Das Nervengewebe besteht aus zwei Haupttypen von Zellen: Neuronen und Stützzellen (Gliazellen). Neuronen sind die strukturellen und funktionellen Einheiten des Nervensystems, die elektrische Signale empfangen, verarbeiten und weiterleiten. Gliazellen hingegen unterstützen die Neuronen in ihren Funktionen. Im peripheren Nervensystem (PNS) spielen Schwann-Zellen eine entscheidende Rolle.
Das Nervensystem: Neuronen und Gliazellen
Ein Neuron ist die elektrisch erregbare Zelle, die Informationen empfängt, verarbeitet und als elektrische Signale weiterleitet. Es gibt verschiedene Arten von Neuronen, die nach ihrer Funktion in sensorische Neuronen, Motoneuronen und Interneuronen unterteilt werden können. Ein typisches Neuron besteht aus Dendriten (zum Empfangen von Signalen), einem Zellkörper (Soma, für den Zellstoffwechsel), einem Axon (zum Weiterleiten von Impulsen) und Synapsen (spezialisierte Verbindungen zur Signalübertragung).
Gliazellen, auch Neuroglia genannt, sind Stützzellen, die keine elektrischen Signale leiten. Im zentralen Nervensystem (ZNS) gibt es vier Arten von Gliazellen: Oligodendrozyten, Astrozyten, Mikroglia und Ependymzellen. Im PNS werden die Stützzellen als periphere Neuroglia bezeichnet, zu denen Schwann-Zellen, Mantelzellen und andere Zellen mit spezifischen Strukturen und Funktionen gehören.
Schwann-Zellen: Definition und Vorkommen
Schwann-Zellen, auch Schwann’sche Zellen genannt, sind eine spezielle Art von Gliazellen, die ausschließlich im peripheren Nervensystem (PNS) vorkommen. Sie sind ektodermalen Ursprungs und umhüllen die Axone der Nervenzellen.
Aufbau der Schwann-Zelle
Schwann-Zellen sind in regelmäßigen Abständen an den Axonen von Neuronen lokalisiert. Sie erstrecken sich über eine Länge von 0,1 bis 1,5 Millimeter und umwickeln einzelne Abschnitte von Axonen, die man als Internodien bezeichnet. Zwischen den Internodien befinden sich die Ranvierschen Schnürringe.
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Die Struktur der Schwann-Zellen besteht aus einer Plasmamembran, die von den Schwann-Zellen produziert wird und zu einem Großteil aus Myelin besteht. Myelin ist ein lipidreiches Material, das den ummantelten Axonen eine weißliche Färbung gibt. Die eigentliche Schwann-Zelle hat ihren Ursprung an der innersten Schicht der Myelinhülle und enthält in ihrem Inneren Mitochondrien.
Die Myelinscheide
Wird Myelin produziert, wickelt es sich als Teil der Mantelstruktur von innen nach außen um die Schwann-Zelle und um das Axon. Die Umwicklung eines Axons mit Myelin wird Myelinscheide oder Markscheide genannt. Die Myelinscheide besteht aus Proteinen und Lipiden und wird von mehreren Schwann´schen-Zellen gebildet.
Ranviersche Schnürringe
Die Abstände zwischen den einzelnen Schwann-Zellen werden Ranviersche Schnürringe genannt. An diesen Stellen ist das Axon nicht von Myelin bedeckt.
Schmidt-Lanterman-Einkerbungen
Gelegentlich treten auch schräg verlaufende Unterbrechungen in der Myelinschicht auf, die als Schmidt-Lanterman-Einkerbungen bekannt sind.
Funktionen der Schwann-Zellen
Schwann-Zellen erfüllen im Peripheren Nervensystem essenzielle Funktionen. Sie dienen der Ernährung, Stützung und elektrischen Isolierung von Axonen.
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Myelinisierung und saltatorische Erregungsleitung
Die Hauptfunktion der Schwann-Zellen ist die Bildung der Myelinscheide um die Axone der Nervenzellen. Diese Myelinscheide wirkt wie eine Isolationsschicht und ermöglicht die saltatorische Erregungsleitung.
Durch die elektrische Isolierung an den Myelinscheiden sind spannungsgesteuerte Ionenkanäle lediglich in den Ranvierschen Schnürringen vorhanden. Ein Aktionspotential “springt” also in einem Axon von Schnürring zu Schnürring und kann dementsprechend schneller durch den Organismus geleitet werden. Die Geschwindigkeit eines Aktionspotentials in einem Axon mit Schwann-Zellen und Myelinscheide beträgt ca. 100 m/s oder 360 km/h, was wesentlich schneller ist als die Weiterleitung in Axonen ohne Schwann-Zellen und Myelinscheiden.
Vorteile und Nachteile der saltatorischen Erregungsleitung
Die saltatorische Erregungsleitung hat sowohl Vorteile als auch Nachteile:
Vorteile:
- Durch die erhöhte Weiterleitungsgeschwindigkeit sind bei gleichen Durchmessern von Axonen schnellere Reaktionen möglich.
- Axone mit einem geringeren Durchmesser können die gleiche Leistungsgeschwindigkeit erreichen, wodurch Material und Raum gespart wird.
Nachteile:
- Schwann-Zellen und Myelinscheiden nehmen Platz ein, was besonders im Gehirn mit ca. 100 Milliarden Neuronen mit ihren Axonen ein Problem darstellt.
Axonale Regeneration
Ein weiterer Vorteil der Schwann-Zellen ist ihre Fähigkeit zur axonalen Regeneration. Schwann-Zellen ermöglichen es, beschädigte Axone bzw. Nervenfasern wieder zusammenwachsen zu lassen und haben somit einen regenerativen Effekt auf das Nervensystem. Oligodendrozyten, die die gleiche Funktion im ZNS übernehmen, können zerstörte Nervenfasern nur stark eingeschränkt oder gar nicht regenerieren.
Weitere Funktionen
Auch marklose Nervenfasern werden durch ihr Zytoplasma schützend umhüllt. Sie isolieren und ernähren Axone, sorgen für Stabilität und spielen darüber hinaus eine zentrale Rolle bei der Regeneration und Reparatur von Nervenfasern. Sie schaffen ein wachstumsförderndes Milieu für verletzte Nervenfasern.
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Schwann-Zellen im Vergleich zu anderen Gliazellen
Im zentralen Nervensystem (ZNS) übernehmen Oligodendrozyten eine ähnliche Funktion wie Schwann-Zellen im PNS. Astrozyten im ZNS sind für die Nährstoffversorgung von Neuronen, die Regulation des Kalium-Haushaltes, die Flüssigkeitsregulation und den Transport von Abfallstoffen zuständig.
| Funktion | Astrozyten | Oligodendrozyten | Schwann-Zellen |
|---|---|---|---|
| Ort | ZNS | ZNS | PNS |
| Hauptfunktion | Ernährung von Neuronen, Flüssigkeitsregulation, Regulation Kalium-Haushalt, Transport von Abfallstoffen, Bildung der Blut-Hirn-Schranke | Elektrische Isolation von Axonen, Energieversorgung der Axone | Elektrische Isolation von Axonen, Ernährung und Stützung von Axonen, axonale Regeneration |
Klinische Bedeutung
Erkrankungen, die die Myelinscheide betreffen, können schwerwiegende neurologische Folgen haben.
Multiple Sklerose (MS)
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die zur Zerstörung von Oligodendrozyten und somit zur Demyelinisierung von Nerven im ZNS führt. Dies führt zur Schädigung und Degeneration von Axonen und beeinträchtigt die Übertragung von Aktionspotentialen.
Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine immunvermittelte demyelinisierende Polyneuropathie, bei der das Immunsystem die Myelinscheide und Schwann-Zellen angreift. Dies führt zu einer akuten, aufsteigenden Lähmung.
Schwannome
Schwann-Zellen können Ausgangspunkt gutartiger Tumoren sein, die als Schwannome bezeichnet werden. Ein bekanntes Beispiel ist das Vestibularis-Schwannom (Akustikusneurinom), ein gutartiger Tumor der Myelinscheide des Nervus vestibularis.
Morton Neurom
Das Morton Neurom ist eine schmerzhafte, entzündliche Verdickung eines Mittelfußnerven.