Die neurologische Komplexbehandlung des Schlaganfalls ist ein multidisziplinärer Ansatz zur Versorgung von Patienten mit akutem Schlaganfall. Sie zielt darauf ab, die Sterblichkeit zu senken, die neurologischen Defizite zu minimieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet die Definition, die Indikationen und die Bedeutung dieser Behandlungsform.
Definition der neurologischen Komplexbehandlung
Die neurologische Komplexbehandlung des Schlaganfalls ist eine spezialisierte, multidisziplinäre Versorgung, die in der Regel auf einer Stroke Unit stattfindet. Sie umfasst eine umfassende Diagnostik, eine rasche Einleitung der Akuttherapie, ein kontinuierliches Monitoring, eine frühzeitige Rehabilitation und eine strukturierte Sekundärprävention. Ein zentrales Element ist die enge Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, darunter Neurologen, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen.
Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) betonen, dass die Dauer des Aufenthalts auf der Stroke Unit und die entsprechende Abrechnung sich keinesfalls nur nach dem Schweregrad des Schlaganfalls richten darf.
Indikationen für eine neurologische Komplexbehandlung
Die neurologische Komplexbehandlung ist indiziert bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall oder hämorrhagischem Schlaganfall. Die Indikation kann unabhängig vom Schweregrad des Schlaganfalls gegeben sein. Auch bei einem leichten Schlaganfall oder einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA) können Konstellationen vorliegen, die einen Aufenthalt von mehr als 72 Stunden rechtfertigen oder sogar unbedingt erforderlich machen.
Kriterien für die neurologische Komplexbehandlung (OPS 8-981.3)
Ein konkretes Beispiel zur Veranschaulichung sind die Prüfkriterien für den OPS-Kode 8-981.3, der die "neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls auf einer Schlaganfalleinheit mit Möglichkeit zur Durchführung von Thrombektomien und intrakraniellen Eingriffen" beschreibt. Zu den Kriterien gehören:
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- 24-stündige ärztliche Anwesenheit (Montag bis Freitag tagsüber mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit durch einen Facharzt für Neurologie oder einen Assistenzarzt in neurologischer Weiterbildung). Der Arzt muss sich ausschließlich um die Schlaganfallpatienten kümmern und darf keine zusätzlichen Aufgaben erfüllen.
- Möglichkeit zur Durchführung von Akuttherapien wie Lysetherapie und Thrombektomie.
- Multiprofessionelles Team mit speziell geschultem Personal.
- Kontinuierliches Monitoring von Vitalfunktionen und neurologischem Status.
- Frühzeitige Einleitung rehabilitativer Maßnahmen.
Bedeutung des Rezidivrisikos
Das Rezidivrisiko spielt eine entscheidende Rolle bei der Indikationsstellung zur neurologischen Komplexbehandlung. Das Risiko eines Rezidives, eine Symptomverschlechterung oder andere Komplikationen könnten durchaus eine Liegedauer von mehr als 72 Stunden rechtfertigen oder notwendig machen, so die beiden Fachgesellschaften. Das Rezidivrisiko hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie sie beispielsweise im ABCD-Score zusammengefasst sind. Hier sind das Alter der Patienten, der Blutdruck, die klinische Manifestation und die Dauer der Symptomatik die relevanten Prädiktoren für ein frühes Rezidiv.
Akuttherapie und weitere Behandlungsschritte
Unter der Leitung des Facharztes für Neurologie wird der akute Schlaganfall zeitnah diagnostiziert und therapiert. In den ersten maximal 4,5 Stunden ist es entscheidend, ob der Patient einer Lysetherapie vor Ort und darüber hinaus einer mechanischen Thrombektomie innerhalb eines bewährten Schlaganfallnetzwerkes zugeführt werden kann oder ausschließlich eine medikamentöse Therapie erhält. Die sogenannte Lysetherapie ist eine medizinische Therapie, um Blutgerinsel im Gefäß aufzulösen und die Blutversorgung des betroffenen Bereichs des Gehirns wieder herzustellen. Spätestens nach zwei bis drei Tagen wird der Schlaganfallpatient, je nach Ursache des Geschehens und auftretender Begleiterkrankungen, innerhalb der Paul Gerhardt Diakonie bzw. in die Neurologie der Alexianer Klinik Bosse Wittenberg verbracht, um die Diagnostik zu komplettieren, die Therapie zu intensivieren und den weiteren Behandlungsweg zu definieren.
Bedeutung der neurologischen Komplexbehandlung
Studien haben gezeigt, dass die neurologische Komplexbehandlung die Prognose von Schlaganfallpatienten deutlich verbessern kann. Sie führt zu einer Reduktion der Sterblichkeit, einer geringeren Invalidität und einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass die Patienten in ihr früheres Leben zurückkehren können.
Wirtschaftliche Aspekte
Neben den klinischen Vorteilen hat die neurologische Komplexbehandlung auch wirtschaftliche Vorteile. Obwohl die Behandlung zunächst mit höheren Kosten verbunden ist, können durch die Reduktion von Komplikationen, Pflegebedürftigkeit und Rehospitalisierungen langfristig Kosten eingespart werden.
Qualitätssicherung
Um die Qualität der neurologischen Komplexbehandlung sicherzustellen, ist eine Zertifizierung der Stroke Units erforderlich. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft hat ein Zertifizierungsverfahren entwickelt, das sicherstellt, dass die Stroke Units bestimmte Qualitätsstandards erfüllen.
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Kontroverse um die Behandlungsdauer
Ein Urteil des Sozialgerichts Saarland vom 8. Juni 2017 (AZ L 2 KR 179/14) hatte die Notwendigkeit einer neurologischen Komplexbehandlung über 72 Stunden bei einem moderaten Schlaganfall ohne weitere Besonderheiten in Frage gestellt. Das Gericht bezog sich dabei auf eine Stellungnahme der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft (DSG) vom 22. Dezember 2008. Die DSG und die DGN widersprechen dieser Auffassung jedoch und betonen, dass die Dauer des Aufenthalts auf der Stroke Unit nicht allein vom Schweregrad des Schlaganfalls abhängen darf.
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