Die Prognose nach einer kardiopulmonalen Reanimation ist oft ungünstig. Viele Patienten, die eine Reanimation überleben, bleiben komatös und erleiden schwere, irreversible Hirnschäden. Dieser Artikel beleuchtet die Definition des neurologischen Outcomes nach Reanimation und stellt verlässliche Indikatoren für eine ungünstige Prognose vor.
Einleitung
Nach einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses überleben langfristig nur wenige Patienten. Die Überlebenden beurteilen ihren Gesundheitszustand jedoch oft als gut und zeigen ein gutes neurologisches Ergebnis. Dieses Ergebnis hängt von den gleichen Parametern ab wie der primäre Reanimationserfolg. Die Etablierung klinischer Instrumente zur frühen Prognoseerstellung ist daher wünschenswert.
Immer mehr Menschen legen in Patientenverfügungen fest, dass bei irreversibler Bewusstlosigkeit oder schwerster Dauerschädigung des Gehirns keine therapeutischen, sondern nur noch eine den Umständen angemessene palliative Behandlung erfolgen soll. Bei Patienten mit einer sicher absehbaren ungünstigen Prognose sollte ein Ausschöpfen aller intensivmedizinisch möglichen Maßnahmen gegen den erklärten Willen des Patienten unterbleiben.
Definition des neurologischen Outcomes
Das neurologische Outcome nach Reanimation wird üblicherweise anhand der Cerebral Performance Category (CPC) oder der Glasgow Outcome Scale (GOS) beurteilt.
- CPC 1-2: Gutes neurologisches Ergebnis (geringe oder moderate Einschränkungen, aber unabhängig von anderen)
- CPC 3-5: Schlechtes neurologisches Ergebnis (schwere neurologische Schädigung, Koma oder Tod)
- GOS 1-2: Tod oder persistierender vegetativer Zustand
- GOS 3-5: Moderate bis gute Erholung
Ein ungünstiges neurologisches Outcome wird oft definiert als Tod, Überleben im apallischen Syndrom (persistierender vegetativer Zustand) oder schwere neurologische Schädigung mit ständiger Pflegebedürftigkeit.
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Möglichkeiten der Prognose
Bislang wurden über 100 einzelne Parameter auf ihre prognostische Bedeutung bei kardiopulmonal reanimierten Patienten untersucht. Es konnte aber nur für einige klinische, elektrophysiologische und biochemische Befunde an mehreren Studien mit größeren Patientenzahlen übereinstimmend und reproduzierbar gezeigt werden, dass sie für sich allein genommen sichere Indikatoren einer ungünstigen Prognose sind.
Allerdings stützt sich die prognostische Sicherheit dieser Parameter auf Patienten, die nach der Reanimation nicht mittels Hypothermie behandelt wurden.
Grundsätzliche Voraussetzungen für die Beurteilung der Prognose
Voraussetzung der klinischen und elektrophysiologischen Beurteilung ist, dass keine sedierenden Medikamente die Untersuchung beeinflussen. Deshalb ist es sinnvoll, in den ersten 3 Tagen zur Sedierung keine Substanzen mit langer Halbwertszeit (wie zum Beispiel Barbiturate), sondern solche mit kurzer Halbwertszeit (zum Beispiel Propofol) zu verwenden, die dann vor der Untersuchung abgesetzt werden.
Bei der Beurteilung der Prognose kardiopulmonal reanimierter Patienten ist eine möglichst hohe diagnostische Sicherheit zu fordern. Eine ungünstige Prognose soll nicht auf der Grundlage eines einzigen Befundes, sondern beim übereinstimmenden Nebeneinander mehrerer prognostisch ungünstiger Parameter gestellt werden. Dies bedeutet für die Praxis, dass mit ausreichender Sicherheit von einer ungünstigen Prognose ausgegangen werden kann, wenn neben dem prognostisch ungünstigen klinischen Befund noch prognostisch ungünstige elektrophysiologische und biochemische Parameter vorliegen. Bei Beachtung dieser Grundsätze ist spätestens 3 Tage nach einer Reanimation eine sichere Einschätzung der Prognose möglich.
Hierbei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass bestimmte klinische, elektrophysiologische und biochemische Befunde zwar sichere Indikatoren einer ungünstigen Prognose sind, beim Fehlen solcher Befunde aber nicht auf einen guten Verlauf geschlossen werden kann. So ist der beidseitige Ausfall der kortikalen sensibel evozierten Potenziale nach Reizung des N. medianus ein sicheres Zeichen einer ungünstigen Prognose, das Vorhandensein dieser Potenziale aber kein sicherer Hinweis auf eine gute Prognose. In ähnlicher Weise erlaubt eine signifikant erhöhte neuronenspezifische Enolase im Serum eine sichere Voraussage eines ungünstigen Verlaufs, ohne dass bei einer fehlenden oder nur leichten Erhöhung zwangsläufig eine gute Prognose besteht.
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Prognosefaktoren für ein ungünstiges neurologisches Outcome
Klinische Indikatoren
Folgende klinische Befunde sind Indikatoren für eine ungünstige Prognose:
- Ausfall der Pupillen-Lichtreaktion: Ein beidseitiger Ausfall der Pupillen-Lichtreaktion innerhalb der ersten 24 bis 72 Stunden nach der Reanimation.
- Ausfall des Kornealreflexes: Ein beidseitiger Ausfall des Kornealreflexes innerhalb der ersten 24 bis 72 Stunden nach der Reanimation.
- Fehlende motorische Reaktionen auf Schmerz: Das Fehlen motorischer Reaktionen auf Schmerz im Gesicht und an den Extremitäten noch 72 Stunden nach der Reanimation.
- Myoklonien: Innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Reanimation auftretende generalisierte Myoklonien (postanoxische Frühmyoklonien). Dies sind rasche, „blitzartige“ Zuckungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, die spontan auftreten oder durch äußere Reize verstärkt werden.
Elektrophysiologische Parameter
- Burst-Suppression-EEG: Ein EEG-Muster, das durch periodische Ausbrüche von hoher Amplitude, gefolgt von Phasen elektrischer Stille gekennzeichnet ist.
- Isoelektrisches EEG: Ein EEG, das keine hirneigene elektrische Aktivität zeigt.
- Ausfall der kortikalen Potenziale der Medianus-SEP: Der Nachweis eines Ausfalls der kortikalen Potenziale der Medianus-SEP (somatosensibel evozierte Potenziale) an einem beliebigen Tag in der ersten Woche nach der Reanimation. Hierbei müssen die Potenziale über dem Plexus brachialis und/oder die spinalen Potenziale erhalten sein.
Biochemische Parameter
- Erhöhte neuronenspezifische Enolase (NSE) im Serum: Eine signifikant erhöhte NSE im Serum in den ersten Tagen nach einer Reanimation deutet auf eine ungünstige Prognose hin. Alle Patienten mit einer NSE im Serum von mehr als 33 µg/L in den ersten 72 Stunden nach der Reanimation hatten eine ungünstige Prognose.
Einfluss der therapeutischen Hypothermie
Die therapeutische Hypothermie (Kühlung des Patienten auf etwa 33°C für 24 Stunden) kann die Prognose nach kardiopulmonaler Reanimation verbessern. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die bisherigen Parameter zur Prognosebeurteilung auch nach therapeutischer Hypothermie verlässlich sind.
Klinische Indikatoren bei Hypothermie
Die bekannten klinischen Indikatoren einer infausten Prognose sind im Wesentlichen auch nach therapeutischer Hypothermie verlässlich. Allerdings sind im Vergleich zu normothermen Patienten beim Fehlen einer motorischen Reaktion auf Schmerz bzw. hierbei auftretenden Strecksynergismen am dritten Tag nach der Reanimation deutlich mehr falschpositive Befunde berichtet worden. Deshalb sollte das Fehlen der Pupillenlichtreaktion und des Kornealreflexes erst am dritten Tag nach der Reanimation und mindestens 24 Stunden nach Beendigung der Analgosedierung prognostisch verwertet werden. Eine fehlende Schmerzreaktion hingegen ist zu diesem Zeitpunkt prognostisch nicht verwertbar.
Elektrophysiologische Indikatoren bei Hypothermie
Ausgefallene kortikale Komponenten des Medianus-SEP zeigen nach Beendigung der therapeutischen Hypothermie verlässlich eine infauste Prognose an.
Beim EEG werden leider nach wie vor bestimmte EEG-Muster nicht einheitlich definiert, was schon in der Vergangenheit die Vergleichbarkeit der Befunde erschwert hat. Ein Burst-Suppression-EEG gilt bei normothermen Patienten als ausnahmslos prognostisch infaust.
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Neuronenspezifische Enolase im Serum bei Hypothermie
Die nach therapeutischer Hypothermie berichteten Grenzwerte einer infausten Prognose liegen insgesamt im Bereich der von normothermen Patienten bekannten Werte. Studien haben jedoch gezeigt, dass bei einem Grenzwert von 33 µg/L als Indikator einer infausten Prognose eine inakzeptabel hohe falschpositive Rate besteht.
Studienergebnisse aus Bonn
Eine retrospektive Analyse aller durch den Rettungsdienst der Bundesstadt Bonn begonnenen Reanimationen im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2013 und Befragung der Langzeitüberlebenden ergab, dass von insgesamt 458 Patienten 17,9 % bis zur Krankenhausentlassung überlebten, 13,8 % mehr als 2 Jahre und 7,7 % bis zum Stichtag der Befragung. Von den noch lebenden Patienten hatten 85,3 % ein gutes neurologisches Ergebnis (CPC ≤ 2), welches durch ein geringeres Alter, einen beobachteten Kollaps, die Durchführung einer Defibrillation und das Ausbleiben einer Vasopressorgabe begünstigt wurde (multivariate Analyse).
Klinische Bedeutung
Bei einer sicher ungünstigen Prognose ist die Befundkonstellation ausführlich mit den Angehörigen zu besprechen und Art und Umfang intensivmedizinischer Maßnahmen zu diskutieren. Wenn die klinischen, elektrophysiologischen und biochemischen Befunde übereinstimmend auf eine ungünstige Prognose hinweisen, sollte über eine Therapiebegrenzung gesprochen werden.
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