell-derived MMP9 promotes metastatic brain colonization (2023)
  • Neuro Oncol. 23(1):95-105 N2M2 (NOA-20) phase I/II trial of molecularly matched targeted therapies plus radiotherapy in patients with newly diagnosed non-MGMT hypermethylated glioblastoma (2019)

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