Op am Gehirn bei Bewusstsein: Risiken und Prävention eines Delirs

Ein Delir nach einer Narkose kann zu Störungen des Gehirns führen, mit lebensbedrohlichen Folgen. Dieser Artikel beleuchtet die Risiken eines postoperativen Delirs, seine Ursachen, Präventionsmaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten.

Einführung

Insbesondere Intensivpatienten kann es so ergehen, wenn sie aus der Narkose erwachen: Vor dem Eingriff war der Angehörige noch agil und fit, nach der Operation im Krankenhaus ist er plötzlich nur noch verwirrt und desorientiert. Ein Delir ist eine akute Verwirrtheitszustand, der vor allem nach Operationen auftreten kann. Jahrelang wurde die Funktionsstörung des Gehirns als "Durchgangssyndrom" bezeichnet und damit oft bagatellisiert. Mit dem Begriff wurde die Annahme verbunden, dass im Zuge der Operation nur mit einem vorübergehenden Verwirrtheitszustand zu rechnen sei, der vergleichsweise harmlos ist. Heute ist bekannt, dass ein Delir nicht nur den Heilungsverlauf beeinträchtigen kann, sondern auch lebensbedrohliche Komplikationen drohen.

Was ist ein Delir?

Beim postoperativen Delir treten die Symptome oft zwischen dem zweiten und siebten Tag nach der Operation auf und dauern etwa drei bis vier Tage an. Dazu zählen Funktionsstörungen des Gehirns, die sich auch über mehrere Wochen hinziehen können.

Betroffene geraten in einen Zustand geistiger Verwirrtheit und Desorientierung. Sie leiden an Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen. Es gibt Patienten, die beschreiben, dass das Wasser die Wände runterläuft, wenn sie wach werden.

Mediziner unterscheiden zwei typische Erscheinungsformen:

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  • Hyperaktives Delir: Die Betroffenen agieren unruhig und sind auffällig laut. Dabei wird manchmal auch ein aggressives Verhalten beobachtet. Die Patienten reißen sich im Krankenbett unter Umständen Schläuche und lebensnotwendige Zugänge heraus und schreien oder schlagen um sich.
  • Hypoaktives Delir: Die Patienten verhalten sich hingegen eher introvertiert und apathisch. Sie sind stark verängstigt und wollen beispielsweise nicht mehr aufstehen. Ein hypoaktives Delir wird häufig übersehen und spät erkannt, da die Betroffenen leise und kaum ansprechbar sind.

Ursachen eines Delirs

Warum das Gehirn gerade nach großen, stationär durchgeführten Eingriffen aus dem Gleichgewicht gerät, ist nicht restlos geklärt. Offenbar handelt es sich um eine Kombination verschiedener Auslöser. Dazu gehören krankheitsbedingte Entzündungsreaktionen im Körper sowie Medikamente, die eine Wechselwirkung mit Narkosemitteln haben können. Das ist oft dann der Fall, wenn Patienten viele verschiedene Medikamente gleichzeitig einnehmen.

Weitere Risikofaktoren sind:

  • hohes Alter
  • schwere Erkrankung
  • Demenz
  • Gebrechlichkeit
  • gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel (Polypharmazie)
  • neue oder abgesetzte Medikamente
  • Alkoholmissbrauch
  • Niereninsuffizienz
  • chirurgische Eingriffe
  • Infektionen
  • Flüssigkeitsmangel
  • Sehstörungen
  • Schwerhörigkeit
  • akuter Schmerz

Risikogruppen

Die Wahrscheinlichkeit, an einem Delir zu erkranken, steigt mit dem Lebensalter, der Schwere der Erkrankung und der Größe des Eingriffs. Viele Fälle werden nach stationär durchgeführten Operationen beobachtet, die mit einer länger andauernden Narkose einhergegangen sind. Für ältere Menschen ist ein Delir mit einem größeren Risiko verbunden. Denn wenn das Delir länger anhält und Hirnzellen auch absterben, dann kann sich das Gehirn nicht mehr so leicht regenerieren und dann können sich auch kognitive Schäden entwickeln. Aber auch jüngere Menschen leiden oft noch längere Zeit nach einem Delir unter kognitiven Einschränkungen.

Senioren und Kinder leiden besonders häufig, doch ein Delir kann auch Menschen treffen, die mitten im Leben stehen.

Prävention eines Delirs

Um der Entwicklung eines Delirs vorzubeugen, werden die Dauer der Anästhesie, die Narkosebelastung sowie die Anzahl der verabreichten Medikamente genau geprüft.

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Schulz empfiehlt vor operativen Eingriffen eine sogenannte Medikamententoilette. Das bedeutet, dass bestimmte Medikamente, wenn möglich, von den behandelnden Ärzten rechtzeitig vor der Operation abgesetzt werden.

Immer mehr Krankenhäuser setzen bei der räumlichen Gestaltung im Aufwachraum und auf den Stationen auf innovative Farb- und Lichtkonzepte. Diese sollen den Patienten eine bessere zeitliche und räumliche Orientierung geben. So ist zum Beispiel eine automatische Licht-Simulation möglich, die den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus nachempfinden lässt. Auch sogenannte Orientierungswände, die in verschiedenen Farbtönen angestrichen sind, tragen dazu bei, dass sich Patienten in der fremden Umgebung einer Klinik besser zurechtfinden.

Zuwendung hilft, Patienten vor einem Delir zu bewahren oder sie schneller wieder aus diesem Zustand herauszuholen. In einigen Krankenhäusern kümmern sich speziell geschulte Pflegekräfte vor und direkt nach der Operation um "delirgefährdete" Personen. Sie achten auf eine frühzeitige Mobilisation und schnelle Orientierung.

Um das Risiko für ein Delir zu minimieren, können Patienten und Angehörige einiges beachten:

  • Zur besseren Orientierung sollten persönliche Gegenstände wie Brille, Gebiss, Hörgeräte und Kleidung dabei sein.
  • Außerdem hilft es einen Kalender und eine Uhr aufzustellen.
  • Durch Fotos von nahestehenden Personen und Bücher können Erinnerungen geweckt werden.
  • Außerdem sind Besuche von vertrauten Personen kurz nach der Operation und in der Zeit danach wichtig.
  • Kleine Strecken innerhalb der Station sollten gemeinsam gegangen werden.
  • Angehörige sollten mit der Person sprechen, die Hand halten und sie beruhigen.
  • Es ist hilfreich, aus dem Lieblingsbuch oder der Tageszeitung vorzulesen. Vertraute persönliche Kontakte sind in dieser Zeit durch nichts zu ersetzen.
  • Patienten sollten sich auf ihre Operation vorbereiten, indem sie auf jeden Fall Hör- und Sehhilfen mit ins Krankenhaus mitbringen. Wenn ich nichts höre und schlecht sehe nach einer Operation, dann ist das Risiko, dass ich mich nicht orientieren kann, natürlich größer.
  • Wichtig ist, dass der Körper vor und während der O.P. nicht zu stark dehydriert, also austrocknet. Manchmal ergeben sich durch das Verschieben von Operationen Karenzzeiten von mehr als zehn Stunden, in denen die Patienten nichts trinken. Wenn sie mit diesem Flüssigkeitsmangel in die O.P. gehen, dann haben sie oft die Situation, dass die Organe, also Gehirn, Herz und Nieren, nach der Operation nur erschwert ihre normale Funktion wieder aufnehmen können. Der höchste Risikofaktor für Delir im Aufwachraum, unmittelbar nach der Operation ist eine Flüssigkeitskarenz, die vorher zu lange gedauert hat.
  • Wenn zum Beispiel jemand eine neue Hüfte bekommen soll, aber über wenig Muskelkraft verfügt, dann kann man vorher gezielt mit demjenigen trainieren. Umso schneller ist er dann mit der neuen Hüfte auch wieder mobil. Auch Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Viele Patienten sind im Alter mangelernährt, nehmen nicht ausreichend Nährstoffe zu sich. Wenn man das erkennt, kann man vor einer Operation mit einer gezielten Diät gegensteuern. Das führt dann auch zu einer gestärkten Immunabwehr, was zum Beispiel beim Einsatz von künstlichen Gelenken eine wichtige Rolle spielt. Denn Infektionen nach einer O.P.

Weitere Maßnahmen zur Prävention eines Delirs:

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  • Aktive Vorsorge sowie einer konsequenten und frühzeitigen Behandlung erster Symptome kann ein Delirium vermieden beziehungsweise abgeschwächt werden. Daher ist die Identifikation möglicher Risikopatient:innen von großer Bedeutung.
  • Gelingen kann das durch eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte im Vorfeld der stationären Aufnahme.
  • Auch detailliert geplante Operationen mit möglichst geringer Narkosebelastung beugen der Gefahr wirksam vor.
  • Angehörige können bei der Re-Orientierung helfen, sie können viel eher als das Pflegepersonal an Erinnerungen anknüpfen und diese aktiv halten.
  • In einem gewissen Rahmen können gegebenenfalls auch Rituale von zu Hause in der Klinik umgesetzt werden. Beispielsweise das Ritual mit der Ehefrau zu Hause Kaffee trinken und über das Welt Geschehen sprechen. „Alles was der Re-Orientierung dient, ist auch gleichzeitig eine Delir-Prophylaxe“, sagt Schmilinsky.
  • Und ganz wichtig: Denken Sie auch an sich. Auch für Angehörige kann die Situation belastend sein. Nehmen Sie sich Pausen, holen Sie sich Unterstützung und überfordern Sie sich nicht.
  • An Hilfsmittel wie Brille und Hörgeräte zu denken hört sich so banal an, ist aber essentiell in der Delir Prophylaxe und auch in der Therapie.
  • Delir-Prophylaxe wie das Tragen der eigenen Kleidung, Mobilisation und ausreichend Flüssigkeitszufuhr können wir einfach umsetzen. Wir brauchen kein spezielles medizinisches Equipment für die grundlegenden Maßnahmen, aber wir brauchen medizinische Kompetenz um ein Delir zu erkennen.

Diagnose und Behandlung

Bislang können wir ein Delir hauptsächlich durch die Kommunikation, also das Befragen der Patienten nach einer Operation feststellen. Man kann zwar auch im EEG oder im funktionellen MRT gewisse Veränderungen im Gehirn, wie etwa "Verbindungsstörung" zwischen verschiedenen Hirnhälften darstellen. Aber diese Veränderungen können auch durch andere Störungen verursacht sein.

Früher haben wir 15 bis 30 Prozent Delirien gehabt; wir sind jetzt durchschnittlich bei zehn Prozent.

Wird ein Delir nicht umgehend behandelt, verschlechtert sich der Allgemeinzustand und die Gefahr von Komplikationen, zum Beispiel Sturz, steigt. Gegebenenfalls müssen Betroffene sogar in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung untergebracht werden, da sie sich zu Hause nicht mehr selbst versorgen können.

Folgen eines Delirs

Ein erlittenes Delir führt nicht selten dazu, dass Patienten nach einer Operation deutliche Einschränkungen ihrer Autonomie erfahren oder gar zum Pflegefall werden.

Rund 25 Prozent der Patienten behalten nach einem Delir Funktionsstörungen des Gehirns zurück. In den meisten Fällen heilt ein Delir jedoch vollständig aus. Voraussetzung ist jedoch, dass nicht nur die Symptome, sondern auch die Bedürfnisse der Betroffenen rechtzeitig erkannt werden. Intensive persönliche Zuwendung ist entscheidend, um das zu gewährleisten.

Wenn keine Maßnahmen gegen ein Delir getroffen werden, dann verschlechtert sich die Situation für die Betroffenen. Untersuchungen gehen davon aus, dass die Ein-Jahres-Überlebensrate je Delirtag um zehn Prozent sinkt.

Delir und Demenz

Klar zu unterscheiden ist ein Delir von einer beginnenden Demenz. Wird ein Delir rechtzeitig und adäquat behandelt, klingen die Symptome in der Regel schnell wieder ab.

„Das ist schwer zu sagen, da es natürlich auch viele Menschen gibt, bei denen noch keine Demenz diagnostiziert wurde“, weiß die Delirexpertin. Eine vorher noch nicht erkannte Demenz kann sich durch ein Delir verschlechtern. Und ein Krankenhausaufenthalt kann eine Demenz verschlechtern oder/und ein Delir auslösen. Man geht davon aus, das circa 25 Prozent ein Jahr nach Krankenhausaufenthalt immer noch kognitive Einschränkungen haben nach einem Delir.

Je älter ein Mensch ist, umso höher ist das Risiko, eine Demenz oder ein Delir zu bekommen. Demenz ist einer der Risikofaktoren ein Delir zu entwickeln. Daher müssen ältere Patienten vom Pflegepersonal besonders geschützt werden.

Je mehr Risikofaktoren ein Mensch hat, umso weniger Auslösefaktoren braucht es, um ein Delir zu entwickeln.

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