Neurologische Erkrankungen sind weit verbreitet und umfassen ein breites Spektrum von Störungen des Gehirns, des Rückenmarks und der peripheren Nerven. Die Ursachen und Mechanismen, die diesen Erkrankungen zugrunde liegen, sind vielfältig und oft noch nicht vollständig verstanden. Da das Nervensystem zahlreiche Körperfunktionen steuert, können sich neurologische Erkrankungen durch sehr unterschiedliche Symptome äußern.
Ursachen und Kategorien neurologischer Erkrankungen
Die Ursachen neurologischer Erkrankungen sind vielfältig und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:
- Durchblutungsstörungen des Gehirns: Diese können zu Schlaganfällen führen, die eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und eine der Hauptursachen für Behinderungen im Erwachsenenalter darstellen. Gefäßverschlüsse in den hirnversorgenden Arterien verursachen plötzliche Durchblutungsstörungen, während undichte Blutgefäße zu Hirnblutungen mit Lähmungen, Sprach- und Bewegungsstörungen führen können.
- Autoimmunerkrankungen: Bei diesen Erkrankungen greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Nervenzellen an, was zu Entzündungen und Schäden führen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Multiple Sklerose (MS), bei der sich die Nervenscheiden entzünden.
- Neurodegenerative Erkrankungen: Diese Gruppe umfasst Erkrankungen, die durch einen fortschreitenden Verlust von Nervenzellen gekennzeichnet sind. Beispiele sind die Demenz, bei der es zu Gedächtnisstörungen und Einschränkungen des Denkvermögens kommt, und die Parkinson-Krankheit, die Bewegungsstörungen verursacht.
- Funktionsstörungen der hirnelektrischen Aktivität: Hierzu gehört die Epilepsie, eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die durch wiederholte Anfälle aufgrund abnormer Entladungen von Nervenzellen gekennzeichnet ist.
- Erkrankungen der peripheren Nerven: Polyneuropathien sind generalisierte Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die sich durch Taubheitsgefühl, Schmerzen und Lähmungen bemerkbar machen können.
- Schlaferkrankungen: Schlafstörungen können sowohl Ursache als auch Folge neurologischer Probleme sein. Sie können zu Depressionen, Tagesmüdigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit führen und langfristig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle erhöhen.
- Infektionskrankheiten: Entzündungen der Hirnhäute (Meningitis) oder des Rückenmarks (Meningomyelitis) können durch Infektionen verursacht werden.
- Verletzungen: Schädel-Hirn-Traumata (SHT) können zu einer Vielzahl von neurologischen Problemen führen, von leichten Gehirnerschütterungen bis hin zu schweren Hirnblutungen und bleibenden Schäden.
- Tumorerkrankungen: Hirntumore können primär (aus Hirnsubstanz oder Hirnhäuten) oder sekundär (als Metastasen anderer Krebserkrankungen) entstehen und unterschiedliche neurologische Symptome verursachen.
- Psychiatrische Erkrankungen mit neurologischer Ursache: Einige psychiatrische Erkrankungen können eine neurologische Ursache haben oder mit neurologischen Symptomen einhergehen.
Häufige neurologische Erkrankungen im Überblick
Einige der häufigsten neurologischen Erkrankungen sind:
- Schlaganfall: In Deutschland zählen Schlaganfälle zu den häufigsten Erkrankungen und den führenden Ursachen für erworbene Behinderungen und sind die dritthäufigste Todesursache. Jährlich kommt es hierzulande zu ca. 270.000 Schlaganfällen.
- Demenz: Demenzen treten bei 2-3 Prozent der über 65-jährigen und 24-50 Prozent der über 85-jährigen auf. In Deutschland leben ca. 1,4 Millionen Demenzkranke.
- Parkinson: 0,1 bis 0,2 Prozent der Deutschen leiden unter Parkinson, das sind bis zu 400.000 Menschen.
- Multiple Sklerose (MS): Die MS ist die häufigste neurologische Erkrankung mit bleibenden Behinderungen im jungen Erwachsenenalter.
- Epilepsie: An dieser neurologischen Erkrankung leiden 600.000 Patienten, wobei die Symptome sehr verschieden ausfallen.
- Kopfschmerzen: Bis zu 70 Prozent der Bevölkerung leiden unter immer wieder auftretenden sogenannten Spannungskopfschmerzen, 8-10 Prozent unter Migräne und vier Prozent unter chronischen Kopfschmerzen.
- Polyneuropathien: Diese Erkrankungen des peripheren Nervensystems machen sich oft durch ein an den Füßen beginnendes Taubheitsgefühl, Schmerzen und Lähmungen bemerkbar.
Seltene neurologische Syndrome
Neben den häufigen neurologischen Erkrankungen gibt es auch eine Vielzahl seltener neurologischer Syndrome. Schätzungen zufolge gibt es weltweit rund 8.000 Seltene Erkrankungen. Einige Beispiele sind:
- Dunbar-Syndrom: Seltene chronische Durchblutungsstörung des Darms, die zu Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen und Schmerzen im Oberbauch führt.
- MEN (Multiple Endokrine Neoplasie): Eine seltene, erblich bedingte Erkrankung, bei der es durch Genveränderungen zur Bildung mehrerer Tumoren in hormonbildenden Drüsen kommt.
- Phenylketonurie (PKU): Eine seltene, erbliche Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper die Aminosäure Phenylalanin nicht richtig abbauen kann, was zu einer Anhäufung im Blut führt.
- Roberts-Syndrom: Eine sehr seltene genetische Erkrankung, die durch Mutationen im ESCO2-Gen verursacht wird. Sie führt zu schweren Wachstumsstörungen, Fehlbildungen der Gliedmaßen, Gesichtsauffälligkeiten und teilweise inneren Organanomalien.
- Tay-Sachs-Krankheit: Eine seltene genetische Stoffwechselerkrankung, bei der ein Enzymmangel dazu führt, dass eine Substanz in den Nervenzellen nicht abgebaut werden kann.
- Treacher-Collins-Syndrom: Eine seltene genetische Erkrankung, die das Gesicht und den Schädelknochen betrifft und zu charakteristischen Gesichtszügen führt.
- Turner-Syndrom: Eine seltene genetische Störung, die nur bei Frauen auftritt und durch das Fehlen oder teilweise Fehlen eines X-Chromosoms gekennzeichnet ist.
- Van-der-Woude-Syndrom: Eine seltene genetische Störung, die Fehlbildungen im Gesicht verursacht.
Diagnose und Behandlung neurologischer Erkrankungen
Die Diagnose neurologischer Erkrankungen umfasst in der Regel eine gründliche Anamnese, eine neurologische Untersuchung und verschiedene technische Untersuchungen wie bildgebende Verfahren (z. B. MRT, CT), Elektroenzephalographie (EEG) zur Messung der Hirnaktivität und Elektromyographie (EMG) zur Untersuchung der Muskel- und Nervenfunktion.
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Die Behandlung neurologischer Erkrankungen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und den spezifischen Symptomen. Sie kann medikamentöse Therapien, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und in einigen Fällen auch chirurgische Eingriffe umfassen. Viele neurologische Krankheiten sind heutzutage wesentlich besser behandelbar als früher. Gegen die Parkinson-Krankheit und gegen Multiple Sklerose gibt es mehr Therapieformen. Und auch die Epilepsie stellt nicht mehr denselben Kontrollverlust dar wie einst.
Risikofaktoren und Prävention
Einige Risikofaktoren für neurologische Erkrankungen können beeinflusst werden, darunter:
- Bluthochdruck: Eine Kontrolle des Blutdrucks kann das Risiko für Schlaganfälle und vaskuläre Demenz verringern.
- Diabetes: Eine gute Blutzuckereinstellung ist wichtig, um das Risiko für neurologische Komplikationen zu senken.
- Rauchen: Der Verzicht auf Zigaretten schützt nicht nur die Lunge, sondern auch das Gehirn.
- Übergewicht: Ein gesundes Gewicht kann das Risiko für verschiedene neurologische Erkrankungen reduzieren.
- Bewegungsmangel: Regelmäßige körperliche Aktivität ist gut für die körperliche und geistige Gesundheit.
- Schlafstörungen: Eine gute Schlafhygiene kann neurologischen Problemen vorbeugen.
- Stress: Der Umgang mit Stress kann das Demenzrisiko senken.
- Soziale Isolation: Soziale Kontakte und Aktivitäten sind wichtig für die geistige Gesundheit.
- Schwerhörigkeit: Schwerhörigkeit sollte frühzeitig behandelt werden, um den Abbau der geistigen Fähigkeiten zu verlangsamen.
- Vitamin-D-Mangel: Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung kann möglicherweise vor Demenz schützen.
Bedeutung der Früherkennung und Unterstützung
Bei Verdacht auf eine neurologische Erkrankung ist es wichtig, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen. Je früher die Diagnose gestellt und die Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Behandlungsaussichten.
Außerdem kann es helfen, Angehörigen, Partner:innen oder Mitbewohner:innen von der Erkrankung zu erzählen. Bei vielen neurologischen Krankheiten werden Sie zumindest zeitweise Hilfe benötigen. Die psychische Belastung ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Lassen Sie sich jedoch nicht alles abnehmen, auch wenn Ihr Umfeld Sie schonen und unterstützen möchte. Für alle Betroffene egal welcher neurologischen Krankheit ist es sowohl für Psyche als auch für die körperliche Situation wichtig, all das selbstständig zu tun, was selbstständig geht.
Angehörigen mag es häufig schwerfallen, zuzusehen und Tätigkeiten nicht abzunehmen, die anstrengend oder mühselig erscheinen. Damit tun Sie jedoch niemandem einen Gefallen, sich selbst nicht, und dem bzw. der Betroffenen nicht. Dies bedeutet nicht, dass Sie jemandem, der Hilfe braucht, nicht die Treppe hinaufhelfen. Aber wenn beispielsweise normales Besteck aufgrund einer Polyneuropathie nicht mehr benutzt werden kann, suchen Sie lieber gemeinsam Lösungsstrategien. Besorgen Sie zum Beispiel dickeres Besteck, das der oder die Betroffene benutzen kann, anstatt das Fleisch vorzuschneiden.
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