Orgasmus fürs Gehirn: Wissenschaftliche Erkenntnisse über das Feuerwerk der Lust

Auch wenn Sex offensichtlich eine körperliche Angelegenheit ist, entsteht das wahre Feuerwerk im Gehirn. Wenn wir Sex haben, scheint zwar der Unterleib die Regie zu übernehmen, doch dieser Eindruck täuscht. Erst durch ein komplexes Zusammenspiel von Nervenzellen und Botenstoffen wird aus der Turnstunde ein leidenschaftliches Erlebnis. Der Orgasmus, ein Zustand höchster Lust und tiefster Entspannung, ist ein Phänomen, nach dem fast alle streben. Er schenkt intensive Verbundenheit, entfacht Leidenschaft und treibt uns an. Doch was genau löst in unserem Körper jenen berauschenden Höhepunkt aus? Warum erreichen ihn manche leicht, andere mitunter gar nicht?

Die Rolle von Neurotransmittern

Eine wichtige Rolle spielen diverse als Neurotransmitter bezeichnete Botenstoffe. Wie etwa Dopamin, das auf dem Gipfel der Lust in großen Mengen ausgeschüttet wird. Dopamin aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn massiv, und dadurch geraten wir in einen Rausch der Euphorie. Die Vorgänge, die sich dabei in unserem Oberstübchen abspielen, gleichen den Effekten von Heroin oder Kokain. Tatsächlich ist Dopamin wohl auch dafür verantwortlich, dass wir uns beim Schmusen mitunter wie Süchtige verhalten.

Noradrenalin und Endorphine

Einen großen Anteil an der rauschhaften Euphorie von Verliebten hat das Noradrenalin. Der in der Nebenniere gebildete Neurotransmitter hebt auch die Laune, erhöht unsere Aufmerksamkeit, vertreibt Hunger und Müdigkeit und dämpft Schmerzen. Wie körpereigene Schmerzmittel wirken die so genannten Endorphine. Beim Sex fördern sie die Entspannung und helfen so vor allem Frauen, zum Höhepunkt zu gelangen. Für viele Frauen spielt das Loslassen-Können eine große Rolle. Je mehr sie dem Partner vertraut und sich von ihm begehrt fühlt, desto leichter klappt es mit dem Höhepunkt.

Serotonin und die Refraktärzeit

Dass der Körper nach dem Höhepunkt wieder herunterfährt und - zumindest beim Mann - eine Weile nicht für sexuelle Stimuli empfänglich ist, liegt an einem Neurotransmitter, der nach dem Orgasmus vermehrt ausgeschüttet wird. Der Hirnbotenstoff Serotonin steigert zwar das Wohlempfinden, kann aber gleichzeitig die Erregung blockieren. Männer erleben eine sogenannte Refraktärzeit. Während dieser können sie eine erneute Stimulation der Genitalien zwar spüren, doch im Orgasmussystem im Gehirn tut sich derweil nichts.

Der Hypothalamus als Dreh- und Angelpunkt

Dreh- und Angelpunkt unserer Lust ist der Hypothalamus. Die Hirnregion stellt eine Verbindung zwischen Nervensystem und Hormonen her. Lange Zeit war dieser Teil unseres Denkorgans vor allem dafür bekannt, dass er uns ermöglicht, in Angst- und Stresssituationen blitzschnell zu reagieren. Doch nicht nur Bedrohung aktiviert den Hypothalamus, sondern auch Zärtlichkeit. Berührungssignale beim Sex steigern seine Aktivität stetig weiter, bis sie in der Freisetzung großer Mengen des Bindungshormons Oxytozin beim Orgasmus gipfelt. Nach dieser Entladung nimmt die Aktivität des Hypothalamus schlagartig ab.

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Das Belohnungssystem des Gehirns

Auch das Belohnungssystem des Gehirns ist beim Sex aktiv. Zwei Hirnbereiche, der Nucleus accumbens und der Nucleus caudatus, sowie der Botenstoff Dopamin regulieren Motivation und Lust. Sie reagieren auf ganz unterschiedliche Reize und lassen uns nach den verschiedensten Belohnungen streben: einem guten Essen etwa, Geld oder einer Droge, die direkt auf die Dopamin-Ausschüttung im Hirn wirkt.

Unterschiede zwischen Mann und Frau?

Ob sich die Erregungsmuster im Hirn von Mann und Frau unterscheiden, wird noch erforscht. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, als gesichert können diese Erkenntnisse jedoch noch nicht angesehen werden. Beobachtet wurde zum Beispiel ein Unterschied in der Amygdala. Dieses Hirnareal ist für die (Wieder-)Erkennung von möglichen Gefahrsituationen und die Entstehung von Angst mit all ihren körperlichen Reaktionen zuständig. Bei Frauen, so berichteten niederländische Forscher, sei die Amygdala während des Höhepunkts regelrecht lahmgelegt. So wichtig Genitalien, Hormone und Neurotransmitter für den Orgasmus und die menschliche Fortpflanzung sind, sie alle sind letztlich nur Instrumente im Orchester der menschlichen Sexualität. Der Dirigent ist das Gehirn, vor allem das bei uns Menschen besonders stark entwickelte Großhirn.

Küssen als erster Schritt

Die erste wichtige Hürde im Annäherungsprozess ist das Küssen. Tausende von Nervenzellen schicken die dabei entstehenden Berührungsreize von Lippen, Zunge und Mund an den so genannten somatosensorischen Kortex, einem Teil der Großhirnrinde, der diese Informationen verarbeitet. Auch wenn Forscher noch darüber spekulieren, warum der Homo sapiens das Aneinanderpressen des Mundes mit dem des Partners als lustvoll empfindet: In vielen Fällen entscheidet der erste Kuss darüber, ob aus einer Romanze mehr wird oder nicht. Studien zeigen, dass sich viele Menschen schon einmal zu einem Partner hingezogen fühlten, bis es zur Berührung von Lippen und Zunge kam und jegliches Verlangen erlosch. Warum das im einen Fall passiert und im anderen nicht, weiß bis heute niemand. Dass Küssen (auch) dem Sondieren potentieller Geschlechtspartner dient, ist plausibel. Zum einen können wir beim Küssen gleich mehrere Eindrücke vom Partner unmittelbar wahrnehmen: seinen Blick, seinen Geruch, seinen Atem und - vielleicht - das eine oder andere zärtlich geflüsterte Wort.

Der motorische Kortex und die bewussten Bewegungen

Wie wir uns während des Liebesspiels räkeln, ist vor allem Sache des motorischen Kortex. Er steuert die bewussten Bewegungen, zum Beispiel, wenn wir merken, dass vielleicht eine andere Stellung besser wäre oder wenn wir überlegen, wie wir es am besten anstellen, dass der Partner oder die Partnerin möglichst unsere Schokoladenseite zu Gesicht bekommt.

Das Abschalten von Kontrollinstanzen

Es gibt Hinweise darauf, dass einige Hirnregionen beim Sex ruhig werden, solche nämlich, die unser Verhalten und unsere Erregung im Alltag gezielt bremsen oder unterdrücken. Einer Studie französischer Wissenschaftler zufolge scheint etwa der Gyrus rectus im linken Stirnlappen das sexuelle Verlangen zu hemmen. Sie untersuchten gesunde Männer und solche, die - aus ungeklärten Gründen - für sexuelle Reize unempfänglich waren. Als die Forscher den gesunden Männern erotische Videos präsentierten, nahm die Aktivität im Gyrus rectus deutlich ab. Vorm Höhepunkt schalten sich auch bei der Frau bestimmte Hirnareale ab, vor allem Teile des so genannten Frontallappens, der "Kontrollinstanz" im Kopf. Niederländische Forscher haben zwei Zentren ausgemacht, die nicht aktiv sein sollten, wenn "sie" einen Orgasmus erleben will: Der linke orbitofrontale Kortex, der für die Triebkontrolle und Selbstbeherrschung verantwortlich ist, sowie der dorsomediale Präfrontalkortex.

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Gesundheitliche Vorteile des Orgasmus

Orgasmen gelten als gesundheitsförderlich und sollen Krankheiten vorbeugen. Studien zeigen, dass sich bei Mann und Frau nach dem Orgasmus eine erhöhte Anzahl von Immunglobulinen in Blut und Speichel nachweisen lässt, zudem bewirkt das Hormon Oxytocin eine tiefere Entspannung, was die Regeneration des Körpers erhöht. Und umgekehrt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen körperlicher Fitness, gesteigerter Erregbarkeit und häufigeren oder intensiveren Orgasmen?

Sexuelle Dysfunktion und Leistungsdruck

Die Aufklärung der meisten Jugendlichen findet nicht in der Schule oder im Elternhaus, sondern beim Porno-Schauen im Internet statt. Diese Bilder bauen Leistungsdruck auf. Mit Folgen: Bis zu 30 Prozent der Männer zwischen 18 und 24 Jahren sind von sexuellen Dysfunktionen betroffen. Studien zufolge hat die Hälfte der Frauen bereits einen Höhepunkt vorgetäuscht. Während Männer so gut wie immer kommen, erleben den Klimax nur 65 Prozent der heterosexuellen Frauen.

Der weibliche Orgasmus aus evolutionärer Sicht

An der Universität Wien forscht die Evolutionsbiologin Prof. Mihaela Pavličev zum Sinn des weiblichen Orgasmus. "Einerseits ist er für den Fortpflanzungserfolg nicht erforderlich, und andererseits ist der Orgasmus-Reflex zu komplex, um bloß ein evolutionärer Unfall zu sein." Um diese Lücke im biologischen Wissen zu schließen, untersucht sie die Anatomie weiblicher Säugetiere. Die Erkenntnisse über die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsteile könnten dabei helfen, die Ursachen für den "Orgasm-Gap" zu entschlüsseln.

Neuronale Aktivität während des Orgasmus

Zwei Erkenntnisse zieht das Team um die Forscherin Nan Wise von der Rutgers University in Newark aus ihrer Studie: Es gibt keinen nennenswerten Unterschied zwischen Eigen- und Partnerstimulation, zumindest in neuronaler Hinsicht, und mitnichten mussten Frauen, die zum Orgasmus kamen, dazu vorher kognitiv "abschalten". Im Gegenteil, die meisten Hirnareale schienen ihr Erregungsniveau im gleichen Maße zu steigern wie die Probandinnen in der Röhre. Nach dem Höhepunkt setzte auch im Gehirn eine Art Entspannung ein. Allerdings wurden Areale in Hirnstamm und Mittelhirn besonders aktiv, von denen man weiß, dass sie an der Schmerzregulation beteiligt sind.

Dopamin und das Begehren in Paarbeziehungen

Forschende haben herausgefunden, wodurch das Gehirn leidenschaftliches Begehren erzeugt und damit Paarbeziehungen stabilisiert. Demnach spielt dafür der Hirnbotenstoff Dopamin eine entscheidende Rolle, wie das Team anhand von Wühlmäusen ermittelte. Der Partnerkontakt flutet das Belohnungszentrum mit Dopamin und sorgt so für das motivierende Glücksgefühl der Liebe. Die Analyse ergab: Während die Mäuse den Hebel drückten oder über den Zaun kletterten, wurde ihr Belohnungszentrum im Gehirn mit Dopamin überflutet. Die Hormonwelle hielt auch dann noch an, als die wiedervereinigten Partner sich anschließend beschnupperten und miteinander kuschelten.

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Die biologische Signatur des Verlangens

Damit könnten die Forschenden eine „biologische Signatur des Verlangens“ entdeckt haben. Dopamin ist demnach ein wesentlicher Treiber, um soziale Beziehungen zu knüpfen und insbesondere um Paarbeziehungen aufrecht zu erhalten.

Die Nachhaltigkeit der Sehnsucht

Um das herauszufinden, trennten Pierce und ihre Kollegen ein Mäusepaar für vier Wochen. Während dieser Zeit finden wildlebende Präriewühlmäuse normalerweise einen neuen Partner, berichten die Forschenden. Es zeigte sich: Die beiden Tiere erinnerten sich zwar aneinander und verhielten sich entsprechend vertrauter als gegenüber Fremden, zeigten jedoch weniger Interesse aneinander als vor der Trennung. Ihr Gehirn wies bei den Berührungen des Partners zudem kaum noch Dopamin auf, wie die Messdaten ergaben. Der Hormonspiegel glich dem von zwei fremden Mäusen bei einer Begegnung.

Konsequenzen für die Trauerbewältigung

„Wir betrachten dies als eine Art Reset im Gehirn, der es dem Tier ermöglicht, weiterzumachen und möglicherweise eine neue Bindung einzugehen“, sagt Seniorautorin Zoe Donaldson von der CU Boulder. Umgekehrt könnten trauernde Menschen, die sich getrennt haben oder ihren Partner verloren haben, von dem entdeckten Mechanismus profitieren. Denn der Mangel an Dopamin im Gehirn könnte Liebeskummer durch unerwiderte Liebe mit der Zeit auf natürliche Weise abschwächen. Damit könnten die Erkenntnisse aber auch für Menschen hilfreich sein, die ungewöhnlich lange trauern.

Oxytocin und die Treue in Langzeitbeziehungen

Für Treue in Langzeitbeziehungen ist im Übrigen ein anderes Hormon verantwortlich, das Oxytocin, wie frühere Studien an Präriewühlmäusen ergeben haben. Ob Oxytocin oder andere Hormone beim Begehren mit Dopamin zusammenwirken, bleibt unklar und muss weiter erforscht werden, betonen Pierce und ihre Kollegen.

Der Ablauf eines Orgasmus

Die innere Spannung steigt. Die Herzfrequenz erhöht sich, der Atem geht schneller, kleine Härchen stellen sich auf. Dann plötzlich: Muskelkontraktionen im Körperinneren, Krämpfe und unbeschreibbare Lustgefühle. Der Ablauf eines Orgasmus. Bei Männern zieht er relativ schnell vorüber, bei Frauen kann er immerhin bis zu 30 Sekunden andauern. Dann macht sich Erlösung breit, Glücksgefühle und eine wohlige Erschöpfung stellen sich ein. Manche Paare lachen nun vor Freude, und es ist der Moment gekommen, dem Partner die drei magischen Worte „Ich liebe dich“ ins Ohr zu hauchen. Der sexuelle Höhepunkt macht Spaß, und das ist der Hauptgrund, weswegen er immer wieder von Neuem gesucht wird.

Die Evolution des weiblichen Orgasmus

Doch warum hat die Evolution den Orgasmus der Frau hervorgebracht? Frauen müssen ihn schließlich nicht unbedingt haben, damit eine Befruchtung stattfindet. "Aber er ist hilfreich", erklärt Reproduktionsmediziner und Gynäkologe Johannes Huber auf der Jahrestagung für Sexualmedizin in Salzburg. Er hat mit seiner Arbeitsgruppe an der Universität Wien gezeigt, dass beim Orgasmus der Frau der Botenstoff Oxytocin in hoher Dosierung freigesetzt wird.

Postorgastische Blutabnahme bringt neue Erkenntnisse

So konnten die Forscher der Frage nachgehen, welche Funktionen das Oxytocin beim Orgasmus hat. Zunächst einmal ist dieser Botenstoff in der Lage, die Beckenbodenmuskulatur zum Kontrahieren zu bringen, was eine Mitursache für den lustvollen orgastischen Moment ist. Des Weiteren zieht eine große Menge von Oxytocin die Konzentration des luteinisierenden Hormons (LH) mit nach oben, das den Eisprung auslöst. "Wenn zum Zeitpunkt des Orgasmus auch der Eisprung, die Ovulation, gerade in der Nähe ist, wird dieser durch den Orgasmus getriggert. Der Orgasmus der Frau ist also hilfreich dafür, dass eine Befruchtung stattfindet", stellt Johannes Huber fest.

Bindungshormone und dauerhafte Partnerschaft

Allerdings ist die Evolution nicht nur daran interessiert, dass so viele Zeugungsakte wie möglich zustande kommen, sondern auch, dass es möglichst viele, gesunde Nachkommen gibt, die behütet aufwachsen können. "Dazu ist es wichtig, dass sich das Paar nachhaltig aneinander gebunden fühlt, und das ist eine weitere Hauptfunktion des Orgasmus", erklärt Huber. Und deswegen, so die Theorie, werden beim Orgasmus Bindungshormone ausgeschüttet. Eines davon ist Oxytocin, ein richtiges Multitalent unter den Hormonen. Es sorgt nicht nur für die Kontraktion der Gebärmuskeln und bereitet dem Eisprung den Weg, sondern ist überdies das „Hormon der Nähe“. Es wird als Antistresshormon angesehen, das die Paarbildung erleichtert, für Frauen wie Männer.

Oxytocin als Treuehormon

Die Forscher verabreichten insgesamt 57 erwachsenen männlichen Probanden entweder Oxytocin oder Placebo in Form von Nasenspray. Dann trat eine attraktive Wissenschaftlerin als Experimentatorin auf. Die Probanden gingen auf sie zu und blieben im Schnitt in einem Abstand von etwa 60 Zentimetern vor ihr stehen, mal mehr oder mal weniger nah. „Das Oxytocin wirkte hier als Treuehormon“, fasst Mitautor René Hurlemann aus Bonn das Ergebnis zusammen. Männer mit Partnerinnen gingen auf Distanz zur attraktiven Forscherin. Single-Männer und unbehandelte Kontrollpersonen unterlagen indes der sexuellen Anziehungskraft der Experimentatorin.

Prolaktin und die Neurogenese

Nun ist der Botenstoff Oxytocin sehr flüchtig, und es stellt sich die Frage, ob Orgasmushormone auch Nachhaltigkeit in der Partnerbindung erzeugen können. Diese Frage kann bejaht werden, denn ein weiterer Vorgang, den der Orgasmus mit sich bringt, ist ein Ausstoß des Hormons Prolaktin. Es ist das Befriedigungshormon. Es sorgt dafür, dass Männer nach dem Sex einschlafen - oder es zumindest gerne tun würden - und dass Frauen sich anschließend in die Arme des Mannes kuscheln. „Und zudem dient Prolaktin der Neurogenese, es lässt die Nerven im Gehirn sprießen“, so Huber.

Anatomische Voraussetzungen

Neben allen an der Sexualität beteiligten Hormonen ist auch die Anatomie entscheidend dafür, ob eine Frau zum Höhepunkt kommt oder nicht. Maßgeblich ist nämlich der Abstand zwischen Klitoris und Vagina. Ist er groß, wird die Klitoris beim normalen Sexualakt nur wenig stimuliert, die Beteiligung der Klitoris bei der Penetration ist dann gering.

Die Aktivität des Gehirns während des Orgasmus

Während des Orgasmus ist die Aktivität des Gehirns größer als zu jeder anderen Zeit - sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Die erste Gehirnregion, die aktiv wird, ist der genitale sensorische Cortex, der in der Scheitelmitte sitzt (Lobulus paracentralis). Je mehr erotisch sensible Körperregionen gleichzeitig stimuliert werden, desto größer ist die im genitalen Cortex aktivierte Region, und desto intensiver kann ein Orgasmus werden. Der genitale Cortex aktiviert das limbische System, zum Beispiel den Hippocampus und die Amygdala, die beide bei der Emotionsverarbeitung eine Rolle spielen. Die Amygdala trägt auch dazu bei, dass Herzfrequenz und Blutdruck jetzt ansteigen. Während sich der Orgasmus aufbaut, löst das Kleinhirn vielfältige Muskelspannungen aus. In der Insula und im Gyrus cinguli beobachten wir derweil Aktivität, die wir sonst sehen, wenn jemand Schmerz empfindet. Das ist interessant, weil die Schmerzempfindlichkeit während des Orgasmus eigentlich deutlich nachlässt. Auf dem Höhepunkt des Orgasmus spielen vor allem der Nucleus accumbens und der Hypothalamus eine Rolle. Der Nucleus accumbens ist Teil des Lustzentrums des Gehirns und reagiert sehr empfindlich auf Dopamin. Die Zellen im vorderen Teil des Hypothalamus produzieren Oxytocin, das auch als „Kuschelhormon“ bekannt ist und zum starken orgasmischen Wohlgefühl beitragen mag. Auch Oxytocin treibt Herzschlag und Blutdruck in die Höhe, und es sorgt auch dafür, dass sich die Pupillen beim Orgasmus weiten.

Die Erforschung des Orgasmus: Ein historischer Überblick

Seit Ende der 1940er Jahre versuchen Forscher, die Geheimnisse des sexuellen Höhepunkts mit wissenschaftlichen Methoden zu ergründen. Sie fotografieren oder filmen Probanden beim Sex und lassen Männer im Labor in Reagenzgläser ejakulieren. Sie erkunden mit Druckmesssonden, Leuchtdioden sowie mechanischen Phalli die Vaginen der Probandinnen. Bis in die 1950er Jahre hatte kein Wissenschaftler ernsthaft erforscht, was beim Sex geschieht. Das änderte sich mit den Amerikanern William Masters und Virginia Johnson. Bereits die körperlichen Voraussetzungen zum Erleben des Hochgefühls sind höchst unterschiedlich. Bei Männern beginnt die sexuelle Erregung mit erotischen Gedanken oder intimen Berührungen, die bestimmte Nerven im Rückenmark aktivieren. Durch das Zusammenspiel von Kopf und Unterleib weiten sich in der Folge die Blutgefäße in den Schwellkörpern, die den Penis der Länge nach durchziehen.

Unterschiede zwischen Mann und Frau beim Orgasmus

Anders als Männer, deren Orgasmus selten länger als einige Sekunden anhält, berichten manche Frauen von Höhepunkten, die weit über eine Minute andauern. Ebenso wenig präzise lässt sich festmachen, wie der Einzelne die höchste Lust empfindet, denn Gefühle entziehen sich weitgehend den Messapparaten der Forscher. Beiden Geschlechtern gemein ist auch, dass während des Höhepunkts Atemfrequenz und Puls auf das Doppelte des Ruhezustands steigen, die Gefäße werden stärker von Blut durchflossen, Muskeln und Organe mit mehr Sauerstoff versorgt.

Das Belohnungssystem und lustfördernde Stoffe

Bei Frauen wie Männern ist zudem das sogenannte Belohnungssystem aktiv und überschwemmt das Gehirn mit dem Botenstoff Dopamin. Dieses Hormon erhöht das Verlangen nach mehr - also danach, unbedingt den Orgasmus zu erreichen. Weitere lustfördernde Stoffe werden im Körper ausgeschüttet, was dazu führt, dass schließlich die Geschlechtsteile bei anhaltender Stimulation zu zucken beginnen und wir die Schwelle zum Höhepunkt überschreiten.

Die Evolution des weiblichen Orgasmus: Hypothesen

An der Funktion des männlichen Höhepunkts gibt es aus Sicht der Evolutionsbiologie ja keine Zweifel. Weil Männer keine Kinder austragen und stillen müssen, geben sie ihre Gene am erfolgreichsten weiter, wenn sie sich möglichst oft mit möglichst vielen verschiedenen Frauen paaren. Frauen dagegen können empfangen, ohne zum Orgasmus gekommen zu sein. Und so fragen sich Forscher: Warum ist er überhaupt entstanden? Bis heute spekulieren die Biologen darüber. Die Vertreter der Aspirations-Hypothese gehen davon aus, dass der weibliche Höhepunkt die Befruchtung erleichtert: Die beim Orgasmus zuckenden Muskeln im Unterleib transportierten das Sperma zügiger in die Gebärmutter und erhöhten so die Chance auf eine Empfängnis. Die Vertreter der Nebenprodukt-These vermuten, die Fähigkeit zum Orgasmus sei derart wichtig für den männlichen Fortpflanzungserfolg, dass sie sich sehr tief im menschlichen Erbgut verankert habe. Frauen hätten demnach den sexuellen Höhepunkt als eine Art Nebenprodukt ohne evolutionären Nutzen geerbt (aus dem gleichen Grund haben Männer Brustwarzen).

Verschiedene Arten weiblicher Orgasmen?

Die Sexualforscher streiten auch darüber, ob es mehrere Arten weiblicher Orgasmen gibt. Allgemein anerkannt ist, dass die meisten Frauen am häufigsten und einfachsten durch Stimulation der Klitoris zum Höhepunkt kommen. Erst Studien in den 1950er und 1960er Jahren zeigten, dass das Innere der Vagina vergleichsweise unempfindlich ist und mehr als zwei Drittel der Frauen durch dortige Penetration allein nicht den Höhepunkt erreichen, sondern durch Stimulation der Klitoris. Die Diskussion, ob es verschiedene Arten weiblicher Orgasmen gibt (und wenn ja, wie viele), hält aber an. Inzwischen gehen viele Forscher von einem „klitoralen Komplex“ aus.

Probleme beim Erreichen des Orgasmus

Auch bei ihren Problemen mit dem Höhepunkt unterscheiden sich die beiden Geschlechter: Männer haben selten Schwierigkeiten, einen Orgasmus zu erleben. Vielen Frauen fällt es dagegen schwer, beim Geschlechtsverkehr überhaupt einen Höhepunkt zu erleben. Neben mangelnder Stimulation sind es häufig psychische Gründe, die den Weg zum Höhepunkt blockieren. Zu viel Nähe und Vertrautheit können die Leidenschaft ersticken. Bei Männern kann das Erektionsprobleme bewirken, gegen die es inzwischen wirksame Mittel gibt. Bei Frauen führt es dazu, dass sie sich nicht ausreichend entspannen können, um einen Orgasmus zu erleben.

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