Neurologische Erkrankungen nach Corona-Impfung: Ursachen und aktuelle Forschungslage

Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Gesundheitssysteme weltweit vor immense Herausforderungen gestellt, sondern auch zu neuen medizinischen Fragestellungen geführt. Neben den direkten Auswirkungen der SARS-CoV-2-Infektion rücken zunehmend auch mögliche langfristige Folgen und Komplikationen nach einer COVID-19-Impfung in den Fokus. Neurologische Erkrankungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung auftreten, haben in der Öffentlichkeit bereits zu Verunsicherung geführt. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Forschungslage zu neurologischen Erkrankungen nach Corona-Impfungen, diskutiert mögliche Ursachen und geht auf die Bedeutung der Impfung im Kontext neurologischer Risiken ein.

Immunologische Veränderungen im Gehirn nach COVID-19

Eine aktuelle Studie Freiburger Forscherinnen hat wichtige Fortschritte im Verständnis der immunologischen Veränderungen im Gehirn von COVID-19-Genesenen gemacht. Im Gehirn von Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion überstanden haben, fanden sie Anzeichen einer anhaltenden Aktivierung des angeborenen Immunsystems. Diese Erkenntnisse könnten entscheidend für die Entwicklung neuer Therapien für Patientinnen mit langfristigen neurologischen Symptomen nach COVID-19 sein.

Die Forscherinnen untersuchten die Gehirne von Personen, die an COVID-19 erkrankt, vollständig genesen und zu einem späteren Zeitpunkt an einer anderen Ursache verstorben waren. Bei diesen ermittelten sie immunologische Veränderungen im zentralen Nervensystem unter Einsatz von hochmodernen Methoden des maschinellen Lernens und einer räumlichen Auflösung auf Einzelzell-Ebene. Im Vergleich zu ebenfalls untersuchten Personen ohne vorherige SARS-CoV-2-Infektion fanden die Forscherinnen in den Gehirnen von Genesenen zahlreiche sogenannte Mikrogliaknötchen. Diese charakteristischen Immun-Zellansammlungen weisen auf eine chronische Immunaktivierung hin, ähnlich einer Narbe, die nicht vollständig ausheilt. „Die Mikrogliaknötchen könnten eine zentrale Rolle bei den neurologischen Veränderungen spielen, die bei einigen Genesenen beobachtet werden“, erklärt Dr. Marius Schwabenland, Erstautor der Studie.

Studienleiter Prinz betont: „Unsere Studie ist ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, wie COVID-19 das Gehirn langfristig beeinflusst. Dies könnte uns helfen, gezielte Therapien zu entwickeln, die diese Immunreaktionen modulieren und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.“

Die Untersuchung verschiedener Zelltypen des angeborenen und erworbenen Immunsystems und das Zusammenspiel dieser Zellen stellt einen vielversprechenden Ansatz für künftige Forschungsprojekte dar, die über COVID-19 hinausgehen.

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Neurologische Symptome: Folge der Entzündung, nicht der Infektion des Gehirns?

Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme oder Fatigue sind nur einige der neurologischen Beeinträchtigungen, die während einer Corona-Infektion auftreten und auch darüber hinaus andauern können. Forschende vermuteten schon früh in der Pandemie, dass eine direkte Infektion des Gehirns die Ursache dafür sein könnte. Eine Studie der Charité - Universitätsmedizin Berlin liefert jetzt Belege für letztere Theorie.

Die Charité-Wissenschaftler:innen konnten in einigen Fällen das Erbgut des Coronavirus im Gehirn nachweisen. „SARS-CoV-2-infizierte Nervenzellen haben wir jedoch nicht gefunden“, betont Helena Radbruch. „Wir gehen davon aus, dass Immunzellen das Virus im Körper aufgenommen haben und dann ins Gehirn gewandert sind. Sie tragen noch immer Virus in sich, es infiziert aber keine Gehirnzellen. Dennoch beobachteten die Forschenden, dass bei den COVID-19-Betroffenen die molekularen Vorgänge in manchen Zellen des Gehirns auffällig verändert waren: Die Zellen fuhren beispielsweise den sogenannten Interferon-Signalweg hoch, der typischerweise im Zuge einer viralen Infektion aktiviert wird. Die Nervenzellen reagieren dabei nur vorübergehend auf die Entzündung, wie ein Vergleich von Menschen zeigte, die entweder während der akuten Corona-Infektion oder erst mindestens zwei Wochen danach verstorben waren.

Das Forschungsteam plant nun, die molekularen Signaturen im Hirnwasser von Long-COVID-Patient:innen genauer zu untersuchen.

Keine Häufung neurologischer Erkrankungen nach Corona-Impfung?

Eine Studie mit rund 23 Millionen Teilnehmern belegt, dass neurologische Erkrankungen nach einer Impfung gegen Corona nicht gehäuft auftreten. An der Studie nahmen 8.330.497 Menschen teil, die mindestens eine Dosis eines Corona-Impfstoffes (Astrazeneca, Biontech, Moderna oder Johnson & Johnson) erhalten hatten, außerdem 735.870 ungeimpfte Personen, die sich nachweislich (mittels PCR-Test) mit Corona infiziert hatten, sowie eine Kontrollgruppe mit 14.330.080 Menschen aus der Allgemeinbevölkerung. Dann wurde die Häufigkeit von neurologischen Erkrankungen bei den Geimpften 21 Tage nach der ersten Corona-Impfung, bei den Ungeimpften 90 Tage nach einem positiven PCR-Test auf eine Corona-Infektion und in der Allgemeinbevölkerung in einem Beobachtungszeitraum von zwei Jahren (zwischen 2017 und 2019) ermittelt. Die Häufigkeit der Entwicklung von neurologischen Erkrankungen war in der Gruppe der Menschen mit Corona-Impfung vergleichbar mit derjenigen in der Allgemeinbevölkerung - also unauffällig. Demgegenüber fielen die Inzidenzraten bei den ungeimpften Corona-Infizierten deutlich höher aus, als in der Allgemeinbevölkerung zu erwarten gewesen wäre.

Die Ursache des sog. Neuro-Covid-Syndroms ist eine deutlich geschwächte Immun- und Interferonantwort bei COVID-Patienten, die zu Begleit- und Folgeerscheinungen führen, die speziell das Nervensystem betreffen. Forschende vermuten, dass durch eine Erkrankung an Covid die Blut-Hirn-Schranke fehlreguliert sein könnte, so dass der Eintritt der SARS-CoV-2-Viren ins Gehirn erleichtert würde.

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Neurologische Komplikationen führen häufig auch dazu, an Covid zu sterben. Besonders ungünstig für die Prognose ist eine akute Hirnfunktionsstörung (Enzephalopathie) - diese erhöht das Sterberisiko um mehr als das Fünffache! Deshalb raten Neurologen dazu, sich gegen Covid impfen zu lassen.

Zerebrale Sinus- und Venenthrombosen (CSVT) nach Vektorimpfstoffen

Der einzige ursächliche Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und neurologischen Nebenwirkungen wurde für das Auftreten von sogenannten cerebralen Sinus- und Venenthrombosen (CSVT) nach der Anwendung von Vektorimpfstoffen aufgezeigt, die aber äußerst selten sind und dann zum Glück konsequent therapiert werden können. Leitsymptome für die Entwicklung von Sinus- und Hirnvenenthrombosen sind anhaltende, starke Kopfschmerzen. Zum Arzt gehen sollten Betroffene nur, wenn sie in den ersten zwei bis drei Wochen nach der Impfung über einen Zeitraum von mehreren Tagen hinweg ungewöhnlich starke Kopfschmerzen erleiden, die sich mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln nicht oder nur teilweise lindern lassen. Das gilt vor allem, wenn zusätzlich neurologische Symptome wie halbseitige Lähmungen, Gefühlsstörungen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle hinzukommen sollten.

Eine in Deutschland durchgeführte Studie unter der Projektleitung der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen beschreibt das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2. Auffällig war, dass nicht nur jüngere Frauen ein höheres Risiko für zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem Vakzin ChAdOx1 (AstraZeneca) hatten, sondern auch ältere Frauen. Die DGN-Studie „Cerebral venous thrombosis associated with vaccination against COVID-19“ zeigt, dass es nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit Vakzinierung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen.

In 95,2 Prozent der Fälle waren die unerwünschten Ereignisse nach erster Gabe des Impfstoffs aufgetreten: bei 45 Fällen handelte es sich um zerebrale Venenthrombosen, bei neun um ischämische Schlaganfälle, bei vier um Hirnblutungen und bei weiteren vier um andere thrombotische Ereignisse. 53 der insgesamt 62 bestätigten Fälle (85,5 Prozent) waren nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff ChAdOx1 aufgetreten, neun Fälle (14,5 Prozent) nach Impfung mit dem BioNTech-Vakzin BNT162b2. Es wurden keine Ereignisse nach Gabe des Impfstoffs mRNA-1273 von Moderna beobachtet.

Bei Frauen unter 60 Jahren, die eine Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin erhalten hatten, betrug die Ereignisrate für CVT innerhalb eines Monats nach der Erstimpfung 24,2/100.000 Personenjahre, bei gleichaltrigen Männern 8,9/100.000, lag damit also deutlich niedriger. Bei unter 60-Jährigen, die den BioNTech-Impfstoff erhalten hatten, betrug die Ereignisrate 3,6/100.000 Personenjahre bei Frauen und 3,5/100.000 bei Männern. „Die Inzidenzrate der Hirnvenenthrombosen bei Frauen unter 60 nach Gabe des AstraZeneca-Impfstoffs betrug 24,2/100.000 Personenjahre, die von Frauen über 60 nach Gabe des gleichen Impfstoffs 20,5/100.000 Personenjahre. Unsere Daten zeigen also: Auch ältere Frauen haben ein erhöhtes Risiko, Hirnvenenthrombosen nach Gabe des AstraZeneca-Vakzins zu erleiden.

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Nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ChAdOx1 kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Vakzine-induzierten immunogenen thrombotischen Thrombozytopenie (VITT) kommen. In der vorliegenden Studie konnten 57,8 Prozent der gemeldeten Fälle von Hirnvenenthrombosen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit durch die Kliniker auf eine solche VITT zurückgeführt werden.

Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und Vektorimpfstoffe

Die Covid-19-Vakzine Jcovden (COVID-19-Impfstoff Ad26.COV2-S [rekombinant]) von Johnson & Johnson könnte mit einem erhöhten Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) assoziiert sein. Das ergab eine im „JAMA Network Open“ publizierte Auswertung der Fälle, die an die US-Nebenwirkungsdatenbank VAERS gemeldet wurden. Die GBS-Melderaten innerhalb von 21 und 42 Tagen nach der Janssen-Impfung waren neun- bis zwölfmal höher als nach einer mRNA-Impfung mit den Covid-19-Vakzinen von BioNTech/Pfizer (Comirnaty) und Moderna (Spikevax). Für die beiden mRNA-Impfstoffe konnte kein entsprechender Zusammenhang ermittelt werden.

Die retrospektive Kohortenstudie wertete die von Dezember 2020 bis Januar 2022 beim Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS) eingegangenen Meldungen über Erkrankungen am Guillain-Barré-Syndrom nach einer Covid-19-Impfung aus. Als Vakzine kamen Ad26.COV2.S (Johnson & Johnson), BNT162b2 (BioNTech/Pfizer) und mRNA-1273 (Moderna) zum Einsatz. Die Forschenden verglichen die Meldemuster in den 21 und 42 Tagen nach der Coronaimpfung. In Summe umfasste die Analyse 487.651.785 Covid-19-Impfdosen.

Die 21-Tage-Raten an Meldungen pro 1.000.000 Impfdosen betrugen 3,29 für Ad26.COV2.S (Johnson & Johnson), 0,29 für BNT162b2 (BioNTech/Pfizer) und 0,35 für mRNA-1273 (Moderna). Die entsprechenden Raten in den 42 Tagen nach der Impfung lagen bei 4,07 (Johnson & Johnson), 0,34 (BioNTech/Pfizer) und 0,44 (Moderna). In den 21 Tagen nach der Impfung mit der Covid-19-Vakzine Janssen gab es mehr GBS-Meldungen als nach der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer (RRR 11,40, 95%-KI 8,11-15,99) oder Moderna (RRR 9,26, 95%-KI 6,57-13,07]). Ähnliche Ergebnisse wurden innerhalb von 42 Tagen nach der Impfung beobachtet (BNT162b2: RRR 12,06, 95%-KI 8,86-16,43; mRNA-1273: RRR 9,27, 95%-KI 6,80-12,63).

Die Rate von beobachteten zu erwarteten (OE-Ratio) Fällen an Guillain-Barré-Syndrom betrug 3,79 (95%-KI 2.88-4.88) für das 21-Tage- und 2,34 (95%-KI 1.83-2.94) für das 42-Tage-Intervall nach der Janssen-Impfung. Nach der mRNA-Impfung mit BNT162b2 und mRNA-1273 lag die OE-Ratio in beiden Zeiträumen unter 1 (nicht signifikant).

Demzufolge scheint dieser Impfstoff mit einem erhöhten Risiko für GBS verbunden zu sein. Das absolute GBS-Risiko nach der Janssen-Covid-19-Impfung liegt laut Schätzungen der Forschenden aber nur in einer Größenordnung von einigen Fällen pro Million Impfdosen.

Ad26.COV2.S ist ein rekombinanter Impfstoff, der einen nicht replizierenden Adenovirus-Vektor verwendet, welcher für das SARS-CoV-2-Spike-Protein kodiert, um eine immunologische Antikörperreaktion auszulösen. Ebenso gab es Berichte über ein erhöhtes GBS-Risiko nach der Impfung mit der ChAdOx1 nCov-19 Vakzine (Vaxzevria von AstraZeneca). Ein erhöhtes GBS-Risiko nach diesen Impfstoffen könnte auf einen Zusammenhang mit Adenovirus-Vektor-Impfstoffklassen hindeuten, zumindest in Bezug auf Covid-19-Impfstoffe.

Persistenz des Spike-Proteins im Gehirn

Forschende von Helmholtz Munich und der LMU haben einen Mechanismus identifiziert, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long COVID erklärt. Die Studie zeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten, und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleibt. Diese dauerhafte Präsenz des Spike-Proteins könnte bei den Betroffenen chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen. Das Team unter Leitung von Prof. Ali Ertürk, Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich, stellte zudem fest, dass mRNA-COVID-19-Impfstoffe die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn deutlich reduzieren.

Die im Fachjournal Cell Host & Microbe erschienene Studie zeigte signifikant erhöhte Konzentrationen des Spike-Proteins im Knochenmark des Schädels und in den Hirnhäuten, selbst Jahre nach der Infektion. Das Spike-Protein bindet an sogenannte ACE2-Rezeptoren, die in diesen Regionen besonders häufig vorkommen. Das Team um Ertürk entdeckte, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn signifikant reduziert. Mit dem mRNA-Impfstoff geimpfte Mäuse zeigten niedrigere Spike-Protein-Werte sowohl im Gehirngewebe als auch im Knochenmark des Schädels im Vergleich zu ungeimpften Mäusen.

Herausforderungen bei der Ursachenforschung

SARS-CoV-2 gehört nach jetzigem Wissensstand nicht zu den Viren, die bevorzugt Nervenzellen befallen, im Gegensatz etwa zum Herpesvirus. Was die Ursachenforschung aber so schwierig macht, erklärt Prof. Dr. Andreas Steinbrecher, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Helios Klinikum Erfurt: „Die Krux bei der Beurteilung der Erkrankungen ist die Falldefinition. Häufig ist nicht klar, ob die beobachtete neurologische Erkrankung wirklich durch die Covid-19 Erkrankung verursacht oder zufällig gleichzeitig aufgetreten ist".

Eine neuere Studie aus Oxford gibt konkrete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Gehirn durch eine Covid-19-Erkrankung. Die Forscher:innen konnten anhand von Hirnscans Veränderungen im Gehirn messen. „Interessant ist, dass diese Veränderungen vor allem die sogenannten limbischen Hirnregionen betreffen. Dies könnte mit den häufig bei COVID-19 beobachteten Riechstörungen zusammenhängen.

Zu den häufigen neurologischen Symptomen von Corona-Patienten zählen: Riechstörungen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, in schweren Fällen auch schwere Muskelentzündungen. Bewusstseinsstörungen und Delir: Diese werden sehr häufig beobachtet. Schlaganfälle zeigen sich unter anderem mit den typischen halbseitigen Lähmungen sowie Sensibilitäts- und Sehstörungen. Entzündungen Gehirn und Rückenmark: Im Rahmen der Covid-19-Erkrankung kann es auch zu Entzündungen des Gehirns und selten auch des Rückenmarks kommen. Ähnlich immunvermittelte Erkrankungen treten auch an den peripheren Nerven in Form des sogenannten Guillain-Barré-Syndroms (GBS) auf.

Viele der neurologischen Symptome klingen wieder ab. Laut einer Metaanalyse kommt es bei circa fünf Prozent der Erkrankten zu anhaltenden Geruchsstörungen. Folgen eines Schlaganfalls können hingegen lebenslang spürbar sein und bleiben. Selbiges gilt für die entzündlichen Komplikationen. Andererseits scheint die COVID-19 Erkrankung nicht häufiger als andere, vergleichbar schwere Erkrankungen, zu neurologischen und psychiatrischen Problemen zu führen.

Post-Vac-Syndrom: Long COVID nach Impfung?

Vieles deutet darauf hin, dass zu den bereits bekannten unerwünschten Ereignissen nach einer COVID-19-Impfung auch ein Multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS-C) und Long COVID zählen. Einige Experten sprechen von Post-Vac.

Noch könne man nicht ausschließen, dass sich hinter den Beschwerden nicht eine andere, nur im zeitlichen Zusammenhang neu aufgetretene Erkrankung verberge, gab Franke zu Bedenken.

Die Patienten präsentieren sich mit einem sehr heterogenen Bild, welches dem eines Long-COVID-Syndroms sehr ähnlich ist.

Wie häufig Long COVID nach einer Impfung tatsächlich vorkommt, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Im Hinblick auf die Nebenwirkungen, die im Post-Marketing-Report von BioNTech/Pfizer angegeben sind, schätzt Schieffer die Wahrscheinlichkeit von Post-Vac auf etwa 0,02 % nach einer Impfung. Die Inzidenz von Long COVID variiert in Studien stark und erreicht 2 % bis hin zu 60 %.

An der Charité leitet er eine Beobachtungsstudie „Sicherheitsprofil von COVID-19-Impfstoffen“ (ImpfSurv), die laut Matthes mehr schwerwiegende Impfreaktionen zeigt, als dem PEI gemeldet würden. Die Daten der noch nicht abgeschlossenen Studie sind allerdings weder überprüfbar noch repräsentativ und die Definition von „schwerwiegend“ weicht vermutlich von der des PEI ab. Die Impfung befürwortet Matthes dennoch, da die Risiken einer Infektion größer seien.

Es zeichnet sich ab, dass PIMS auch aufgrund einer Impfung auftreten kann, allerdings seltener als nach einer SARS-CoV-2-Infektion. In Deutschland seien es aktuell 23 PIMS-Fälle, die trotz oder wegen einer Impfung der DGPI gemeldet worden seien (Stand 2. Mai 2022), sagte Dr. med. Jakob Armann vom Universitätsklinikum Dresden, der den PIMS-Survey zusammen mit anderen Pädiatern leitet.

Neuro-Covid: Angriff aufs Gehirn

Viele Covid-19-Patientinnen entwickeln neurologische Beschwerden, die unter dem Begriff "Neuro-Covid" zusammengefasst werden. Anhaltende Erschöpfung, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen - nicht nur viele Intensivpatientinnen, sondern auch leicht Erkrankte leiden während und noch Monate nach einer Covid-19-Erkrankung unter Neuro-Covid. In extremen Fällen kommt es sogar zu demenzähnlichen Symptomen oder Psychosen.

Schwere neurologische Komplikationen wie Schlaganfälle und Hirnblutungen haben ihre Ursache in der Blutgerinnung. Störungen der Gerinnung sind bei Covid-19-Pneumonie eher die Regel als die Ausnahme und bilden eine eigene Entität der Covid-19-Erkrankung. Es bilden sich in der Folge Gerinnsel, die ischämische Schlaganfälle oder Embolien auslösen können.

Postvakzinationssyndrom (PVS): Eine LC-ähnliche Symptomatik nach Impfung

Bereits im ersten Jahr der Impfkampagne gab es Berichte über Patientinnen und Patienten, die an einer LC-ähnlichen Symptomatik leiden, ohne zuvor an COVID-19 erkrankt zu sein. Die Symptome stehen bei diesen Betroffenen im Zusammenhang mit einer Coronaimpfung, weswegen diese Impfkomplikation unter anderem als Post-Vac-Syndrom (PVS) bezeichnet wird.

Typisch ist, dass die Beschwerden mit mehreren Wochen Latenz nach der Impfung ihren Höhepunkt erreichen und jahrelang persistieren. Das Krankheitsbild ist, ähnlich wie LC, mit einer Vielzahl an Symptomen verbunden, bei denen häufig Fatigue, kardiovaskuläre und neurologische Symptome im Vordergrund stehen. Oft führen körperliche oder geistige Beanspruchung zur Beschwerdezunahme, der sogenannten Post-Exertional-Malaise. Phasenweise bestehen zudem Gelenk-, Glieder- und Kopfschmerzen. Angelehnt an die LC-Definition von der Weltgesundheitsorganisation bietet sich für die klinische Praxis an, von einem PVS auszugehen, wenn innerhalb von drei Monaten nach einer COVID-19-Impfung Beschwerden auftreten, die mindestens zwei Monate andauern und nicht anders erklärt werden können.

Auffällig ist indes, dass per 1. Mai 2024 in der Nebenwirkungsdatenbank der European Medicines Agency (EMA) europaweit 424.177 Fälle von Fatigue nach Impfung verzeichnet sind. Bei mehr als zwei Dritteln davon (68 Prozent) ist keine vollständige Erholung dokumentiert. Daneben finden sich auch 339.903 Fälle von Muskelschmerzen.

Angesichts der nahezu identischen Antigensequenz des Spike-Proteins bei Impfung und Infektion scheint ein gemeinsamer Pathomechanismus von LC und PVS plausibel. Es wird diskutiert, ob die Spikes in Zellen persistieren, selbst pathogen wirken oder eine veranlagte AIE auslösen könnten.

Zu den Therapieansätzen, die teilweise denen von LC entsprechen, existieren derzeit nur kleinere Studien oder Expertenmeinungen. Die meisten Therapien werden durch ein personalisiertes Energiemanagement (sogenanntes Pacing) und Diäten ergänzt. Leider liegen derzeit für keinen der Therapieansätze Daten aus größeren, placebokontrollierten Studien vor.

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