Johanniskraut, auch bekannt als Hypericum perforatum, ist eine Pflanze mit einer langen Tradition in der Naturheilkunde. Es wird seit Jahrhunderten zur Behandlung verschiedener Beschwerden eingesetzt, darunter auch Nervenschmerzen. Dieser Artikel beleuchtet die Studienlage und Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Johanniskraut bei Nervenschmerzen.
Was sind Nervenschmerzen?
Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, entstehen durch Schädigungen oder Erkrankungen des Nervensystems. Sie können sich durch brennende, stechende oder elektrisierende Schmerzen äußern und von Taubheitsgefühlen, Kribbeln oder Überempfindlichkeit begleitet sein. Nervenschmerzen können chronisch werden und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Johanniskraut: Ein Überblick
Johanniskraut ist eine Pflanze, die traditionell zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen eingesetzt wird. Die Inhaltsstoffe Hypericin und Hyperforin sollen stimmungsaufhellende und ausgleichende Wirkungen haben. Johanniskraut ist in verschiedenen Formen erhältlich, darunter als Tee, Kapseln, Öl oder Tinktur.
Studien zur Wirksamkeit von Johanniskraut bei Nervenschmerzen
Die Studienlage zur Wirksamkeit von Johanniskraut bei Nervenschmerzen ist noch nicht ausreichend, aber einige vielversprechende Ergebnisse liegen vor.
Homöopathische Anwendung nach Bandscheibenoperationen
Eine Studie untersuchte die begleitende Behandlung von Nervenschmerzen nach Bandscheibenoperationen mit potenziertem Johanniskraut (Hypericum perforatum C200). Es wurde untersucht, ob die zusätzliche Gabe von Hypericum perforatum C200 zu einer Schmerzreduktion und zu einer verminderten Verabreichung von Schmerzmitteln im Vergleich zu Placebo führt. Die Studie war als prospektive, randomisiert-placebokontrollierte, doppelverblindete monozentrische Studie geplant.
Lesen Sie auch: Hüft-TEP und Nervenschmerzen
Die Ergebnisse zeigten, dass die Gabe von potenziertem Hypericum perforatum zu einer verbesserten Regeneration und Wiederherstellung von Nerven führen kann. Außerdem wurde der schmerzreduzierende Effekt von Hypericum perforatum ebenfalls in einer Reihe von Studien u.a. bei neuropathischem Schmerz, nach Kniebandrekonstruktion oder nach Zahnextraktion beobachtet.
Johanniskraut bei somatoformen Störungen
Professor Thomas Müller von der Universität Bochum berichtete, dass bei Patienten mit somatoformen Störungen eine Behandlung mit einem Johanniskraut-Extrakt helfen könne. In einer Studie wurde die Wirksamkeit von 600 mg des Johanniskraut-Extraktes LI 160 (Jarsin®) im Vergleich zu Placebo in einer sechswöchigen Behandlung bei 173 Patienten mit somatoformen Störungen untersucht. Die Auswertung ergab eine statistisch signifikante, klinisch relevante Überlegenheit von Johanniskraut-Extrakt LI 160 im Vergleich zu Placebo. Die Responderrate bei den Patienten, die Johanniskraut erhalten hatten, lag nach Müllers Angaben mit 45 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Placebo-Gruppe mit 21 Prozent.
Weitere Erkenntnisse
- Das aus dem Johanniskraut gewonnene Rotöl gilt als eines der besten Heilöle. Es lindert Muskel- und Nervenschmerzen wie zum Beispiel Hexenschuss, Trigeminusneuralgie oder Nackenverspannungen. Das blutrote Öl soll entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken.
- Johanniskraut enthält entzündungshemmende Inhaltsstoffe, etwa Flavonoide (antioxidativ wirksame sekundäre Pflanzenstoffe) und ätherische Öle.
Johanniskraut als Alternative zu synthetischen Antidepressiva?
In Bezug auf die Patienten-Compliance lag Johanniskraut laut einer Versorgungsforschungsstudie auch im Arzturteil vor den SSRI. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte beurteilten die Compliance der Mehrheit der Patientinnen und Patienten als sehr gut bzw. gut (Laif®900: 94,3 %, SSRI: 85,6 %, p = 0,002). Zusätzlich steigerte sich die Compliance in der Johanniskrautextrakt-Gruppe zum Ende des Beobachtungszeitraums im Vergleich zu der SSRI-Gruppe noch einmal deutlich.
Laut einer randomisierten, doppelblinden, placebo- und verumkontrollierten Multicenterstudie ist hochdosierter Johanniskraut-Extrakt (STW3VI - Laif®900) mit der Effektivität einer Behandlung mit synthetischen Antidepressiva vergleichbar.4Die klinische Vergleichsstudie untersuchte die Wirksamkeit von hochdosiertem Johanniskrautextrakt STW3-VI (Laif®900, 900 mg, 1x täglich) bei mittelschweren Depressionen (F32.1 und F 33.1) vs. der SSRI-Leitsubstanz Citalopram (20 mg, 1x täglich) über eine Behandlungsdauer von 6 Wochen.4Laif®900 in der 1x täglichen 900 mg-Dosierung erwies sich laut den Studienergebnissen als genauso effektiv wie Citalopram (20 mg/Tag).4Die Testung auf Nicht-Unterlegenheit (non-inferiority) von Laif®900 vs. Citalopram war signifikant (p < 0,0001). Zudem überzeugte der Johanniskrautextrakt durch eine deutlich bessere Verträglichkeit.4Die therapeutisch gleichwertige Wirksamkeit von Laif®900 und Citalopram im Praxisalltag belegt auch eine prospektive offene Versorgungsforschungsstudie bei mittelschweren Depressionen (ICD-10 F32.1, F33.1, F32.9, F32.8 und F33.9) und bestätigt somit die Ergebnisse des klinischen Direktvergleichs:3Laif®900 zeigte eine äquipotente Wirksamkeit bei signifikant besserer Verträglichkeit und Compliance im Vergleich zur Behandlung mit SSRI.3
Vorteile von Johanniskraut gegenüber synthetischen Antidepressiva
- Bessere Verträglichkeit: Gewichtszunahme und sexuelle Dysfunktion, die für Erkrankte sehr belastend sein und zum Therapieabbruch führen können, sind unter Johanniskrautextrakt nicht bekannt.
- Höhere Compliance: Das pflanzliche Antidepressivum hat auch bezüglich der Beliebtheit der Einnahme gegenüber chemischen Substanzen die Nase vorn. In Bezug auf die Patienten-Compliance lag Johanniskraut laut der Versorgungsforschungsstudie auch im Arzturteil vor den SSRI.
Mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Johanniskraut hat zwar weniger Nebenwirkungen als synthetische Antidepressiva, aber sie sind nicht zu unterschätzen. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören:
Lesen Sie auch: Nervenschaden nach Zahnbehandlung: Symptome und Therapie
- Allergische Hautreaktionen
- Magen-Darm-Beschwerden
- Müdigkeit oder Unruhe
- Photosensibilisierung (erhöhte Lichtempfindlichkeit)
Vorsicht ist geboten bei der Einnahme anderer Medikamente. Johanniskraut-Präparate können deren Wirksamkeit beeinträchtigen, indem sie die Bildung eines bestimmten Enzyms anregen und so den Abbau der Arzneimittel in der Leber beschleunigen. Vor der Einnahme hochdosierter Johanniskraut-Präparate sollte man sich daher unbedingt ärztlich oder in der Apotheke mit Blick auf die möglichen Wechselwirkungen beraten lassen. Johanniskraut hat die Eigenschaft, manche Stoffwechselprozesse in unserem Körper zu beschleunigen. Dadurch können die Wirkstoffspiegel bestimmter anderer Arzneimittel, zum Beispiel auch oraler Kontrazeptiva, schneller abgebaut werden. Dies kann zu einer Abschwächung ihrer Wirkung führen.
Anwendung und Dosierung
Johanniskraut entfaltet seine Wirkung zum Beispiel als Tee, Kapsel oder Öl. Oft wird die Heilpflanze als Stimmungsaufheller bei Depressionen eingesetzt. Johanniskraut-Tee gilt als echter Stress-Killer. Eine ähnlich entschleunigende Wirkung wird auch Johanniskraut-Tinktur zugeschrieben, wenn sie mehrmals täglich in Wasser verdünnt eingenommen wird.
Um antidepressive Wirkung zu entfalten, müssen Johanniskraut-Präparate allerdings 600 bis 900 Milligramm Pflanzenextrakt enthalten. Sie sind verschreibungspflichtig und in der Apotheke erhältlich. Wichtig zu wissen ist, dass es etwas Zeit braucht, bis sich die Wirkstoffe der Johanniskraut-Präparate im Körper genügend angereichert haben, um eine spürbare Wirkung zu entfalten - es vergehen etwa zwei bis drei Wochen.
Lesen Sie auch: Medikamentenfreie Schmerzlinderung bei Nervenschmerzen
tags: #Johanniskraut #bei #Nervenschmerzen #Studien