Der Sehnerv (Nervus opticus), auch bekannt als der zweite Hirnnerv, stellt eine direkte Verbindung zwischen den Augen und dem Gehirn dar. Er ermöglicht es uns, die Welt um uns herum visuell wahrzunehmen. Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau, die Funktion und die möglichen Erkrankungen des Sehnervs, um ein umfassendes Verständnis dieser wichtigen Struktur zu vermitteln.
Einführung in den Sehnerv
Der Sehnerv ist ein wesentlicher Bestandteil des visuellen Systems. Er besteht aus etwa 1,2 Millionen Nervenfasern und überträgt Lichtreize von der Netzhaut (Retina) des Auges zum Sehzentrum in der Großhirnrinde. Dort werden die visuellen Informationen interpretiert und als Bilder wahrgenommen. Der Nervus opticus ist je nach Schädelgröße rund 4,5 Zentimeter lang.
Aufbau des Sehnervs
Der menschliche Sehnerv hat eine Länge von etwa vier bis fünf Zentimetern, abhängig von der Schädelform. Er lässt sich in drei Hauptabschnitte unterteilen:
- Intrabulbärer Teil (Pars intraocularis): Dieser Abschnitt des Sehnervs befindet sich innerhalb des Augapfels.
- Intraorbitaler Teil (Pars intraorbitalis): Dieser Abschnitt verläuft innerhalb der knöchernen Augenhöhle.
- Intrakranieller Teil (Pars intracranialis): Dieser Abschnitt liegt innerhalb der Schädelhöhle.
Die Sehnervenpapille
Der Nervus opticus beginnt an der Sehnervenpapille (Papilla nervi optici), einer scheibenförmigen Stelle am Augenhintergrund. Hier treffen etwa 1,2 Millionen Nervenfaserendigungen der Netzhaut zusammen und werden zum Sehnerv gebündelt. Die Papille ist der sogenannte "blinde Fleck", da sich an dieser Stelle keine Lichtrezeptoren befinden. Hier verlassen die Nervenfasern gebündelt das Auge. Die Stelle wird Papille genannt und ist lichtunempfindlich. Dies aus gutem Grund, denn der Sehnerv muss die Lichtrezeptorenschicht durchbrechen, um nach außen zu gelangen. Die Papille wird deshalb auch als „Blinder Fleck“ bezeichnet.
Verlauf des Sehnervs
An einer etwa drei Millimeter großen Öffnung am hinteren Pol des Auges tritt der Sehnerv durch die Lederhaut in die Augenhöhle. Danach verläuft der Nervus opticus, je nach Augenstellung, leicht s-förmig oder im Bogen etwa 3-4 Zentimeter durch die Augenhöhle bis zum Chiasma opticum (Sehnervenkreuzung).
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Die Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum)
Am Chiasma opticum kreuzen sich die Fasern der Sehnerven des rechten und linken Auges. Dadurch verarbeitet die rechte Gehirnhälfte die Informationen des linken Auges und umgekehrt. Diese Kreuzung ist für das koordinierte Sehen unerlässlich. Die Nervenfasern in den beiden Sehnerven werden aber nur teilweise gekreuzt: Die Fasern, die aus den mittleren (nasalen) Netzhauthälften kommen, werden gekreuzt; die Fasern, die aus den äußeren (temporalen) Netzhautbereichen kommen, werden nicht gekreuzt.
Sehbahn (Tractus opticus)
Nach der Sehnervenkreuzung werden die Nervenfasern als Sehtrakte (Tractus opticus) bezeichnet. Diese enden schließlich an der Sehrinde des Gehirns, wo die wahrgenommenen Bilder ausgewertet und interpretiert werden (visueller Kortex). Dafür führt der Nervus opticus die gebündelten Nervenfasern der Netzhaut zum primären visuellen Cortex (Sehrinde) im Gehirn.
Beteiligung am Pupillenreflex
Ein Teil der Fasern des Tractus opticus ist am Pupillenreflex beteiligt. Dieser Reflex passt die Pupillenweite an unterschiedliche Lichtverhältnisse an. Bei stärkerem Lichteinfall verengt sich die Pupille nicht nur auf der beleuchteten Seite, sondern auch auf der nicht beleuchteten Seite.
Funktion des Sehnervs
Die Hauptfunktion des Sehnervs besteht darin, die von der Netzhaut aufgenommenen Lichtreize in elektrische Impulse umzuwandeln und diese an das Gehirn weiterzuleiten. Dieser Prozess ermöglicht es uns, visuelle Informationen zu verarbeiten und zu interpretieren.
Verarbeitung der Lichtreize
Treffen Lichtreize auf die Netzhaut, finden bereits vor Ort die ersten Verarbeitungsstufen statt: Die fotorezeptiven Zapfen und Stäbchen senden die erste Reizantwort und die Ganglienzellen leiten diese Informationen über die einzelnen Netzhautschichten zum Blinden Fleck (Papille), wo sich die Nervenfasern der Netzhaut bündeln. Diese Nervenfaserbündel bilden ab hier den Sehnerv, der die Impulse weiter Richtung Gehirn transportiert.
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Weiterleitung zum Gehirn
Der Sehnerv leitet die elektrischen Impulse zum Sehzentrum in der Großhirnrinde weiter. Dort werden die aus den Augen eintreffenden Informationen zu einem Bild verarbeitet.
Erkrankungen des Sehnervs
Erkrankungen und Verletzungen des Sehnervs stellen eine erhebliche Gefahr für das Augenlicht dar. Da der Sehnerv eine zentrale Rolle für die Sehleistung spielt, sollten alle krankhaften Veränderungen sehr ernst genommen werden. Häufig verursachen diese eine Sehstörung, die entweder schleichend oder plötzlich verlaufen kann. Zudem kommt es im Verlauf einer Erkrankung des Sehnervs zu sogenannten Gesichtsfeldausfällen.
Glaukom (Grüner Star)
Das Glaukom ist eine der häufigsten Erkrankungen, die den Sehnerv betreffen. Im Rahmen der Erkrankung kommt es über einen längeren Zeitraum zu einem schleichenden und oft unbemerkten Anstieg des Augeninnendruckes, der zu Schäden an der Sehnervenpapille führt. Der Begriff Glaukom (Grüner Star) umfasst verschiedene Augenkrankheiten, die alle den Sehnerv schädigen und unbehandelt zur Erblindung des Patienten führen.
Sehnervenentzündung (Optikusneuritis)
Eine Sehnervenentzündung (Optikusneuritis) führt zu Sehstörungen und kann ebenfalls in Erblindung enden. Je nach Lokalisation unterscheidet man dabei zwischen einer Entzündung des Sehnervenkopfes (Papillitis) oder einer Entzündung des hinteren Sehnervenabschnitt (Retrobulbärneuritis). Ursächlich dafür können Infektionen, Vergiftungen oder Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel die Multiple Sklerose, sein. Es kommt zu plötzlichen Gesichtsfeldausfällen und einer Ödembildung im Bereich der Sehnervenpapille. Zudem stellt sich bei vielen Betroffenen eine Rot-Grün-Sehschwäche ein und der Pupillenreflex ist deutlich gehemmt. Bei Patienten im Alter zwischen 18 bis 45 Jahren deuten Beschwerden wie einseitige Sehverschlechterung oder Schmerzen bei Augenbewegung oft auf eine Sehnervenentzündung hin. Eine Entzündung des Sehnervs ist oft das erste Symptom einer Multiplen Sklerose und tritt auch im Verlauf dieser Autoimmunerkrankung häufig auf.
Stauungspapille
Als Stauungspapille bezeichnet man eine krankhafte Schwellung (Ödem) des Sehnervenkopfes. In der Regel tritt dieses Krankheitsbild beidseitig auf und geht im Verlauf mit Sehverschlechterung, Gesichtsfeldausfällen und Kopfschmerzen einher. Ursächlich ist meist ein erhöhter Hirndruck, der durch Entzündungen, Infektionen, Tumore oder Blutungen entstehen kann. Um bleibende Schäden an den Sehnerven zu verhindern, ist das Hauptziel einer Therapie die rasche Senkung des erhöhten Hirndruckes.
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Optikusatrophie
Der Begriff Optikusatrophie bezeichnet den irreversiblen Schwund von Nervenzellen entlang des Sehnervs. Dieser Schwund tritt meist als Folgezustand vorangegangene Erkrankungen, wie zum Beispiel einem Glaukom, einem Sehnerveninfarkt oder einer Sehnervenentzündung auf. Symptomatisch zeigen sich Sehverschlechterungen und Gesichtsfeldeinschränkungen beim Patienten. Die Therapie und der weitere Verlauf hängen immer von der zugrunde liegenden Erkrankung ab. Bereits eingetretene Schädigungen des Sehnervs sind leider irreversibel und nicht mehr therapierbar.
Weitere Ursachen für Sehnervschäden
Auch Tumore, Aneurysmen, Traumata, Blutungen oder Durchblutungsstörungen können Verletzungen der Sehnerven zur Folge haben. Die daraus resultierenden Ausfälle des Gesichtsfeldes geben dem Arzt wiederum wichtige Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung und helfen ihm, die Läsion zu lokalisieren. Auch erhöhter Druck (z.B. bei einer Tumorerkrankung oder einem "Wasserkopf" = Hydrocephalus) kann den Sehnerv so schädigen, dass Nervenfasern absterben.
Schädigung im Bereich des Tractus opticus oder Chiasma opticum
Bei einer Schädigung im Bereich eines Tractus opticus kommt es zu einem Gesichtsfeldausfall (Skotom) in der betreffenden Netzhauthälfte in beiden Augen (homonyme Hemianopsie). Bei einer Schädigung des Chiasma opticum resultiert eine heteronyme Hemianopsie: Der Gesichtsfeldausfall betrifft in beiden Augen entweder die seitliche Hälfte (in Richtung Schläfe) oder die mediale Hälfte (in Richtung Nase).
Diagnose von Sehnerv-Erkrankungen
Die Diagnose von Sehnerv-Erkrankungen umfasst in der Regel eine umfassende Augenuntersuchung, einschließlich der Prüfung der Sehschärfe, des Gesichtsfelds und der Pupillenreaktion. Bildgebende Verfahren wie die Optische Kohärenztomographie (OCT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) können ebenfalls eingesetzt werden, um den Zustand des Sehnervs zu beurteilen.
Therapie von Sehnerv-Erkrankungen
Die Therapie von Sehnerv-Erkrankungen hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. In einigen Fällen können Medikamente oder Operationen erforderlich sein, um den Augeninnendruck zu senken, Entzündungen zu reduzieren oder Tumore zu entfernen. In anderen Fällen kann eine Rehabilitation erforderlich sein, um den Umgang mit Sehbehinderungen zu erlernen.
Fazit
Der Sehnerv spielt eine entscheidende Rolle für unsere Fähigkeit zu sehen. Ein Verständnis seiner Struktur, Funktion und möglichen Erkrankungen ist wichtig, um die Gesundheit unserer Augen zu erhalten. BeiSehstörungen oder anderen Symptomen ist es ratsam, einen Augenarzt aufzusuchen, um eine frühzeitige Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.