Im menschlichen Gehirn erfolgt die Informationsübertragung durch bioelektrische Impulse und chemische Signalmoleküle. Diese chemischen Botenstoffe, die Neurotransmitter, spielen eine zentrale Rolle bei der Kommunikation zwischen Nervenzellen und sind essenziell für zahlreiche neurologische Prozesse.
Was sind Neurotransmitter?
Neurotransmitter, oft auch kurz Transmitter genannt, sind heterogene, biochemische Moleküle, die als Botenstoffe im Nervensystem fungieren. Sie leiten Reize zwischen Nervenzellen weiter und ermöglichen so die Kommunikation und Informationsweiterleitung. Neurotransmitter sind biochemische Substanzen, die zwischen Zellen im menschlichen Körper Reize weiterleiten, verstärken oder modulieren können.
Die Funktionsweise der Neurotransmitter
Wenn ein elektrisches Signal in Form eines Aktionspotenzials eine Nervenzelle (präsynaptische Zelle) erreicht, wird dieses Signal in ein chemisches Signal umgewandelt. Die Neurotransmitter befinden sich präsynaptisch in kleinen Vesikeln. Bei Ankunft eines Aktionspotenzials an der Präsynapse kommt es zum Einstrom von Calcium, was die Freisetzung der Vesikelinhalte durch Exozytose in den synaptischen Spalt bewirkt.
Die freigesetzten Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt zur postsynaptischen Membran, wo sich spezifische Andockstellen (Rezeptoren) befinden. Jeder Neurotransmitter hat also spezifische Rezeptoren. Die Bindung des Neurotransmitters an den Rezeptor führt meist zur Öffnung von Ionenkanälen, was einen Ein- oder Ausstrom von Ionen bewirkt. Dadurch entsteht in der postsynaptischen Nervenzelle wieder ein elektrisches Signal, und die Weiterleitung war erfolgreich.
Nach der Signalübertragung müssen die Transmittermoleküle aus dem synaptischen Spalt entfernt werden, damit die Synapse wieder funktionsfähig ist. Dies geschieht durch spezifische Enzyme, die die Neurotransmitter abbauen, oder durch Transportproteine, die für die Wiederaufnahme des Transmitters in das Neuron sorgen. Dort wird er entweder wiederverwertet oder abgebaut.
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Spezifität der Neurotransmitter
Die Wirkungsweise der Neurotransmitter ist hochspezifisch. Für jeden Neurotransmitter gibt es an der postsynaptischen Membran spezifische Rezeptoren, die festlegen, ob ein Neurotransmitter aktivierend oder hemmend wirkt. Die Art des Transmitters hat also keinen Einfluss darauf, ob eine erregende (exzitatorische) oder hemmende (inhibitorische) Synapse vorliegt.
Es gibt verschiedene Arten von Rezeptoren:
- Ionotrope Rezeptoren: Diese Rezeptoren bilden selbst Ionenkanäle und ermöglichen einen direkten Ionenfluss.
- Metabotrope Rezeptoren (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren): Sie steuern die Öffnung von Ionenkanälen indirekt.
Einteilung der Neurotransmitter
Die Einteilung der Neurotransmitter kann nach verschiedenen Aspekten erfolgen. Eine mögliche Einteilung ist nach ihrer chemischen Struktur:
- Amine: Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin.
- Aminosäuren: Glutamat, GABA (Gamma-Aminobuttersäure), Glycin.
- Neuropeptide: Kurze Kettenmoleküle aus Aminosäuren.
- Quartäre Ammoniumverbindungen: Acetylcholin.
- Gasförmige Transmitter: Stickstoffmonoxid (NO).
- Purine: Adenosin, ATP.
Die drei häufigsten Transmitter Glutamat, GABA und Glycin sind Aminosäuren. Serotonin, Dopamin und weitere Transmitter gehören zu den Aminen, die durch enzymatische Reaktionen aus Aminosäuren gebildet werden. Die dritte Gruppe bilden die Neuropeptide.
Bekannte Neurotransmittersysteme
Jeder Neurotransmitter definiert ein System - eine spezifische Maschinerie, die für Synthese, Ausschüttung, Wirkung, Wiederaufnahme und Abbau des Transmitters zuständig ist. Besonders bekannte und bedeutsame Beispiele solcher Neurotransmittersysteme sind:
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- Das cholinerge System: Rund um den Transmitter Acetylcholin.
- Das serotonerge System: Mit dem Botenstoff Serotonin.
- Das dopaminerge System: Mit dem Neurotransmitter Dopamin.
Diese Systeme haben relativ kleine Ursprungsgebiete, ihr Einfluss reicht aber über viele verschiedene Stellen im Gehirn hinein. Acetylcholin, Serotonin und Dopamin wirken langsamer und länger anhaltend als beispielsweise Glutamat, weil sie nicht nur in einer einzelnen Synapse ausgeschüttet werden, sondern diffus in einem größeren Gebiet. Sie spielen deshalb eine besondere Rolle bei der Regulierung umfassender Zustände wie Schlaf oder Gemütsverfassung.
Acetylcholin
Acetylcholin (ACh) wirkt meist erregend und ist, neben Noradrenalin, der wichtigste Transmitter im peripheren Nervensystem. Man findet Acetylcholin aber beispielsweise auch in Großhirn, Hirnstamm und Rückenmark. Es spielt eine herausragende Rolle im vegetativen Nervensystem sowie bei der Erregung von Muskelzellen an der motorischen Endplatte.
Es gibt zwei Arten von Rezeptoren für Acetylcholin:
- Nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren: Ionotrope Rezeptoren, die selbst Ionenkanäle bilden.
- Muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren: Metabotrope Rezeptoren, die die Öffnung von Ionenkanälen indirekt steuern.
Acetylcholin wurde wohl deshalb als erster Neurotransmitter entdeckt, weil er für das vegetative Nervensystem sowie an der Schnittstelle zwischen motorischen Nerven und Skelettmuskulatur eine entscheidende Rolle spielt. Aber auch im Gehirn finden sich cholinerge Neuronen.
Glutamat
Glutamat ist der häufigste exzitatorische (erregende) Neurotransmitter im zentralen Nervensystem. Man findet Glutamat vor allem etwa in Großhirnrinde, Hippocampus, Thalamus, Kleinhirn und Hirnstamm. Eine Ausnahme hinsichtlich der erregenden Wirkung von Glutamat stellt die Retina dar: Hier am Auge wirkt Glutamat hemmend.
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Es gibt drei Subtypen von Glutamatrezeptoren: AMPA-Rezeptoren, NMDA-Rezeptoren und Kainat-Rezeptoren. Alle Glutamatrezeptoren öffnen bei Aktivierung direkt einen Ionenkanal in der postsynaptischen Membran (ionotrope Rezeptoren).
GABA (Gamma-Aminobuttersäure)
Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist der häufigste inhibitorische, also hemmende Neurotransmitter im ZNS. Besondere Bedeutung kommt GABA zum Beispiel im Striatum des Großhirns, in Zwischenhirn, Kleinhirn, Rückenmark und Auge zu. GABA ist unter anderem am Schlaf beteiligt und kommt auch in der Bauchspeicheldrüse in größeren Mengen vor.
Dopamin
Dopamin ist ein Katecholamin und gehört damit zur selben Gruppe wie Adrenalin und Noradrenalin. Dopamin spielt eine entscheidende Rolle bei einer Vielzahl von Funktionen, wozu beispielsweise Motorik, Denken, Wahrnehmung und das Belohnungssystem gehören.
Bei Patienten mit Parkinson ist ein Absterben von Nervenzellen, die Dopamin herstellen (dopaminergen Neuronen), verantwortlich. Das kann zur Bewegungsarmut oder sogar Bewegungslosigkeit führen. Um dem entgegenzuwirken, werden Dopamin-Medikamente eingesetzt. Dopamin kann außerdem die Wirkung des Sympathikus steigern.
Serotonin
Serotonin ist an der Regulation von Schlaf-Wach-Rhythmus, Schmerz, Emotion sowie Ess- und Sexualverhalten beteiligt. Insgesamt sorgt Serotonin für gute Stimmung und Gelassenheit, was ihm auch den Namen “Glückshormon” beigebracht hat. Neben dem zentralen Nervensystem findet man Serotonin ebenfalls im Magen-Darm-Trakt.
Neurone, die Serotonin als Botenstoff ausschütten, beeinflussen zum Beispiel das Schmerzempfinden, Schlaf- und Wachrhythmus und den Gemütszustand. Serotonin ist auch außerhalb des zentralen Nervensystems weit verbreitet. Erstmals isoliert wurde es in der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts. Den Namen hat es von seiner Wirkung auf den Blutdruck: Als Bestandteil des Serums reguliert es die Spannung (Tonus) der Blutgefäße.
Störungen der Neurotransmitter und ihre Auswirkungen
Störungen der Neurotransmitter können zu schwerwiegenden neurologischen und psychischen Erkrankungen führen. Beispielsweise vermutet man bei der Erkrankung Schizophrenie, dass für einige Formen eine Überaktivität von dopaminergen Zellgruppen verantwortlich ist. Auch bei der Depression könnten Neurotransmitter eine ausschlaggebende Rolle spielen. Die Leitsymptome der Depression (gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Interessensverlust) könnten auf eine reduzierte Aktivität von bestimmten Transmittern zurückzuführen sein.
Eine weitere Erkrankung, die auf Neurotransmitter zurückzuführen ist, ist Morbus Parkinson. Bei dieser Krankheit kommt es zum Untergang von dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra. Die Folge davon ist, dass es zu einer vermehrten Hemmung innerhalb der Basalganglienschleife kommt, was schlussendlich die Motorik verlangsamt. Die Pathophysiologie des M. Nervensystem: Histologie der Substantia nigra und den anschließenden Verlust der zentralen Dopaminversorgung. Pharmakotherapie bei Morbus Parkinson/Carbidopa, MAO-B-Hemmern und Dopaminagonisten, die die dopaminerge Aktivität wiederherstellen.
Neuropharmazie: Einfluss von Medikamenten auf Neurotransmitter
Die Neuropharmazie ist ein bedeutendes Teilgebiet der Pharmazeutik, das sich mit der Wirkung von Arzneimitteln auf das Nervensystem befasst. Medikamente, die speziell für das Gehirn entwickelt wurden, zielen darauf ab, Krankheiten wie Depression, Schizophrenie oder Alzheimer zu behandeln. Dabei greifen sie in die chemischen Prozesse des Nervensystems ein und beeinflussen die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen.
Neuropharmaka sind essentielle Medikamente, die zur Behandlung verschiedener neurologischer und psychischer Erkrankungen eingesetzt werden. Der Einfluss dieser Medikamente reicht von der Veränderung der Stimmung bis zur Behandlung schwerwiegender Nervenerkrankungen. Hauptziel dieser Medikamente ist die Beeinflussung von Neurotransmittersystemen, um Symptome zu lindern oder Krankheiten zu heilen.
Beispiele für Neuropharmaka:
- Antidepressiva: Zur Behandlung von Depressionen. Sie beeinflussen hauptsächlich das Serotonin- und Noradrenalinsystem im Gehirn. Durch die Hemmung ihres Reuptakes kann die Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht werden, was eine stabilisierende Wirkung auf die Stimmung hat.
- Antipsychotika: Zur Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen. Beide Medikamentenklassen wirken auf Dopaminrezeptoren.
- Antiepileptika: Zur Behandlung von Anfallsleiden.
- Benzodiazepine: Medikamente, die auf den GABAA-Rezeptor einwirken, um inhibitorische Wirkungen auf das ZNS zu erzeugen. Sie verstärken die GABA-Aktivität und haben anxiolytische, muskelrelaxierende, hypnotische, sedierende und krampflösende Eigenschaften.
Der Wirkmechanismus von Neuropharmaka basiert auf ihrer Fähigkeit, die Kommunikation zwischen Nervenzellen zu verändern. Dies geschieht hauptsächlich durch:
- Blockieren von Rezeptoren: Um die Aktivität dieser Zellen zu regulieren.
- Verstärken der Neurotransmitterfreisetzung.
- Hemmung der Wiederaufnahme von Neurotransmittern.
Diese Mechanismen helfen, ein Gleichgewicht im Gehirn wiederherzustellen und dadurch verschiedene neurologische Zustände zu behandeln.
Messung von Neurotransmitter-Spiegeln
Bei Verdacht auf eine Neurotransmitter-Störung kann ein Arzt oder Neurologe Tests durchführen, um die Neurotransmitter-Spiegel im Körper zu messen. Möglich ist dies beispielsweise für die Parameter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Die Messung kann durch Bluttests, Liquoruntersuchungen oder bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) erfolgen. Mögliche Indikationen für derartige Untersuchungen sind etwa Schlafstörungen, verminderte Leistungsfähigkeit oder Schmerzen.
Die Geschichte der Neurotransmitter-Forschung
Im 19. Jahrhundert lieferte die Entdeckung des synaptischen Spalts ein Indiz dafür, dass die Signalübertragung zwischen Nervenzellen chemisch erfolgen könnte. Die hohe Geschwindigkeit der Übertragung ließ viele Forscher dennoch an einen elektrischen Mechanismus glauben.
Nicht so Otto Loewi. Der Pharmakologe träumte nach eigener Aussage eines Nachts vom entscheidenden Experiment, wachte davon auf und setzte es sofort erfolgreich um. Dazu legte Loewi ein noch schlagendes Froschherz in eine Salzlösung und stimulierte elektrisch den Vagusnerv, was erwartungsgemäß den Herzschlag verlangsamte. Als Loewi dann ein zweites Froschherz in die gleiche Lösung legte, schlug auch dieses langsamer. Es musste also einen „Vagusstoff“ geben, der die neuronale Kommunikation vermittelt.
Viele seiner Nachfolger beschäftigten sich seither mit der chemischen Übertragung von elektrischer Erregung an Synapsen und entdeckten, dass diese weit vielfältigere Möglichkeiten bieten als eine einfache elektrische Kontaktstelle.
Zukünftige Entwicklungen in der Neuropharmazie
Die zukünftigen Entwicklungen in der Neuropharmazie sind spannend und vielversprechend. Die Neuropharmazie entwickelt sich in der personalisierten Medizin durch fortschrittliche Biomarker-Forschung, genetische Analysen und maßgeschneiderte Therapieansätze weiter.
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