Die neurologische Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation von Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS). Ziel ist es, die Selbstständigkeit im Alltag zu verbessern, Bewegungsmuster wiederherzustellen und Schmerzen zu lindern. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Behandlungsmethoden und Therapiekonzepte, die in der neurologischen Physiotherapie Anwendung finden.
Grundlagen der neurologischen Physiotherapie
Neurologische Behandlungsmethoden finden vor allem bei Erwachsenen und Kindern mit Störungen des zentralen Nervensystems (wie Gehirn und Rückenmark) Anwendung. Wenn das Nervensystem erkrankt ist, können unterschiedliche Funktionen der Bewegungskontrolle beeinträchtigt sein: Lähmungen von willkürlichen Bewegungen und Beeinträchtigungen der Haltungskontrolle, Steifigkeit, Spastizität sowie Schwierigkeiten, Reize aus der Umwelt richtig zu verarbeiten. Die neurologische Behandlung geht davon aus, dass alle menschlichen Bewegungsmuster seit der frühsten Kindheit in unserem zentralen Nervensystem abgespeichert werden. Wenn eine Erkrankung dieses Muster verändert, können die Bewegungsabläufe also wieder hervorgerufen werden. Das heißt, dass sich der Körper wieder an bestimmte Bewegungsmuster “erinnert”.
Therapieziele und -ansätze
Im Bereich der neurologischen Therapie werden vor allem neurologische Krankheitsbilder und deren Folgen behandelt. Dazu zählen beispielsweise die Krankheitsbilder nach einem Schlaganfall, Multiple Sklerose (MS) sowie alle neurologischen Folgen, die sich aus einem Schädel-Hirntrauma ergeben können. Auf Basis der ärztlichen Verordnung wird im ersten Schritt das individuelle Ausmaß der körperlichen Einschränkungen analysiert. Dabei bildet die Anamnese die Grundlage für das Therapie- und Übungsprogramm. Das Therapiefeld neurologischer Krankheiten zeichnet sich durch Individualität aus. Jede neurologische Krankheit und deren Folgen steht für sich. Ein allgemeingültiges Therapiekonzept, welches sich auf alle neurologischen Erkrankungen anwenden lässt, gibt es nicht.
Die Physiotherapie ist konkret auf die individuellen Bedürfnisse und die zu bewältigenden Herausforderungen des Alltags zugeschnitten. Zu Beginn der Therapie wird gemeinsam mit dem Patienten ein Plan erstellt, der die wirksamsten Ansätze beinhaltet. Grundsätzlich gibt es folgende Ansätze in der neurologischen Physiotherapie:
- Bewegungsübungen und Mobilisation: Gezielte Übungen und Techniken werden eingesetzt, um Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit zu verbessern. Dies kann den Einsatz von physikalischen Hilfsmitteln wie Therapiebällen, Balancegeräten oder Gehhilfen beinhalten.
- Ganganalyse und Gangschulung: Insbesondere bei neurologischen Erkrankungen, welche die Bewegungskontrolle und das Gleichgewicht beeinflussen, wird besonderes Augenmerk auf das Gehen gelegt. Durch Gangschulungen und gezielte Übungen werden Gangmuster verbessert und eine möglichst normale und sichere Gangfunktion angestrebt.
- Neuromuskuläre Stimulation: Im Rahmen der neuromuskulären Stimulation werden elektrische Impulse genutzt, um gezielt Muskeln zu stimulieren und deren Funktion zu verbessern. Dieser Ansatz kann beispielsweise bei Lähmungserscheinungen oder Muskelverkürzungen eingesetzt werden.
- Sensibilitätstraining: Bei neurologischen Erkrankungen können auch Sensibilität und Wahrnehmung beeinträchtigt sein.
Bekannte Behandlungskonzepte der KG-ZNS
Die zwei bekanntesten Therapiekonzepte der KG-ZNS innerhalb der Physiotherapie sind die Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) und die Bobath-Therapie. Die KG-ZNS ist eine Zusammenfassung mehrerer neurologischen Behandlungskonzepte. Neurologische Patienten können sich ausschließlich von fortgebildeten Physiotherapeuten auf ärztliches Rezept behandeln lassen. Die Fachärzte, die am häufigsten neurologische Behandlungen verschreiben, sind Neurologen, Rehabilitationsmediziner und Orthopäden. Da in der Regel ein langer Behandlungszeitraum anstehen kann, sind auch einige Hausärzte dazu bereit, sie bei ihrer Behandlung zu unterstützen.
Lesen Sie auch: Finden Sie den richtigen Neurologen in Ulm
Es ist etwas irreführend, dass die KG-ZNS nur zur Behandlung von zentralen Beeinträchtigungen geeignet ist. Medizinisch trennt man das Zentralnervensystem (Hirn und Rückenmark) von dem peripheren Nervensystem (Alle Nerven, die nach dem Austreten, aus der Wirbelsäule im Körper verlaufen). Ärzte und Therapeuten trennen die zwei Bereiche in ihrer Therapie nicht. Alle neurologischen Erkrankungen können mit der KG-ZNS gut behandelt werden. Die häufigsten sind:
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
- Morbus Parkinson
- Multiple Sklerose (MS)
- Querschnittslähmungen
- Schlaganfall
- Schädel-Hirn-Trauma
- Zentrale Bewegungsstörungen
- Zerebralparesen
- Lähmungen
- Polyneuropathien
- Fußheberparesen / Fußheberschwächen
Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF)
Bei dieser Behandlungsmethode verstärkt der Therapeut durch dreidimensionale Bewegungen des Patienten alle äußeren sowie inneren Reize des betroffenen Körperabschnitts. Dabei wird die vollständige Wiederherstellung der Bewegungsmuster angestrebt. Ist das nicht mehr möglich, entwickelt der Therapeut mit dem Patienten eine ähnliche Bewegung, die dem gleichen Ziel dient. Die Fazilitation (Anbahnung) bedeutet die Erleichterung der Bewegung, was nicht heißt, dass es nicht anstrengend werden kann. PNF kann vielfältig eingesetzt werden. Zur optimalen Therapie wird ein gemeinsames Therapieziel vereinbart, dass sich üblicherweise an den Alltagsaufgaben bzw. an den Einschränkungen im Alltag orientiert. Hierzu setzt der Therapeut einen Impuls, der dann vom Patienten durch eine dreidimensionale Bewegung beantwortet wird. Bei einer Beinlähmung zum Beispiel, werden die komplexen Bein- und Fußbewegungen, die man beispielsweise zum Gehen oder Laufen braucht, trainiert. Zum einen gibt der Therapeut die Bewegungsrichtung durch Zug oder Druck vor und der Patient arbeitet genau diesem Zug oder Druck entgegen und zum anderen fließen die Bewegungsmuster von der gesunden Seite auf die zu therapierende Seite über.
Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept ist ein Behandlungskonzept bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS). Physiotherapeuten erwerben Grundwissen der Bobath-Therapie in ihrer Ausbildung. Zudem setzt ein optimales Behandlungsergebnis eine spezielle Fortbildung voraus. Im Unterschied zu anderen Konzepten gibt es in der Bobath-Therapie keine standardisierten Übungen. Im Vordergrund stehen individuelle und alltagsbezogene therapeutische Aktivitäten, die den Patienten in seinem Tagesablauf begleiten. Das Konzept basiert auf der Plastizität des zentralen Nervensystems, also der Fähigkeit, nach einem Trauma Bewegungsabläufe wieder neu erlernen zu können. Die Verbesserung der Selbstständigkeit bei Aktivitäten des täglichen Lebens steht im Vordergrund der Bobath-Therapie. Die Bobath-Therapeuten untersuchen die für Alltagsbewegungen notwendigen Bewegungsfunktionen und erarbeiten oder optimieren dann mit den Patienten zusammen wichtige Handlungen und die dafür notwendigen Bewegungen. Es werden nicht nur die Tätigkeiten geübt, die eine Person nicht (mehr) ausführen kann. Die Patienten sind nicht nur Ausführende eines vom Therapeuten angefertigten Behandlungsplans, sondern werden darin unterstützt, sich mit ihren vorhandenen Fähigkeiten und Defiziten auseinanderzusetzen. Zusätzlich zum motorischen Training (Training von Bewegungsabläufen) wird daran gearbeitet, das Körperschema zu verbessern. Dieses passt sich an die regelmäßig durchgeführte Bewegungsausführung an.
Weitere Therapieansätze
Unabhängig davon kann auch das Erlernen einer kognitiven Imaginationsstrategie, die der Aktivierung bestimmter Hirnareale dient, einen positiven Einfluss auf den neurologisch erkrankten Körper nehmen.
Schmerzmanagement in der neurologischen Physiotherapie
Alle neurologischen Behandlungsformen der KG-ZNS sind schmerzfrei. Viel mehr müssen sie schmerzfrei sein. Gerade bei zentralen Störungen unseres Nervensystems kann es durch Schmerzen zu Krämpfen oder noch gravierender zu Spastiken kommen. Die Spastiken behindern erheblich die Therapie und verhindern das der Patient seine Übungen korrekt ausüben kann. Ebenfalls ist es möglich, dass das gestörte Nervensystem Schmerzen verstärkt weitergibt oder in manchen Fällen gar nicht. Wenn der Patient Schmerzen nicht mehr wahrnimmt, kann es sogar gefährlich werden. Es ist möglich, dass Verletzungen an Haut, Muskulatur oder Skelett nicht wahrgenommen werden. Schmerzen sind also zu jeder Zeit zu vermeiden. Schmerzreduktion und Bewegungsoptimierung stehen in diesem Therapiebereich im Fokus.
Lesen Sie auch: Tagesklinik für Neurologie
Wer darf mit den KG-ZNS-Konzepten behandeln?
Verschiedene neurologische Behandlungsformen sind Teil der physiotherapeutischen Berufsausbildung. Nach dem Abschluss des Staatsexamens müssen die Physios mindestens ein Jahr mit mindestens 30 Wochenstunden in einer Einrichtung gearbeitet haben. Die Weiterbildung zum Thema neurologische Behandlungen wählt der Therapeut dann selbst. Alle neurologischen Behandlungstechniken sind von den Krankenkassen zugelassen. Sie teilen sich eine Überschrift im Heilmittelkatalog, KG-ZNS.
Die Rolle der Physiotherapeuten
Die fachlich versierten Physiotherapeuten, die neurologische Patienten betreuen, weisen unglaublich viel Sozialkompetenz auf. Koordination, Umsetzung und Integration durch Sinneswahrnehmung sowie die Verbesserung der eigenen Körperwahrnehmung führen zu guten Ergebnissen insbesondere auch in den Bereichen der sensomotorischen und perzeptiven Funktionalität. Spezielle Fortbildungen zur physiotherapeutischen Behandlung verschiedener neurologischer Erkrankungen sowie alltagsorientiertes Training zeichnen die Kompetenz der Physiotherapeuten aus. Sie sorgen für ein gutes Körpergefühl und konnten bereits bei vielen Patienten Schmerzen lindern oder bei ihren Bedürfnissen helfen. Die Therapeuten nehmen sich Zeit für die Patienten, erstellen eine genaue Analyse der Beschwerden und therapieren ganz individuell.
Lesen Sie auch: Erfahren Sie mehr über Neuroteam Elmenhorst
tags: #neurologische #physiotherapie #praxis #behandlungsmethoden