Die Rolle von Aluminium bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit ist seit Jahrzehnten ein kontrovers diskutiertes Thema. Während einige Studien einen Zusammenhang nahelegen, sehen andere keinen wissenschaftlich bewiesenen kausalen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Aluminiumverbindungen und der Entstehung von Alzheimer. Eine aktuelle Studie belebt diese Debatte jedoch neu, indem sie zeigt, dass der Proteinkomplex Ferritin bei Alzheimerpatienten nicht vorwiegend mit Eisen-, sondern mit Aluminiumionen beladen ist.
Die Aluminium-Hypothese: Ein Comeback?
In den 1970er und 1980er Jahren galt Aluminium als einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Pathogenese der Alzheimer-Krankheit. Zahlreiche epidemiologische Studien schürten diesen Verdacht. So wurde in mehreren Ländern der Befund erhoben, dass in Regionen, in denen das Trinkwasser mit Hilfe von Aluminiumverbindungen von Schmutzteilchen gesäubert wurde, das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung in der Bevölkerung signifikant stieg.
Auch die prominent publizierten Arbeiten des Neuropathologen Daniel Perl von der Mount Sinai School of Medicine in New York sorgten für großes Interesse. Perl identifizierte in einem hohen Prozentsatz von Neuronen in den zerstörten Gehirnbereichen von Menschen, die an der Alzheimer-Krankheit gestorben waren, Aluminiumionen. Die normal erscheinenden Neuronen der Patienten waren hingegen weitgehend frei von Aluminium.
Der Rückzug und die neue Generation von Wissenschaftlern
In den 1990er Jahren mehrten sich jedoch Stimmen, die zum Rückzug bliesen. Der einflussreiche New Yorker Alzheimerforscher Henry Wisniewski konstatierte: "Da ist nichts dran. Jeder Dollar, der hier in Forschung investiert wird, ist ein verlorener Dollar." Inzwischen ist jedoch eine neue Generation von Wissenschaftlern mit ihren Arbeiten nachgerückt, die mit neuen technischen Verfahren den alten Verdacht prüft.
Ferritin: Mehr als nur ein Eisenspeicher?
Dazu zählt auch die Arbeitsgruppe von Pasquale de Sole von der Abteilung für klinische Biochemie an der Katholischen Universität Rom mit ihrem Fokus auf Ferritin. Ferritine sind etwa sechs Nanometer große Proteinkomplexe und bieten Raum für bis zu 4 500 Eisenatome. Der Großteil des Ferritins befindet sich innerhalb der Zellen, vor allem in Leber, Milz, Knochenmark und Muskeln, und wurde bisher vor allem als "eiserne Reserve" für Zeiten eines Eisenmangels angesehen.
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De Sole vermutet jedoch, dass Ferritin neben seiner Rolle als Eisenspeicher auch noch die Aufgabe haben könnte, den Organismus generell vor einem Überschuss an toxischen Metallionen zu bewahren. Bei einer Untersuchung an Nierenpatienten im Jahr 2009 entdeckte die römische Arbeitsgruppe, dass Ferritin auch andere Metalle einlagern kann, vor allem Aluminium- und Zinkionen. "Der hohe Gehalt dieser Ionen führte uns zur Erkenntnis, dass Ferritin nicht nur ein Eisenspeicher ist, sondern insgesamt ein Regulator chemisch aktiver Ionen", erklärt de Sole.
Die aktuelle Studie: Aluminium im Ferritin von Alzheimerpatienten
In zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten wird beschrieben, dass im Zentrum zerstörter Alzheimergehirne ein überraschend hoher Gehalt an Ferritinmolekülen gefunden wird. Für De Sole und seine Kollegen eröffnete sich nun aber eine neue spannende These: Was wäre, wenn diese Aluminiumionen gleichsam als blinde Passagiere im "Bauch" des Ferritins ins Gehirn gelangen?
Um diese Frage zu klären, plante de Sole die aktuell im Journal "Clinical Biochemistry" publizierte Studie. Ausgangsfrage war, wie hoch der Gehalt an Aluminium im Ferritin von Alzheimerpatienten im Vergleich mit anderen Personengruppen sein würde. Dazu rekrutierten die Forscher 21 Patienten mit Alzheimerdiagnose. Sieben von ihnen befanden sich im Anfangsstadium der Krankheit. Zum Vergleich wurde unter anderem ein Sample von 200 gesunden Blutspendern genommen.
Die Resultate waren spektakulär: Während in den Kontrollgruppen das Ferritin ganz klar von seinem Gehalt an Eisenatomen definiert war - mit Anteilen bis zu 75 Prozent - war es in der Gruppe der Alzheimerpatienten umgekehrt: Hier lag der Anteil des Aluminiums im Schnitt bei 62 Prozent. Die Aluminiumlast war damit fast doppelt so hoch wie der Gehalt an Eisen.
Expertenmeinungen und weitere Forschung
"Ich denke, dass wir mit dieser Arbeit eine Art Missing Link zum Verständnis der Entstehung der Alzheimer-Krankheit geleistet haben", stellt de Sole selbstbewusst fest. Und auch die wissenschaftliche Community zeigt Interesse. "Trotz der geringen Anzahl an Probanden klingen die Resultate überzeugend", sagt Kurt Jellinger, emeritierter Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie der Universität Wien. "Die kontroverse Beurteilung der Rolle von Aluminium in der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit ist noch immer ein Thema reger Diskussionen, die Klärung dieser Frage über weitere Untersuchungen sicherlich notwendig."
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Prof. Dr. rer. nat. Konrad Beyreuther, Direktor des Netzwerks Altersforschung an der Universität Heidelberg, schätzt die Relevanz dieser Entdeckung ebenfalls hoch ein: "Aluminium wirkt auf isolierte Nervenzellen und Glia neurotoxisch und führt zum Untergang dieser Zellen. Die Frage ist daher, ob Aluminiumionen die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Ich habe vermutet, dass dies bei Alzheimerpatienten der Fall sein kann, die eine Schrankenstörung aufweisen. Dass Ferritin eine vergleichbare Wirkung haben könnte, ist ein neuer Befund."
Beyreuther hält es durchaus für denkbar, dass die Messung der Aluminiumbeladung von Ferritin ein diagnostischer Test für das Risiko einer bevorstehenden Erkrankung sein könnte. Es muss aber zunächst in größeren Studien untersucht werden, ob der Befund verallgemeinerbar ist. Besonders interessant ist die Frage, ob der Effekt nur bei Patienten mit leichter Form der Krankheit beobachtet wird oder bereits früher, das heißt bei Personen mit präklinischer Pathologie erfasst werden kann.
Aluminium im Alltag: Exposition und Risikobewertung
Aluminium ist das dritthäufigste Element der Erdkruste und gelangt so auch in die Pflanzen. Deshalb enthalten auch einige Lebensmittel wie Tee oder Schokolade Aluminium. Außerdem ist es in vielen Sonnencremes und Körperlotionen enthalten. In Antitranspirantien sorgen Aluminiumsalze dafür, dass wir weniger schwitzen. Auch in Lebensmittelverpackungen, in manchen Impfstoffen oder in einigen Tabletten gegen Sodbrennen kann man Aluminium finden.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Aluminium einen sogenannten tolerierbaren wöchentlichen Einnahmewert definiert - den TWI (Tolerable Weekly Intake). Er liegt bei 1 Milligramm Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass dieser Grenzwert durch die Omnipräsenz des Aluminiums relativ schnell erreicht wird.
Was extrem hohe Dosen Aluminium auslösen können, macht eine Erkrankung deutlich, die Anfang der 70er-Jahre auftrat: die Dialyse-Enzephalopathie. Nierenpatienten, die regelmäßig Dialyse bekamen, zeigten verschiedene neurologische Symptome wie Sprachstörungen, Krampfanfälle, Halluzinationen und Verwirrtheit bis zur Demenz. Es dauerte ein paar Jahre, bis die Ursache identifiziert werden konnte: Aluminium.
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Aluminium und Brustkrebs: Eine weitere Kontroverse
Neben Alzheimer diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch immer wieder über den Einfluss von Aluminium auf die Entstehung von Brustkrebs. Englische und italienische Forscher fanden 2011 in der Brustflüssigkeit von Frauen mit Brustkrebs erhöhte Mengen Aluminium. Neuen Aufwind bekam die Brustkrebshypothese im Jahr 2017 durch eine Studie aus Innsbruck. Über 200 Patientinnen mit Brustkrebs und eine gleich große Kontrollgruppe wurden nach ihrem Deokonsum befragt. Außerdem wurde in Gewebeproben aus der Brust die Aluminiumkonzentration gemessen. Das Ergebnis: Vor allem Frauen, die sagten, dass sie in jungen Jahren mehrmals täglich Deodorants verwendet haben, wiesen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf. Außerdem hatten Frauen mit Brustkrebs eine höhere Aluminiumkonzentration im Brustgewebe.
Maßnahmen zur Minimierung der Aluminiumaufnahme
Um die Aluminiumaufnahme im Alltag zu minimieren, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Auf eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung achten.
- Lebensmittel nicht in Alufolie aufbewahren, sondern stattdessen Boxen aus Edelstahl verwenden.
- Beim Grillen auf Alu-Grillschalen verzichten und stattdessen wiederverwertbare Grill-Schalen aus Edelstahl verwenden.
- Fertig- und Fischgerichte in Aluminium-Schalen vermeiden.
- Die Inhaltsstoffe auf Verpackungen gut durchlesen und auf Aluminiumverbindungen achten.
- Laugengebäck, dass direkt auf Aluminiumblechen gebacken wird, meiden.
- Espressokocher und andere Haushaltsutensilien aus Aluminium nicht in der Spülmaschine reinigen.
- Beim Kauf von Kosmetika wie Make-up und Lippenstifte auf den Aluminium-Gehalt achten.
- Nach der Rasur auf Antitranspirant-Deos verzichten.
- Zahnpasta mit aufhellender Wirkung meiden.
- Säuglinge, wenn möglich, bis zum sechsten Lebensmonat stillen und dann mit normaler Kost füttern.
- Aluminiumhaltige Medikamente gegen Sodbrennen vermeiden.
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