Die Optikusneuritis, auch bekannt als Sehnerventzündung oder Neuritis nervi optici, ist eine entzündliche Erkrankung des Sehnervs, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen kann. Der Sehnerv verbindet das Auge mit dem Gehirn und ist für die Übertragung visueller Informationen verantwortlich. Eine Entzündung dieses Nervs kann verschiedene Symptome verursachen und unterschiedliche Ursachen haben. In diesem Artikel werden wir die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung der Optikusneuritis detailliert untersuchen.
Was ist eine Optikusneuritis?
Die Optikusneuritis ist eine Entzündung des Sehnervs, die die Übertragung visueller Informationen vom Auge zum Gehirn beeinträchtigt. Bei der Entzündung werden meist die Myelinscheiden, also die elektrisch isolierenden äußeren Schichten der Nervenfasern, geschädigt. Diese Schädigung kann die Funktion des Nervs einschränken und zu verschiedenen Sehstörungen führen.
Je nach Lokalisation des Entzündungsprozesses unterscheidet man zwischen:
- Papillitis: Entzündung direkt beim Austritt des Sehnervs aus dem Augapfel an der sogenannten Papille.
- Retrobulbärneuritis: Entzündung hinter dem Augenapfel, also im hinteren Abschnitt des Sehnervs.
Zudem wird zwischen der häufiger auftretenden typischen und der selteneren atypischen Optikusneuritis unterschieden.
Ursachen der Optikusneuritis
Die Ursachen einer Optikusneuritis sind vielfältig und können sowohl auf autoimmunologische Reaktionen als auch auf verschiedene zugrunde liegende Erkrankungen zurückgeführt werden.
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Typische Optikusneuritis
- Multiple Sklerose (MS): Die Optikusneuritis kann das erste Anzeichen dieser Erkrankung sein. Bei vielen Betroffenen, die eine Optikusneuritis entwickeln, wird später eine Multiple Sklerose diagnostiziert. Bis zu 70 % der MS-Patienten erleiden im Krankheitsverlauf mindestens eine Sehnervenentzündung; in etwa einem Drittel der Fälle tritt diese als Erstmanifestation auf.
- Idiopathisch: Bei einer idiopathischen Sehnerventzündung ist die genaue Ursache unklar. Es wird jedoch angenommen, dass eine vorübergehende Fehlfunktion des Immunsystems beteiligt ist.
Atypische Optikusneuritis
- Andere Autoimmunerkrankungen: Lupus erythematodes, Sarkoidose.
- Neuromyelitis optica (Devic-Syndrom): Bei schwer verlaufender oder beidseitiger Optikusneuritis und für Multiple Sklerose untypischen Befunden der Kernspintomographie sollte man an die Neuromyelitis optica oder an die Spektrum-Disorder-Form denken.
- Bakterielle Infektionen: Borreliose, Tuberkulose oder Syphilis.
- Medikamente: Tamoxifen (gegen Brustkrebs).
- Giftstoffe: Blei, Alkohol, Nikotin.
- Tumor: Ein Tumor, der auf den Sehnerv drückt oder in dessen Nähe wächst, kann Symptome verursachen, die einer Optikusneuritis ähneln.
- Virusinfektionen: Bei Kindern kann sich eine Optikusneuritis in zeitlichem Zusammenhang zu einem vorausgegangenen Virusinfekt zeigen.
Risikofaktoren
Risikofaktoren, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Optikusneuritis in Verbindung gebracht werden, sind:
- Geschlecht: Optikusneuritis tritt häufiger bei Frauen als bei Männern auf.
- Alter: Junge Erwachsene sind häufiger von einer Optikusneuritis betroffen.
- Rauchen.
- Bestimmte Infektionen: Eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus oder Mycoplasma pneumoniae wurden mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Optikusneuritis in Verbindung gebracht.
- Autoimmunerkrankungen: Optikusneuritis ist oft mit Autoimmunerkrankungen assoziiert.
- Familienanamnese: Eine positive Familienanamnese von Optikusneuritis oder Multipler Sklerose kann das Risiko für das Auftreten von Optikusneuritis erhöhen.
Symptome der Optikusneuritis
Die Symptome einer Optikusneuritis können vielfältig sein und variieren je nach Schweregrad der Entzündung. Typische Symptome sind:
- Sehverlust: Plötzlicher Verlust oder schrittweise Verschlechterung des Sehvermögens, meist auf einem Auge. Die Sehschärfe kann von "kein Lichtschein" bis 1,5 reichen, bei zwei Dritteln liegt sie unter 0,5.
- Schmerzen: Dumpfe und/oder pochende Schmerzen hinter dem Augapfel, insbesondere bei Augenbewegungen.
- Eingeschränktes Farbsehen: Farben erscheinen blasser oder werden nicht mehr klar unterschieden. Vor allem die Farbsättigung für Rot ist abgeschwächt.
- Gesichtsfeldausfälle: Einschränkung des Gesichtsfeldes, oft mit einem "blinden Fleck" (Zentralskotom) in der Mitte des Sichtfeldes. Im Gesichtsfeld finden sich meistens Zentral- und Zentrozökalskotome.
- Lichtblitze: Wahrnehmung von Lichtphänomenen. Etwa 30% der Menschen mit einer Optikusneuritis nehmen positive visuelle Phänomene (sogenannte Phosphene) wahr.
- Vermindertes Kontrastempfinden: Schwierigkeiten, Unterschiede zwischen hellen und dunklen Bereichen zu erkennen.
- Uhthoff-Phänomen: Verschlechterung des Sehens bei Erhöhung der Körpertemperatur durch körperliche Anstrengung, heißes Duschen, Baden oder Sport.
- Pupillenreaktion: Bei einer Retrobulbärneuritis liegt oft ein sogenannter relativer afferenter Pupillendefekt (RAPD) vor. Das bedeutet, dass der Sehnerv des betroffenen Auges die eingehenden Lichtsignale nicht so gut ins Gehirn leitet wie der andere Sehnerv. In der Folge verengen sich beide Pupillen weniger, wenn der Arzt das Licht auf das erkrankte Auge richtet, und stärker, wenn er ins gesunde Auge leuchtet.
Diagnose der Optikusneuritis
Die Diagnose der Optikusneuritis basiert auf einer umfassenden augenärztlichen und neurologischen Untersuchung. Zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen gehören:
- Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten ausführlich zur Krankheitsgeschichte, um Informationen über den Beginn der Symptome, Begleiterkrankungen und mögliche Risikofaktoren zu erhalten.
- Bestimmung der Sehschärfe: Mithilfe einer in bestimmten Abstand angebrachten Buchstaben- oder Zahlentafel wird die Sehschärfe bestimmt.
- Test der Pupillenreaktion: Der Arzt leuchtet abwechselnd mit einer kleinen Lampe in die Augen und beobachtet die Reaktion der Pupillen.
- Prüfung der Augenbeweglichkeit: Der Arzt überprüft die Beweglichkeit der Augen, um festzustellen, ob Augenbewegungen Schmerzen verursachen oder Doppelbilder auftreten.
- Bestimmung des Gesichtsfeldes: Das Gesichtsfeld wird getestet, um Einschränkungen im peripheren Sehen festzustellen.
- Untersuchung des Augenhintergrundes (Funduskopie): Der Arzt untersucht den Augenhintergrund, um Veränderungen der Papille (Austrittsstelle des Sehnervs) und der Netzhaut zu beurteilen. Bei einer Papillitis ist die Papille typischerweise gerötet und geschwollen. Bei einer Retrobulbärneuritis ist die Funduskopie normalerweise unauffällig.
- Prüfung der Farbwahrnehmung: Die Farbwahrnehmung wird getestet, um Störungen im Farbensehen zu erkennen.
- Visuell evozierte Potenziale (VEP): Mithilfe von VEP kann die Leitungsgeschwindigkeit des Sehnervs überprüft werden.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT des Gehirns und des Rückenmarks wird durchgeführt, um Entmarkungsherde zu identifizieren, die auf Multiple Sklerose hinweisen könnten. Typisch ist Kontrastmittelaufnahme in den T1-Sequenzen.
- Liquorpunktion: Bei Verdacht auf Multiple Sklerose kann eine Liquorpunktion durchgeführt werden, um Entzündungszeichen in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit nachzuweisen.
- Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen können durchgeführt werden, um andere Ursachen der Optikusneuritis auszuschließen, wie z.B. Infektionen oder Autoimmunerkrankungen.
Differenzialdiagnosen
Es ist wichtig, andere Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome wie eine Optikusneuritis verursachen können. Zu diesen Differenzialdiagnosen zählen unter anderem:
- Stauungspapille: Erhöhter Hirndruck, der zu einer Schwellung der Papille führt.
- Vergiftungen: Insbesondere Alkohol.
- Tumore: Tumore, die auf den Sehnerv drücken.
- Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON): Sie beginnt wie eine Optikusneuritis akut beginnt, allerdings ohne Augenbewegungsschmerz. Meist erkrankt innerhalb weniger Wochen auch das zweite Auge. Sie tritt vorzugsweise bei jungen Männern auf. Die Sehminderung ist ausgeprägt und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, irreversibel. In 95 % der Fälle findet sich eine typische Mutation im mitochondrialen Genom.
- Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION).
Behandlung der Optikusneuritis
Die Behandlung der Optikusneuritis zielt darauf ab, die Entzündung zu reduzieren, die Symptome zu lindern und das Sehvermögen wiederherzustellen. Die Behandlung hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung ab.
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- Kortikosteroide: Entzündungshemmende Medikamente wie Kortikosteroide werden häufig eingesetzt, um die Entzündung des Sehnervs zu reduzieren. Diese verkürzen nachweislich die Zeit bis zur Erholung der Sehfähigkeit, jedoch ohne Einfluss auf das funktionelle Endergebnis und auf das Auftreten einer Multiplen Sklerose.
- Plasmapherese: Bei schweren Fällen kann eine Plasmapherese in Betracht gezogen werden, um schädliche Antikörper aus dem Blut zu entfernen.
- Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die Optikusneuritis im Rahmen einer anderen Erkrankung auftritt, wie z.B. Multipler Sklerose, muss auch diese Grunderkrankung behandelt werden.
- Symptomatische Behandlung: Schmerzmittel können zur Linderung von Schmerzen eingesetzt werden.
- Visuelle Rehabilitation: Nach einer Sehnerventzündung kann die Sehkraft beeinträchtigt sein. Eine visuelle Rehabilitation, die von einem Optometristen oder Orthoptisten durchgeführt wird, kann helfen, die verbleibende Sehkraft zu maximieren und dem Patienten bei der Anpassung an mögliche Sehveränderungen zu unterstützen.
Verlauf und Prognose
Die Prognose der Optikusneuritis ist insgesamt gut. Etwa 95 % der Patienten erlangen mit der Zeit wieder ein fast normales Sehvermögen. In seltenen Fällen kommt es zu dauerhaften Einschränkungen des Sehvermögens. Das Sehvermögen kehrt fast immer nach ein paar Tagen oder Wochen zurück. In manchen Fällen dauert es allerdings Monate, bevor alle Symptome verschwunden sind.
Innerhalb von 5 Jahren kommt es bei insgesamt 30 % der Patient*innen zu einem Rückfall. Dieser kann am zuerst betroffenen, aber auch am anderen Auge auftreten. Zwischen der Sehnervenentzündung und dem späteren Entstehen der Multiplen Sklerose können viele Jahre liegen.
Bei der atypischen Form der Sehnerventzündung kann die Prognose in Bezug zur Wiederherstellung des Sehvermögens ungünstiger ausfallen. Dies trifft besonders zu, wenn die Erkrankung Neuromyelitis optica vorliegt.
Was eine Sehnerventzündung mit Multipler Sklerose zu tun hat
Die Beziehung zwischen Sehnerventzündung und MS ist sehr eng: Etwa die Hälfte aller MS-Betroffenen hatte zuvor eine Sehnerventzündung und bei etwa 15 bis 20 Prozent der MS-Patienten und -Patientinnen markiert eine Sehnerventzündung den ersten MS-Schub. Während hier also die Sehnerventzündung und der Ausbruch der MS zusammenfallen, liegen bei anderen Betroffenen Jahre zwischen der Entzündung des Sehnervs und der späteren MS. Die Wahrscheinlichkeit, zehn Jahre nach einer Sehnerventzündung an MS zu erkranken, liegt bei etwa 40 Prozent und 40 Jahre nach der Entzündung bei etwa 60 Prozent.
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