Die neurologische Komplexbehandlung ist ein umfassender Ansatz zur Behandlung neurologischer Erkrankungen, insbesondere des akuten Schlaganfalls. Sie zielt darauf ab, die bestmögliche Versorgung der Patienten durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und den Einsatz spezialisierter Verfahren zu gewährleisten.
Definition der neurologischen Komplexbehandlung
Eine neurologische Komplexbehandlung umfasst eine Reihe von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten sind. Sie wird in der Regel von einem Team aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und anderen Fachkräften durchgeführt.
OPS 8-981.3: Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls
Ein konkretes Beispiel für eine neurologische Komplexbehandlung ist der OPS-Kode 8-981.3, der die "neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls auf einer Schlaganfalleinheit mit Möglichkeit zur Durchführung von Thrombektomien und intrakraniellen Eingriffen" beschreibt.
Mindestmerkmale des OPS 8-981.3
Um den OPS-Kode 8-981.3 abrechnen zu können, müssen bestimmte Mindestmerkmale erfüllt sein. Dazu gehören:
- 24-stündige ärztliche Anwesenheit: Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit gefordert. Dies kann ein Facharzt für Neurologie oder ein Assistenzarzt in neurologischer Weiterbildung sein. Der Arzt muss sich ausschließlich um die Patienten auf der Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten kümmern und darf keine zusätzlichen Aufgaben erfüllen. Er darf sich nur von der Spezialeinheit entfernen, um Patienten mit Schlaganfall oder Verdacht auf Schlaganfall zu untersuchen, zu übernehmen und/oder weiter zu versorgen.
- Zeitnahe Diagnose und Therapie: Unter der Leitung des Facharztes für Neurologie wird der akute Schlaganfall zeitnah diagnostiziert und therapiert. In den ersten maximal 4,5 Stunden ist es entscheidend, ob der Patient einer Lysetherapie vor Ort und darüber hinaus einer mechanischen Thrombektomie innerhalb eines bewährten Schlaganfallnetzwerkes zugeführt werden kann oder ausschließlich eine medikamentöse Therapie erhält. Die Lysetherapie ist eine medizinische Therapie, um Blutgerinsel im Gefäß aufzulösen und die Blutversorgung des betroffenen Bereichs des Gehirns wieder herzustellen.
- Weiterführende Diagnostik und Therapie: Spätestens nach zwei bis drei Tagen wird der Schlaganfallpatient, je nach Ursache des Geschehens und auftretender Begleiterkrankungen, innerhalb der Paul Gerhardt Diakonie bzw. in die Neurologie der Alexianer Klinik Bosse Wittenberg verbracht, um die Diagnostik zu komplettieren, die Therapie zu intensivieren und den weiteren Behandlungsweg zu definieren.
- Bedarfsangepasste ätiologische Diagnostik: Die ätiologische Diagnostik für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 ist bedarfsangepasst nach medizinischer Notwendigkeit durchzuführen und individuell unterschiedlich. Sie ist bei bekannter Ätiologie entbehrlich. Einzelne diagnostische Maßnahmen können sowohl vor Beginn als auch noch nach Beendigung der 24-Stunden-Monitoringphase in derselben Klinik durchgeführt werden. Der Zeitpunkt der Durchführung geht dann aber nicht in die Berechnung der Dauer der Komplexbehandlung ein.
- Frühzeitiger Beginn der Therapie: Die für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 geforderten Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie müssen spätestens am Tag nach Aufnahme auf der Spezialeinheit beginnen, wenn ein entsprechendes Defizit vorliegt und Behandlungsfähigkeit besteht. Danach muss mindestens eine Behandlungseinheit an jedem Tag (auch am Wochenende und an Feiertagen) gezielt für das vorliegende Defizit erfolgen. Die Leistungen der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie müssen nicht zwingend durch hauptamtlich im Hause der Schlaganfallspezialeinheit beschäftigte Angestellte erbracht werden, sondern können auch durch bedarfsangepasste Leistungen von extern sichergestellt werden.
Weitere Aspekte des OPS 8-981.3
- Intensivstation: Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale des OPS 8-981 erfüllt sind, die Behandlungszeit auf der Intensivstation auch für die Kodierung der Neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden. Dies ist auch dann möglich, wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden.
- Unterbrechung des Monitorings: Muss das Monitoring einzelner Parameter aufgrund von speziellen Untersuchungen oder Behandlungen für deren Dauer unterbrochen werden, stellt dies die Verwendung dieses Kodes nicht in Frage.
- Externe Bildgebung: Um in Einzelfällen aufwändige und zum Teil potenziell schädliche Doppeluntersuchungen zu vermeiden, sind zur Abklärung des akuten Schlaganfalls angefertigte externe CT- oder MRT-Aufnahmen als gleichwertig für die Erfüllung der Mindestmerkmale des Kodes 8-981 anzusehen. Tritt der akute Schlaganfall erst während eines stationären Aufenthaltes auf, so gilt für die zeitgerechte Durchführung der Bildgebung die Zeit ab der Feststellung der Verdachtsdiagnose auf einen akuten Schlaganfall. Bei spinalen Infarkten oder Blutungen ist eine CT- oder MRT-Aufnahme des entsprechenden Wirbelsäulenabschnitts gleichwertig.
- Gleichwertige Verfahren: Die digitale Subtraktionsangiographie, die CT-Angiographie und die MR-Angiographie können für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 als gleichwertige Verfahren angesehen werden. Die Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich.
Gleichzeitige Durchführung mehrerer Komplexbehandlungen
Es ist grundsätzlich möglich, mehrere Komplexbehandlungen gleichzeitig zu erbringen und zu kodieren. Dabei kann es zu „Überlappungen“ bei der Definition und insbesondere bei der Anrechnung von Therapieeinheiten kommen. So können Sie beispielsweise gleichzeitig eine Frührehabilitation (8-552 Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation) beginnen. Eine Therapieeinheit (z.B. Ergotherapie) kann für mehrere Komplexbehandlungen angerechnet werden.
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Herausforderungen und Kontroversen
Die Definition und Anwendung der neurologischen Komplexbehandlung sind nicht immer einfach und können zu Kontroversen führen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) in einem Urteil (B 1 KR 39/17 R) die Auslegung des OPS-Kodes 8-98f vorgenommen, was zu Kritik und Unverständnis geführt hat. Insbesondere die Auslegung der halbstündigen Transportentfernung zu einem Kooperationspartner wurde bemängelt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert, dass diese Urteile das Potential haben, einen Großteil der Krankenhäuser ohne adäquate Vergütung für die Versorgung von Schlaganfallpatienten zurückzulassen.
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