Neurologische Ausfälle in den Beinen können vielfältige Ursachen haben und sich in unterschiedlichen Symptomen äußern. Sie können von leichten Missempfindungen bis hin zu schweren Lähmungen reichen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die möglichen Ursachen, Diagnosemethoden und Behandlungsansätze bei neurologischen Ausfällen in den Beinen.
Einführung
Das Gehen ist eine komplexe Ganzkörperleistung, die das Zusammenspiel von Gelenken, Knochen, Muskeln, Nerven, Sinnessystemen und Gehirn erfordert. Störungen in einem dieser Bereiche können zu Gangstörungen und neurologischen Ausfällen in den Beinen führen. Diese Ausfälle können sich in Form von Kraftlosigkeit, Gefühlsstörungen, unruhigen Beinen oder einseitigen Lähmungen äußern.
Ursachen neurologischer Ausfälle in den Beinen
Die Ursachen für neurologische Ausfälle in den Beinen sind vielfältig und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:
Funktionelle Störungen
Funktionelle Gefühls- und Bewegungsstörungen wie Lähmungserscheinungen (Paresen) oder Taubheitsgefühle treten meist unerwartet auf - oft in Situationen hoher seelischer Belastung. Ursache ist nicht eine strukturelle Schädigung des Nervensystems. Diese Fehlanpassung findet jenseits der bewussten Kontrolle statt. Menschen, die bereits neurologische Ausfälle aufgrund einer anderen Krankheit haben, können zusätzlich funktionelle Ausfälle entwickeln. Psychische Risikofaktoren sind eine Depression, Angststörungen.
Neuromuskuläre Erkrankungen
Den neuromuskulären Erkrankungen liegt eine Schädigung des Nerven, der neuromuskulären Übertragung oder des Muskels zugrunde. Je nach Ursache der neuromuskulären Erkrankung stehen spezifische Therapien zur Verfügung. Bei erworbenen Erkrankungen sollte die verursachende Erkrankung spezifisch therapiert werden, wie z.B. der Diabetes mellitus bei einer diabetisch-bedingten Polyneuropathie. Bei den autoimmun entzündlichen Erkrankungen kommen sogenannte Immunsuppressiva zum Einsatz.
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Polyneuropathie
Eine Polyneuropathie ist eine Erkrankung, bei der mehrere Nerven oder ganze Nervenstrukturen geschädigt sind. Dadurch werden Reize zwischen Nerven, Rückenmark und Gehirn nicht mehr richtig weitergeleitet, was zu Schmerzen, Missempfindungen, Gefühlsstörungen oder Muskelschwäche führen kann. Polyneuropathie kann erblich bedingt oder im Laufe des Lebens erworben sein. Schädigungen an den peripheren Nerven können etwa durch Entzündungsprozesse im Körper als Folge einer Autoimmunerkrankung oder einer Infektion mit bestimmten Viren bzw. Bakterien auftreten. Dafür bekannte Erkrankungen sind unter anderem Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose. Eine weitere häufige Ursache ist die Abhängigkeit von Alkohol, wegen seiner nervenschädigenden Wirkung bei langjährigem hohen Konsum.
Restless-Legs-Syndrom (RLS)
Beim Restless-Legs-Syndrom (RLS), übersetzt das ruhelose Beine Syndrom, handelt es sich um eine neurologische Erkrankung, bei der Betroffene einen enormen Bewegungsdrang haben und vor allem Schmerzen, Missempfinden oder Kribbeln in den Beinen verspüren. Dabei können die Beinbewegungen auch unwillkürlich auftreten, z. B. in Form von zuckenden Beinen, vor allem im Schlaf. Die genaue Ursache für das Restless-Legs-Syndrom ist wissenschaftlich bisher nicht final geklärt. Es wird vermutet, dass unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen können, vor allem genetische Veranlagung und Veränderungen im Nervensystem. Dabei gibt es Hinweise, dass die RLS-Erkrankung in Zusammenhang mit der Störung des Dopamin-Stoffwechsels steht.
Gangstörungen
Gestörtes Gehen kann durch Fehlfunktionen von Knochen, Muskeln, Gelenken, Nerven oder Hirnfunktionen kommen. Auf neurologischem Gebiet sind vor allem Störungen der Nerven zu den Beinen (Polyneuropathie, Spinalkanalstenose), der Sinnessysteme (Augen, Gleichgewichtsorgane im Innenohr, Nerven an Gelenken und Muskeln) sowie verschiedene akute und chronische Hirnerkrankungen (Schlaganfall, Parkinson, Ataxie, Multiple Sklerose) von Bedeutung. Nicht selten verstärkt die Angst vor Stürzen die Unsicherheit zusätzlich.
Genetische Ursachen
In seltenen Fällen können neurologische Ausfälle in den Beinen auch genetisch bedingt sein. Ein Beispiel hierfür ist die BSCL2-Mutation, die zu einer komplizierten hereditären spastischen Paraparese führen kann.
Symptome neurologischer Ausfälle in den Beinen
Die Symptome neurologischer Ausfälle in den Beinen können vielfältig sein und hängen von der zugrunde liegenden Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab. Einige häufige Symptome sind:
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- Kraftlosigkeit oder Schwäche in den Beinen
- Gefühlsstörungen wie Taubheit, Kribbeln oder Brennen
- Schmerzen in den Beinen
- Muskelschwund
- Muskelkrämpfe oder -zuckungen
- Gangstörungen
- Unruhige Beine (Restless-Legs-Syndrom)
- Einschränkungen der Beweglichkeit
- Koordinationsschwierigkeiten
- Schwindel
- Blasenschwäche
- Verstärktes Schwitzen
Diagnose neurologischer Ausfälle in den Beinen
Die Diagnose neurologischer Ausfälle in den Beinen umfasst in der Regel eine umfassende Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene technische Untersuchungen.
Anamnese
Im Rahmen der Anamnese erfragt der Arzt die genaue Art und Entwicklungsgeschichte der Beschwerden, wann und in welchem Zusammenhang diese begonnen haben und wie sie sich auswirken.
Körperliche Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung prüft der Arzt, ob Muskeln gelähmt oder geschwächt sind. Einschränkungen beim Reizempfinden oder eine Beeinträchtigung der Reflexe können ebenfalls auffallen.
Technische Untersuchungen
Zur weiteren Abklärung können verschiedene technische Untersuchungen durchgeführt werden:
- Elektroneurographie: Bei der Elektroneurographie wird ein Elektrodenset im Gebiet des Nervenverlaufs auf die Haut geklebt - so lassen sich die elektrischen Impulse der Nerven messen. Die Untersuchung hilft dabei, herauszufinden, wie die Nervensignale transportiert und im Körper verteilt werden - Nervenschädigungen führen zu einem auffälligen Ergebnis und geben Hinweise zur Abgrenzung der Nervenausfälle.
- Elektromyographie: Macht deutlich, ob und wie stark die Muskeln auf die Nervensignale ansprechen. Bei dieser Untersuchung werden dünne Nadelelektroden durch die Haut in den entsprechenden Muskel eingeführt.
- Laboruntersuchungen: Laboruntersuchungen von Urin, Gehirnwasser, Blut oder Gewebeproben können durchgeführt werden, um die Ursache der neurologischen Ausfälle zu finden.
- Bildgebende Verfahren: Bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomografie (MRT) oder Ultraschall können eingesetzt werden, um Muskeln und Nerven darzustellen.
- Genetische Tests: Bei Verdacht auf eine genetische Ursache können genetische Tests durchgeführt werden, um Mutationen in bestimmten Genen nachzuweisen.
- Quantitative Sensorische Testung (QST): Bei der standardisierten Quantitativen Sensorischen Testung werden durch verschiedene Gefühlstests an der Haut Werte ermittelt. Sie helfen zu erkennen, welche Nervenfasern genau geschädigt sind und wie stark die Schädigung fortgeschritten ist.
- Thermode: Um das Temperaturempfinden exakt zu messen, kommen bei der sogenannten Thermode computergesteuerte Temperaturreize zum Einsatz.
- Nerv-Muskel-Biopsie: Die Untersuchung einer Gewebeprobe kann helfen, die Ursache einer Polyneuropathie zu finden. Dazu wird eine sogenannte Nerv-Muskel-Biopsie aus dem Schienbein entnommen und feingeweblich untersucht. Hierbei wird festgestellt, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist.
Behandlung neurologischer Ausfälle in den Beinen
Die Behandlung neurologischer Ausfälle in den Beinen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und dem Ausmaß der Schädigung. Einige allgemeine Behandlungsansätze sind:
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- Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die neurologischen Ausfälle durch eine Grunderkrankung wie Diabetes, Alkoholabhängigkeit oder eine Autoimmunerkrankung verursacht werden, muss diese Grunderkrankung behandelt werden.
- Medikamentöse Therapie: Je nach Ursache können verschiedene Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und die Nervenfunktion zu verbessern. Dazu gehören Schmerzmittel, Antidepressiva, Antikonvulsiva und Medikamente zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Beweglichkeit zu verbessern, Gangstörungen zu reduzieren und die Koordination zu schulen.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und компенсаторische Strategien zu entwickeln.
- Orthopädische Hilfsmittel: Spezielle Schienen, sogenannte Orthesen, helfen Betroffenen mit Muskellähmungen dabei, Hände und Füße beweglich zu halten.
- Psychotherapie: Bei funktionellen neurologischen Ausfällen kann eine Psychotherapie helfen, die seelischen Belastungen zu bewältigen und die Symptome zu reduzieren.
- Spezielle Therapien: In einigen Fällen können spezielle Therapien wie die Elektrotherapie oder die Akupunktur eingesetzt werden, um die Nervenfunktion zu stimulieren und die Schmerzen zu lindern.
Leben mit neurologischen Ausfällen in den Beinen
Neurologische Ausfälle in den Beinen können eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität bedeuten. Es gibt jedoch verschiedene Maßnahmen, die Betroffene ergreifen können, um ihr Wohlbefinden zu steigern und Risiken zu minimieren:
- Blutzuckerkontrolle: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
- Fußkontrolle: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
- Bewegung: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Alkohol, Nikotin und bestimmte Medikamente können die Nerven schädigen. Daher sollten diese Risikofaktoren vermieden werden.
- Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit genügend Vitaminen und Mineralstoffen ist wichtig für die Nervenfunktion.
- Regelmäßige ärztliche Kontrollen: Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind wichtig, um den Verlauf der Erkrankung zu überwachen und die Behandlung anzupassen.
Fallbeispiel
Ein 43-jähriger Patient stellte sich mit einer langsam fortschreitenden, beidseitigen Fuß- und Zehenheberparese, Gangstörung und mild ausgeprägter Spastik der Beine sowie bestehenden Hohlfüßen vor. Erste Symptome waren mit Anfang 20 aufgetreten. Durch eine Gen-Panel-Analyse wurde eine BSCL2-Mutation nachgewiesen, die die klinische Symptomatik erklärte. Da eine ursächliche Behandlung nicht möglich ist, steht die Physiotherapie im Vordergrund, ggf. kann auch eine orthopädische Behandlung und die Versorgung mit speziellen Schuhen und Orthesen nützlich sein. Jährliche neurologische Verlaufskontrollen sind zu empfehlen sowie die Vermeidung neurotoxischer Medikamente.
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