Neurologische Erkrankungen umfassen ein breites Spektrum von Störungen des Nervensystems. Dieses System, das sich aus Gehirn, Rückenmark und den peripheren Nerven zusammensetzt, steuert und koordiniert lebenswichtige Körperfunktionen. Erkrankungen in diesem Bereich können sich vielfältig äußern und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel bietet einen Überblick über einige wichtige neurologische Erkrankungen, ihre Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten.
Was sind neurologische Erkrankungen?
Neurologische Erkrankungen sind sämtliche Krankheiten des Nervensystems, bei denen Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und der Nervenbahnen außerhalb der Wirbelsäule vorliegen. Die Neurologie als Wissenschaft befasst sich mit dem Nervensystem, seinen Erkrankungen und deren medizinischer Behandlung. Es ist wichtig, neurologische von psychiatrischen Erkrankungen abzugrenzen, wobei psychiatrische Erkrankungen psychische oder seelische Störungen mit erheblicher Abweichung von der Norm im Erleben oder Verhalten darstellen. Die Abgrenzung ist jedoch nicht immer eindeutig, da beispielsweise Demenz und Schlafstörungen in der internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) in beiden Fachgebieten aufgeführt werden.
Ursächlich für neurologische Erkrankungen können Stoffwechselstörungen, Strukturstörungen des Gehirns, Medikamente, Drogen, Gifte u.a. sein.
Multiple Sklerose (MS)
Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. In Mitteleuropa ist sie eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen junger Erwachsener. Bei MS kommt es zu verstreut auftretenden Entzündungen im Gehirn und Rückenmark.
Verlaufsformen
Man unterscheidet drei Hauptverlaufsformen der MS:
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- Schubförmig remittierende MS: Hier treten einzelne Schübe auf, die klar voneinander abgegrenzt sind. Diese bilden sich anfangs meist vollständig, später nur noch teilweise zurück.
- Primär progrediente MS: Diese Form verläuft schleichend ohne Schübe und ist die seltenste MS-Form.
- Sekundär progrediente MS: Eine Mischform, bei der sich die Symptomatik im Laufe der Zeit verschlimmert.
Symptome
Die Symptome der MS sind stark von der Lokalisation der Entzündungsherde abhängig. Mögliche Symptome sind:
- Sehstörungen
- Wahrnehmungsstörungen
- Lähmungen
- Spastiken
Bei Krankheitsbeginn bilden sich die Symptome eines Schubs meist vollständig zurück, im späteren Verlauf bleiben jedoch vermehrt neurologische Defizite zurück.
Ursachen
Die genaue Ursache der MS ist noch unbekannt. Es wird vermutet, dass sowohl erbliche als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Eine familiäre Häufung der Krankheit deutet auf genetische Einflüsse hin, während virale Infektionen als mögliche Umweltfaktoren in Betracht gezogen werden.
Behandlung
MS ist bislang nicht heilbar. Es gibt jedoch verschiedene Therapieformen, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen können:
- Schubtherapie: Verabreichung hoch dosierter entzündungshemmender Medikamente während eines Schubs.
- Symptomatische Therapie: Gezielte Behandlung der verschiedenen Beschwerden durch Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Psychotherapie, Medikamente und Operationen. Die Art der Behandlung ist stark von den individuellen Symptomen abhängig.
Stiff-Person-Syndrom (SPS)
Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch eine erhöhte Spannung der Muskulatur mit Muskelverhärtungen und Steifigkeitsgefühl gekennzeichnet ist, insbesondere im Bereich der rumpfnahen Muskulatur.
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Häufigkeit und Ursachen
Die Häufigkeit liegt bei etwa einer Neuerkrankung jährlich pro 1 Million Einwohner. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. Beim SPS kommt es im Rahmen dieser Autoimmunerkrankung zu einer gesteigerten Erregbarkeit der Muskulatur. Diese wird durch Antikörper verursacht, die zentrale hemmende Bahnen blockieren, indem sie gegen bestimmte Eiweiße an Synapsen (Übertragungsstellen zwischen Nervenzellen) wirken. Am häufigsten sind Antikörper gegen Glutamat-Decarboxylase (GAD, ca.
Symptome
Das Krankheitsbild kann sehr vielgestaltig und im Verlauf wechselnd auftreten. Im Vordergrund steht eine in der Ausprägung wechselnde Steifigkeit der Muskulatur, oft mit schmerzhaften Krämpfen. Hiervon sind hauptsächlich der Rumpf und die Beine betroffen. Oft werden dadurch Gangstörungen mit Blockaden und Stürzen verursacht. Auch Fehlhaltungen und Skelettdeformitäten können entstehen. In selteneren Fällen ist nur eine Gliedmaße betroffen, dann spricht man vom „Stiff-Limb-Syndrom“ (SLS). Das SPS kann auch mit weiteren Krankheitszeichen kombiniert sein (z.B. epileptischen Anfällen, Lähmungen, Spastik, Muskelzuckungen, Sensibilitätsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Hirnnervenausfällen, autonomen Störungen).
Diagnose
Die Diagnose wird gestellt durch die neurologische Untersuchung sowie typische Veränderungen in der Elektromyographie (elektrophysiologische Untersuchung der betroffenen Muskeln) und dem Nachweis bestimmter typischer Antikörper im Blut bzw. Nervenwasser. Bei einer Erkrankungsdauer von unter fünf Jahren ist eine Tumorsuche angezeigt, weil auch eine Entstehung in Verbindung mit einer bösartigen Neubildung (paraneoplastische Genese) möglich ist. Immer ist eine sorgfältige Ausschlussdiagnostik bezüglich anderer Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen unerlässlich.
Behandlung
Die Behandlung stützt sich auf die drei Säulen:
- Physiotherapie und muskelentspannende Maßnahmen
- Muskelentspannende Medikamente (zur symptomatischen Behandlung), z.B. Baclofen und Tizanidin. Diazepam ist häufig schon in niedriger Dosierung gut wirksam, kann aber zu Gewöhnung führen.
- Ggf. Immuntherapie (z.B. Kortisonpräparate, Immunglobuline, Plasmapherese).
Günstig ist, wenn es dem Patienten und seiner Umgebung gelingt, auslösende Faktoren zu identifizieren und zu vermeiden. Hier sind vor allem äußere Reize, Geräusche, Erschrecken und bestimmte Arten von Stress zu nennen.
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NEurodevelopmental Disorder with regression, Abnormal Movements, loss of Speech, and Seizure (NEDAMSS)
NEDAMSS ist eine sehr seltene rückschreitende neurologische Entwicklungsstörung, die erstmals 2018 beschrieben wurde. Sie ist gekennzeichnet durch schwere Krampfanfälle, unkontrollierte Bewegungen und Sprachverlust.
Ursachen
Bei Kindern mit NEDAMSS ist das Gen IRF2BPL defekt. In den bekannten Fällen verlieren die Kinder in Folge dieser Mutation Fähigkeiten wie Laufen, Sprechen und Essen. Die Degeneration kann bereits mit vier Jahren oder später einsetzen.
Forschung und Vernetzung
Die Eltern betroffener Kinder engagieren sich stark in der Forschung und Vernetzung mit Wissenschaftlern, um Therapieansätze zu finden. Die Krankheit kann mit Hilfe von Zellen der betroffenen Kinder erforscht werden.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine sehr ernste Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems. Sie betrifft nahezu ausschließlich das motorische Nervensystem, während die Empfindung für Berührung, Schmerz und Temperatur, das Sehen, Hören, Riechen und Schmecken sowie die Funktionen von Blase und Darm in den meisten Fällen normal bleiben.
Ursachen und Häufigkeit
Die Ursache der ALS ist mit Ausnahme der seltenen erblichen Formen bisher unbekannt. Pro Jahr erkranken etwa ein bis zwei von 100.000 Personen an ALS. Die Krankheit beginnt meistens zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
Symptome
Die ersten Symptome der Krankheit können bei den einzelnen Betroffenen an unterschiedlichen Stellen auftreten. Muskelschwund und -schwäche können sich z.B. zunächst nur in der Hand- und Unterarmmuskulatur einer Körperseite zeigen, bevor sie sich auf die Gegenseite und auf die Beine ausdehnen. Seltener ist ein Beginn in der Unterschenkel- und Fußmuskulatur oder im Bereich der Sprech-, Kau- und Schluckmuskulatur (Bulbärparalyse). Schon in den Frühstadien der ALS wird häufig über unwillkürliche Muskelzuckungen (Faszikulationen) und schmerzhafte Muskelkrämpfe geklagt.
Diagnose
Zuständig für die Diagnosestellung der Krankheit ist der Neurologe. Die Diagnostik umfasst:
- Klinische Untersuchung, insbesondere Beurteilung der Muskulatur, Sprache, Schluckakt und Atemfunktion.
- Elektromyographie (EMG), um den Befall des unteren Motoneurons nachzuweisen.
- Untersuchungen der motorischen und sensiblen Nervenleitung.
- Neuromuskulärer Ultraschall.
- Umfassende Untersuchungen des Blutes und des Urins.
- Untersuchung des Nervenwassers (Liquor).
- Bildgebende Untersuchungen (MRT des Kopfes und der Wirbelsäule).
- Genetische Untersuchung aus dem Blut (insbesondere bei frühem Beginn oder familiärer Vorbelastung).
Forschung
Weltweit wird sehr intensiv an der Erforschung der Ursachen der ALS und zum Thema Frühdiagnostik gearbeitet.
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK)
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) ist eine seltene, tödlich verlaufende Hirnkrankheit, die zu den sogenannten Spongiformen Enzephalopathien zählt.
Ursachen
Krankheitsauslöser sind höchstwahrscheinlich infektiöse Eiweiße - sogenannte Prionen. Unter bestimmten Umständen nehmen die Prionproteine eine fehlerhaft gefaltete Molekülstruktur ein. Sie können dann miteinander verklumpen und normalen Prionproteinen ebenfalls die Fehlfaltung aufzwingen. Dadurch kommt es zu Funktionsstörungen und zum Untergang betroffener Nervenzellen.
Symptome
Die Inkubationszeit kann Jahre bis Jahrzehnte dauern. Die Symptomatik ähnelt zu Beginn der Alzheimer-Demenz - mit Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und Schlaflosigkeit. Doch die demenzartige Degeneration schreitet innerhalb weniger Wochen bis Monate rasch voran. Hinzu kommen Störungen in der Bewegungskoordination sowie Spastik, Krämpfe und epileptische Anfälle. Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verläuft immer tödlich.
Diagnose
Bisher wird bei Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit eine Nervenwasseruntersuchung (Liquordiagnostik) und eventuell eine Kernspintomographie durchgeführt. Eine spezielle Testmethode zur Untersuchung des Liquors ist die Real Time Quaking-Induced Conversion (RT-QuIC). Durch eine Weiterentwicklung der RT-QuIC-Testmethode konnten Forscher erstmals veränderte Prionen in Tränenflüssigkeit nachweisen.
Behandlung
Bisher ist die CJK nicht heilbar. Auch gibt es keine spezifischen Behandlungsmöglichkeiten. Eine symptomatische Therapie existiert derzeit nur für die Muskelkrämpfe.
Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS)
Viele Betroffene leiden zudem unter ausgeprägten Schmerzen wie Muskel- und Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen eines neuen Typus. Hinzu kommen Muskelzuckungen und -krämpfe, massive Schlafstörungen und neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen (oft als „Brain Fog“ bezeichnet) sowie die Überempfindlichkeit auf Sinnesreize.
Häufig beginnt ME/CFS nach einer Infektionskrankheit. Verschiedene Pathogene sind als Auslöser bekannt, so z. B. das Epstein-Barr-Virus und die Influenza. Nach der SARS-Pandemie 2002/2003 entwickelte ein Teil der Erkrankten ME/CFS. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie zeigt sich ebenfalls, dass eine Subgruppe nach einer Coronainfektion ME/CFS entwickelt.
Die genauen Mechanismen der Erkrankung sind bisher noch ungeklärt. Neuere Studien weisen auf eine mögliche Autoimmunerkrankung und eine schwere Störung des Energiestoffwechsels hin.
Weitere neurologische Erkrankungen
Neben den oben genannten Erkrankungen gibt es eine Vielzahl weiterer neurologischer Leiden, darunter:
- Friedreich-Ataxie
- Frontotemporale Demenz
- Gliedergürtel-Muskeldystrophie
- Glykogenose
- Hereditäre neuralgische Amyotrophie
Diagnose und Behandlung in der Neurologie
Für die Diagnose neurologischer Erkrankungen stehen verschiedene Untersuchungsmethoden zur Verfügung, darunter:
- Doppler-/Duplex-Sonographie: Ultraschalluntersuchung zur Erkennung von Gefäßveränderungen der hirnversorgenden Blutgefäße.
- Elektroencephalographie (EEG): Messung der elektrischen Hirneigenaktivität zur Erkennung von Epilepsie, Entzündungen, Tumoren oder Demenzen.
- Elektromyographie (EMG): Messung der elektrischen Muskelaktivität zur Unterscheidung zwischen muskulären und nervalen Ursachen von Erkrankungen.
- Elektroneurographie (ENG): Untersuchung des Funktionszustands eines Nerven.
Die Behandlung neurologischer Erkrankungen ist vielfältig und richtet sich nach der spezifischen Diagnose und den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Sie kann Medikamente, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie und operative Eingriffe umfassen.
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